Urteil des LAG Köln vom 18.02.2005

LArbG Köln: tarifvertrag, eingriff, altersrente, form, kontrolle, agb, rundfunk, mitbestimmungsrecht, rückwirkung, anteil

Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 893/04
Datum:
18.02.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 893/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 5 Ca 13259/03
Schlagworte:
betriebliche Altersversorgung, Vertrauensschutz und
Verhältnismäßigkeit
Normen:
§§ 6, 16 BetrAVG, 70 LPVG NW, 310 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Das für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften vom BAG entwickelte
dreistufige Prüfungsschema ist auf Änderungen laufender
Betriebsrenten nicht ohne weiteres übertragbar.
2. Die Änderung laufender Betriebsrenten bedarf tragfähiger Gründe,
deren Gewicht von den Nachteilen abhängt, die dem
Versorgungsberechtigten konkret entstehen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 04.06.2004 - 5 Ca 13259/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten darüber, ob das laufende Ruhegeld des Klägers zum 01.07.2003
wirksam durch tarifliche Regelung gekürzt worden ist.
2
Der Kläger war vom 01.07.1972 bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres am
31.01.1998 bei der Beklagten beschäftigt.
3
§ 11 seines Arbeitsvertrages vom 23.01.1972 lautet wie folgt:
4
"Der W gibt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage nach den beim W
5
geltenden Bestimmungen."
Der Kläger erhielt ab dem 01.02.1998 von der Beklagten eine betriebliche Altersrente,
die sich entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 16.02.1998 zunächst nach
den Übergangsregelungen des § 25 der Dienstvereinbarung über die
Versorgungszusage des W vom 07.03.1985 richtete. Diese wurde für unbefristete
Arbeitsverhältnisse, die vor dem 01.01.1994 begonnen hatten, durch die
Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 abgelöst.
6
§ 12 der Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 regelt die Gesamtversorgungs-Bezüge
und die Netto-Gesamtversorgung folgendermaßen:
7
(1) Die Nettogesamtversorgung eines / r Berechtigten entspricht den
Gesamtversorgungsbezügen gemäß Absatz 2 ff. dieses Paragraphen,
gemindert um die in § 13 bestimmten steuerlichen und sonstigen Belastungen,
die bei Eintritt des Versorgungsfalles bzw. zum Zeitpunkt der Überprüfung der
Versorgungsbezüge gemäß § 16 auf den Gesamtversorgungs-Bezügen ruhen.
8
(2) Zu den Gesamtversorgung-Bezügen zählen neben den monatlichen
Rentenbeiträgen des W gemäß den §§ 4 und 5 folgenden Bezüge:
9
1. Die monatlichen Versicherungs- bzw. Versorgungsleistungen aus der
gesetzlichen Rentenversicherung, auf die der/die Berechtigte zum Zeitpunkt
seines / ihres Ausscheidens aus den Diensten des W zum jeweils
frühestmöglichen Zeitpunkt Anspruch hat, ...
10
§ 14 der Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 bestimmt die Höhe und Fälligkeit der
Renten wie folgt:
11
(1) Bei der Berechnung der Alters- und Berufsunfähigkeitsrente ist der vom W zu
tragende Anteil an der Gesamtversorgung des / der Berechtigten so zu
bemessen, dass die Netto-Gesamtversorgung (§ 12 Absatz 1) 90 % des Netto-
Vergleichseinkommens nicht übersteigt.
12
Auf Grund der geänderten Rahmenbedingungen durch die in Kraft getretenen
Steuerreformen und die zur Senkung der gesetzlichen Altersvorsorgung führende
sogenannte Riester-Rentenreform kündigte die Beklagte die Dienstvereinbarung vom
31.07.1998 mit Wirkung zum 31.07.2001. Durch Tarifvertrag vom 16.06.2003 vereinbarte
die Beklagte gemeinsam mit den anderen Rundfunkanstalten auf A -Ebene mit den
zuständigen Gewerkschaften neue Altersversorgungsregelungen, die in Abschnitt IV § 1
einen sogenannten Riester-Korrekturfaktor durch folgende Regelung vorsahen:
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"Anlässlich der nächsten in den Gesamtversorgungsregelungen vorgesehenen
Neuberechnungen der Gesamtversorgung unter Berücksichtigung der
gesetzlichen Rente wird der der Rentenberechnung zugrundeliegende Betrag
der Gesamtversorgungsobergrenze der in der Anlage genannten
Versorgungsordnungen durch einen Korrekturfaktor in Höhe von 0,9914
gemindert.
14
In den Folgejahren wird jeweils ab dem 01.07. eines jeden Jahres der
Korrekturfaktor entsprechend der folgenden Tabelle bei der jeweils nächsten
15
Neuberechnung der Gesamtversorgung unter Berücksichtigung der
gesetzlichen Rente angewandt: ...
Für die in der Anlage 1 genannten Versorgungsregelungen, zu dem die
Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 bei der Beklagten gehört, lautet die Präambel in
Abschnitt IV des Tarifvertrages vom 16.6.2003:
16
Die in der Anlage genannten Versorgungsregelungen werden wie nachfolgend
beschrieben geändert.
17
Soweit es sich bei den in der Anlage 1 genannten Versorgungsregelungen beim
B , S und beim W nicht um Tarifverträge, sondern um Dienstvereinbarungen
handelt, verpflichten sich die Tarifpartner, diese nach Inkrafttreten dieses
Tarifvertrages unverzüglich in eine tarifvertragliche Regelung zu überführen.
Diese tarifvertraglichen Regelungen treten jeweils zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu
dem bei B , S bzw. beim W die entsprechenden Dienstvereinbarungen
aufgehoben werden. Sowohl B , S als auch W verpflichten sich, der Aufhebung
der entsprechenden Dienstvereinbarungen nach Beschluss der angestrebten
Tarifverträge zuzustimmen.
18
Dementsprechend vereinbarte die Beklagte mit den zuständigen Gewerkschaften am
22.10.2004 den die gekündigte Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 mit Wirkung zum
01.07.2003 ersetzenden Tarifvertrag über die Versorgungszusage des W R K (TV-VZ
2003). Dieser regelt zur Höhe und Fälligkeit der Renten in § 14 folgendes:
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(1) Bei der Berechnung der Alters- oder der Berufsunfähigkeitsrente ist der vom
W zu tragende Anteil an der Gesamtversorgung des / der Berechtigten so zu
bemessen, dass die Nettogesamtversorgung (§ 12 Absatz 1) 90 % des mit dem
zum jeweiligen Berechnungsstichtag jeweils maßgeblichen Korrekturfaktor
gemäß der nachstehenden Tabelle multiplizierten Nettovergleichseinkommen
nicht übersteigt; er ist anzuwenden, soweit durch die Veränderung der
Rentenformel im Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) in der Fassung
vom 21.03.2001 (BGBl. I Seite 403) ein Auffülleffekt eintreten würde: ...
20
Die Beklagte erteilte dem Kläger für den Monat Juli 2003 eine Abrechnung seiner
betrieblichen Altersrente (Bl. 3), aus der eine Kürzung der monatlichen Rente zum
Berechnungsstichtag 01.07.2003 um 32,06 Euro auf 493,94 Euro brutto hervorgeht und
in der zur Begründung darauf hingewiesen wird, die Rentenanpassung erfolge aufgrund
der Erhöhung der Sozialversicherungsrente um 1,04 % und sei unter Einbeziehung des
tariflichen Riester-Korrekturfaktor berechnet.
21
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Höhe seiner in der Dienstvereinbarung vom
31.07.1998 geregelten Altersvorsorgung sei durch Abschnitt IV des Tarifvertrags vom
16.06.2003 nicht wirksam abgeändert worden. Die Reduzierung der Netto-
Gesamtversorgungsobergrenze sei durch den sogenannten Riester-Korrekturfaktor
gemäß § 1 des Tarifvertrages vom 16.06.2003 nicht zu reduzieren.
22
Der Tarifvertrag vom 16.06.2003 sei auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels
Allgemeinverbindlichkeit und fehlender Organisationszugehörigkeit des Klägers nicht
anwendbar. § 11 seines Arbeitsvertrages vom 14.01.1972 nehme für die
Versorgungszusage mit dem beim W geltenden Bestimmungen lediglich die jeweils
23
geltende Dienstvereinbarung in Bezug und sei daher nicht tarifvertragsoffen gestaltet.
Etwaige Unklarheiten bei der Auslegung des Arbeitsvertrages gingen gemäß § 305 c
Absatz 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Zudem sei der in § 11 des Arbeitsvertrages vom
14.01.1972 vereinbarte Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB wie auch als
überraschende Klausel gemäß § 305 c Absatz 1 BGB unwirksam.
Die Höhe seiner Altersversorgung sei weiterhin gemäß der Dienstvereinbarung vom
31.07.1998 geregelt. Diese sei zwar zum 31.07.2001 durch die Beklagte gekündigt
worden, gelte jedoch im Rahmen der Nachwirkung gemäß § 70 Absatz 4 LPVG NW
weiter. Eine die Nachwirkung beendende neue Vereinbarung müsse stets eine neue
Dienstvereinbarung sein, so dass der Tarifvertrag vom 16.06.2003 hierfür nicht eingreife.
24
Da der Tarifvertrag vom 16.06.2003 bezüglich der Änderung der
Gesamtversorgungsobergrenze in Abschnitt IV ersichtlich unvollständig sei, finde eine
Ablösung der Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 nicht statt. Ein Tarifvertrag könne nur
vorgehen, soweit er eine abschließende Regelung enthalte. Zudem sei die
Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 für das Arbeitverhältnis des Klägers weiterhin
wegen des Günstigkeitsprinzips maßgeblich. Der Tarifvorbehalt in den §§ 77 Absatz 3
BetrVG, 70 Absatz 1 LPVG NW stehe dem nicht entgegen.
25
Die tarifschließenden Parteien seien selber davon ausgegangen, dass der Tarifvertrag
vom 16.06.2003 die Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 nicht abändern könne. Der
Tarifvertrag vom 16.06.2003 sehe ausweislich der Präambel im Abschnitt IV für
Rundfunkanstalten, deren Gesamtversorgung noch durch Dienstvereinbarung geregelt
sei, vor, diese zunächst in eine tarifvertragliche Regelung zu überführen.
26
Der Tarifvertrag vom 16.06.2003 sei auch deswegen unwirksam, weil er gegen das
Mitbestimmungsgesetz des Personalrates in Fragen der tariflichen Lohngestaltung nach
§ 72 Absatz 3 Nr. 5 LPVGNW verstoße.
27
Jedenfalls aber liege durch die die Netto-Gesamtversorgungsobergrenze absenkende
Einführung des Riester-Korrekturfaktors ein Verstoß gegen den bei der betrieblichen
Altersversorgung zu berücksichtigenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des
Vertrauensschutzes vor. Der Eingriff in die laufende Betriebsrente der Pensionäre sei
grundsätzlich unzulässig, da diese bereits hierfür ihre volle Gegenleistung erbracht
hätten. Zudem lägen keine hinreichenden Gründe für einen Eingriff in die höchste
Besitzstandsstufe im Rahmen des dreistufigen Prüfungsschemas vor, das vom
Bundesarbeitsgericht zum Schutz von Altersversorgungen entwickelt worden sei. Weder
eine Substanzgefährdung noch eine langfristige Auszehrung des Vermögens der
Beklagten seien erkennbar.
28
Zudem liege durch die Einführung des Riester-Korrekturfaktors ein diskriminierender
Eingriff zu Lasten der tarifunterworfenen Mitarbeiter vor, weil in den Arbeitsverträgen der
außertariflichen Angestellten eine diesbezügliche Bezugnahme fehle. Der Eingriff in die
laufenden Versorgungsbezüge des Kläger sei auch nicht erforderlich. Es sei nicht
erkennbar, inwieweit ein durch den Riester-Korrekturfaktor zu kompensierender
Auffülleffekt zum Ausgleich für die Reduzierung der gesetzlichen Rente entstanden sei.
Zudem könne sich die Beklagte auf einen Deckungsstock zum 31.12.2002 in Höhe von
825,5 Millionen Euro stützen.
29
Der Kläger hat beantragt,
30
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2003 zu zahlen;
31
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2003 zu zahlen;
32
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2003 zu zahlen;
33
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2003 zu zahlen;
34
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2003 zu zahlen;
35
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2004 zu zahlen;
36
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2004 zu zahlen;
37
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen;
38
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2004 zu zahlen;
39
10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2004 zu zahlen;
40
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32,06 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2004 zu zahlen.
41
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
43
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, § 11 des Arbeitsvertrages des Klägers vom
14.01.1972 nehme als dynamische Verweisung auf die jeweils geltende
Versorgungsordnung auch über das Ende des Arbeitsvertrages hinaus und damit auf
den Tarifvertrag vom 16.06.2003 Bezug. Eine Kontrolle der Bezugnahmeklausel in § 11
des Arbeitsvertrages nach den §§ 305 c Absatz 1, 2, 308 Nr. 4 BGB habe nicht zu
erfolgen, da der Arbeitsvertrag des Klägers der Anlage zum Manteltarifvertrag - W vom
06.01.1964 - entspreche und daher für ihn eine AGB-Kontrolle nach § 310 Absatz 4
BGB ausgeschlossen sei. Der Tarifvertrag vom 16.06.2003 gehe nach dem
sogenannten Rangprinzip als höherrangige Rechtsnorm der Dienstvereinbarung vom
31.07.1998 vor und habe deren Nachwirkung gemäß § 70 Absatz 4 Satz 2 LPVG NW
beendet. Dabei sei nicht notwendig, dass der Tarifvertrag eine abschließende Regelung
treffe; auch Teil- oder Zwischenlösungen beendeten die Nachwirkung einer
Dienstvereinbarung. Ohnehin sei fraglich, ob die Dienstvereinbarung vom 31.07.1998
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mit Rücksicht auf ihren teilmitbestimmten Charakter eine Nachwirkung entfalten könne.
Zwischen Tarifvertrag und Dienstvereinbarung greife das Günstigkeitsprinzip nicht ein;
aus den §§ 70 Absatz 1 Satz 1, 2, 72 Absatz 4 Satz 1 Nr. 5 LPVG NW folge vielmehr die
Sperrwirkung des Abschnitts IV § 1 des Tarifvertrages vom 16.06.2003.
45
Auch die im Abschnitt IV des Tarifvertrages vom 16.06.2003 in der Präambel
vorgesehene Überleitung der Dienstvereinbarung in einen speziellen Tarifvertrag stehe
der Einführung des Riester- Korrekturfaktors mit Wirkung zum 01.07.2003 nicht
entgegen. In der Präambel sei lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung der
Tarifparteien hinsichtlich der Überleitung der Versorgungsordnung von der
Dienstvereinbarung in einen Tarifvertrag geregelt. Satz 1 der Präambel regele aber
hinreichend deutlich, dass die in der Anlage genannten Versorgungsregelungen, wozu
die Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 gehöre, entsprechend den nachfolgenden
Paragraphen geändert werde. Ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des
Personalrates liege durch den Tarifvertrag vom 16.06.2003 nicht vor, da dieses aufgrund
der Sperrwirkung des Tarifvertrages nur soweit gegeben sein könne, wie eine tarifliche
Regelung nicht bestehe.
46
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes
im Rahmen der Abänderung von Versorgungsordnungen sei durch den Tarifvertrag vom
16.06.2003 nicht gegeben. Die Kürzung der laufenden Betriebsrente des Klägers sei
durch den Zweck, die durch die Reduzierung des gesetzlichen Rente entstehenden
Auffülleffekte für die Beklagte zu verhindern, gerechtfertigt. Das vom
Bundesarbeitsgericht entwickelte dreistufige Prüfungsschema für
Versorgungsanwartschaften gelte nicht für laufende Betriebsrenten. Deren Schutz
bestimme sich nach den §§ 5, 16 BetrAVG. Ein Verstoß gegen das Auszehrungsverbot
nach § 5 BetrAVG sei nicht gegeben, da auch bei Anwendung des Riester-
Korrekturfaktors die Rente des Klägers noch deutlich höher sei als seine bei Eintritt des
Versorgungsfalls zum 01.03.1998 geschuldete Altersversorgung. Ein Verstoß gegen §
16 BetrAVG liege nicht vor, da die Anpassungsregelung nach § 16 der
Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 durch den Tarifvertrag vom 16.06.2003 nicht
verändert worden sei.
47
Zudem beruhe die Reduzierung der monatlichen Rente des Klägers ab dem 01.07.2003
nicht alleine auf der Einführung des Riester-Korrekturfaktors, sondern sei im Umfang
eines Reduzierungsbetrages von 16,41 Euro durch die Erhöhung der anrechenbaren
gesetzlichen Rente des Klägers bedingt.
48
Das Arbeitgericht Köln hat mit Urteil vom 04.06.2004 die Klage abgewiesen und dies im
wesentlichen damit begründet, dass der Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 keine
Nachwirkung für das Arbeitsverhältnis des Klägers zukomme, da diese durch den
Tarifvertrag vom 16.06.2003 wirksam beendet worden sei. Die Bezugnahmeklausel im §
11 des Arbeitsvertrages vom 14.01.1972 des Klägers sei tarifoffen gestaltet. Die Regeln
der AGB-Kontrolle seien für den Arbeitsvertrag wegen der Bereichsausnahme für
Tarifverträge nach § 310 Absatz 4 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. Ein
Mitbestimmungsrecht des Personalrates sei nicht verletzt, da insoweit die Sperrwirkung
der tariflichen Regelung zu gelten habe. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht in
Form des Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sei nicht
gegeben, da der mit dem Tarifvertrag vom 16.06.2003 verfolgte Zweck, die durch die
Riester-Rentenreform entstehenden Auffülleffekte im Rahmen der
49
Gesamtnettoversorgung für die Beklagte zu verhindern, die Kürzung rechtfertige. Die
Grenzen aus den §§ 5, 16 BetrAVG zum Schutz laufender Versorgungsleistungen seien
gewahrt.
Gegen dieses ihm am 05.07.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.2004
Berufung eingelegt und diese am 31.08.2004 begründet.
50
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger unter Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vortrages im wesentlichen geltend, die zu seinen Ungunsten wirkende
Abänderung durch den Tarifvertrag vom 16.06.2003 bzw. letztlich durch den nunmehr
geschlossenen Tarifvertrag vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003) sei unverhältnismäßig und
damit unwirksam. Die Anpassungsregeln des § 16 BetrAVG seien nicht einschlägig, da
nicht in die Dynamik der Betriebsrente eingegriffen werde, sondern durch die Einführung
des Riester-Korrekturfaktors und damit der Herabsetzung des
Gesamtnettoversorgungsbetrages unmittelbar in den geschaffenen Besitzstand.
51
Die Verhältnismäßigkeit des vorgenommenen Eingriffs sei nicht plausibel, da die
angebliche Mehrbelastung der Beklagten durch die Steuer- und Rentenreformen nicht
hinreichend dargelegt und insbesondere der von der Beklagtenseite behauptete
Auffülleffekt nicht beziffert worden sei. Das von der Beklagtenseite vorgelegte Schreiben
der W W vom 23.05.2003 (Bl. 77 ff.) sei nicht aussagekräftig und gehe zudem von
unzutreffenden Ausgangsannahmen betreffend die angenommenen Tariferhöhungen
aus.
52
Der Kläger beantragt,
53
das Urteils des Arbeitsgerichts Köln - AZ: 5 Ca 13259/03 - vom 04.06.2004
abzuändern und
54
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16,96 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.08.2003 zu zahlen;
55
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16,96 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.09.2003 zu zahlen;
56
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,17 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.10.2003 zu zahlen;
57
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,17 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.10.2003 zu zahlen;
58
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,17 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.12.2003 zu zahlen;
59
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,17 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.01.2004 zu zahlen;
60
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,54 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.02.2004 zu zahlen;
61
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,54 Euro nebst 5 % Zinsen über
62
dem Basiszinssatz seit 01.03.2004;
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,54 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 01.04.2004;
63
10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,54 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit 01.05.2004;
64
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17,54 Euro nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit 01.06.2004.
65
Die Beklagte beantragt,
66
die Berufung zurückzuweisen.
67
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt hierzu unter Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrags aus, durch die Einführung Riester-Korrekturfaktors durch den
Tarifvertrag vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003) werde nicht in den erdienten Besitzstand des
Klägers bei Eintritt des Rentenfalles eingegriffen, da ihm die damalige Rente der Höhe
nach auch nach Einführung des Riester-Korrekturfaktors erhalten bleibe.
68
Der zur Einführung des Riester-Korrekturfaktors zwingende Auffülleffekt durch die
Riester-Rentereform sei durch das Schreiben der W W vom 23.05.2003 hinreichend
bestimmt dargelegt. Auch wenn von einer geringeren Tarifsteigerung als im Schreiben
der W vom 23.05.2003 in Höhe von 2,3 % pro Jahr angenommen ausgegangen werde,
so könne der Kläger hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, da bei einer geringeren
Tarifsteigerung alle Zahlen, die im Schreiben der W ermittelt worden seien, ebenfalls
geringer wären, somit also auch die Kompensationswirkung desr Riester-
Korrekturfaktors.
69
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
70
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
71
I. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, weil sie statthaft nach § 64 Absatz 1, 2
ArbGG und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Absatz 1
Satz 1, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
72
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
73
Das Arbeitsgericht Köln hat die zulässige Klage auch hinsichtlich des im
Berufungsverfahrens vom Kläger aufrechterhaltenen Teils zu Recht als unbegründet
abgewiesen; die im Berufungsverfahren vom Kläger angegriffene Reduzierung seiner
monatlichen Altersrente um 16,96 Euro bzw. 17,17 Euro und letztlich 17,54 Euro hat die
Beklagte wirksam vorgenommen.
74
1. Der Tarifvertrag über die Versorgungszusage des Westdeutschen Rundfunks vom
01.07.2003 (TV-VZ 2003) ist maßgeblich für die Altersversorgung des Klägers, so dass
der in § 14 des Tarifvertrages geregelte Korrekturfaktor die monatliche Altersversorgung
75
des Klägers um den von der Beklagtenseite einbehaltenen monatlichen Betrag
vermindert.
Der Kläger hat seinen schriftsätzlich vorgetragenen Einwand, der Tarifvertrag vom
01.07.2003 liege lediglich in einem von den Tarifvertragsparteien nicht unterzeichneten
und damit unverbindlichen Entwurf vor, im Verhandlungstermin vom 18.02.2005 nicht
aufrechterhalten, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.02.2005 auf den in Kopie
befügten, von sämtlichen Tarifvertragsparteien unterzeichneten Tarifvertrag vom
01.07.2003 (TV-VZ 2003) hingewiesen hat.
76
Der Tarifvertrag vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003) findet auf das Arbeitsverhältnis des
Klägers durch die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel in § 11 des Arbeitsvertrags
vom 14.01.1972 in der Fassung der Vertragsänderung Nr. 1 vom 11./21.03.1983 auf das
Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung.
77
Soweit die Arbeitsvertragsparteien auf die Versorgungsordnung Bezug nehmen, handelt
es sich in der Regel um keine statische, sondern um eine dynamische Verweisung. Die
einheitliche Behandlung aller Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger ist
interessengerecht. Die Zusage einer von der jeweils geltenden Versorgungsordnung
abgekoppelten Betriebsrente ist die Ausnahme und muss deshalb deutlich zum
Ausdruck gebracht werden (BAG, Urteil vom 20.08.2002 - 3 AZR 14/01, NZA 2003, S.
1112; Urteil vom 20.02.2001 - 3 AZR 252/00, in EzA Nr. 24 zu 1 BetrAVG Ablösung).
Insoweit ist unerheblich, dass § 11 des Arbeitsvertrages vom 14.01.1972 keine
ausdrückliche Jeweiligkeitsklausel enthält (BAG, Urteil vom 20.02.2001 - 3 AZR 252/00
a.a.O.). Bereits die Verwendung eines Formularvertrages gegenüber dem Kläger zeigt,
dass die Beklagte die Arbeitsbedingungen vereinheitlichen will. Die dynamische
Verweisung auf die jeweils geltende Versorgungsordnung gilt über das Ende des
Arbeitsverhältnisses hinaus auch noch nach dem Eintritt des Arbeitnehmers in den
Ruhestand; die betriebliche Altersversorgung steht selbst dann unter dem Vorbehalt
einer Änderung der Versorgungsordnung, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten
ist (vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2001 - 3 AZR 515/99, in EZA Nr. 27 zu § 1 BetrAVG
Ablösung; Urteil vom 23.09.1997 - 3 AZR 529/96, in EZA Nr. 14 zu § 1 BetrAVG
Ablösung).
78
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die aus § 11 seines Arbeitsvertrages vom
14.01.1972 herzuleitende dynamische Verweisung auf die jeweilige
Versorgungsordnung nicht nur auf die Ebene der Dienstvereinbarungen zu
beschränken, sondern umfasst auch die Regelung der Altersversorgung durch den
Tarifvertrag vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003). Gegenteiliges lässt sich nicht aus dem vom
Kläger angeführten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.09.1997 (3 AZR 529/96, in
EZA Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Ablösung) herleiten. Wenn das Bundesarbeitsgericht im
vorbezeichneten Urteil für den identischen Wortlaut einer arbeitsvertraglichen
Inbezugnahmeklausel bei der Beklagten ausführt, dass nach dieser Vereinbarung eine
Altersversorgung nach den jeweils geltenden Bestimmungen einer Dienstvereinbarung
geschuldet sei, so stellt dies ausweislich der weiteren Begründung keine Begrenzung
der Rechtsnormqualität der in Bezug genommenen Versorgungsordnungen dar. Das
Bundesarbeitsgericht weist nämlich zur Begründung der Jeweiligkeitsklausel darauf hin,
dass der Arbeitgeber, der Ruhestandsleistungen nach einheitlichen Regeln erbringen
wolle, durch die Bezugnahme auf die jeweils geltenden kollektivrechtlichen Regelungen
verhindern wolle, dass die Rentner nach jeweils bei Eintritt in den Ruhestand
unterschiedlichen kollektivrechtlichen Regelungen unterschiedlich behandelt würden
79
(vgl. BAG a.a.O. unter I 3 der Gründe). Dieser Zweck der Jeweiligkeitsklausel lässt sich
aber nicht auf Dienstvereinbarungen beschränken, sondern umfasst auch den
Tarifvertrag als weitere kollektivrechtliche Regelung.
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen die §§ 305 c Absatz 2, 308 Nr. 4 BGB rügt, ist
auf § 310 Abs. 4 S. 1 BGB zu verweisen, wonach das Recht der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gemäß den § 305 ff. BGB keine Anwendung auf Tarifverträge
findet. Die Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Arbeitsvertrag
des Klägers dem in § 3 Abs. 1 M -W vom 06.01.1964 geregelten Musterarbeitsvertrag
entspricht und damit eine tarifvertragliche Regelung darstellt. Zudem findet nach § 310
Abs. 4 S. 3 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 3 BGB eine Inhaltskontrolle nach § 308
Nr. 4 BGB einer in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelung nicht statt (vgl. BAG,
Urteil vom 19.03.2003 - 4 AZR 331/02, in NZA 2003, S. 1207 ff.).
80
2. Die Dienstvereinbarung vom 31.07.1989 steht der Anwendbarkeit des Tarifvertrages
vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003) nicht entgegen. Die durch die Kündigung der
Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 zum 31.07.2001 gemäß § 70 Absatz 4 Satz 2
LPVGNW eingetretene Nachwirkung ist durch den Abschluss des Tarifvertrags vom
01.07.2003 beendet worden. Entgegen der Ansicht des Klägers stellt auch der
Tarifvertrag vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003) eine Vereinbarung im Sinne des § 70 Abs. 4
S. 2 LPVG NW dar, durch die die Dienstvereinbarung ersetzt und damit ihre
Nachwirkung beendet wird. Dies ergibt sich bereits aus dem in § 70 Abs. 1 S. 2 LPVG
NW geregelten Tarifvorbehalt, nach dem der Abschluss von Dienstvereinbarungen
unzulässig ist, soweit tarifliche Regelungen entgegenstehen. Entsprechend dem das
Verhältnis verschiedenrangiger Rechtsquellen regelnden Rangprinzip geht der
Tarifvertrag als ranghöhere Norm der rangniedrigeren Regelung der Dienstvereinbarung
vor. Dies gilt unabhängig von dem Zeitpunkt ihres Zustandekommens, so dass auch ein
späterer Tarifvertrag einer früheren Dienstvereinbarung vorgeht. Der Tarifvertrag über
die Versorgungszusage des Westdeutschen Rundfunk Köln vom 01.07.2003 (TV-VZ
2003) stellt eine in sich vollständige, der Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 im
wesentlichen nachempfundene Regelung der Altersversorgung dar, so dass er zum
einen die Nachwirkung der Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 nach § 70 Abs. 4 S. 2
LPVG NW beendet, zum anderen auch eine Sperrwirkung nach § 72 Abs. 4 S. 1 LPVG
NW hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts des Personalrates nach § 72 Abs. 4 S. 1 Nr.
5 LPVG NW in Fragen der Lohngestaltung, wozu die betriebliche Altersversorgung zu
rechnen ist (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.1997 - 3 AZR 529/96, in EzA Nr. 14 zu § 1
BetrAVG Ablösung), entfaltet. Der in den §§ 70 Abs. 1, 72 Abs. 4 S. 1 LPVG NW
geregelte Tarifvorbehalt steht auch der Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips im
Verhältnis von Dienstvereinbarung und Tarifvertrag entgegen.
81
3. Der Tarifvertrag über die Versorgungszusage im W R K vom 01.07.2003 (TV-VZ
2003) ist nicht wegen Verstoß gegen höherrangiges Recht unwirksam.
82
Auch die Tarifvertragsparteien dürfen bei der Änderung von
Altersversorgungsregelungen vorhandene Besitzstände nicht völlig außer Acht lassen,
sondern haben die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 GG
ergebenen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu
beachten (BAG Urteil vom 20.02.2001 - 3 AZR 252/00, in EzA Nr. 24 zu § 1 BetrAVG
Ablösung). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gestaltungsfreiheit der
Tarifvertragsparteien im Verhältnis zur Korrektur der Altersversorgung durch
Dienstvereinbarungen aufgrund durch Artikel 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich
83
geschützten Tarifautonomie nicht geringer, sondern größer ist (vgl. BAG a.a.O.). Die als
dynamische Verweisung zu verstehende Regelung in § 11 des Arbeitsvertrages vom
14.01.1972 des Klägers führt nicht dazu, dass der Kläger keinen Vertrauensschutz
genießt und jede Änderung der Altersversorgungsregelung hinnehmen muss. Die
dynamische Verweisung verhindert zwar eine Festschreibung der bei
Arbeitsvertragsschluss geltenden Regelungen und ermöglicht spätere Änderungen. Das
heißt aber nicht, dass die Altersversorgung beliebig ungestaltet werden kann.
a) Für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger
Rechtsprechung ein dreiteiliges Prüfungsschema entwickelt (BAG, Urteil vom
17.04.1985 - 3 AZR 72/83, in EzA Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskasse; Urteil vom
09.11.1999 - 3 AZR 432/98, in EzA Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Urteil vom
25.05.2004 - 3 AZR 145/03, in EzA - SD 2004, Nr. 16, 12 - 14). Dieses ist allerdings auf
laufende Betriebsrenten nicht ohne weiteres zu übertragen (BAG, Urteil vom 26.08.1997
- 3 AZR 235/96, in EzA Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Urteil vom 09.11.1999 - 3 AZR
432/98, in EzA Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Urteil vom 20.02.2001 - 3 AZR 515/99,
in EzA - SD 2001, Nr. 22, 14). Das für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften
geschaffene dreistufige Prüfungsschema passt nach Eintritt des Versorgungsfalles nicht
mehr. Es gibt weder einen nach den Grundsätzen des § 2 Absatz 1 BetrAVG
errechneten Teilbetrag noch eine zeitanteilig erdiente Quote eines
dienstzeitunabhängigen Berechnungsfaktors noch künftige dienstzeitabhängige
Zuwächse. Es ist nicht gerechtfertigt, alle Eingriffe in laufende Betriebsrenten, wie
geringfügig sie auch sein mögen, den beiden am stärksten geschützten Stufen
zuzuordnen. Die Unterscheidung zwischen dem Stadium vor und nach Eintritt des
Versorgungsfalls entspricht den Vorstellungen und Wertungen des
Betriebsrentengesetzes. Der Unverfallbarkeitsschutz der § 11 ff. BetrAVG bezieht sich
auf das Anwartschaftsstadium und betrifft die Frage, welche Betriebsrente dem
Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalles zusteht. Dies zeigt unter anderem der
Wortlaut des § 2 Absatz 1 BetrAVG: "bei Eintritt des Versorgungsfalles...". Mit Eintritt des
Versorgungsfalles entsteht der Versorgungsanspruch. Einerseits gilt nur für den
Versorgungsanspruch, nicht aber für die Versorgungsanwartschaft das
Auszehrungsverbot des § 5 Absatz 1 BetrAVG. Andererseits unterliegt die
Dynamisierung laufender Betriebsrenten nicht dem Unverfallbarkeitsschutz der § 1 ff.
BetrAVG. Für die Anpassung laufender Betriebsrenten schafft § 16 BetrAVG einen
Mindestschutz. Sowohl § 5 Abs. 1 BetrAVG als auch § 16 BetrAVG dienen dazu,
Wertverluste des Versorgungsanspruchs zu vermeiden oder wenigstens in Grenzen zu
halten.
84
Die Unterscheidung zwischen Anwartschaft und laufender Betriebsrente führt nicht
dazu, dass die Versorgungsempfänger keinen angemessenen Abänderungsschutz
genießen. Wenn nicht die Höhe der Versorgungsanwartschaft, sondern eine andere
Rechtsposition der Versorgungsberechtigten betroffen ist, und wenn festgestellt werden
soll, welche Eingriffsstufe der Einschränkung der Versorgungsrechte am ehesten
entspricht, ist auf die hinter dem Prüfungsschema stehenden Prinzipien zurückzugreifen.
Damit bedarf auch die Änderung von laufenden Versorgungsleistungen tragfähiger
Gründe. Wie gewichtig die Gründe sein müssen, lässt sich jedoch nicht schematisch
beantworten, sondern hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten
durch die konkrete Änderung entstehen (BAG, Urteil vom 09.11.1999 - 3 AZR 432/98, in
EZA Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Soweit ersichtlich, hat sich das
Bundesarbeitsgericht bezüglich der Einschränkung von laufenden Betriebsrenten mit
der Änderung von Dynamisierungsregelungen befasst, nicht aber mit der Absenkung
85
der gewährten Versorgungsbeträge. Auch hierbei finden nach Auffassung der Kammer
obige Grundsätze Anwendung.
b) Die Nachteile, die dem Kläger durch die Einführung des Riester-Korrekturfaktors und
die damit einhergehende Absenkung der Gesamtnettoversorgungsobergrenze im
Tarifvertrag über die Versorgungszusage beim W R vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003)
entstehen, sind nicht so schwerwiegend, dass triftige oder sogar zwingende Gründe
hierfür verlangt werden müssten. Die erforderlichen sachlichen Gründe liegen vor.
Entscheidend ist dabei darauf abzustellen, dass der Kläger bei Eintritt des
Versorgungsfalls die ihm zugesagte Betriebsrente ungeschmälert erhielt. Die
Einführung des Riester-Korrekturfaktor führt lediglich zu einer geringfügigen Absenkung
der gesamten Nettoversorgung des Klägers in Höhe von 16,96 Euro, 17,17 Euro bzw.
17,54 Euro monatlich, die im Verhältnis zu einem Zahlbetrag von 493,94 Euro im
Zeitraum Juli 2003 stehen. Die vom Kläger bei Eintritt in den Ruhestand bezogene
betriebliche Altersrente zum 01.02.1998 in Höhe von 433,43 Euro wird dabei nicht
angetastet. Die als geringfügig anzusehende Absenkung der laufenden
Betriebsrentenleistung ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt,
insbesondere liegen ihr mit Rücksicht auf die veränderten rechtlichen
Rahmenbedingungen durch Absenkung der gesetzlichen Rente in Form der
sogenannten Riester-Rentenreform veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen zugrunde,
die geeignet sind, einen sachlich, proportionalen Grund für die Veränderung der
Versorgungsregelungen darzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2001 - 3 AZR 515/99,
in EzA - SD 2001, Nr. 22, 14; Urteil vom 27.08.1996 - 3 AZR 466/95, in EzA Nr. 12 zu §
1 BetrAVG Ablösung).
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In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die verfassungsrechtlich
geschützte Tarifautonomie nach Artikel 9 Abs. 3 GG eine entsprechende Zurückhaltung
bei der Inhaltskontrolle von Tarifverträgen abverlangt. Die Einführung des Riester-
Korrekturfaktors ist eine sachgerechte, auch für die Versorgungsempfänger akzeptable
Lösung, die unter Berücksichtigung der Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen aus Sicht
der Kammer keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BAG, Urteil vom
20.02.2001 - 3 AZR 515/99, in EzA - SD 2001 Nr. 22, 14).
87
4. Eine Unwirksamkeit des tarifvertraglichen Einführung des Riester-Korrekturfaktors für
die tarifgebundenen Mitarbeiter der Beklagten wegen Verstoßes gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz im Verhältnis zu den außertariflichen Angestellten ist nicht
zu erkennen, nachdem die Beklagtenseite vom Kläger unwidersprochen darauf
hingewiesen hat, dass auch bei diesen eine entsprechende Korrektur vorgenommen
worden ist.
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5. Auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Korrekturfaktors
nach § 14 des Tarifvertrages über die Versorgungszusage beim Westdeutschen
Rundfunk vom 01.07.2003 (TV-VZ 2003) sind als gegeben anzusehen. Nach § 14 Abs.1
S. 1 2. HS TV-VZ 2003 ist der Korrekturfaktor anzuwenden, soweit durch die
Veränderung der Rentenformel im Altersvermögensergänzungsgesetz in der Fassung
vom 21.03.2003 ein Auffülleffekt eintreten würde. Die Berechnung des Korrekturfaktors
für den Zeitraum ab 01.07.2003 in § 14 Absatz 1 Satz 1 des Tarifvertrages entspricht
dem aus der Rentenformel im Altersvermögensergänzungsgesetz resultierenden
Auffülleffekt. Dies ist durch das von der Beklagtenseite vorgelegte Gutachten der W W
vom 23.05.2003 (Bl. 77 ff.) hinreichend belegt. Der Einwand des Klägers, das Gutachten
gehe von einer zu hohen Tarifanpassung von 2,3 % pro Jahr aus, führt zu keinem
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anderen Ergebnis, da entsprechend dem Hinweis der Beklagten bei einer geringeren
Tarifsteigerung alle Werte des Gutachtens vom 23.05.2003 ebenfalls geringer wären,
somit also auch die Kompensationswerte der Riester-Korrekturfaktoren.
6. Der erst am 22.10.2004 unterzeichnete, rückwirkend für den Zeitraum ab 01.07.2003
geltende Tarifvertrag über die Versorgungszusage beim W R K vom 01.07.2003 (TV-VZ
2003) ist auch als rückwirkender Eingriff in einen bereits entstandenen und fälligen
Versorgungsanspruch des Klägers wirksam. Die rückwirkende Herabsetzung bereits
entstandener Ansprüche ist nicht unzulässig, da der Ausschluss der Befugnis, bereits
entstandene Ansprüche durch rückwirkende tarifvertragliche Regelungen
herabzusetzen, ein nicht gebotener Eingriff in die Gestaltungsbefugnis der
Tarifvertragsparteien wäre (vgl. BAG, Urteil vom 23.11.1994 - 4 AZR 879/93, in EzA Nr.
3 zu § 1 TVG Rückwirkung). Der rückwirkenden Herabsetzung bereits entstandener
Ansprüche sind jedoch diejenigen Grenzen gezogen, die für die echte rückwirkende
Normsetzung gelten. Angesichts des Rechtsnormcharakters der Tarifnormen sind die
Grenzen für ihre Rückwirkung die gleichen wie bei derjenigen von Gesetzen. Der
Normunterworfene ist danach nicht schutzwürdig, wenn er im Zeitpunkt des
Inkrafttretens der Norm mit einer Regelung rechnen musste. Die für den Kläger zuvor
maßgebliche Dienstvereinbarung vom 31.07.1998 war bereits im Jahr 2001 gekündigt
und galt seitdem lediglich infolge der Nachwirkung nach § 70 Absatz 4 Satz 2 LPVG
NW fort. Diese Nachwirkung beinhaltete von vorneherein die Abänderbarkeit durch eine
anderweitige Regelung, also auch durch die vorliegende tarifvertragliche Gestaltung.
Zudem wurde durch den Tarifvertragsschluss vom 16.06.2003 und die hierbei für die
Beklagte zumindest in Aussicht genommene Einführung des Riester-Korrekturfaktors
die Möglichkeit der Veränderung seiner Altersversorgung für den Kläger deutlich, so
dass er schützenswertes Vertrauen diesbezüglich nicht mehr entwickeln konnte.
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Die Klage ist daher nach allem unbegründet, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.
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III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der unterlegene Kläger nach § 97 Abs. 1
ZPO.
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IV. Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache
zugelassen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
94
Gegen dieses Urteil kann von
95
R E V I S I O N
96
eingelegt werden.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
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schriftlich beim
100
Bundesarbeitsgericht
101
Hugo-Preuß-Platz 1
102
99084 Erfurt
103
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
105
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
106
Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
107
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
108
(Dr. Staschik) (Breuer) (Dederichs)
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