Urteil des LAG Köln vom 08.03.2002

LArbG Köln (beschwerde, bewilligung, zpo, arbeitsgericht, juristische person, antrag, aufhebung, grund, partei, verein)

Landesarbeitsgericht Köln, 10 Ta 6/02
Datum:
08.03.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 Ta 6/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 5 Ca 4993/99
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe
Normen:
§§ 116 S. 1 Nr. 2, 124 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Ist die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht greifbar gesetzwidrig, darf
die Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Gericht die
Bewilligungsvoraussetzungen sorgfältig geprüft und zutreffend über den
Antrag entschieden hat. 2. Die Bewilligung darf nicht allein deshalb
aufgehoben werden, weil das Gericht ihre Voraussetzung später anders
beurteilt als im Zeitpunkt der Bewilligung.
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Aachen vom 05.11.2001 - 5 Ca 4993/99 - aufgehoben. 2.
Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Aachen vom 19.11.1999 - 5 Ca 4993/99 - abgeändert:
Der Beklagte hat sich in voller Höhe an den Prozesskosten zu
beteiligen. Es werden monatliche Raten in Höhe von 200,00 DM
festgesetzt.
Gründe
1
I.
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Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Im Gütetermin vom
19.11.1999 wurde das Verfahren durch Vergleich erledigt. Gleichzeitig wurde beiden
Parteien antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt.
Gegen den zu Gunsten des beklagten Vereins ergangenen Prozesskostenhilfe-
Beschluss hat die Bezirksrevisorin am 01.02.2000 Beschwerde eingelegt mit dem
Antrag, die Partei an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen. Durch Beschluss vom
05.11.2001 hat das Arbeitsgericht auf diese Beschwerde hin seinen Beschluss vom
19.11.1999 mit der Begründung aufgehoben, dass die Voraussetzungen für eine
Bewilligung nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht gegeben seien. Hiergegen hat der
beklagte Verein am 09.11.2001 Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der
Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
3
II.
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1. Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist begründet.
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Die Entziehung der Prozesskostenhilfe durch den Aufhebungsbeschluss vom
05.11.2001 ist aus mehreren Gründen nicht gerechtfertigt.
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1. Zunächst ist festzustellen, dass das Arbeitsgericht, das auf die Beschwerde der
Bezirksrevisorin seinen Beschluss aufgehoben hat, über das Ziel der Beschwerde
hinausgegangen ist. Die Bezirksrevisorin hat lediglich Beschwerde eingelegt mit
dem Antrag, den Beklagten an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.
Demgegenüber hat das Arbeitsgericht dem Beklagten die Prozesskostenhilfe
gänzlich entzogen. Mit einem solchen Ziel hätte die Bezirksrevisorin ihre
Beschwerde auch gar nicht verfolgen können, weil sie sich damit außerhalb ihrer
Kompetenzen begeben hätte. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO regelt die Voraussetzungen,
wann eine inländische juristische Person Prozesskostenhilfe erhalten kann. Diese
Norm bezieht sich mithin auf den Kernbereich der Prozesskostenhilfe. Wird diese
gesetzliche Regelung im Bewilligungsverfahren übersehen oder unrichtig
angewandt, so handelt es sich dabei um die Entscheidung über die
Prozesskostenhilfe selbst. Der Staatskasse ist verwehrt, sich beschwerdeführend
gegen die Bejahung der Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu wenden
(LAG Bremen, Beschluss vom 20.05.1988, LAGE § 127 ZPO Nr. 17; Zöller, 22.
Auflage, § 127 Rdnr. 17).
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1. Die Beschwerde der Staatskasse kann für das Gericht jedoch Anregung sein, eine
Aufhebung der Bewilligung nach § 124 ZPO zu überprüfen. Diese Bestimmung gilt
auch für juristische Personen nach § 116 ZPO. Ob das Arbeitsgericht eine
Aufhebung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung nach § 124 ZPO vornehmen
wollte, ist zweifelhaft, zumal der Aufhebungs-entscheidung nicht zu entnehmen ist,
ob und wenn ja in welcher Weise das Arbeitsgericht von dem ihm zustehenden
Ermessen Gebrauch gemacht hat. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, weil
das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht aufheben durfte, so
dass schon die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung fehlen. § 124
ZPO zählt die Gründe, aus denen die Prozesskostenhilfe-Bewilligung aufgehoben
werden kann, abschließend auf. Andere Gründe als diejenigen des § 124
erlauben die Aufhebung nicht. Insbesondere darf die Bewilligung nicht
aufgehoben werden, wenn das Gericht lediglich auf Grund erneuter Prüfung ihre
Voraussetzungen verneint oder im Fall des § 124 Nr. 3 ZPO bei
gleichgebliebenen wirtschaftlichen Verhältnissen auf Grund erneuter Prüfung die
Hilfsbedürftigkeit anders beurteilt. Die Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen,
dass das Gericht die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sorgfältig
geprüft und zutreffend über den Antrag entschieden hat (OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 13.01.1993, MDR 1993, Seite 583). Unterläuft dem Gericht, das
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PKH bewilligt, ein Fehler bei der Würdigung vollständiger und richtiger Angaben
über die wirtschaftlichen Verhältnisse, so darf die Bewilligung nicht aufgehoben
werden, wenn das Gericht die Voraussetzungen für sie nachträglich anders
beurteilt als anfangs (Zöller § 124 Rdnr. 13 m. N.). Die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe für den überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierten
gemeinnützigen beklagten Verein ist nicht greifbar gesetzeswidrig, so dass der
Vertrauensschutz für den Beklagten nicht zurückzutreten hat.
1. Die somit weiterhin bestehende Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß
Beschluss vom 19.11.1999 ist auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin
antragsgemäß dahin abzuändern, dass der Beklagte an den Kosten des
Verfahrens zu beteiligen ist. Über diese Beschwerde hinsichtlich der Anordnung
von Raten hat das Arbeitsgericht bislang noch nicht entschieden. Von einer
Zurückverweisung wurde zur Vermeidung weiterer Verzögerungen des schon seit
ca. zwei Jahren in erster Instanz anhängigen Verfahrens abgesehen und weil das
Beschwerdegericht auf Grund der vorliegenden Unterlagen über die
wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten selbst entscheiden kann.
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Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist ausschließlich auf den
Beklagten und nicht auch auf die Mitglieder des Beklagten abzustellen, denn letztere
sind keine "wirtschaftlich Beteiligten" im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Der
Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein. Nach § 3 Abs. 3 der Satzung dürfen die
Mitglieder bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins
keine Anteile des Vereinsvermögens erhalten. Bei Auflösung des Vereins oder bei
Wegfall seines bisherigen Zweckes fällt nach § 13 Abs. 2 der Satzung das Vermögen
des Vereins an den Paritätischen Wohlfahrtsverband, der es ausschließlich und
unmittelbar für gemeinnützige bzw. mildtätige Wohlfahrtszwecke zu verwenden hat.
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Nach der eingereichten Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben des Beklagten
wird dieser zu ca. 75 % von öffentlichen Kassen finanziert. Die Ausgaben übersteigen
die Einnahmen. Die Kontostände weisen jedoch ein Guthaben von über 10.000,00 DM
aus. Darauf hat bereits die Bezirksrevisorin zu Recht hingewiesen. Vorhandene
Barmittel sind einzusetzen (vgl. Zöller § 116 Rdnr. 4 m. N.). Mit Rücksicht darauf, dass
die liquiden Mittel auch zur Bestreitung der laufenden Aufgaben des Vereins
einzusetzen sind, wird dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, die Prozesskosten
gemäß § 116 Satz 2 ZPO in Teilbeträgen aufzubringen, wobei monatliche Beträge in
Höhe von 200,00 DM als angemessen erscheinen. Die Tabelle des § 115 ZPO wird
nicht angewandt (Zöller § 116 Rdnr. 19).
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Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
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(Schroeder)
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