Urteil des LAG Köln vom 17.03.2000

LArbG Köln: firma, holding, kündigung, unternehmensgruppe, arbeitsgericht, betriebsmittel, obergesellschaft, konzern, betriebsrat, inhaber

Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 1564/99
Datum:
17.03.2000
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1564/99
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 14 Ca 10677/98
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 08.07.1999 verkündete Urteil
des Arbeitsgerichts Köln - 14 Ca 10677/98 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Streitwert: DM 38.500,--
T A T B E S T A N D
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(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 20.08.1998
zum 30.10.1998. Der zu 1) beklagte Konkursverwalter hat sie mit der Begründung
ausgesprochen, der Betrieb der von ihm vertretenen Gemeinschuldnerin, der Firma .
werde stillgelegt. Bei der Firma G . handelte es sich um eine Kommanditgesellschaft mit
Sitz in D , vertreten durch die persönlich haftenden Gesellschafter K und die G
Geschäftsführungs GmbH. Ihr Betriebszweck war die Durchführung von
Zentralaufgaben für die Unternehmen der G -Unternehmensgruppe; zu dieser gehörten
im Wesentlichen die G B H G Vertriebs GmbH, die G B GmbH D und die G B GmbH B .
Diese Unternehmen unterhielten bundesweit Baumärkte an 107 Standorten. Der Kläger
hatte mit der Gemeinschuldnerin - nämlich der Firma G & Co. als der Obergesellschaft
und Holding der Unternehmensgruppe - unter dem 16. 02. 1995 einen Arbeitsvertrag
geschlossen, wonach er für sie als Revisor eine bestimmte Anzahl von Baumärkten -
zuletzt 11 - in den neuen Bundesländern zu überprüfen hatte. Über das Vermögen der
Firma G & Co. sowie der marktbetreibenden Gesellschaften wurde am 01. 04. 1998 das
Konkurs- verfahren eröffnet. Zum Konkursverwalter der Firma G & Co. (Holding) sowie
der Firma G B H G Vertriebs GmbH wurde der Beklagte bestellt, für die übrigen
Gesellschaften RA P . Die Beklagte zu 3), Mitgliedsgesellschaft der R
Unternehmensgruppe in der Rechtsform einer GmbH, übernahm zunächst 42,
letztendlich 54 Baumärkte, darunter acht der vom Kläger betreuten, einschließlich der
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dort beschäftigten Mitarbeiter. Hingegen wurde allen 500 Mitarbeitern der G & Co.
(Holding), darunter dem Kläger, vom beklagten Konkursverwalter gekündigt; 54 von
ihnen wurden später von der Beklagten zu 3) eingestellt. Der Kläger hat die Ansicht
vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei auf die Beklagte zu 3) übergegangen, da er in den
übernommenen Baumärkten seinen Arbeitsplatz gehabt habe.
Das Arbeitsgericht hat die zunächst auch gegen die Beklagte zu 2) - nämlich die als AG
geführte Zentrale der R Unternehmensgruppe - gerichtete Klage abgewiesen. Mit seiner
Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel gegen den Konkursverwalter und die
Beklagte zu 3) weiter, indem er die vom Arbeitsgericht angenommene Be-
triebsstillegung bestreitet: An einer zur Kündigung berechtigenden Stilllegungsabsicht
fehle es, solange wie vorliegend Übernahmeverhandlungen mit einem potentiellen
Erwerber geführt würden. Auch die alsbaldige Fortführung der Baumärkte spreche
gegen eine Stilllegungsabsicht. Durch die Übernahme der Baumärkte habe die
Beklagte zu 3) auch die Zentrale übernommen.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung, soweit die
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Beklagten zu 1) und 3) betroffen sind,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des
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Beklagten zu 1) vom 20.08.1998 nicht aufgelöst worden ist, sondern
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fortbesteht;
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2. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Firma G & Co.
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durch Betriebsübergang nun zwischen ihm und der Beklagten zu 3) besteht und
die Beklagte zu 3) in die Rechte und Pflichten aus dem zum Zeitpunkt des
Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis eintritt;
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3. die Beklagte zu 3) zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen
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als Revisor weiterzubeschäftigen, bei Meidung eines in das Ermessen des Gerichts zu
setzenden Zwangsgeldes für jeden Tag der Zuwiderhandlung.
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Die Beklagten beantragen
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Zurückweisung der Berufung und verteidigen die angefochtene Entscheidung.
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Der Betrieb der Konzernzentrale (Gemeinschuldnerin G & Co.) sei im Hinblick auf die
Entscheidung des Gläubigerausschusses vom 12.05.1998, einzelne Standorte an die
Konkursverwalter herauszugeben, schrittweise eingestellt worden, da die Baumarkt-
"Übernehmer" zu Recht auf ihre eigene zentrale Organisation verwiesen hätten. Ab dem
16. 06. 1998 würden alle wesentlichen Zentralfunktionen für die übernommenen
Baumärkte von einer Niederlassung der Beklagten zu 3) (T Baumarkt) wahrgenommen -
und zwar von deren Mitarbeitern in deren Betriebsräumen. Der Betrieb der Firma G &
Co. habe mit den Baumärkten keinen gemeinsamen Betrieb gebildet, wie schon die
Tatsache zeige, dass bei ihm ein eigener Betriebsrat gebildet worden sei. Im Übrigen
sei das an die Beklagte zu 3) gerichtete Übernahmeverlangen verspätet gestellt worden
- nämlich erstmals mit Schriftsatz vom 23.02. 1999.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der
angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend
auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen:
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Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma G & Co. ist nicht gem. § 613a BGB auf
die Beklagte zu 3) übergegangen. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist
unschlüssig:
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Aus dem Klägervortrag lässt sich nicht herleiten, dass die Beklagte zu 3) den Betrieb der
Zentrale (Firma G & Co.) übernommen hat. Ein Betriebsübergang kann sich durch die
Übernahme sächlicher und immaterieller Betriebsmittel vollziehen. Es ist nicht in der
erforderlichen Substantiierung erkennbar, welche sächlichen und immateriellen
Betriebsmittel der Arbeitgeberin des Klägers, also der rechtlich selbständigen
Handelsgesellschaft und Konzern-Holding G & Co., übernommen worden sein sollen.
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Zu diesen Betriebsmitteln gehören jedenfalls nicht die Baumärkte. Abgesehen davon,
dass Baumärkte mit Marktleiter und Betriebsrat selber eigene Betriebe darstellen und
daher nur schwerlich als Betriebsmittel eines dritten Unternehmens verstanden werden
können, gehörten die Baumärkte nicht der Holding (G & Co.), sondern den
marktbetreibenden Gesellschaften (G B H G Vertriebs GmbH usw.). Das Gleiche ist von
den Betriebsmitteln dieser Baumärkte zu sagen. Wäre die rechtliche Konstruktion des
Klägers zutreffend, müsste sie auch auf die Erwerber der anderen Baumärkte
angewandt werden: Bekanntlich hat die Beklagte zu 3) von den 107 Standorten nur
letztlich 54 übernommen, die restlichen wurden teilweise von ihren Wettbewerbern
erworben; deren Revisoren könnten mit dem gleichen Recht wie der Kläger den
Standpunkt vertreten, die Erwerber der von ihnen betreuten Baumärkte hätten
zusammen mit diesen auch die Zentrale übernommen. Da dieselbe Zentrale aber nicht
mehrmals und von verschiedenen Personen erworben werden kann, wäre dies ein
rechtlich unmögliches Ergebnis.
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Scheidet eine Übernahme des Betriebes der Zentrale durch Übernahme eines Teils der
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Märkte aus, so hätte der Kläger substantiiert vortragen müssen, welche sonstigen
sächlichen und immateriellen Betriebsmittel der Obergesellschaft selber von der
Beklagten zu 3) erworben worden sein sollen. Das ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr
ist unstreitig, dass die Beklagte zu 3) einer Unternehmensgruppe angehört, die ihrerseits
über einen Zentralbetrieb verfügte. Angesichts dessen hätte der Kläger schon konkret
vortragen müssen, welcher der der Firma G & Co. zuzurechnenden Mittel die Beklagte
zu 3) überhaupt bedurfte und welche ihr, die sich einer Zentrale bereits bediente, noch
von Nutzen sein konnten. Unsubstantiiert ist der Vortrag, es sei das know how "der G -
Märkte" übernommen worden, der Kundenstamm "der G -Gruppe", die Preislisten und
die Werbung sowie die Lieferanten "der G -Gruppe", weil verschwiegen wird, wann, von
wem und in welcher Weise die Übernahme stattgefunden haben soll und weil die
rechtliche Selbständigkeit der am Konzern beteiligten Unternehmen nicht beachtet wird.
Deshalb ist der Vortrag über- wiegend nicht nur unsubstantiiert, sondern auch
unschlüssig: Das know-how "der G -Märkte" wurde nach der vom Kläger selbst
gewählten Formulierung eben nicht von der Arbeitgeberin des Klägers, der G & Co.,
erworben, weil es das know-how "der G -Märkte" war. Auch die angeblich
übernommenen Kunden können jedenfalls keine Kunden der Arbeitgeberin des
Klägers, also der Holding des Konzerns, gewesen sein, da eine Holding, deren Zweck
in der Wahrnehmung von Zentralaufgaben besteht, nicht mit Endabnehmern in Kontakt
tritt und mit ihnen Verträge schließt.
Zu Unrecht legt der Kläger Wert darauf, dass er in den Baumärkten seinen Arbeitsplatz
gehabt habe und diesen demzufolge "zuzuordnen" sei. Die Frage der Zuordnung stellt
sich nur beim Übergang eines von mehreren Betrieben desselben Unternehmens oder
beim Übergang von Betriebsteilen (BAG, Urteil vom 20. 07. 1982 - 3 AZR 261/80 in AP
Nr. 31 zu § 613a BGB; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn. 44) - und nicht in einem Fall, in dem
ein im übergehenden Betrieb tätiger Arbeitnehmer seinen Ar- beitsvertrag mit einem
anderen Unternehmer als dem hat, dem der übergehende Betrieb gehört. Andernfalls
gingen auch Arbeitsverhältnisse von Leiharbeitnehmern über, die zur Zeit des
Übergangs im übergehenden Betrieb ihren Arbeitsplatz hatten, was allgemein
abgelehnt wird (ErfK/ Preis § 613a BGB Rn. 40). Von § 613a BGB werden hingegen nur
Arbeitsverhältnisse mit dem Unternehmer (= Arbeitgeber) erfasst, dem der übergehende
Betrieb gehört (bisheriger Inhaber). Der Kläger hatte seinen Arbeitsvertrag nicht mit
einem der bisherigen Inhaber der Baumärkte - also den marktbetreibenden
Gesellschaften G B H G Vertriebs GmbH usw., sondern mit der Firma G & Co.
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Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Baumärkte als
Gemeinschaftsbetrieb zu sehen wären, die von den marktbetreibenden Gesellschaften
und der rechtlich selbständigen Obergesellschaft gemeinsam geführt worden wären.
Hierzu fehlt jedoch substantiierter Vortrag. Gegen solche Annahme spricht schon die
Bildung separater Betriebsräte. Nach der Rechtsprechung setzt ein
Gemeinschaftsbetrieb verschiedener Unternehmen denselben Leitungsapparat voraus,
durch den die Arbeitgeberfunktionen vor allem im Bereich der sozialen und personellen
Angelegenheiten wahrgenommen werden (BAG, Beschluss vom 29. 01. 1987 - 6 ABR
23/85 in AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972). Zu diesen Angelegenheiten gehören zum
Beispiel die Schichteinteilung, die Urlaubsplanung, die Zeugniserteilung und so weiter.
Dass derartige Angelegenheiten von ein und derselben Institution erledigt worden
wären, lässt sich dem Klägervortrag nicht entnehmen und wäre auch lebensfremd
anzunehmen: Die Baumärkte verfügten über Marktleiter, die in aller Regel für diese Auf-
gaben verantwortlich sind, soweit sie sie nicht delegieren. Es ist nicht anzunehmen, daß
der Kläger behaupten will, die Zentrale habe sich z.B. um die Urlaubsplanung für das
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Personal der einzelnen Baumärkte gekümmert.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. 03. 1997 - Rs. C-13/95: Ayse
Süzen in AP Nr. 14 zu EWG- Richtlinie Nr. 77/187; BAG, Urteil vom 11. 12. 1997 - 8
AZR 729/96 in AP Nr. 172 zu § 613a BGB) kann eine Betriebsübernahme auch dann
anzunehmen sein, wenn ein Unternehmen einen nach Zahl und Sachkunde
wesentlichen Teil des eingesetzten Personals übernimmt. Auch solches ist hier nicht
erkennbar, wobei offenbleiben kann, ob die vom Kläger angeführten 54 Mitarbeiter der
Zentrale nach Anzahl und Qualität ausreichend wären: Voraussetzung wäre nämlich
deren Einsatz auf ihren alten Arbeitsplätzen mit unveränderten Aufgaben (BAG, Urteil
vom 12. 11. 1998 - 8 AZR 265/97 in AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung).
Das ist dem Klägervortrag nicht zu entnehmen. Es ist im Gegenteil unstreitig, dass die
wesentlichen Zentralfunktionen seit dem 16. 06. 1998 von einer Niederlassung der
Beklagten zu 3) (T Baumarkt) wahrgenommen werden - und zwar von deren Mitarbeitern
in deren Betriebsräumen.
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Damit ist die Wirksamkeit der Kündigung festzustellen: Da eine Übernahme des
Betriebs der Konzern-Holding nicht stattgefunden hat, steht dessen Stilllegung fest;
denn der Kläger bestreitet diese im wesentlichen nur mit dem Argument der
Betriebsübernahme. Zu Unrecht bezweifelt der Kläger darüber hinaus eine
ausreichende Stilllegungsabsicht zur Zeit der Kündigung mit dem Hinweis, an solcher
fehle es, solange Übernahmeverhandlungen mit einem potentiellen Erwerber geführt
würden. Übernahmeverhandlungen wurden unstreitig nur mit der niederländischen
Firma R P geführt, die ihr Übernahmeangebot am 30. 04. 1998 zurückzog - mithin fast
vier Monate vor dem Ausspruch der hier streitigen Kündigung. Auch die alsbaldige
Fortführung eines Teils der Baumärkte spricht entgegen der Ansicht des Klägers nicht
gegen die Absicht, den Betrieb der Zentralgesellschaft stillzulegen, da es sich um
verschiedene Betriebe verschiedener Unternehmen handelt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Streitwertfestsetzung hatte das
Ausscheiden der Beklagten zu 2) aus dem Prozess zu berücksichtigen.
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Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht
zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG
wird hingewiesen.
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(Schunck) (Wurm) (Schubert)
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