Urteil des LAG Köln vom 11.12.2008

LArbG Köln: arbeitsgericht, berufungsschrift, vertretung, rücknahme, berufungsbeklagter, prozesspartei, schweigen, rechtsmittelinstanz, erlass, datum

Landesarbeitsgericht Köln, 9 Ta 494/08
Datum:
11.12.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 Ta 494/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 3 Ca 8760/06
Schlagworte:
Kosten - Erstattungsfähigkeit - Berufungsverfahren - Stillhalteabkommen
Normen:
§ 91 Abs. 1 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Nach Einlegung der Berufung darf ein Berufungsbeklagter seinen
Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren mandatieren, auch
wenn der Berufungskläger die Berufung nur „fristwahrend“ eingelegt hat.
2. Der Erstattung der entstandenen Verfahrensgebühr steht nicht
entgegen, dass die Berufung zurückgenommen wurde, bevor sich die
Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten in dem
Berufungsverfahren bestellt hatten oder ansonsten nach außen in
Erscheinung getreten waren.
3. Ein Stillhalteabkommen kommt nicht bereits dadurch zustande, dass
die Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten die Bitter der
Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers, sich zunächst nicht zu
bestellen, nicht beantworten.
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16. Juni
2008 – 3 Ca 8760/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Beschwerdewert: EUR 1.182,00.
G r ü n d e:
1
I. Durch Urteil vom 16. Mai 2007 ist die Klage auf Feststellung einer verringerten
wöchentlichen Arbeitszeit und auf Verzugslohn abgewiesen worden.
2
Dagegen hat die Klägerin am 4. Oktober 2007 Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln
eingelegt. Diese Berufungsschrift ist den auch in der Berufungsschrift bezeichneten
Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15. Oktober 2007 zugestellt worden.
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Mit Schreiben vom 4. Oktober 2007 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die
Prozessbevollmächtigten der Beklagten darauf hingewiesen, die Berufung sei aus
Fristwahrungsgründen eingelegt worden, und gebeten, sich noch nicht für die Beklagten
zu bestellen. Es werde umgehend mitgeteilt werden, ob das Berufungsverfahren
durchgeführt werde oder nicht.
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Nachdem die Klägerin am 30. Oktober 2007 die Berufung zurückgenommen hat, sind
durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 30. Oktober 2007 der Klägerin die
durch die Berufung entstandenen Kosten auferlegt worden.
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Die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 26. Oktober 2007 über
die Berufungsrücknahme unterrichteten Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben
mit Schriftsatz vom 19. November 2007 beantragt, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
Nachdem sie Kenntnis von der bereits am 30. Oktober 2007 getroffenen
Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln erlangt haben, haben sie
Kostenfestsetzung gegen die Klägerin beantragt.
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Durch Beschluss vom 16. Juni 2008 hat das Arbeitsgericht Köln die Kosten, die den
Beklagten von der Klägerin zu erstatten sind, auf EUR 1.182,00 festgesetzt, wobei u. a.
eine 1,1 Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht worden ist.
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Gegen den am 7. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 18. Juli 2008
sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ausweislich der
Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. Oktober 2007 und 26. Oktober 2007
sei ein Stillhalteabkommen zwischen den Parteien geschlossen worden. Erst nach
Rücknahme der Berufung und nach Erlass der Kostenentscheidung durch das
Landesarbeitsgericht Köln am 30. Oktober 2007 seien die Prozessbevollmächtigten der
Beklagten nach außen in Erscheinung getreten, und zwar nicht mit einer
Bestellungserklärung, sondern mit dem Kostenantrag. Da zu diesem Zeitpunkt das
Berufungsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei, sei eine
Verfahrensgebühr für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht entstanden. Bis
zur Rücknahme ihrer Berufung sei das Stillhalteabkommen eingehalten worden.
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Die Beklagten tragen vor, ihre Prozessbevollmächtigten seien auch mit der Vertretung in
dem Berufungsverfahren beauftragt gewesen. Ein Stillhalteabkommen sei nicht
zustande gekommen. Voraussetzung für die Verfahrensgebühr sei nicht, dass ihre
Prozessbevollmächtigten die Vertretung nach außen durch die Bestellung in dem
Berufungsverfahren auch kenntlich gemacht hätten.
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Die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln hat es durch Beschluss vom 19.
November 2008 abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen, und sie dem
Landesarbeitsgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat sie
ausgeführt, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten hätten sich nicht mit dem von
der Klägerin gewünschten Stillhalten einverstanden erklärt. Nachdem von der Klägerin
die Berufung eingelegt worden sei, wenn auch zunächst nur fristwahrend, hätten die
Beklagten ihre Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren beauftragen dürfen.
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II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln der
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sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde (§§ 11 RPflG, 104 ZPO, 567 ZPO) ist
nicht begründet.
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Die den Beklagten durch die Beauftragung und Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten
im Berufungsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von EUR 1.182,00 (1,1
Verfahrensgebühr mit der Erhöhung um 0,3 für mehrere Auftraggeber sowie
Telekommunikationspauschale) sind erstattungsfähig.
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Es handelt sich um notwendige Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung
im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO.
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1. Nach Einlegung der Berufung darf ein Berufungsbeklagter seinen
Prozessbevollmächtigten mit der Rechtsverteidigung in der Berufungsinstanz
mandatieren. Dabei ist nicht entscheidend, ob im konkreten Fall die Beauftragung
nützlich oder gar notwendig ist, sondern ob eine verständige Prozesspartei in der
gleichen Situation ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragen würde. Dies ist
regelmäßig zu bejahen, solange die Berufung nicht zurückgenommen ist, auch wenn sie
nur "fristwahrend" eingelegt worden ist. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei
kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu
veranlassen ist. Ihr kann nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren
Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten (vgl. BGH,
Beschluss vom 17. Dezember 2002 – X ZB 9/02 -; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
7. Juli 2006 – 10 Ta 101/06 -; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 1. September
2006 – 1 Ta 53/06 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. Juli 2008 – 11 W 19/07 -; OLG
Bremen, Beschluss vom 6. August 2008 – 1 W 26/08 -).
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2. Die Beklagten haben dargetan, dass sie ihre erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten, die auch in der Berufungsschrift von der Klägerin als
Prozessbevollmächtigten der (Berufungs-)beklagten bezeichnet worden sind und an die
die Berufungsschrift zugestellt worden ist, auch mit ihrer Rechtsverteidigung in dem
Berufungsverfahren mandatiert hatten. Davon sind im Übrigen die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin von vornherein ausgegangen, als sie die
Prozessbevollmächtigten der Beklagten baten, sich noch nicht im Berufungsverfahren
für die Beklagten zu bestellen. Eine Bestellung konnte nur in Frage kommen, wenn eine
entsprechende Mandatierung erfolgt war.
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Dass es sich um eine generelle, bereits früher erfolgte Mandatierung für
arbeitsrechtliche Rechtsstreitigkeiten erster und zweiter Instanz handelte, kann für die
Frage der Erstattungsfähigkeit nicht von Belang sein (vgl. dazu auch: OLG Karlsruhe,
Beschluss vom 11. Juli 2008 – 11 W 19/07 -).
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3. Dass die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat, bevor die
Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dem Berufungsverfahren sich bestellt hatten
oder ansonsten nach außen in Erscheinung getreten waren, steht dem Entstehen einer
1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV-RVG nicht entgegen. Es genügt vielmehr für
diese Verfahrensgebühr, dass sie sich mit dem erstinstanzlichen Urteil
auseinandergesetzt hatten. Dies musste schon erfolgen, um die Beklagten darüber zu
beraten, was nach Einlegung der Berufung sachgerecht zu veranlassen war (vgl. dazu
auch: LAG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 7. Juli 2006 – 10 Ta 101/06 -; OLG
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Karlsruhe, Beschluss vom 11. Juli 2008 – 11 W 19/07 -; OLG Bremen, Beschluss vom 6.
August 2008 – 1 W 26/08 –).
4. Der Geltendmachung steht nicht ein Stillhalteabkommen der Parteien entgegen.
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Die Beklagten haben der Klägerin zu keinem Zeitpunkt zugesagt, keinen Rechtsanwalt
für die Rechtsmittelinstanz zu beauftragen bis sie erkläre, dass sie die eingelegte
Berufung auch durchführe (vgl. dazu: Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 3200
VV Rdn. 54).
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Sie waren nicht gehalten, auf die entsprechende Bitte der Klägerin zu antworten. Ihr
Schweigen stellte keine bindende Annahmeerklärung dar (vgl. dazu: Gerold-Schmidt-
Müller-Rabe, a.a.O., 3200 VV Rdn. 57).
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Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlicher Anlass.
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(Schwartz)
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