Urteil des LAG Köln vom 15.11.2002

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Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 692/02
Datum:
15.11.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Sa 692/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 3189/01
Schlagworte:
Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer
Normen:
§ 670 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Ein Leiharbeitnehmer hat mangels anderweitiger vertraglicher Regelung
einen Anspruch auf Erstattung der ihm tatsächlich entstandenen
Fahrtkosten, soweit die Reisekosten zu dem Arbeitsort, den der
Verleiher ihm zuweist, die für die Reise von der Wohnung zur
Geschäftsstelle des Verleihers übersteigen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 08.03.2002 - 2 Ca 3189/01 - wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um Reisekostenerstattung.
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Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens sowie der
erstinstanzlich gestellten Anträge wird zunächst § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Betriebsvereinbarung vom
04.01.2000 befindet sich auf Blatt 19 - 26 d. A., die von der Beklagten seit dem
01.10.2000 praktizierten Reisekostenrichtlinien auf Blatt 29 d. A.
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Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf die Darlegungen des Klägers in
der Berufungsbegründung Blatt 79 - 81 d. A. Bezug genommen. Diese sind als solche
bis auf die angegebenen Kilometerzahlen unstreitig. Die Entfernung zwischen B und M ,
der Firma T C , beträgt nach Angaben der Beklagten 37 km, die Entfernung zwischen
dem Wohnort des Klägers und der Firma H 18 km, die Entfernung zwischen dem
Wohnort des Klägers und der Firma B D 250 km, die Entfernung zwischen dem Wohnort
des Klägers und der Firma B in L 45 km, die Entfernung zwischen dem Wohnort des
Klägers und der Firma T C in K 48 km.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.03.2002 die Klage abgewiesen.
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Gegen dieses ihm am 31.05.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.07.2002
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Berufung eingelegt und diese am 26.07.2002 begründet. Er trägt vor, der Betriebsrat sei
bei der Betriebsvereinbarung vom 04.01.2000, die unstreitig nach der Fusion zwischen
der Beklagten und der Firma T P eine Besitzstandswahrung schaffen sollte, davon
ausgegangen, dass nach Ablauf der Wirkung der Betriebsvereinbarung eine weitere
ablösende Betriebsvereinbarung geschlossen werde. Die Verhandlungen seien
gescheitert, weil die Beklagte nicht mehr bereit gewesen sei, eine solche zu schließen.
Sodann habe die Beklagte mitgeteilt, sie werde für die von der Firma T P
übernommenen Arbeitnehmer auch die bisherigen Reisekostenrichtlinien anwenden,
ohne dass es dazu zu einer vertraglichen Regelung gekommen sei. Der Kläger beruft
sich auf § 242 BGB. Bei Abschluss der Betriebsvereinbarung unter der Prämisse, eine
Besitzstandswahrung herbeizuführen, sei den Beteiligten bewusst gewesen, dass mit
der zu verhandelnden Anschlussbetriebsvereinbarung eine Verschlechterung bei
Zahlung der Fahrtkosten nicht eintreten solle.
Der Kläger beruft sich weiter auf § 670 BGB. Er meint, die Fahrten zu den auswärtigen
Einsätzen seien im betrieblichen Interesse erfolgt. Die betriebliche Veranlassung
ergebe sich daraus, dass Leiharbeitnehmer in typischer Weise eben nicht am
Betriebssitz, sondern bei Kundenfirmen eingesetzt würden. Daher sei jede Wegstrecke,
die länger als bis zum Betriebssitz sei, betriebsüblich auf Grund der Einsatzanweisung
der Beklagten veranlasst.
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Hilfsweise beruft der Kläger sich auf eine Berechnung mit 0,30 Euro pro gefahrenen
Kilometer. Er meint, die steuerlichen Höchstsätze trügen die Vermutung in sich, dass
insoweit von einer Pauschalkostendeckung auszugehen sei.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2002 - 2 Ca 3189/01 -
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 917,48 EUR netto nebst 5 % Zinsen über den
Basiszinssatz des § 1 Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 10.04.2001 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Sie beruft sich darauf, dass die Betriebsparteien gar keine nachfolgende
Betriebsvereinbarung mehr hätten abschließen können. Sie habe nämlich - das ist als
solches unstreitig - im Jahre 2000 mit der Vorgängergewerkschaft der Vereinigten
Dienstleistungsgewerkschaft .di sowie der IG Metall jeweils einen Dienstvertrag nach §
3 BetrVG abgeschlossen, mit dem die betriesverfassungsrechtliche Struktur regional
organisiert worden sei. Diese Tarifverträge seien am 16.11.2000 vom
Bundesarbeitsministerium genehmigt worden. Damit seien Regionalbetriebsräte
gebildet worden.
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Da pauschalierte Entschädigungen für Fahrtaufwand im Übrigen nicht
mitbestimmungspflichtig seien, sei sie, die Beklagte berechtigt gewesen, ab dem
01.10.2000 ihre Reisekostenrichtlinie zur Anwendung zu bringen.
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Der Anspruch sei auch nicht nach § 670 BGB gegeben. Sie, die Beklagte, verfüge über
ein Niederlassungsnetz im gesamten Bundesgebiet, weshalb es nicht vorkomme, dass
ein Mitarbeiter, der z. B. in B wohne, ohne triftigen Grund und ohne im Einzelfall
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zutreffende Regelung zu einem Einsatzort im Bundesgebiet geschickt werde.
Zur Abmilderung der Folgen, die durch die in der gewerblichen
Arbeitnehmerüberlassung entstehenden Anfahrtszeiten und Wegekosten entstünden,
beteilige sich die Beklagte an dem grundsätzlich vom Mitarbeiter privat zu leistenden
Aufwand, wobei eine Entfernung zwischen Wohnsitz und Einsatzort von maximal 30 km
als angemessen erachtet und für weitere Entfernungen gestaffelt
Aufwandsentschädigungen gemäß den Reisekostenrichtlinien gewährt würden.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hatte in der
Sache keinen Erfolg.
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1. Dem Kläger steht der auf der Basis von 0,70 DM pro Kilometer berechnete
Anspruch auf Reisekostenerstattung nicht auf Grund der Betriebsvereinbarung
vom 04.01.2000 zu. Deren Regelungen sind auch nicht über den 30.09.2000
hinaus Inhalt des Einzelvertrages geblieben. Insoweit folgt die Kammer der
angefochtenen Entscheidung (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und nimmt auf die
Ausführungen des Arbeitsgerichts zu 1. und 2. des angefochtenen Urteils Bezug.
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§ 77 Abs. 6 BetrVG enthält nach allgemeiner Auffassung kein zwingendes Recht.
Vielmehr ist der Ausschluss der Nachwirkung in der Betriebsvereinbarung selbst
möglich (BAG 09.02.1984 AP § 77 BetrVG 1972 Nr. 9). Davon abgesehen aber griff die
Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG ohnehin nicht ein, da es sich nicht um eine
Angelegenheit handelt, in der ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann. Denn betriebliche Regelungen über die
Höhe des Aufwendungsersatzes bei Geschäftsreisen und über entsprechende
Pauschalbeträge sind nicht mitbestimmungspflichtig (BAG 27.10.1998 AP Nr. 99 zu § 87
BetrVG 1972 Lohngestaltung).
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Die Berufungsbegründung hat nichts Relevantes dagegen eingewandt.
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Insbesondere kann sich der Kläger schon deshalb nicht auf den Grundsatz von Treu
und Glauben berufen, weil es in der Betriebsvereinbarung (Blatt 23 d. A.) heißt: "Die
Parteien sind bei der Festlegung des Beendigungszeitpunktes davon ausgegangen,
dass bis zum 30.06.2000 eine neue Regelung über Aufwandsersatz in Form einer
Betriebsvereinbarung vorliegen wird" (Teil E I Abs. 2 Satz 1). Denn die Betriebsparteien
haben selbst geregelt, was für diesen Fall gelten soll (Teil E I Abs. 2 Satz 2): "Sofern
dies nicht der Fall sein sollte, sind beide Parteien verpflichtet, die Bestimmungen der
vorliegenden Betriebsvereinbarung über den Beendigungszeitpunkt (30.06.2000)
hinaus noch bis zum 30.09.2000 anzuwenden (Überbrückungszeitraum)".
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Die Betriebsparteien haben also selbst den Fall geregelt, was gelten soll, falls keine
neue Betriebsvereinbarung zustande kommt.
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Den Überbrückungszeitraum hat die Beklagte eingehalten. Unter keinem denkbaren
Gesichtspunkt kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben darüber hinaus ein
weiterer Anspruch des Klägers aus der Betriebsvereinbarung abgeleitet werden.
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1. Auch aus § 670 BGB kann der Kläger seinen pauschalierten
Aufwendungsersatzanspruch nicht ableiten.
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1. Zwar teilt die Kammer die Auffassung des Arbeitsgerichts nicht, dass die Fahrten
eines Leiharbeitnehmers von seinem Wohnsitz zum Einsatzort stets der privaten
Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen seien. Zu den vertraglichen
Verpflichtungen eines Leiharbeitnehmers gehört es, an den Orten zu arbeiten, an
denen ihm der Verleiher Arbeiten zuweist. Deshalb stellt das Reisen für den
Leiharbeitnehmer einen Teil seiner übernommenen Arbeitspflicht dar (vgl. insoweit
BAG 03.09.1997 AP Nr. 1 zu § 611 BGB Dienstreise - zum Fall eines
Außenprüfers -). Dieses gilt jedoch nicht einschränkungslos. Soweit das
Sozialgericht Hamburg im Urteil vom 24.09.1992 (13 AR 247/92, 13 AR 928/92)
davon ausgegangen ist, für Fahrten zwischen Privatwohnung und zugewiesener
Arbeitsstelle hätten die Leiharbeitnehmer gemäß § 670 BGB stets einen
Fahrtkostenerstattungsanspruch, vermag die Kammer das in dieser Pauschalität
nicht zu teilen. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass jeder Arbeitnehmer
grundsätzlich von seiner Privatwohnung zu seiner Arbeitsstätte zu fahren hat. Die
Aufwendungen dafür sind - worauf das Arbeitsgericht mit Literaturhinweisen zu
Recht hingewiesen hat - grundsätzlich seine Privatangelegenheit und nicht vom
Arbeitgeber zu bezahlen. Der Verleiher braucht daher die Fahrtkosten nicht zu
zahlen, die bei der Anreise zu seiner Arbeitsstätte nicht angefallen wären. Das
sieht offenbar auch der Kläger selbst so.
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Es kann im vorliegenden Fall letztlich dahinstehen, ob die von der Beklagten in ihren
Richtlinien zu Grunde gelegten ersten 30 km, bei denen keinerlei Fahrtkostenerstattung
stattfindet, die Grenze zulässiger Pauschalierung überschreiten.
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Denn der Kläger, der in Bonn wohnt und für eine Geschäftsstelle der Beklagten in Köln
arbeitet, kann bei Einsätzen rund um K - wie er ausweislich Berufungsbegründung
selbst erkannt hat - allenfalls die Kosten erstattet verlangen, die die Strecke von seiner
privaten Wohnung zur Kölner Geschäftsstelle überschreiten.
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Der Kläger berechnet aber die Entfernungen, auf die er seine Klageforderung stützt (Bl.
5 d. A. ), offensichtlich von seiner Wohnung aus (zB: "Baustelle in Köln" 60 km). Nähere
Angaben, an welchen Adressen sich die jeweiligen Einsatzorte befinden, fehlen.
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In keinem Fall kann der Kläger schließlich den Satz von 0,70 DM pro Kilometer bzw. bei
seiner hilfsweisen Betrachtung anhand des steuerlichen Pauschbetrages 0,30 Euro je
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gefahrenen Kilometer pauschal zu Grunde legen.
§ 670 BGB regelt einen Aufwendungsersatzanspruch. Das bedeutet, dass der Kläger
lediglich Ersatz für die Aufwendungen beanspruchen kann, die er tatsächlich gehabt
hat. Die Beklagte hat schon erstinstanzlich unter Fundstellenachweis darauf
hingewiesen, dass der Kläger dann, wenn es keine generelle Regelung gibt, seine
Fahrtaufwendungen im Einzelnen darlegen und beweisen muss.
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Hierzu fehlt es an jeglichem Vortrag des Klägers. Seinem Vortrag ist nicht einmal klar zu
entnehmen, ob er überhaupt mit einem Pkw gefahren ist, erst recht nicht, ob er allein
gefahren ist oder sich an Fahrgemeinschaften beteiligt hat, welchen Pkw er ggf. genutzt
hat, welche konkreten Kosten dadurch entstanden sind.
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1. Sofern der Kläger schließlich auf § 612 BGB abhebt, ist dieser Topos verfehlt, weil
es im vorliegenden Fall nicht um Vergütung, sondern um Aufwendungsersatz geht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen dieses Urteil ist für mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht
statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision
selbständig durch Beschwerde beim
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Bundesarbeitsgericht
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Hugo-Preuß-Platz 1
39
99084 Erfurt
40
Fax: (0361) 2636 - 2000
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anzufechten auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
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(Dr. Backhaus) (Willner) (Prekel)
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