Urteil des LAG Köln vom 01.03.2006

LArbG Köln: arbeitsgericht, behandlung, entlassung, glaubhaftmachung, krankheit, form, psychotherapie, kündigungsschutz, psychiatrie, sorgfalt

Landesarbeitsgericht Köln, 3 Ta 23/06
Datum:
01.03.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ta 23/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 9617/05
Schlagworte:
nachträgliche Zulassung, Krankenhausaufenthalt
Normen:
§ 5 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Allein das Vorliegen eines Krankenhausaufenthalts rechtfertigt noch
keine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Es kommt
vielmehr darauf an, ob der Arbeitnehmer durch seine Krankheit objektiv
daran gehindert war, eine Klage zu formulieren oder seine Rechte auf
andere Weise wahrzunehmen.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 15.12.2005
– 8 Ca 9617/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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I. Der am 10.11.1966 geborene Kläger war seit dem 23.10.2003 bei der Beklagten als
Elektroinstallateur beschäftigt.
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In der Zeit vom 30.08.2005 bis 02.09.2005 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Grund
hierfür war, dass er ab dem 30.08.2005, nachdem er seine Vergütung für den Monat
August 2005 erhalten hatte, bis zum 11.09.2005 exzessiv Alkohol zu sich genommen
hatte. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben seit geraumer Zeit
alkoholsuchtkrank. Im vorgenannten Zeitraum blieb er der Arbeit fern, ohne sich bei der
Beklagten zu melden bzw. sein Fehlen zu entschuldigen. Am 12.09.2005 überwies ihn
seine Hausärztin zur Entgiftung an die Fachklinik Z , wo er vom 14.09. bis 11.10.2005
stationär behandelt wurde.
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Am Nachmittag des 13.09.2005 übergab der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger
ein unter dem 01.09.2005 erstelltes Kündigungsschreiben, in welchem unter Hinweis
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auf eine einschlägige Abmahnung und zwei im laufenden Jahr in den Monaten April und
Mai vorangegangene mehrtägige unentschuldigte Fehlperioden das Arbeitsverhältnis
fristlos gekündigt wurde. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde dem Kläger diese
Kündigung bereits am 01.09.2005 angekündigt und er aufgefordert, das Schreiben im
Betrieb abzuholen.
Mit Klageschrift vom 12.10.2005, die am 13.10.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen
ist, wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung und beantragt
gleichzeitig die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.
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Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe im Zeitpunkt der Übergabe des
Kündigungsschreibens am Nachmittag des 13.09.2005 bereits die Einweisung in die
Fachklinik zur Entgiftung als akuter Fall gehabt. Am Morgen des darauffolgenden
14.09.2005 habe er sich in die Entzugsklinik begeben und sei dort um 09:45 Uhr als
Patient aufgenommen worden. In der Zeit seines stationären Aufenthaltes bis zu seiner
Entlassung am 11.10.2005 sei es ihm nicht gestattet gewesen, die Station zu verlassen,
um den Entzugseffekt nicht zu gefährden. Unmittelbar nach der Entlassung aus der
Klinik habe der Kläger seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten aufgesucht und
diesen mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.12.2005 den Antrag auf nachträgliche
Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei nicht
ersichtlich, dass er für den Zeit des Klinikaufenthalts vollständig handlungs- und
entscheidungsunfähig gewesen sei. Von daher habe er problemlos auch bei einem
absoluten "Ausgehverbot" entweder unmittelbar selbst oder durch schriftliche bzw.
telefonische Beauftragung einer Vertretungsperson bzw. eines Anwalts Klage erheben
lassen können.
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Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.12.2005 zugestellten
Beschluss hat der Kläger am 13.01.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur
Begründung trägt er vor, aufgrund des starken Alkoholexzesses habe eine
krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung eigener Geschäfte bestanden, die
sich durchaus auch in der unmittelbar an den Zusammenbruch anschließenden
Behandlung fortgesetzt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Alkoholkrankheit des
Klägers und ihre akute Behandlung derart übergewichtig, dass von einer Unfähigkeit
des Klägers zur rechtzeitigen Klageerhebung ausgegangen werden müsse.
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Die Beklagte weist nochmals darauf hin, dass der Kläger das Kündigungsschreiben am
13.09.2005 persönlich im Betrieb der Beklagen abgeholt habe und schließt sich im
übrigen der Argumentation des Arbeitsgerichts an.
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II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zwar zulässig, insbesondere ist die an sich
statthafte Beschwerde in gesetzlicher Form und Frist eingelegt worden.
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Sie ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers
auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen.
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1. Nachdem der Kläger die sofortige Beschwerde beim Landesarbeitsgericht unmittelbar
eingelegt hat und die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden ist, hat das
Landesarbeitsgericht aus Gründen der Verfahrensvereinfachung davon abgesehen
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zunächst eine Zurückverweisung zur Vornahme der an sich gebotenen erstinstanzlichen
Abhilfeprüfung vorzunehmen (vgl. LAG Berlin, Beschluss vom 04.11.2004 – 6 Ta
1733/04 -, LAGE § 5 KSchG Nr. 109; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und
Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 1866).
2. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist auf Antrag des Arbeitnehmers die
Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach der
erfolgten Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände
zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig innerhalb von drei Wochen
nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Dieser Antrag ist gemäß § 5 Abs.
3 Satz 1 KSchG nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses
zulässig und muss gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG die Angabe der die nachträgliche
Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung
enthalten.
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Der Kläger befand sich in der Zeit vom 14.09.2005 bis 10.10.2005 unstreitig in der
Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Z und hat in dem vorgenannten
Zeitraum dort eine stationäre Entgiftungstherapie durchgeführt. Zur Begründung seines
Antrags auf nachträgliche Zulassung beruft der Kläger sich darauf, es sei ihm während
seines Klinikaufenthaltes nicht gestattet gewesen, die Station zu verlassen, da
ansonsten der Entzugseffekt gefährdet gewesen sei. Im übrigen sei er seit der
Aufnahme zur stationären Behandlung am 14.09.2005 alkoholabstinent und die
Therapiemaßnahmen seien insgesamt erfolgreich verlaufen.
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Dieser auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht näher konkretisierte und
insbesondere auch nicht – wie von § 5 Abs. 2 KSchG verlangt – glaubhaft gemachte
Vortrag des Klägers vermag eine nachträgliche Zulassung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz
1 KSchG nicht zu rechtfertigen. Denn der Kläger hat nicht im einzelnen dargetan und
glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet an der Klageerhebung gehindert war. Allein
das Vorliegen eines Krankenhaus- oder Klinikaufenthaltes rechtfertigt noch keine
nachträgliche Zulassung. Vielmehr hängt dies von den konkreten Umständen des
jeweiligen Einzelfalles ab. Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer durch seine
Krankheit objektiv daran gehindert war, eine Klage zu formulieren oder seine Rechte auf
andere Weise, z. B. durch Beauftragung Dritter oder telefonische Übermittlung der Klage
an das Arbeitsgericht, wahrzunehmen. Maßgeblich ist, ob die Behandlungssituation
Außenkontakte (auch telefonischer Art) ausschließt oder jedenfalls in unzumutbarer
Weise erschwert (vgl. LAG Düsseldorf, 19.09.2002, NZA-RR 2003, 78; LAG Berlin,
23.08.2001, NZA-RR 2002, 355; LAG Hamm, 12.09.1985, LAGE § 5 KSchG Nr. 20; LAG
Hamm, 31.01.1990, LAGE § 5 KSchG Nr. 45; KR-Friedrich, 7. Aufl., § 5 KSchG Rz. 44,
47; APS-Ascheid, 2. Aufl., § 5 KSchG Rz. 42; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13.
Aufl., § 5 Rz. 12 jeweils mit umfassenden weiteren Nachweisen).
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Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag, wie bereits das Arbeitsgericht in
dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, nicht. Es fehlt jeglicher
Sachvortrag des Klägers dazu, inwieweit schriftliche oder telefonische Außenkontakte
während des Klinikaufenthaltes eingeschränkt waren. Der Kläger hat lediglich
vorgetragen, er habe die Station nicht verlassen dürfen. Dass ihm telefonische oder
schriftliche Kontaktaufnahmen verboten waren oder er ansonsten gesundheitlich
dermaßen eingeschränkt war, dass er solche nicht wahrnehmen konnte, ist nach dem
Vortrag des Klägers nicht ersichtlich. Erst Recht fehlt jegliche Glaubhaftmachung zu
diesen, für einen möglicherweisen erfolgreichen Antrag nach § 5 KSchG
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entscheidenden Umständen.
III. Nach allem war damit die sofortige Beschwerde des Klägers kostenpflichtig
zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gegen diese
Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Die Zulassung der
Rechtsbeschwerde ist in Verfahren nach § 5 KSchG nicht statthaft (BAG 20.08.2002, AP
Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).
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(Dr. Kreitner)
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