Urteil des LAG Köln vom 26.07.2005

LArbG Köln: betriebsrat, vertagung, abstimmung, beratung, thüringen, verfügung, arbeitsgericht, verhinderung, beendigung, spikes

Landesarbeitsgericht Köln, 9 TaBV 5/05
Datum:
26.07.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 TaBV 5/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 6 BV 26/04
Schlagworte:
Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs wegen eines
Verfahrensfehlers
Normen:
§ 76 BetrVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Über einen Antrag auf Vertagung der Sitzung hat die Einigungsstelle
mit Mehrheit zu beschließen.
2. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn der Vorsitzende der
Einigungsstelle allein über den Vertagungsantrag entscheidet.
3. Es ist ermessensfehlerhaft, wenn die Sitzung einer Einigungsstelle mit
Schlussberatung und Abstimmung über den zunächst verabredeten
Endzeitpunkt hinaus fortgesetzt wird, obwohl für einen Beisitzer die
weitere Teilnahme an der Sitzung zumutbar ist und auch kein
Ersatzbeisitzer geladen worden ist. Ein in Abwesenheit des Beisitzers
gefasster Spruch der Einigungsstelle ist wegen Verstoßes gegen
elementare Verfahrensgrundsätze unwirksam.
4. Eine Pairing-Regelung bedarf der Zustimmung aller Mitglieder der
Einigungsstelle.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Aachen vom 17. November 2004 – 6 BV 26/04 –
abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11.
Februar 2004 betreffend einer Regelung betrieblicher
Arbeitsschutzmaßnahmen über Arbeitsmittel (Tasche, Karren und
Taschenlampe), Schutzkleidung (Jacke, Handschuhe und Spikes)und
persönliche Schutzausrüstung (Reflektoren und Warnhilfsmittel)
unwirksam ist.
2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht
zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
3
Die Beteiligten verhandelten seit längerer Zeit über die den Zeitungszustellern zur
Verfügung zu stellenden Arbeitsschutzmittel, seit März 2001 in der hierfür eingesetzten
Einigungsstelle. Sitzungen der Einigungsstelle fanden statt am 20. Juli 2001, 13.
September 2001, 6. Dezember 2001 und nach längerem Stillstand am 22. Januar 2004.
Am 22. Januar 2004 vertagte sich die Einigungsstelle auf den 11. Februar 2004, 14.30
Uhr, wobei der Vorsitzende darum bat, dass an diesem Tag die Betriebsräte sich ab
etwa 17.30 Uhr für den Beschluss über eine Betriebsvereinbarung im Betrieb bereit
halten sollten.
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Vor der Sitzung am 11. Februar 2004 teilte der Vorsitzende mit, aufgrund der
Stellungnahmen der Beteiligten zu einem von ihm übermittelten Entwurf einer
Betriebsvereinbarung bezweifele er, dass eine Einigung erzielt werden könne, er werde
seinen Entwurf zur Abstimmung stellen und bei einer Ablehnung dem
Regelungsvorschlag der Beteiligten zustimmen, der seinen Vorstellungen am nächsten
komme.
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Am 11. Februar 2004 erschien der Vorsitzende aufgrund einer Verkehrsstörung erst um
15.30/15.40 Uhr im Sitzungsraum. Er versuchte sodann in mehreren getrennten
Gesprächen mit jeweils den Beisitzern einer Seite und dem betreffenden
Verfahrensbevollmächtigten eine mehrheitsfähige Beschlussvorlage zu finden. Gegen
18.00 Uhr erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats, dass er gegen 22.15
Uhr den Betrieb verlassen müsse, um nach Berlin zurückzureisen. Auch danach führte
der Vorsitzende die getrennten Gespräche weiter. Die Betriebsräte, die sich für eine
Beschlussfassung bereit gehalten hatten, verließen den Betrieb.
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Gegen 22.00 Uhr überreichte der Vorsitzende jeder Seite den Entwurf einer
Betriebsvereinbarung. Die vom Betriebsrat bestellten Beisitzer baten ihn um einen
Teilspruch, der einige zu regelnde Gegenstände zunächst ausnehme. Zudem baten sie
ihn um Vertagung der Verhandlung, da der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats
am nächsten Morgen in B sein müsse und ein vom Betriebsrat bestellter Beisitzer, Herr
A , am nächsten Morgen einen Termin in der Nähe der tschechischen Grenze habe. Der
Vorsitzende lehnte den Vertagungsantrag mit der Begründung ab, er strebe eine
abschließende Regelung an und sehe keinen hinreichenden Vertagungsgrund. Als der
Vorsitzende um 22.15 Uhr alle Einigungsstellenmitglieder zusammenrufen wollte, stellte
er fest, dass die vom Betriebsrat bestellten Beisitzer und der Verfahrensbevollmächtigte
des Betriebsrats nicht mehr im Betrieb anwesend waren. Der Vorsitzende ließ in
Abwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin zunächst über seinen
Entwurf und sodann über den Entwurf der von der Arbeitgeberin bestellten Beisitzer
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abstimmen, wobei er nicht mitstimmte. Sein Entwurf wurde einstimmig abgelehnt,
während dem Entwurf der von der Arbeitgeberin bestellten Beisitzer einstimmig
zugestimmt wurde. Sodann stellte er fest, dass die Einigung zwischen Betriebsrat und
Arbeitgeber durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt sei.
Am 8. März 2004 erhielt der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats das Protokoll
der Sitzung vom 11. Februar 2004 sowie den Spruch der Einigungsstelle.
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Mit dem am 20. April 2004 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antrag begehrt
der Betriebsrat Feststellung, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist.
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Er ist der Ansicht, der Spruch sei am 11. Februar 2004 unter Verstoß gegen wesentliche
Verfahrensvorschriften zustande gekommen. Der Vorsitzende hätte gemäß dem Antrag
der vom Betriebsrat bestellten Beisitzer die Verhandlung vertagen müssen. Denn am 22.
Januar 2004 sei nach einem Hinweis des Beisitzers A und des
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf ihre terminlichen Verpflichtungen am
12. Februar 2004 verabredet worden, dass die Sitzung der Einigungsstelle am 11.
Februar 2004 spätestens zwischen 18.30 Uhr und 18.45 Uhr beendet werden solle. Der
Vorsitzende der Einigungsstelle habe es am 11. Februar 2004 nach 19.00 Uhr trotz
mehrmaliger Aufforderung durch die vom Betriebsrat bestellten Beisitzer abgelehnt, die
getrennten Verhandlungen über mehrfach an diesem Tag veränderte
Beschlussvorlagen zu beenden und mit der gemeinsamen Beratung und Abstimmung
zu beginnen. Schließlich hätten die vom Betriebsrat bestellten Beisitzer dem
Vorsitzenden erklärt, aus ihrer Sicht sei jetzt Schluss, die Mitglieder des Betriebsrats
hätten bereits nach Hause geschickt werden müssen, weil sie aufgrund ihrer
Zustellertätigkeit gegen 2.00 Uhr nachts aufstehen müssten. Zudem hätten sie den
Vorsitzenden daran erinnert, dass er dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats
versprochen habe, ihn um 22.00 Uhr zum Nachtzug nach Düsseldorf zu bringen, und
dass Herr Altenburg noch eine lange Autofahrt nach Thüringen bei schlechten
Witterungsverhältnissen vor sich habe. Der Vorsitzende habe darauf nicht reagiert,
sondern sich auf den Weg zur Arbeitgeberseite gemacht. Es sei sowohl Grundsatz der
Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden als auch gegen das Gebot der
mündlichen Verhandlung verstoßen worden.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
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festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11. Februar 2004
betreffend einer Regelung betrieblicher Arbeitsschutzmaßnahmen über
Arbeitsmitteln (Tasche, Karren und Taschenlampe), Schutzkleidung (Jacke,
Handschuhe und Spikes) und persönliche Schutzausrüstung (Reflektoren und
Warnhilfsmittel) unwirksam ist.
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Die Arbeitgeberin hat beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, am 22. Januar 2004 sei keine besondere Zeitabsprache getroffen worden.
Der Vorsitzende sei sichtlich irritiert gewesen, als er am 11. Februar 2004 die vom
Betriebsrat bestellten Beisitzer und den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats
nach 22.00 Uhr nicht mehr angetroffen habe und vom Pförtner erfahren habe, dass sie
den Betrieb verlassen hätten. Da die vom Betriebsrat bestellten Beisitzer der
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gemeinsamen Sitzung ferngeblieben seien, habe ohne sie der die Einigung der
Betriebspartner ersetzende Beschluss gefasst werden können.
Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Beschluss vom 28. Oktober 2004 den Antrag des
Betriebsrats zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 76 Abs. 5 S. 2
BetrVG habe der Beschluss in Abwesenheit der vom Betriebsrat bestellten Beisitzer
gefasst werden können. Diese Beisitzer hätten sich am 11. Februar 2004 ohne triftigen
Grund entfernt, nachdem der Vorsitzende vor dem Hintergrund der jahrelangen Dauer
der Einigungsstelle berechtigterweise eine Vertagung abgelehnt habe. Zu dem
Zeitpunkt sei die Angelegenheit bereits hinreichend mündlich beraten gewesen. Für
eine abschließende Beratung habe Gelegenheit bestanden, nachdem der Vorsitzende
beide Seiten zusammengerufen habe.
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Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 17. Dezember 2004 zugestellt worden. Er hat
hiergegen am 16. Januar 2005 Beschwerde einlegen und diese – nach Verlängerung
der Begründungsfrist – am 16. März 2005 begründen lassen.
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Er trägt vor, der Vorsitzende habe es trotz einer am 21. Januar 2004 getroffenen
Vereinbarung, die Sitzung am 11. Februar 2004 spätestens um 18.45 Uhr zu beenden,
bis 22.00 Uhr unterlassen, die gemeinsame Sitzung der Einigungsstelle zu eröffnen. Es
sei nach 22.00 Uhr über Gegenstände abgestimmt worden, über die bis dahin nicht
gemeinsam verhandelt worden sei.
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Der Betriebsrat beantragt,
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unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.
November 2004 – 6 BV 26/04 – entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag zu
erkennen.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, eine Zeitabsprache für die Sitzung am 11. Februar 2004 habe es nicht
gegeben und hätte ohnehin der Zustimmung der von ihr bestellten Beisitzer bedurft. Die
Angelegenheit sei in den vorangegangenen Sitzungen ausführlich erörtert worden. Am
11. Februar 2004 hätte nach der vom Vorsitzenden um 22.00 Uhr bestimmten
Zusammenkunft aller Beisitzer binnen kurzer Zeit der Spruch der Einigungsstelle
gefasst werden können. Der Beisitzer A sei nicht auf ein minutengenaues Ende der
Einigungsstelle angewiesen gewesen. Im Übrigen wäre die Arbeitgeberseite bereit
gewesen, auf die Teilnahme eines von ihr bestellten Beisitzers zu verzichten, wenn ihr
mitgeteilt worden wäre, Herr A müsse aus zwingenden Gründen die Verhandlung
verlassen. Da der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats ohnehin nicht bei der
Beschlussfassung habe anwesend sein dürfen, könne auf seine Terminverpflichtung
nicht abgestellt werden.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die von ihnen gewechselten
Schriftsätze verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Anhörung gewesen sind.
24
II.
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1
ArbGG in Verbindung mit § 87 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt
und begründet.
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2. Die Beschwerde ist auch begründet.
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Der am 11. Februar 2004 durch die Einigungsstelle gefasste Spruch ist aufgrund eines
Verfahrensfehlers unwirksam.
29
a) Das Verfahren der Einigungsstelle ist gesetzlich nur in Grundzügen geregelt. Von der
in § 76 Abs. 4 BetrVG vorgesehenen Möglichkeit, die weiteren Einzelheiten in einer
Betriebsvereinbarung zu regeln, haben die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens
keinen Gebrauch gemacht. Das Gesetz schreibt in § 76 Abs. 3 BetrVG lediglich die
mündliche Beratung, die Abstimmung durch den Spruchkörper, den
Abstimmungsmodus, die schriftliche Niederlegung und die Zuleitung der Beschlüsse
vor. Der damit gewährte Freiraum für das Einigungsstellenverfahren wird allerdings
durch allgemein anerkannte elementare Grundsätze begrenzt. Zu diesen gehören nach
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts u. a. die rechtzeitige und
ordnungsgemäße Unterrichtung der Einigungsstellenmitglieder über Ort und Zeit der
Sitzungen, die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Beschlussfassung auf Grund
nichtöffentlicher mündlicher Beratung (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 2002 – 1
ABR 18/01 -).
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b) Die Notwendigkeit, dass die Einigungsstellenmitglieder über Zeit und Ort der Sitzung
durch ordnungsgemäße Einladung oder aufgrund gemeinsamer Verabredung
unterrichtet sind, ergibt sich aus der Funktion der Einigungsstelle als eines
beschlussfassenden Gremiums. Werden Entscheidungsbefugnisse mehreren Personen
gemeinsam zugewiesen, so geschieht dies, um zu ermöglichen, dass unterschiedliche
Interessen und Auffassungen in den Entscheidungsprozess einfließen. Dies gilt für die
Einigungsstelle nicht anders als für den Betriebsrat, die Mitgliederversammlung eines
Vereins oder den Aufsichtsrat einer Handelsgesellschaft. Der Zweck würde verfehlt,
wenn ein Teil der Mitglieder des Beschlusskörpers von der gemeinsamen
Meinungsbildung und Entscheidung ausgeschlossen wäre und auf diese Weise ihre
Mitwirkung unmöglich gemacht werden könnte (vgl. BAG, Beschluss vom 27. Juni 1995
– 1 ABR 3/95 -).
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c) Zwar lagen keine Mängel bei der Einladung der Einigungsstellenmitglieder vor. Am
22. Januar 2004 war verabredet worden, die Sitzung am 11. Februar 2004 ab 14.30 Uhr
im Betrieb der Arbeitgeberin fortzusetzen. Die Sitzung ist an diesem Tag auch zunächst
ordnungsgemäß durchgeführt worden. Mit der Eröffnung ist bis zum Erscheinen des
Vorsitzenden um 15.30 Uhr gewartet worden. In allseitigem Einverständnis hat der
Vorsitzende zunächst versucht, in getrennten Verhandlungen mit den Beisitzern und
Verfahrensbevollmächtigten jeder Seite einen mehrheitsfähigen Beschlussentwurf zu
finden, über den sodann ab 17.30 Uhr sowohl die Arbeitgeberin als auch der im Betrieb
anwesende Betriebsrat hätten befinden können.
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d) Jedoch ist gegen elementare Verfahrensgrundsätze verstoßen worden, als der
Vorsitzende um 22.00 Uhr über den Antrag der vom Betriebsrat bestellten Beisitzer auf
Vertagung der Sitzung keinen Beschluss der Einigungsstelle herbeiführte, sondern den
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Antrag mit der Begründung ablehnte, er strebe eine abschließende Regelung an und
sehe keinen hinreichenden Vertagungsgrund.
aa) Zutreffend weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass über einen Zeitrahmen oder die
Vertagung die Einigungsstelle zu entscheiden hat. Wird zu Beginn der Sitzung kein
Zeitrahmen festgelegt, kann jederzeit eine Vertagung beantragt worden, über die in der
Einigungsstelle mit Mehrheit abgestimmt wird (vgl. Pünnel/Isenhardt, Die
Einigungsstelle des BetrVG 1972, 4. Aufl., Rdn. 98; Friedemann, Das Verfahren der
Einigungsstelle für Interessenausgleich und Sozialplan, 1997, S. 247). Als Begründung
für eine Vertagung können die persönlichen Bedürfnisse der Beisitzer oder auch die
Grenzen der Belastbarkeit herangezogen werden (vgl. Hase u.a., Handbuch für die
Einigungsstelle, 3. Aufl., S. 112).
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bb) Es kann dahinstehen, ob am 22. Januar 2004 der vom Betriebsrat vorgetragene
Zeitrahmen für die Sitzung am 11. Februar 2004 gemeinsam festgelegt worden war, also
eine Beendigung gegen 18.45 Uhr. Diese Absprache war dadurch überholt, dass im
Verlauf der Verhandlung eine spätere Beendigung auch von den vom Betriebsrat
bestellten Besitzern durch Erklärung gegenüber dem Vorsitzenden akzeptiert worden
war. Nunmehr sollte die Sitzung so rechtzeitig geschlossen werden, dass der Beisitzer
Altenburg und der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats noch in der Nacht nach
Thüringen bzw. nach Berlin reisen konnten.
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cc) Als gegen 22.00 Uhr eine Vertagung der Sitzung von den vom Betriebsrat bestellten
Beisitzern beantragt wurde, hätte der Vorsitzende eine Mehrheitsentscheidung in der
Einigungsstelle herbeiführen müssen.
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Stattdessen hat er ausweislich des Sitzungsprotokolls – verfahrensfehlerhaft - allein
entschieden.
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Zudem hat er die angeführten Vertagungsgründe (Verhinderung des
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats und des Beisitzers Altenburg) insgesamt
als nicht hinreichend beurteilt.
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Soweit es bei dieser Beurteilung um die Verhinderung des Verfahrensbevollmächtigten
des Betriebsrats ging, mag es noch angehen, darauf zu verweisen, bei der
gemeinsamen Schlussberatung und Abstimmung habe dieser ohnehin nicht anwesend
sein dürfen. Damit wird allerdings das Vorbringen des Betriebsrats außer Acht gelassen,
der Vorsitzende habe zugesagt, auf der Heimreise den Verfahrensbevollmächtigten um
22.00 Uhr zum Nachtzug nach Düsseldorf zu bringen, was bedeutete, dass er
angekündigt hatte, selbst ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der Einigungsstelle zur
Verfügung zu stehen.
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Jedenfalls war die Entscheidung ermessensfehlerhaft, soweit sie die Verhinderung des
Beisitzers A betraf. Herr A hatte als Beisitzer an der gemeinsamen Schlussberatung und
Abstimmung teilzunehmen. Wann dieser Verfahrensteil abgeschlossen war, war nicht
absehbar. An diesem Tag hatte der Vorsitzende ausschließlich getrennte
Verhandlungen geführt. Eine Einigung war nicht erkennbar. Vielmehr hatte Betriebsrat
zuletzt zum Ausdruck gebracht, er strebe im Hinblick auf die
Meinungsverschiedenheiten zunächst nur eine Teilregelung durch Spruch an. Zwar
hatte der Vorsitzende dazu erklärt, er strebe eine abschließende Regelung an. Dies
bedeutete aber nicht, dass die vom Betriebsrat bestellten Beisitzer in der zwingend
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vorgesehenen Schlussberatung (vgl. BAG, Beschluss vom 18. Januar 1994 – 1 ABR
43/93 -) nicht diese Auffassung vorbrachten, begründeten und darüber diskutieren
wollten. Für Herrn Altenburg war es nicht zumutbar, seine Abreise von Aachen nach
Thüringen weiter hinauszuschieben, wobei es nicht nur um (wenige)
Minuten, sondern angesichts der Erfahrungen gerade in dieser Einigungsstelle um eine
viel längere Zeit gehen konnte. Er hatte sich seit 14.30 Uhr für die Sitzung bereit
gehalten und ab 15.30 Uhr, also während 6 ½ Stunden, für die Gespräche des
Vorsitzenden mit den vom Betriebsrat bestellten Beisitzern zur Verfügung gestanden.
Bei seinen Planungen für die Abreise nach Thüringen hatte er davon ausgehen dürfen,
dass gegen 17.30 Uhr geklärt war, ob es - ggf. nach einer Schlussberatung der
Arbeitgeberin und des Betriebsrats - zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kam
oder ob durch den Spruch der Einigungsstelle zu entscheiden war. Wenn er gleichwohl
bis 22.00 Uhr gewartet hatte, war damit die äußerste Grenze dessen erreicht, was er
sich selbst zumuten konnte. Er durfte nicht übermüdet die mehrstündige Reise bei
schlechten Witterungsverhältnissen antreten.
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Die Ladung eines Ersatzbeisitzers für Herrn A ist von dem Vorsitzenden nicht in
Erwägung gezogen worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Ersatzbeisitzer zu
diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand.
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Ebenso hat der Vorsitzende nicht die von der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren
vorgebrachte Pairing-Regelung angesprochen, wonach bei der Schlussberatung und
Abstimmung auf einen von der Arbeitgeberin bestellten Beisitzer bei Abwesenheit von
Herrn A hätte verzichtet werden können. Eine solche Regelung hätte im Übrigen der
Zustimmung aller Mitglieder Einigungsstelle bedurft, also auch der vom Betriebsrat
bestellten Beisitzer (vgl. Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 21. Aufl., § 76 Rdn. 51).
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Nach alledem war zwingend die Vertagung der Einigungsstellensitzung geboten, so
dass auch die Einigungsstelle als zuständiges Gremium dem Antrag der vom
Betriebsrat bestellten Beisitzer hätte stattgeben müssen.
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e) Die fehlende Vertagung führt zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs.
Verstößt die Einigungsstelle gegen Verfahrensgrundsätze, die für ihre Tätigkeit
unabdingbar sind, so ist ihr Vorgehen nicht mehr von der im Betriebsverfassungsgesetz
enthaltenen Ermächtigung gedeckt. Dabei ist unerheblich, ob Herr A durch Teilnahme
an der Abstimmung den von der Einigungsstelle gefassten Spruch hätte verhindern
können. Nach dem in § 76 Abs. 3 BetrVG für die Beschlussfassung vorgeschriebenen
Verfahren soll die Entscheidung der Einigungsstelle möglichst das Ergebnis eines
Willensbildungsprozesses sein, der auf gemeinsamer Betratung beruht. Dabei kommt es
auf die Teilnahme jedes einzelnen Mitgliedes an (vgl. BAG, Beschluss vom 27. Juni
1995 – 1 ABR 3/95 -).
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R e c h t s m i t t el b e l e h r u n g :
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Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Die entscheidungserheblichen Fragen
sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a ArbGG wird hingewiesen.
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(Schwartz) (Glock) (Usdowski)
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