Urteil des LAG Köln vom 11.02.2005

LArbG Köln: verletzung arbeitsvertraglicher pflichten, widerklage, die post, internet, arbeitsgericht, duldung, telefon, anfang, aufrechnung, pauschal

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 1018/04
11.02.2005
Landesarbeitsgericht Köln
4. Kammer
Urteil
4 Sa 1018/04
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 13761/02
Private Nutzung von Internet und Telefon des Arbeitgebers
§ 611 BGB
Arbeitsrecht
Ob und in welchem Umfang die Benutzung betrieblicher
Kommunikationseinrichtungen wie Internet und Telefon zu privaten
Zwecken arbeitsvertragswidrig ist, richtet sich primär nach den
arbeitsvertraglichen Regelungen. Fehlt eine solche Regelung, so kann
der Arbeitnehmer in der Regel berechtigter Weise von der Duldung
derartiger Handlungen in angemessenem Umfang ausgehen.
Auf die Berufung der Beklagten und unter deren Zurückweisung im
Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.02.2004 – 8 Ca
13761/02 – wie folgt geändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28,28 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2003 zu zahlen. Im
übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte. Von den Kosten des
Rechtsstreits I. Instanz tragen die Klägerin 5 % und der Beklagte 95 %.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf Auszahlung ihrer Vergütung und
das Bestehen von Gegenansprüchen des Beklagten wegen privater Telefon- und
Internetnutzung durch die Klägerin.
Die Klägerin war zwischen 01.01.2001 und 30.09.2002 mit einem Verdienst von zuletzt
1.943,00 € brutto als Anwaltsgehilfin in der Kanzlei des Beklagten tätig, die dieser in
Bürogemeinschaft mit der Rechtsanwältin B führte. Die Klägerin führte während der
Arbeitszeit vom Büro aus mehrfach private Telefonate; während der Urlaubsabwesenheit
des Beklagten im August 2002 nutzte sie zudem in der Arbeitszeit seinen Internetanschluss
zu Privatzwecken. Während des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin weder zum
Ausgleich für die anlässlich der Privatgespräche entstandenen Telefonkosten
herangezogen, noch wurde ihr deswegen eine Abmahnung erteilt.
Für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses, den September 2002, in dem die Klägerin
zeitweise arbeitsunfähig erkrankt war, führte der Beklagte zwar Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträge ab, zahlte aber den der Höhe nach unstreitigen Nettobetrag
von 1.221,18 € aus der Gehaltsabrechnung nicht an die Klägerin aus.
Mit ihrer am 23.12.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin
zunächst das Ziel verfolgt, den Beklagten zur Auszahlung dieses Betrages verurteilen zu
lassen. Nachdem der Beklagte im Kammertermin am 26.02.2004 die Klageforderung in
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Höhe von 1.018,18 € anerkannt hatte, weswegen ein entsprechendes
Teilanerkenntnisurteil ergangen ist, hat sie die Klageforderung entsprechend auf 203,00 €
reduziert. Bereits am 21.01.2004 hat der Beklagte Widerklage erhoben.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 203,00 € nebst 16 % Zinsen seit der
Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat er beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 1.730,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über
dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat hinsichtlich der zwischen den
Parteien noch streitigen 203,00 € die Aufrechnung mit einem ihm angeblich zustehenden
Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.933,58 € erklärt; mit der Widerklage verfolgt er die
Zahlung des Restbetrages.
Er ist der Ansicht, dass ihm Schadensersatz in der
genannten Höhe zustehe, weil die Klägerin durch das Führen zahlreicher Privattelefonate
und das Surfen im Internet zu Privatzwecken ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt
habe. Ihm stehe daher ein Anspruch auf Ersatz nicht nur der Kosten für die privat geführten
Gespräche, sondern auch hinsichtlich der ihm dadurch verlorenen bezahlten Arbeitszeit der
Klägerin zu, da die anderweitigen Beschäftigungen jeweils zu Arbeitsunterbrechungen
geführt hätten; Ebenfalls verlangt er Ersatz für den zeitlichen Aufwand zur Ermittlung der
einzelnen Telefonverbindungen.
Der Beklagte hat behauptet, der Klägerin von
Anfang an untersagt zu haben, am Arbeitsplatz privat zu telefonieren oder das Internet zu
nutzen. Dennoch habe die Klägerin vom Arbeitsplatz ausgehend Privatgespräche mit einer
Gesamtdauer von 55 Stunden und 22 Minuten geführt und für insgesamt etwa 6 Stunden
privat seine Internetleitung benutzt, hauptsächlich zum Abruf ihrer privaten E-Mails. Zudem
habe die Klägerin ihm – als er nach ihrem Jahresurlaub 2002 ihr gegenüber seine
Empörung über die häufigen Privattelefonate zum Ausdruck gebracht habe – erklärt, dass
sie in 50 % der privat geführten Telefonate angerufen werde.
Unter Zugrundelegung eines Stundenlohns von
13,58 € für die Klägerin sei ihm daher durch die privaten Tätigkeiten der Klägerin am
Arbeitsplatz – neben Telefonkosten in Höhe von 174,72 € – Arbeitszeit im Wert von
insgesamt 1.660,51 € verloren gegangen: Zu den über 55 Stunden, die die Klägerin
tatsächlich mit von ihr ausgehenden Privattelefonaten verbracht habe, komme ein
Aufschlag von 10 % dieser Zeit für Gesprächsvorbereitungen hinzu; außerdem müssten
weitere 55 Stunden und 22 Minuten für diejenigen Gespräche addiert werden, in denen sie
angerufen worden sei, und ebenso die 6 Stunden für die Internetnutzung. Die Ermittlung
der Gespräche habe weitere Kosten in Höhe von 98,35 € verursacht. Wegen der
Zusammensetzung der geltend gemachten Posten wird auf die Aufstellung des Beklagten
auf den Seiten 2 ff. der Klageerwiderung (Bl. 17 ff. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin habe aufgrund der Telefonate während
des Arbeitsverhältnisses die ihr obliegenden, selbständig zu erfüllenden Aufgaben wie die
Aktenbearbeitung im Rahmen der Zwangsvollstreckung, Kostenrechnung, Aufstellung von
Forderungen und das Sortieren von Vollstreckungsunterlagen nur in sehr geringem
Umfang, teilweise auch gar nicht erledigt, selbst wenn ausdrückliche Aufträge seinerseits
bestanden hätten. Dies habe dazu geführt, dass ihre Nachfolgerin seit ihrer Einstellung im
April 2003 2/3 ihrer Arbeitszeit dafür habe aufwenden müssen, Versäumnisse der Klägerin
aufzuarbeiten.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte
mangels eines eigenen Anspruchs nicht aufrechnen könne, und sie ihm auch darüber
hinaus keinerlei Zahlung schulde.
Sie hat überdies den vom Beklagten behaupteten
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Umfang eingehender Privatgespräche ausdrücklich bestritten; der Arbeitsaufwand für die
Auswertung der Einzelverbindungsnachweise ist von ihr ebenso mit Nichtwissen bestritten
worden wie die Richtigkeit der Forderungsaufstellung.
Sie hat behauptet, der Beklagte habe die
Privatgespräche geduldet, so dass sie auch wegen der fehlenden Aufforderung zur
Unterlassung davon ausgegangen sei, er habe keine Einwände dagegen; auch habe der
Beklagte Privattelefonate einer weiteren Mitarbeiterin bis Dezember 2003 geduldet.
Dass die Privatgespräche dem Beklagten von
Anfang an bekannt gewesen seien, ergebe sich daraus, dass – was unstreitig ist – die
Telefonkosten ihm von der Rechtsanwältin B , der Anschlussinhaberin und Adressatin der
Abrechnung der Telekom, unter Vorlage der Einzelverbindungsnachweise in Rechnung
gestellt worden seien. Der Beklagte hätte mithin seine Forderungen bereits im Verlauf des
Arbeitsverhältnisses zeitnah geltend machen können, da ihm diese Nachweise bereits zu
jener Zeit zur Verfügung gestanden hätten.
Auch sei sie nicht etwa wegen der Privattelefonate
ihrer Arbeitspflicht nur mangelhaft nachgekommen. Sie sei die ersten vier Monate ihrer
Tätigkeit für den Beklagten damit beschäftigt gewesen, den von ihr vorgefundenen
desolaten Zustand der Kanzleiverwaltung aufzuarbeiten. Dieser Zustand sei auch der
Grund dafür, dass sie manche unvollständigen Altakten nicht selbständig habe
weiterbearbeiten können und ohne Abrechnung zur Ablage habe verfügen müssen, weil
der Beklagte nicht für Rückfragen zur Verfügung gestanden oder benötigte Informationen
nicht weitergegeben habe. Soweit ihr aber vollständige Akten vorgelegen hätten oder sie
diese selbst angelegt hätte, seien alle Vorgänge ordnungsgemäß abgewickelt worden.
Als die Aufarbeitung erledigt gewesen sei, habe
kein Arbeitsanfall mehr in einer Höhe vorgelegen, durch die sie vollständig ausgelastet
gewesen wäre; wenn ihr aber Arbeiten aufgetragen worden seien, habe sie diese prompt
erledigt. Sie sei allerdings oftmals lediglich anwesend gewesen, um die vom Beklagten
gewünschte ständige Besetzung der Kanzlei auch in den Zeiträumen zu gewährleisten, in
denen er selbst – wie zumeist – auswärtig beschäftigt gewesen sei. Sie habe dann nach
Erledigung der ihr zugewiesenen Aufgaben mangels neuer Anweisungen oftmals
erhebliche Zeiträume des Arbeitstages lang nichts zu tun gehabt und daher kreativ
versucht, sich dann sinnvoll zu beschäftigen, was vom Beklagten geduldet und nicht
beanstandet worden sei. Der Beklagte habe ihr sogar, da eine – unstreitig dem Beklagten
von der Rechtsanwältin B vorgeschlagene – Minderung ihrer Stundenanzahl angesichts
ihrer erforderlichen ständigen Anwesenheit nicht in Betracht gekommen sei, ausdrücklich
genehmigt, privaten Tätigkeiten am Arbeitsplatz nachzugehen. Auch die private
Internetnutzung sei vom Beklagten ausdrücklich genehmigt worden ; jedenfalls habe er
davon gewusst und nicht darauf reagiert.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 26.02.2004
den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 28,28 €
nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2003
zu zahlen; die Widerklage wurde abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat dem Beklagten zwar
die Aufrechnung hinsichtlich der durch die Privatgespräche entstandenen Telefongebühren
in Höhe von 174,72 € gestattet, aber einen weiter gehenden Anspruch verneint. Es hat dies
damit begründet, dass der Beklagte nicht vorgetragen habe, welche Tätigkeiten die
Klägerin in genau derjenigen Zeit hätte ausführen sollen, als sie privat telefoniert habe oder
im Internet gesurft sei; dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es lediglich um
einen Zeitraum von arbeitstäglich etwa 10 Minuten oder knapp 2 % der Arbeitszeit gehe.
Einen solchen Zeitraum könne ein Arbeitnehmer ohne Weiteres durch Intensivierung der
Bearbeitung in der übrigen Arbeitszeit ausgleichen. Auch liege in den Privattelefonaten
kein grundsätzlich arbeitsvertragswidriges Verhalten, da diese – selbst unter
Berücksichtigung der Vorbereitungszeiten und der Annahme, dass die Klägerin zusätzlich
in derselben Anzahl von Fällen angerufen worden sei – keine extensive Form
angenommen hätten und der Arbeitnehmer innerhalb dieses Rahmens durchaus auch im
eigenen Interesse telefonieren dürfe. Dies gelte umso mehr, wenn in der Arbeitszeit reine
Präsenzdienstzeiten lägen.
Hinsichtlich der Kosten für die Ermittlung der
Telefonzeiten sei keine Anspruchsgrundlage für den Beklagten ersichtlich; es habe sich
zum einen um Kosten gehandelt, die ohnehin angefallen wären, zum anderen habe der
Beklagte diese Kosten durch seine eigene Nachlässigkeit verursacht.
Gegen das ihm am 27.07.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24.08.2004 Berufung
eingelegt und diese am 22.10.2004 begründet, nachdem zuvor auf seinen Antrag hin die
Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 17.09.2004 bis zum 26.10.2004
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verlängert worden war.
Er ist der Ansicht, die Privattelefonate der Klägerin
seien schon deshalb nicht grundsätzlich erlaubt gewesen, weil ein diesbezügliches Verbot
bestanden und er sie auch nicht geduldet habe; ebenso wenig könne es darauf ankommen,
ob die Klägerin "extensiv" telefoniert habe oder nicht.
Der Beklagte behauptet diesbezüglich, ihm sei erst
nach der Kündigung der Klägerin durch Berichte ihrer Kolleginnen überhaupt aufgefallen,
dass sie derart häufig privat telefoniert habe. Er habe die Einzelverbindungsnachweise
zuvor nicht kontrolliert, weil die Klägerin für die Rechnungsprüfung zuständig gewesen sei;
zudem habe er keinen Anlass zu Überprüfungen gesehen, weil er nicht von
Privattelefonaten der Klägerin ausgegangen sei und diese aufgrund seiner seltenen
Anwesenheit in der Kanzlei auch nicht mitbekommen habe. Erst nach den Offenlegungen
durch die Kolleginnen habe hierzu ein Anlass bestanden; dies habe er dann auch
nachgeholt.
Zudem habe er der Klägerin gegenüber das
Missfallen gegenüber Privatgesprächen stets zum Ausdruck gebracht, wenn sie auf ihrem
privaten Handy am Arbeitsplatz angerufen worden sei. Er habe hinsichtlich der Tatsache,
dass das Handy stets einsatzbereit auf dem Arbeitstisch der Klägerin gelegen habe, im
Übrigen angenommen, dass sie lediglich SMS-Nachrichten habe empfangen wollen. Die
Klägerin habe ihre Privattelefonate sofort beendet, wenn er die Kanzlei betreten habe; dem
sei zu entnehmen, dass ihr durchaus bewusst gewesen sei, etwas Unrechtes zu tun.
Auch die Internetnutzung der Klägerin sei ihm
wegen seiner häufigen Abwesenheit in der Kanzlei vorher nicht aufgefallen. Diesbezüglich
könne man aber – selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er sich zur fraglichen
Zeit im Urlaub befunden habe – auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin lediglich zur
Besetzung des Büros anwesend hätte sein müssen. In dieser Zeit hätte die Klägerin, wenn
sie tatsächlich ansonsten nichts zu tun gehabt hätte, statt privater Beschäftigungen die Post
auf von ihr selbstständig zu bearbeitende Vollstreckungstitel untersuchen und bei sonstiger
Post Standardanschreiben bzw. -antworten formulieren oder Sachstandsanfragen an
Beteiligte entwerfen können. Zudem hätten selbst zu Zeiten seiner Urlaubsabwesenheit
weitere Aufgaben für die Klägerin bestanden, da er eine Rechtsanwältin beschäftige und
aus deren laufender Tätigkeit Arbeit für die Klägerin angefallen sei.
Auch treffe die vom Arbeitsgericht geäußerte
Vermutung keineswegs zu, dass die Klägerin die mit Privatangelegenheiten verbrachte Zeit
durch intensiveres Arbeiten in der Restzeit kompensiert habe, da sie keineswegs nicht
ausgelastet gewesen sei. Daher sei es ihr auch nicht möglich gewesen, die durch die
Privatgespräche verlorene Zeit durch Intensivierung der Bearbeitung in der verbleibenden
Arbeitszeit auszugleichen, wie sich durch die oftmals nur mangelhaften Ergebnisse ihrer
Tätigkeit gezeigt habe.
Die privaten Telefonate und Internetbesuche der
Klägerin hätten sich daher sehr wohl negativ auf ihre Arbeitsleistung ausgewirkt. Zwar
könne er naturgemäß nicht sagen, welche Angelegenheit die Klägerin zum Zeitpunkt eines
bestimmten Privattelefonats hätte erledigen müssen, doch habe es zur Tätigkeit der
Klägerin gehört, sich ihre Zeit selbst einzuteilen.
Die Klägerin hätte demnach durchaus ihre
Arbeitszeit mit der sorgfältigen Erfüllung derjenigen Aufgaben füllen können, für die sie
bezahlt worden sei, und durch Verlängerung der auf die einzelnen Tätigkeiten gerichteten
Arbeitszeit die Qualität ihrer Leistung erhöhen können. Die mangelnde Arbeitsauslastung
der Klägerin sei mithin ein von ihr selbst geschaffener Umstand gewesen. Selbst wenn die
Klägerin weitere Anweisungen seinerseits benötigt hätte, hätte sie, statt private Telefonate
zu führen, die Akten durcharbeiten und Vorschläge für Vollstreckungsmaßnahmen und
Abrechnungen unterbreiten können.
Wegen der Höhe der geltend gemachten Kosten
wiederholt der Beklagte weitgehend seinen erstinstanzlichen Vortrag. Bezüglich der
Kosten für die Ermittlung der Telefonate ist er der Ansicht, dass das Arbeitsgericht zu
Unrecht von ohnehin entstandenen Kosten ausgegangen sei. Der Arbeitsaufwand für die
Ermittlung sei aber als Schadensersatz zu entgelten, weil bereits deren Notwendigkeit
einen Schaden darstelle.
Der Beklagte beantragt, abändernd
1. die Klage abzuweisen, soweit hierüber nicht durch Teilanerkenntnisurteil vom
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1. die Klage abzuweisen, soweit hierüber nicht durch Teilanerkenntnisurteil vom
26.02.2004 entschieden wurde,
2. auf die Widerklage hin die Klägerin zu verurteilen, an ihn 1.730,58 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz sei Zustellung der Widerklage zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und
wiederholt zur Begründung im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie bestreitet
ausdrücklich, eingeräumt zu haben, dass sie genauso oft am Arbeitsplatz angerufen
worden sei, wie sie selbst von dort aus angerufen habe. Zudem trägt sie vor, dass der
Beklagte ihre Anwesenheit zur bloßen Besetzung des Büros mit der Begründung
gewünscht habe, dass die Mandantschaft von einem Anwalt einen schlechten Eindruck
gewinnen würde, der selbst Telefonate annehme und nicht über ein vollzeitlich besetztes
Sekretariat verfüge.
Soweit der Beklagte sich jetzt über die angebliche Mangelhaftigkeit ihrer Arbeitsleistung
beschwere, sei es verwunderlich, dass diese Vorwürfe nicht bereits im Rahmen des
Arbeitsverhältnisses thematisiert worden seien; jedenfalls habe der Beklagte niemals einen
Eindruck der Unzufriedenheit mit ihrer Leistung vermittelt, sondern sie noch in einem
Gespräch gegen Ende Dezember 2001 sogar ausdrücklich gelobt und seine "absolute
Zufriedenheit" mit ihrer Arbeitsleistung zum Ausdruck gebracht zu haben.
Hinsichtlich der Internetnutzung habe der Beklagte ihr im Sommer 2001 gesagt, dass eine
gesonderte Abrechnung der – von ihr damals mit Wissen des Beklagten für ihre
Hochzeitsvorbereitungen genutzten – Internetverbindungen nicht erforderlich sei, weil er 30
Freistunden bei seinem Internetprovider habe. Im Übrigen habe der Beklagte Kenntnis von
ihrer Internetnutzung erlangt, da er zu einem anderen Zeitpunkt einmal ins Büro gekommen
sei, als sie gerade im Internet surfte; eine Reaktion darauf sei ausgeblieben.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache
nur hinsichtlich des Zinsanspruches Erfolg.
A. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Zahlung weiterer 28,28 € als Arbeitslohn für den
Monat September 2003 aus § 611 Abs. 1 BGB bzw., soweit ein Zeitraum betroffen ist, in
dem sie arbeitsunfähig war, aus §§ 611 Abs. 1 BGB, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1
EntgeltfortzahlungsG zu; dieser Anspruch ist allein wegen Zeitablaufs gemäß § 614 BGB
auch fällig. Unerheblich ist an dieser Stelle, ob der Beklagte wegen mangelhafter
Leistungen grundsätzlich die Vergütung kürzen kann, da hinsichtlich des in Frage
stehenden Monats September keine derartigen Mängel behauptet werden.
B. Dem Beklagten steht kein aufrechenbarer Gegenanspruch gegen diese Forderung zu.
I. Er hat keinen Anspruch auf Schadensersatz für die von der Klägerin auf Privattelefonate
und private Internetnutzung verwendete Arbeitszeit unter dem Gesichtspunkt der
schuldhaften Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten.
1. Hierfür fehlt es bereits am Nachweis einer Pflichtverletzung.
a) Die Benutzung betrieblicher
Kommunikationseinrichtungen – auf die private Internetnutzung sind die zu
Privattelefonaten entwickelten Grundsätze unter Beachtung einiger hier nicht relevanter
Besonderheiten nach verbreiteter Ansicht weit gehend übertragbar (vgl. ArbG Wesel v.
21.03.2001 – 5 Ca 4021/00; ArbG Düsseldorf 01.08.2001 – 4 Ca 3437/01; Ernst, NZA 2002,
585 ff. m.w.N.) – ist nicht grundsätzlich arbeitsvertragswidrig; ob und in welchem Umfang
sie eine Pflichtverletzung darstellt, richtet sich primär nach den arbeitsvertraglichen
Regelungen, insbesondere nach dem Bestehen eines Verbots durch den Arbeitgeber.
Fehlt eine solche ausdrückliche Regelung, so kann
der Arbeitnehmer in der Regel berechtigterweise von der Duldung derartiger Handlungen
ausgehen (ArbG Frankfurt a.M. v. 02.01.2002 – 2 Ca 5340/01; ArbG Wesel v. 21.03.2001 –
5 Ca 4021/00). Die Gestattung des Arbeitgebers zur Privatnutzung von im Betrieb
vorhandenen technischen Einrichtungen in angemessenem Umfang durch die bei ihm
beschäftigten Arbeitnehmer stellt eine im Privat- und Arbeitsleben sozialtypische
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Erscheinung dar, da Kommunikationshandlungen häufig termingebunden sind und der
Arbeitnehmer während der Dauer seines Aufenthaltes im Betrieb private
Kommunikationsmittel nicht oder nur eingeschränkt einsetzen kann (ArbG Frankfurt a.M. a.
a. O.). Zudem ist insbesondere das Telefonverhalten der Arbeitnehmer durch die dem
Arbeitgeber regelmäßig zur Verfügung stehenden Verbindungsnachweise kontrollierbar.
Unter diesen Voraussetzungen ist davon
auszugehen, dass die Klägerin mit einer Duldung ihrer Privattätigkeiten durch den
Beklagten, der auch keine diesbezüglichen Kontrollen durchführte, rechnen durfte. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umfang dieser Telefonate; selbst wenn man den
vom Beklagten behaupteten Zeitraum von gut 55 Stunden für Telefonate in anderthalb
Jahren zu Grunde legt, ergibt sich daraus ein gemessen an der Arbeitszeit der Klägerin
relativ geringer Zeitaufwand von lediglich etwa 10 Minuten pro Tag. Dies ist keineswegs
ein Bereich, in dem sie nicht mehr mit der Duldung rechnen konnte; selbst bei einem
Zeitraum von 80 bis 100 Stunden privater Internetnutzung am Arbeitsplatz innerhalb eines
Jahres ist noch nicht ein Ausmaß erreicht, in dem der Arbeitnehmer zwingend damit
rechnen muss, dass die Duldung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist (vgl. ArbG
Wesel, a. a. O.).
Hiergegen kann der Beklagte nicht einwenden,
dass er häufig abwesend gewesen sei und darauf vertraut habe, dass schon niemand
privat telefonieren werde. Zum einen steht Letzteres im Widerspruch dazu, dass er nach
seiner eigenen Darstellung die Klägerin mehrfach dabei angetroffen hat, privat auf dem
Handy angerufen worden zu sein; zum anderen lässt sich aber auch allein daraus nicht
herleiten, dass Privatgespräche verboten gewesen wären. Zudem steht seine Behauptung,
bereits von Anfang an darauf hingewiesen zu haben, dass die Klägerin die Nutzung von
Telefon und Internet zu privaten Zwecken zu unterlassen habe, in Widerspruch zur laxen
Handhabung der Kontrolle dieses angeblich ausgesprochenen Verbots: Wenn ihm die
Vermeidung von Privattelefonaten so wichtig war, dass er sich von Anfang an berufen
fühlte, ein darauf gerichtetes Verbot auszusprechen, so hätte zumindest die
stichprobenartige Kontrolle der Einzelverbindungsnachweise nahe gelegen. Letztlich aber
ist der diesbezügliche Vortrag des Beklagten gänzlich unsubstantiiert. Sein Beweisangebot
würde daher zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis führen, weil es an der
Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und durch die beabsichtigte
Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen
gewonnen werden sollen (vgl. hierzu BAG v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98; 28.05.1998 – 6
AZR 618/99).
b) Auch eine Pflichtverletzung der Klägerin durch Nichtleistung ist nicht hinreichend
dargelegt.
Der Beklagte beruft sich diesbezüglich lediglich pauschal darauf, dass die Klägerin
gewisse Zeiträume mit Privattelefonaten gefüllt habe, obwohl sie sich auch mit Arbeit hätte
beschäftigen können. Es fehlt dagegen an konkretem Vortrag hinsichtlich der jeweils
unterlassenen Tätigkeiten, so dass in den Einzelfällen nicht festgestellt werden kann, ob
die Klägerin als Rechtsanwaltsgehilfin tatsächlich, wie der Beklagte, hätte wissen müssen,
"was zu tun war".
Soweit der Beklagte pauschal meint, die Klägerin habe jedenfalls immer Post öffnen und
bearbeiten, Akten durcharbeiten und ihm Vorschläge für die Zwangsvollstreckung
unterbreiten können und müssen, so ist insbesondere Letzteres keine Tätigkeit, die von
jeder Anwaltsgehilfin erwartet wird. Überdies hat der Beklagte selbst eingeräumt, dass
manche Nachfragen der Klägerin hinsichtlich bestimmter Akten offengeblieben seien; dies
steht zum einen in Widerspruch dazu, dass sie alle Akten selbstständig hätte bearbeiten
können müssen, und lässt zum anderen nicht erkennen, worin die Pflichtwidrigkeit der
Klägerin liegen soll, wenn sie die entsprechende Akte nicht weiterbearbeitet. Was die
Bearbeitung von Post angeht, so fehlt es an Vortrag dazu, wann denn welche Post
unbearbeitet geblieben sein soll.
2. Überdies ist nicht dargelegt, worin der Schaden des Beklagten liegen soll, sieht man
einmal von den tatsächlichen Telefonkosten ab, über die in der Berufung nicht mehr zu
entscheiden war.
Die Entgeltansprüche der Klägerin bestanden für den fraglichen Zeitraum aus § 611 Abs. 1
BGB allein aufgrund des Arbeitsvertrages. Schuldete aber der Beklagte der Klägerin das
Arbeitsentgelt unabhängig davon, wie gut sie gearbeitet hat, ist nicht ersichtlich, woraus ein
Schaden des Beklagten resultiert haben soll; das Vermögen des Beklagten wäre auch
dann nicht größer gewesen, wenn die Klägerin alle Akten zu seiner vollsten Zufriedenheit
erledigt hätte.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht in Anbetracht der Tatsache, dass der Arbeitnehmer
unter Umständen Schadensersatz schuldet, wenn er selbst zur Unmöglichkeit der von ihm
zu erbringenden Leistung beigetragen hat. Diesbezüglich fehlt es auch nach dem weiteren
Vortrag des Beklagten in der Berufung an einem Nachweis für die Kausalität zwischen der
Privattelefonaten der Klägerin bzw. der Internetnutzung einerseits und der mangelnden
Arbeitsleistung andererseits.
Es ist unstreitig, dass der Beklagte häufig nicht im Büro anwesend war und ebenso, dass
die Rechtsanwältin B ihm vorgeschlagen hatte, die Arbeitszeit der Klägerin zu kürzen.
Diese Umstände lassen den Schluss zu, dass die klägerische Behauptung, wonach sie zu
einem bedeutenden Anteil ihres Arbeitstages nicht ausgelastet gewesen sei, tatsächlich
zutrifft. Da die Klägerin nach dem Wesen des Arbeitsverhältnisses die Anwesenheit und
Erledigung der ihr aufgetragenen Tätigkeiten schuldete, erhöhen sich unter
Berücksichtigung dieser Tatsachen entsprechend die Anforderungen an die
Substantiierung des Vortrags des Beklagten. Um den von ihm behaupteten Schaden durch
die Nichterfüllung der Arbeitspflicht durch die Klägerin nachzuweisen, müsste er daher
darlegen, was genau diese in den einzelnen fraglichen Zeiträumen von ihm aufgetragen
bekommen hat.
Dem wird sein Vortrag nicht gerecht. Soweit er diesbezüglich pauschal behauptet, die
Klägerin habe jedenfalls genug Arbeit gehabt, die sie statt zu telefonieren hätte ausführen
können, so ist dieser Vortrag nach den genannten Maßstäben nicht ausreichend, um
darzulegen, inwiefern die Klägerin in Folge ihrer Nutzung des Internets oder des
Telefonierens zu privaten Zwecken ihr für die jeweiligen Zeiträume aufgetragenen
Beschäftigungen vernachlässigt bzw. nicht erfüllt haben soll.
Auch der Verweis auf die vier angeführten Akten kann insoweit nicht zu einem anderen
Ergebnis führen. Abgesehen davon, dass auch hier zur Kausalität der privaten Tätigkeiten
für die angeblichen Fehlleistungen kein Vortrag erbracht wird, ist bei zweien dieser Akten
nicht einmal ersichtlich, ob sie überhaupt in dem Beschäftigungszeitraum der Klägerin
angelegt bzw. bearbeitet worden sind und welches Versäumnis der Klägerin konkret
vorgeworfen wird. Bei den beiden anderen liegen die vom Beklagten vorgetragenen
Versäumnisse meist erheblich vor der Einstellung der Klägerin, jedenfalls aber vor dem
ersten klagegegenständlichen Telefonat im Mai; insoweit ist die fehlende Kausalität der
Privattätigkeit für die angebliche Pflichtwidrigkeit offensichtlich.
Darüber hinaus keineswegs sicher, dass die
Arbeitszeit tatsächlich verloren gegangen ist und nicht die Klägerin zum Beispiel
Pausenzeiten genutzt, in der verbleibenden Arbeitszeit ihre Arbeit intensiviert oder sogar
während der Telefonate weitergearbeitet hat.
II. Auch kann der Beklagte von der Klägerin keinen
Ersatz für die zur Ermittlung ihrer privaten Telefonate erforderlichen Zeit verlangen. Dies
ergibt sich im Wesentlichen aus den oben bereits genannten Erwägungen, da an einer
haftungsbegründenden Pflichtverletzung fehlt.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich wiederum
die Frage nach einem Schaden des Beklagten stellt, da er die Auszubildende ohnehin
hätte bezahlen müssen und seine Vermögenslage daher auch dann dieselbe gewesen
wäre, wenn die Klägerin kein einziges Privattelefonat geführt hätte.
Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung
ausführt, dass es nicht darauf ankomme, ob die Vergütung an die Auszubildende ohnehin
zu zahlen sei, weil der Anspruch als Schadensersatzanspruch geltend gemacht werde und
der erhebliche durch die Klägerin verursachte Arbeitsaufwand zu entgelten sei, wobei er
die Arbeitgeberbelastung angesetzt habe, und dass die Vergütungspflicht der
Auszubildenden, die mit der Ermittlung der Telefonate betraut war, primär nichts mit dem
gegen die Klägerin gerichteten Anspruch zu tun habe, so ändert dies nichts daran, dass die
Kosten für die Auszubildende ohnehin entstanden wären und insoweit für ihn gar kein
Schaden als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch besteht.
III. Aus dem Vorgesagten ergibt sich zugleich, dass die Widerklage des Beklagten, der
hiermit den über den zur Aufrechnung gestellten Betrag hinausgehenden Teil seiner
Schadensersatzforderung geltend macht, abzuweisen war, da kein Anspruch des
Beklagten gegen die Klägerin besteht.
IV. Die Berufung war insofern erfolgreich, als der Beklagte nur Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2003 zu zahlen hat. Hinsichtlich der Verzinsung
finden §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, nicht aber §§ 291, 288 Abs. 2 BGB Anwendung.
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Das durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
aufgeworfene Problem, ob Entgeltansprüche von Arbeitnehmern bei Verzug oder
Rechtshängigkeit gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit 5 oder nach § 288 Abs. 2 BGB mit 8
Prozent über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind, ist in der Literatur bereits mehrfach
erörtert worden; dabei wird zumeist der Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB der Vorzug
gegeben (vgl. Clemens, ZGS 2003, 80 m.w.N.; Joussen, NZA 2001, 745 (749); Däubler,
NZA 2001, 1329 (1333 f.); Heinrichs in: Palandt, 62. Auflage, § 288 Rdnr. 9, m.w.N.). Die
Rechtsprechung zu dieser Frage war bislang geteilt (vgl. einerseits ArbG Hamburg v.
01.08.2002 – 15 Ca 48/02, ZGS 2003, 79 (für § 288 Abs. 1), andererseits das ArbG Köln als
Vorinstanz in vorliegender Sache (für § 288 Abs. 2)).
Der herrschenden Literaturansicht ist zu folgen (vgl. dazu jetzt auch BAG 23. 02. 2005 – 10
AZR 600 – 603/03, BAG-Pressemitteilung 10/05). Dabei kann die – ihrerseits umstrittene –
Frage dahin stehen, ob Arbeitsverträge tatsächlich Verbraucherverträge sind. Hierdurch
wird, entgegen der Ansicht des ArbG Köln, nicht der vom Richter geschuldete Respekt vor
dem Gesetzgeber missachtet; vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass ihr
Wortlaut nicht gelungen ist und daher, statt an ihm festzuhalten, der Wille des
Gesetzgebers erforscht und zur Geltung gebracht werden muss.
Ausweislich der Regierungsbegründung zu § 288 Abs. 2 BGB (BT-Drs. 14/6040, S. 148)
dient diese Norm der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 2000/35/EG;
sie verwendet dabei aber unglücklicherweise eine negative Formulierung über den
Verbraucherbegriff ("an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist"), während die
umzusetzende Richtlinie ausweislich ihres Art. 1 lediglich "auf Zahlungen, die als Entgelt
im Geschäftsverkehr zu leisten sind," Anwendung finden soll, wobei der Geschäftsverkehr
in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie als "Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmern oder
zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen (...)" definiert ist; von daher hätte keine
Notwendigkeit bestanden, den Verbraucherbegriff im Wortlaut der Norm aufzugreifen.
Aus der Stellungnahme des Bundesrats zur Entwurfsfassung der Norm (BT-Drs. 14/6854,
S. 14) lässt sich sodann entnehmen, dass "der aus der Richtlinie sich ergebende hohe
Zinssatz (...) nicht über den Geltungsbereich der Richtlinie hinaus vorgesehen werden"
sollte, es also tatsächlich nur um die Umsetzung, nicht aber um eine Ausdehnung des
Anwendungsbereichs der Richtlinie gehen sollte. Die diesbezügliche Gegenäußerung der
Bundesregierung (BT-Drs. 14/6854, S. 51) lässt erkennen, dass der gewählte Wortlaut
dazu dienen sollte, diesen Vorschlag des Bundesrats anzunehmen; eine Ausdehnung des
Anwendungsbereiches wurde folglich auch tatsächlich durch die endgültige Fassung nicht
beabsichtigt.
Dafür spricht überdies, dass sich die Begründung ausdrücklich dazu erklärt, warum die
Norm nicht etwa ins HGB aufgenommen wurde, nämlich weil die Regelung "auch für
andere Unternehmer als für Kaufleute gelten muss" (BT-Drs. 14/6040, S. 149). Diese
Erläuterung hat aber nur dann einen Sinn, wenn die Möglichkeit der Einstellung der
Vorschrift ins HGB ernsthaft in Betracht gekommen wäre, woraus sich ebenfalls ergibt, dass
es bei § 288 Abs. 2 BGB nicht um ein Abstellen auf den Verbraucher gehen sollte und die
Erwähnung dieses Begriffs in der Vorschrift lediglich Ergebnis einer unglücklichen
Formulierung ist.
Daher richtet sich die Zinsforderung der Klägerin nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB und beträgt
5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
V. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Kosten der Berufung
waren dem Beklagten unter Anwendung dieser Norm aufzuerlegen, da seine Berufung
allein hinsichtlich des geltend gemachten Zinssatzes erfolgreich war, im wesentlich
überwiegenden Teil jedoch erfolglos geblieben ist. Die Kostenentscheidung hinsichtlich
der 1. Instanz richtet sich nach § 92 Abs. 1 ZPO und dem jeweiligen Anteil des
Unterliegens; sie wurde insoweit ergänzt, als hinsichtlich des Teilanerkenntnisurteils vom
26.02.2004 eine Kostenentscheidung im arbeitsgerichtlichen Urteil unterblieben war.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird
hingewiesen.
(Dr. Backhaus) (Rupp) (Bürvenich)