Urteil des LAG Köln vom 12.05.2010

LArbG Köln (kläger, rechtsfrage von grundsätzlicher bedeutung, arbeitsbedingungen, hypothetischer parteiwille, betriebsübergang, auslegung, arbeitsverhältnis, verwirkung, bag, folge)

Landesarbeitsgericht Köln, 3 Sa 1310/09
Datum:
12.05.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Sa 1310/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 1 Ca 1672/09
Schlagworte:
Betriebsübergang, Bezugnahmeklausel, Auslegung, Verwirkung
Normen:
§ 613 a BGB, § 242 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Informiert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit
einem Betriebsübergang über die danach geltenden
Arbeitsbedingungen (hier: Auslegung einer Bezugnahme- klausel) und
manifestiert sich diese Auslegung deutlich in den vom Arbeitgeber
praktizierten Arbeitsbedingungen, so ist dem Arbeitnehmer eine
klageweise Geltendmachung der ursprünglichen Arbeitsbedingungen
nach 22 Monaten wegen eingetretener Verwirkung nicht mehr möglich.
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Bonn vom 08.10.2009 – 1 Ca 1672/09 – abgeändert und die Klage wird
abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten darüber, ob das Tarifwerk der Deutschen Telekom AG mit dem
Tarifstand 24.06.2007 auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis
Anwendung findet oder ob ausschließlich die Tarifverträge der Beklagten gelten.
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Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die als Tarifpartner sowohl der
Deutschen Telekom AG als auch der Beklagten die für den Rechtsstreit maßgeblichen
Tarifverträge abgeschlossen hat. Die Beklagte ist 100 %-tiges
Konzerntochterunternehmen der Deutschen Telekom AG.
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Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der
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erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht
Bonn der Klage stattgegeben und festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis des
Klägers die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG mit dem Tarifstand 24.06.2007
anzuwenden sind. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die
Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 97 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 12.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.11.2009
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist am 10.02.2010 begründet.
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Die Beklagte rügt zunächst weiterhin die fehlende Zulässigkeit des
Feststellungsantrages. Darüber hinaus hält sie die Klage jedenfalls für unbegründet. Sie
verweist insoweit auf mehrere erst- und zweitinstanzliche Entscheidungen
verschiedener Arbeits- und Landesarbeitsgerichte, die diese Rechtsauffassung bestätigt
hätten. Sie meint, mehrere besondere Umstände sprächen vorliegend für eine
Auslegung der streitbefangenen Bezugnahmeklausel als sogenannte
Tarifwechselklausel. So habe der Kläger den Tarifwechsel von der Deutschen
Bundespost zu den Tarifverträgen der Deutschen Telekom AG wider den Wortlaut der
Bezugnahme einvernehmlich mit vollzogen. Es bestehe ein abgestimmtes "Tarifgefüge
Deutsche Telekom" sowie eine besondere Tarifabschlusssituation, die durch das
aufeinander abgestimmte einvernehmliche Handeln der Gewerkschaft ver.di, der
Deutschen Telekom AG und der Beklagten bestimmt werde. Die Arbeitsbedingungen
des Klägers seien nicht einseitig durch die Deutsche Telekom AG und/oder die
Beklagte geändert worden, sondern die Grundlage der Änderung bildeten vielmehr
tarifvertragliche Absprachen mit dem Tarifpartner ver.di. Die Deutsche Telekom AG und
die Beklagte agierten in derselben Branche, sodass kein Branchenwechsel vorliege.
Schließlich handele es sich bei dem Arbeitsvertrag des Klägers aus dem Jahr 1988 um
einen sogenannten "Alt-" Arbeitsvertrag und damit bei der Bezugnahmeklausel um eine
Gleichstellungsabrede im Sinne der alten Rechtsprechung des 4. Senats des
Bundesarbeitsgerichts. Bei der Auslegung der Bezugnahme seien deshalb
Vertrauensschutzaspekte zwingend zu berücksichtigen.
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Die Beklagte meint weiter, der Kläger habe der Änderung der Arbeitsbedingungen
konkludent zugestimmt. Dies ergebe sich daraus, dass die Vertragsparteien
einvernehmlich bereits sechs Jahre vor dem streitgegenständlichen Betriebsübergang
die normativ bei der Deutschen Telekom AG geltenden Tarifverträge auf das
Arbeitsverhältnis trotz des entgegenstehenden Wortlauts der Bezugnahmeklausel zur
Anwendung gebracht hätten. Von daher spräche auch die tatsächliche Durchführung
des Arbeitsverhältnisses seit dem Jahr 2001 für das Vorliegen einer
Tarifwechselklausel, die die Tarifverträge der Beklagten mit umfasse. Ferner sieht sich
die Beklagte aufgrund einer Rechtsfolgenbetrachtung in ihrer Rechtsauffassung
bestätigt. So meint sie, die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung verletzte sie in
ihrem Grundrecht aus Artikel 9 Abs. 3 GG und verstoße zugleich gegen Artikel 2 Abs. 1,
20 Abs. 3 GG sowie §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 TVG. Außerdem entstünden bei einer
Anwendung der klägerischen Rechtsauffassung nicht lösbare Normenkollisionen auf
individualrechtlicher und einzelvertraglicher Ebene.
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Schließlich meint die Beklagte, die vom Kläger geltend gemachten
Feststellungsansprüche seien ungeachtet ihrer materiellrechtlichen Unbegründetheit
jedenfalls verwirkt. Sowohl das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment als auch
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das nötige Umstandsmoment, seien vorliegend gegeben. Der Kläger habe nach dem
Zugang des Belehrungsschreibens der Beklagten vom 17.07.2007 22 Monate bis zum
18.05.2009 mit der Geltendmachung seiner nunmehr von ihm vertretenen
Rechtsauffassung gewartet. Dies führe zwingend zur Bejahung des Zeitmoments. Bei
der Umstands- und Zumutbarkeitsprüfung seien zugunsten der Beklagten sogenannte
Lawinen- und Nachahmeeffekte zu berücksichtigen. Auch sprächen die Leistungen, die
die Beklagte im Hinblick auf das Vertrauen in die Ablösung der Arbeitsbedingungen
gegenüber ihrer Belegschaft erbracht habe und weiter erbringe für das erforderliche
Umstandsmoment. Letztlich würde das gesamte Personalkonzept der Beklagten in
Frage gestellt und ihr eine zeitgemäße Anpassung der Arbeitsbedingungen unmöglich
gemacht, wenn der Verwirkungseinwand nicht eingreife. Die Beklagte habe sich
berechtigter Weise darauf eingestellt, nicht mehr vom Kläger in Anspruch genommen zu
werden. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass nach § 31 Abs. 1 des
Manteltarifvertrages der Deutschen Telekom sowie der Beklagten Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit
schriftlich geltend zu machen seien.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 08.10.2009 mit dem Az.: 1 Ca 1672/09
abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und meint, die
streitgegenständliche Bezugnahmeklausel könne gerade nicht als Tarifwechselklausel
ausgelegt werden. Der Wortlaut enthalte keinen dahingehenden Anhaltspunkt. Auch
eine ergänzende Auslegung führe nicht zu einer Tarifwechselklausel. Ein
hypothetischer Parteiwille, der auch eine Bezugnahme auf die Firmentarifverträge der
Tochtergesellschaften im Konzern der Deutschen Telekom AG einbeziehe, könne nicht
festgestellt werden. Es fehle bereits an einer planwidrigen Lücke. Auch auf die Frage,
ob ein Branchenwechsel vorliege oder nicht, könne es nicht ankommen. Würde man die
Argumentation der Beklagten zu Ende denken, hätte dies zur Folge, dass es bei einem
Outsourcing nie zu einem Branchenwechsel käme und infolge dessen auch stets eine
Tarifwechselklausel vorläge. Schließlich habe der Kläger die Geltendmachung der
tariflichen Ansprüche auch nicht verwirkt. Eine solche Verwirkung scheide von
vornherein aus, da der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 613a BGB
unterrichtet worden sei. Dem Kläger sei im Unterrichtungsschreiben suggeriert worden,
dass die tariflichen Regelungen bei der Beklagten die bisher geltenden tariflichen
Regelungen der Deutschen Telekom AG ablösten. Aufgrund dieser fehlerhaften
Unterrichtung könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sie sich darauf
eingerichtet habe, der Kläger werde die nunmehr klageweise verfolgten Ansprüche nicht
mehr geltend machen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2
ArbGG) und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs.
1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die vorliegende Klage ist bereits
unzulässig. Der Kläger hat das Recht zur klageweisen Geltendmachung seines
Feststellungsbegehrens verwirkt.
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht,
eine Klage zu erheben, verwirkt werden mit der Folge, dass eine gleichwohl
erhobene Klage unzulässig ist (BAG, Urteil vom 19.02.2009 – 8 AZR 176/08, NZA
2009, 1095; BAG, Urteil vom 24.05.2006 – 7 AZR 365/05 jeweils mit umfassenden
weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Das Klagebegehren ist verwirkt,
wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums
erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand beim
Anspruchsgegner geschaffen wird, dass er gerichtlich nicht mehr belangt werde.
Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des
Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs
derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb
angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist (Umstandsmoment).
Bei den an das Zeit- und Umstandsmoment zu stellenden Anforderungen ist zu
berücksichtigen, dass durch die Annahme einer prozessualen Verwirkung der
Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu
rechtfertigenden Weise erschwert werden darf (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2006 - 7
AZR 365/05; BAG, Urteil vom 28.10.2008 – 3 AZR 171/07, NZA – RR 2009, 499
jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
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2. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Sowohl das Zeit- als
auch das zusätzlich erforderliche Umstandsmoment liegen vor.
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a. Der Kläger hat die vorliegende Klage erst nach längerer Zeit erhoben. Spätestens
mit Zugang des gemeinsamen Unterrichtungsschreibens der Beklagten und der
Deutschen Telekom AG vom 17.07.2007 war der Kläger über den
Betriebsübergang und die damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen
Folgen informiert. Mit diesem mehrseitigen Schreiben unterrichteten ihn die
Beklagte und die Deutsche Telekom AG über die zum 01.07.2007 geänderten
Arbeitsbedingungen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wusste der Kläger somit,
wie die Beklagte die streitgegenständliche Bezugnahmeklausel auslegte. Da die
Beklagte zudem die geänderten tariflichen Arbeitsbedingungen ab dem
01.07.2007 auch tatsächlich umsetzte, erhielt der Kläger auch aufgrund dieser
tatsächlichen Handhabung unmittelbare Kenntnis. Gleichwohl rügte er dies nicht,
sondern forderte die Beklagte erstmalig mit dem Schreiben seines
Prozessbevollmächtigten vom 18.05.2009, also 22 Monate nach dem
Betriebsübergang zur Anwendung der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG
auf. Dies stellt bei den vom Kläger geltend gemachten grundlegend
unterschiedlichen Arbeitsbedingungen einen für das Zeitmoment erheblichen
Zeitraum dar.
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b. Neben diesem Zeitmoment ist auch das zusätzlich erforderliche Umstandsmoment
erfüllt. Der Kläger hat durch seine nahezu zweijährige Untätigkeit bei der
Beklagten ein Vertrauenstatbestand geschaffen, dass er die nunmehr erstmalig
geltend gemachte unterschiedliche Tarifgeltung gegenüber der Beklagten nicht
mehr geltend machen werde. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem
Gegenstand der klageweise begehrten Tarifgeltung zu. Der Kläger hat selbst im
Einzelnen ausgeführt, dass sich seine Arbeitsbedingungen in ganz erheblicher
Weise verändert haben. Die Anwendung des Tarifwerks betrifft unter anderem
Entgeltansprüche, Teile solcher Ansprüche, Zuschläge, Zulagen, die Arbeitszeit,
Versorgungsansprüche, Urlaubsansprüche, Altersteilzeitansprüche etc. Nach
seiner eigenen Darstellung hat sich das Lohn-Leistungsverhältnis zu seinen
Lasten um mehr als 44 % verschoben. Diese, insbesondere auch finanziellen
Belastungen, hat der Kläger unmittelbar wahrgenommen. Sie haben sich bei ihm
ab dem 01.07.2007 in jeder monatlichen Vergütungsabrechnung dokumentiert.
Wenn der Kläger trotz dieser erheblichen, unmittelbar und deutlich spürbaren
Auswirkungen der geänderten Tarifanwendung diese unwidersprochen hinnimmt,
muss die Beklagte jedenfalls nach einem gewissen Zeitraum berechtigterweise
davon ausgehen dürfen, dass der Kläger insoweit auch zukünftig keine Einwände
erheben wird.
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Hieran ändert auch das Unterrichtungsschreiben der Beklagten und der Deutschen
Telekom AG vom 17.07.2007 nichts. Der Kläger meint, er sei bezüglich der geänderten
Tarifanwendung insoweit fehlerhaft unterrichtet worden. Die Unterrichtung sei nicht
konkret und präzise genug gewesen. Im Gegenteil sei auf die hier
streitgegenständliche Bezugnahmeklausel überhaupt nicht eingegangen worden.
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Vielmehr habe man dem Kläger im Unterrichtungsschreiben suggeriert, dass die
tariflichen Regelungen bei der Beklagten die bisher geltenden tariflichen Regelungen
der Deutschen Telekom AG ablösten. Aufgrund dieser fehlerhaften Unterrichtung
könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie habe sich darauf eingerichtet, von
dem Kläger nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Diese Argumentation des Klägers vermag den Einwand der Prozessverwirkung nicht
zu entkräften. Unabhängig von der Frage, ob das Unterrichtungsschreiben tatsächlich
ungenau oder fehlerhaft ist, führt die dort geschilderte Geltung der neuen Tarifverträge
der Beklagten jedenfalls nicht dazu, dass eine Berufung auf den Verwirkungseinwand
treuwidrig wäre. Im Gegenteil hat die Beklagte in dem Unterrichtungsschreiben
insoweit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie mit Vollzug des
Betriebsübergangs davon ausgeht, dass nunmehr die ihrem Unternehmen geltenden
Tarifverträge zur Anwendung kommen und die früheren tariflichen Regelungen der
Deutschen Telekom AG nicht mehr gelten. Für den Kläger stand somit ab dem
17.07.2007 zweifelsfrei fest, dass die Beklagte die bisher geltenden Tarifverträge nicht
mehr anwenden würde. Umso mehr hätte ihn daher dieses Unterrichtungsschreiben
dazu veranlassen müssen, sich gegen die Rechtsauffassung der Beklagten zu wenden
und die Fortgeltung der tariflichen Bestimmungen der Deutschen Telekom AG
einzufordern. Dies hat er jedoch unstreitig über einen Zeitraum von nahezu zwei
Jahren nicht getan.
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In diesem Zusammenhang ist auch die nach beiden Tarifwerken geltende
sechsmonatige tarifliche Ausschlussfrist von Bedeutung. Zwar betrifft diese
Ausschlussfrist – wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nur einzelne
konkrete Ansprüche des Klägers, nicht jedoch die generelle Frage, welcher Tarifvertrag
auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Gleichwohl kommt der
Ausschlussfrist aus Arbeitgebersicht jedenfalls insoweit Bedeutung zu, als sich das
berechtigte Vertrauen des Arbeitgebers darauf, der Arbeitnehmer werde bestimmte
Ansprüche hier gegenüber nicht geltend machen, mit längerem Zeitablauf immer mehr
verfestigt. Das gilt umso mehr, als es sich vorliegend um monatlich wiederkehrende
Ansprüche handelt.
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Schließlich hat die Beklagte auch unwidersprochen vorgetragen, dass sie sich nach
diesem langen Zeitablauf auf die unterbleibende Geltendmachung der nunmehr
klageweise begehrten Tarifgeltung eingerichtet habe. Nicht zuletzt die geänderte
Tarifgeltung war für sie ein wesentlicher Aspekt bei der mit dem Betriebsübergang
vollzogenen Umstrukturierung. Diese kann aus ihrer Sicht nur erfolgreich vollzogen
werden, wenn jedenfalls nach einem überschaubaren Zeitraum Rechtssicherheit
dahingehend besteht, dass die geänderten Tarifbedingungen von den Arbeitnehmern
akzeptiert werden. Anderenfalls hätte dies einen von der Beklagten so bezeichneten
Lawinen- und Nachahmereffekt zur Folge, der ihr gesamtes Personalkonzept in Frage
stellen würde.
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Nach allem hat die Beklagte berechtigterweise darauf vertraut, vom Kläger insoweit
nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und durfte dies auch berechtigter Weise
tun. Eine Einlassung auf die vorliegende, nahezu zwei Jahre später erhobene Klage ist
der Beklagten daher nicht mehr zumutbar.
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3. Nach allem war daher die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und die
Klage als unzulässig abzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es
nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die Entscheidung auf den
besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG wird hingewiesen.
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Dr. Kreitner Klein Pape
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