Urteil des LAG Köln vom 12.09.2002

LArbG Köln: wichtiger grund, abmahnung, fristlose kündigung, arbeitsgericht, abfindung, auflösung, fahren, name, sicherheit, drohung

Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 329/02
Datum:
12.09.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 329/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 20 Ca 4366/01
Schlagworte:
Kündigung; fristlos; Arbeitsverweigerung; Abmahnung; Auflösung
Normen:
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 13 Abs. 1 S. 3
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Arbeitsverweigerung setzt als Kündigungsgrund grundsätzlich
voraus, dass sie trotz einer Abmahnung fortgesetzt wird.
2. Eine Abmahnung im Rechtssinne liegt nicht schon deshalb vor, weil
die Maßnahme als solche bezeichnet wird ("Ich mahne Sie hiermit
förmlich ab"). Insbesondere in der betrieblichen Umgangssprache hat
der Arbeitgeber die Drohung mit der Kündigung auch auszusprechen;
weicht er auf eigenes Risiko auf Umschreibungen aus ("Sie sind sich im
Klaren über die Folgen"), hat er diese so zu wählen, dass die
Kündigungsdrohung bei seinem konkreten Gesprächspartner auch mit
Sicherheit ankommt.
3. Auf beiderseitigen Auflösungsantrag erfolgt die Auflösung ohne
Prüfung von Auflösungsgründen. Im Falle der fristlosen Kündigung
erfolgt sie zu dem mit der Kündigung beabsichtigten Zeitpunkt.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.11.2001 verkündete
Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 20 Ca 4366/01 - wird zurückgewiesen.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 02.05.2001 aufgelöst. Die
Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von
12.000,- EUR zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
TATBESTAND
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Die Parteien - nämlich die beklagte GmbH &Co KG, die sich als "Generalunternehmung
für technische Gebäudeausrüstung" bezeichnet und der am 20.07.1964 geborene
Kläger, der von ihr seit Oktober 1987 als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt und
überwiegend in Außenmontage eingesetzt wurde - streiten um die Wirksamkeit einer
fristlosen Kündigung vom 02.05.2001. Die Beklagte hat sie ausgesprochen, weil der
Kläger sich seit seiner Heirat am 08.12.2000 zunehmend dagegen gewehrt hat, auf
Fernmontage eingesetzt zu werden, sondern einen Einsatz nur noch in K gefordert hat.
Die Parteien hätten - so die Beklagte - vereinbart, zunächst die Aufträge in F und P bis
etwa August 2001 abzuwickeln, deren Bearbeitung der Kläger auch am 20.03.2001
begonnen habe. Dennoch habe er am arbeitsfreien Montag, den 30.04.2001, eine
Fortsetzung des auswärtigen Einsatzes strikt abgelehnt und sei trotz ausdrücklicher
Anweisung am Mittwoch, den 02.05.2001, zur Arbeitsaufnahme in K erschienen.
Nachdem er trotz Abmahnung bei seiner Weigerung geblieben sei, seinem Einsatz in F
nachzukommen, sei ihm vom Zeugen F J das Schreiben mit der fristlosen Kündigung
überreicht worden.
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Das Arbeitsgericht hat der hiergegen gerichteten Feststellungsklage stattgegeben; mit
ihrer dagegen eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag
weiter und behauptet, das Gespräch am 30.04.2001 habe mit den an den Kläger
gerichteten Worten des Zeugen F J geendet: "Sie wissen also, wo ihr Arbeitsplatz am
02.05.2001 ist, nämlich allein in F und sind sich im Klaren über die Folgen, wenn Sie
nicht nach F fahren," Nachdem der Kläger dennoch am 02.05.2001 in K erschienen sei,
habe der Zeuge F J erklärt, wenn er, der Kläger, bei seiner Weigerung, nach F zu
fahren, bleibe, werde er, der Zeuge, die Folgen dieser Arbeitsverweigerung mit seinem
Vater besprechen, und der Kläger möge um 10:00 Uhr wiederkommen. Im Verlaufe des
ab 10:00 Uhr fortgesetzten Gesprächs habe der Zeuge F J zum Kläger gesagt: "Ich
mahne Sie hiermit wegen ihrer beharrlichen Arbeitsverweigerung in F förmlich ab und
frage Sie, ob es noch andere Gründe für Ihre Weigerung, etwa Krankheit oder ähnliches,
gibt." Nachdem der Kläger dies verneint und bei seiner Weigerung geblieben sei, habe
ihm der Zeuge das Kündigungsschreiben überreicht.
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Die Beklagte beantragt,
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1. die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen;
2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Der Kläger beantragt,
3. die Berufung zurückzuweisen;
4. das Arbeitsverhältnis aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer
angemessenen Abfindung zu verurteilen, welche 12.000,00 EUR nicht
unterschreiten sollte.
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Er bestreitet den Ausspruch einer Abmahnung sowie eine Bevollmächtigung des
Zeugen F J zur Kündigung.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
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Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben.
Die streitige Kündigung ist unwirksam, weil kein wichtiger Grund im Sinne von § 626
Abs. l BGB vorliegt. In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen
Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe
abgesehen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Gründe halten auch den Angriffen der
Berufung stand:
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Die Arbeitsverweigerung setzt als Kündigungsgrund grundsätzlich voraus, dass sie trotz
einer Abmahnung fortgesetzt wird (KR/Etzel, 6. Aufl., § l KSchG Rn. 433). Das
Arbeitsgericht hatte darauf hingewiesen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch
eine gewisse Zeit einräumen muss, seine Wahl zwischen Kündigung und Einlenkung
zu treffen. Nachdem die Beklagte zweitinstanzlich den endgültigen, vom
erstinstanzlichen Vortrag abweichenden aber der Zeugenaussage sich mehr
annähernden Wortlaut der "Abmahnung" vorgetragen hat ("Ich mahne Sie hiermit ...
förmlich ab"), steht fest, dass eine Abmahnung im Rechtssinne überhaupt nicht
ausgesprochen wurde und die Kündigung schon daran scheitern muss. Die
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Abmahnung zeichnet sich nämlich nicht dadurch aus, dass ihr Name benutzt, sondern
dadurch, dass mit einer Kündigung gedroht wird. Beides mag ausnahmsweise bei
Abmahnungsadressaten einmal dasselbe sein können, die juristische und speziell
arbeitsrechtliche Rechtsbegriffe nach Name und Bedeutung kennen und diese Kenntnis
auch beim Erklärenden zu Recht voraussetzen; keinesfalls gilt dies für die betriebliche
Umgangssprache. Hier hat der Arbeitgeber die Drohung mit der Kündigung auch
auszusprechen und wenn er auf eigenes Risiko auf Umschreibungen ausweicht, diese
so zu wählen, dass die Kündigungsdrohung bei seinem konkreten Gesprächspartner
auch mit Sicherheit ankommt. Im vorliegenden Fall geschieht dies keinesfalls mit dem
bloßen Ausspruch des Wortes "Abmahnen". Die meisten Menschen verstehen alles
Mögliche unter einer Abmahnung vom bloßen Verweis bis hin zu einer frühen Stufe
eines gestaffelten disziplinarischen Katalogs. Wie dem Gericht aus forensischer
Erfahrung bekannt ist, ist nicht einmal allen Anwälten bekannt, dass erst die
Kündigungsdrohung aus einer "Abmahnung" eine Abmahnung im Rechtssinne macht.
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Zu Unrecht scheint die Beklagte auf eine bereits am 30.04.2001 ausgesprochene
Abmahnung hinweisen zu wollen mit ihrer Behauptung, der Zeuge F J habe dem Kläger
bei dieser Gelegenheit erklärt, er sei sich "im Klaren über die Folgen", wenn er nicht
nach F fahre. Zum einen widerspricht diese Behauptung - offensichtlich nicht zufällig -
der erstinstanzlichen Darstellung; danach soll der Zeuge F J nämlich gesagt haben:
"Sie wissen, wo am 02.05.2002 Ihre Arbeitsstelle ist, nämlich in F , überlegen Sie sich
das gut!" Eine Erklärung dafür, warum nunmehr diese neue Version auftaucht, die weder
im erstinstanzlichen Vortrag noch in der Aussage des Zeugen F J eine Rolle gespielt
hat, hat die Beklagte nicht geliefert. Das mag letztlich dahinstehen. Denn beide
Versionen ("Überlegen Sie sich das gut" und "Sie sind sich im Klaren über die Folgen")
sind nicht deutlich genug, um zwangsläufig als Kündigungsdrohung verstanden werden
zu müssen; sie verlassen nicht den Bereich dunkler Andeutungen. So konnten
beispielsweise "Folgen" auch Einkommenseinbußen sein.
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Da nach allem zwar eine Arbeitsverweigerung vorliegen mag, aber keine, die trotz einer
Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne fortgesetzt wurde, liegt kein wichtiger Grund i.
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S. v. § 626 Abs. l BGB vor.
Die danach unwirksame Kündigung war auf den Antrag des Klägers hin aufzulösen, und
zwar - da sich die Beklagte dem Antrag angeschlossen hat - ohne Prüfung von
Auflösungsgründen (BBDW/Bader, § 9 KSchG Rn. 21; Hueck/v. Hoyningen-Huene,
Kündigungsschutzgesetz, 12. Aufl., § 9 Rn. 47; BAG, Urteil vom 29.03.1960 in AP Nr. 7
zu § 7 KSchG; Übs. bei KR/Spilger, 6. Aufl., § 9 KSchG Rn. 66). Die Auflösung hat - da
es sich um eine fristlose Kündigung handelt - zum 02.05.2001 zu erfolgen {KR/Fried-
rich, 6. Aufl., § 13 KSchG Rn. 69; Übs. unter Rn. 67). Für angemessen i. S. v. § 10
KSchG hat das Gericht eine Abfindung in Höhe von 12.000,00 EUR gehalten. Dabei hat
es das Lebensalter und die fast 14-jährige Betriebszugehörigkeit des Klägers wie auch
den Verlust der Kündigungsfrist berücksichtigt, aber deutliche Abschläge gemacht für
die Tatsache, dass der Kläger die Kündigung in hohem Maße selbst verschuldet hat: Er
durfte die Fortsetzung seiner Tätigkeit in F nicht verweigern; seine Behauptung, die
Parteien hätten eine abweichende Vereinbarung getroffen, hat sich in der erstinstanzlich
durchgeführten Beweisaufnahme als unzutreffend herausgestellt. Bei Einhaltung der
Förmlichkeiten wäre die Kündigung begründet gewesen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht
zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG
wird hingewiesen.
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