Urteil des LAG Köln vom 12.12.2007

LArbG Köln: fristlose kündigung, ordentliche kündigung, arbeitsgericht, luft, prozessvertretung, anschluss, anhörung, anfang, auflage, betriebsleiter

Landesarbeitsgericht Köln, 5 Ta 334/07
Datum:
12.12.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 Ta 334/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 6 Ca 14668/03
Schlagworte:
Kostenfestsetzung - außergebührenrechtlicher Einwand
Normen:
§ 19 Abs. 5 S. 1 BRAGO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Erhebt ein Rechtsanwalt für einen Arbeitnehmer Klage gegen eine
ordentliche Kündigung und gründet er während der Kündigungsfrist ein
Konkurrenzunternehmen für den Arbeitnehmer trotz des für diesen noch
geltenden Wettbewerbsverbots und erfolgt sodann eine fristlose
Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, so kann der
Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt
haben, mit der er auch gegen den Gebührenanspruch des
Rechtsanwalts aus dem Kündigungsschutzprozess aufrechnen kann.
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der
Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24. Juli
2007 – 6 Ca 14668/03 – geändert:
Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu
tragen.
3. Beschwerdewert: EUR 1.963,80
G r ü n d e :
1
I Der Antragsgegner beauftragte die Antragstellerin damit, ihn in einem von ihm
angestrengten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Köln zu vertreten.
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Er war seit dem 1. April 2003 bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen
Arbeitsvertrages als Betriebsleiter beschäftigt, in dem ihm ausdrücklich untersagt war,
sich ohne Zustimmung der Beklagten mittelbar oder unmittelbar an einem
Konkurrenzunternehmen zu beteiligen oder ein solches zu betreiben bzw.
Nebentätigkeiten zu übernehmen. Zudem war darin ein nachvertragliches
Wettbewerbsverbot für die Dauer von einem Jahr festgelegt worden, wobei dem
Antragsgegner eine Karenzentschädigung zu zahlen war.
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Mit Schreiben vom 29. November 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum
29. Februar 2004 und stellte den Antragsgegner von der Arbeit frei. Ausdrücklich wies
sie ihn auf das bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehende und auf das
nachvertragliche Wettbewerbsverbot hin.
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Zusätzlich kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 14. Januar
2004.
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Gegen beide Kündigungen erhob die Antragstellerin für den Antragsgegner fristgerecht
Kündigungsschutzklage.
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In dem Kündigungsschutzprozess trug die Beklagte vor, der Antragsgegner habe sich
unter Verstoß gegen das bestehende Wettbewerbsverbot Anfang Dezember 2004 an
den einzigen Kunden der Beklagten gewandt, um für ein von ihm neu gegründetes
Konkurrenzunternehmen Aufträge zu erhalten.
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Daraufhin nahm die Antragstellerin in der Gütesitzung am 9. März 2004 vor dem
Arbeitsgericht Köln nach einem Hinweis des Gerichts zur Rechtslage die
Kündigungsschutzklage zurück.
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Nach Abschluss des Verfahrens hat das Arbeitsgericht Köln auf Antrag der
Antragstellerin durch Beschluss vom 24. Juli 2007 die Gebühren und Auslagen gegen
den Antragsgegner nach § 19 BRAGO auf EUR 1.963,80 festgesetzt.
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Gegen den am 26. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 5.
August 2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Er begründet die Beschwerde damit, er
habe Schadensersatzansprüche gegen die Antragstellerin. Diese habe zeitgleich mit
der Einleitung der Kündigungsschutzverfahren für ihn das Konkurrenzunternehmen
gegründet. Ihr hätte dabei klar sein müssen, dass angesichts der arbeitsvertraglichen
Wettbewerbsverbote die Kündigungsschutzklagen keine Aussicht auf Erfolg hätten
haben können. Sein Schadensersatzanspruch gehe zunächst dahin, von
Kostenansprüchen der Antragstellerin freigestellt zu werden.
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Die Antragstellerin hält den Einwand für unsubstantiiert und unbegründet. Er stehe mit
der Prozessvertretung in dem Kündigungsschutzverfahren in keinerlei Zusammenhang.
Es sei vollkommen legitim, im Anschluss an eine Kündigung nach Möglichkeiten zu
suchen, den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten
zu können.
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Die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln hat es abgelehnt, der Beschwerde
abzuhelfen mit der Begründung, der Antragsgegner mache keine Einwendungen
geltend, die außerhalb des Gebührenrechts lägen.
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II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Insbesondere wurde sie
fristgerecht erhoben.
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Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
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1. Die mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. Juli 2007 zugunsten der
Antragstellerin vorgenommene Vergütungsfestsetzung ist zu Unrecht erfolgt. Das
Arbeitsgericht Köln hätte die von der Antragstellerin gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 BRAGO
beantragte Kostenfestsetzung ablehnen müssen, da der Antragsgegner bei der nach §
19 Abs. 2 S. 2 BRAGO durchgeführten Anhörung Einwendungen erhoben hat, die ihren
Grund nicht im Gebührenrecht haben (vgl. § 19 Abs. 5 S. 1 BRAGO).
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2. Der Antragsgegner hat geltend gemacht, die Antragstellerin habe ihn dahin beraten,
die Kündigungsschutzklagen zu erheben, obwohl sie gleichzeitig für ihn ein
Konkurrenzunternehmen gegründet habe und deshalb mit einer Fortführung des
Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die Wettbewerbsverbote von vornherein nicht zu
rechnen gewesen sei.
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Darin ist der Vorwurf enthalten, sie habe ihn nicht hinreichend über die mangelnde
Erfolgsaussicht seiner Kündigungsschutzklagen aufgeklärt und damit anwaltlich nicht
ordnungsgemäß vertreten.
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Dieser Einwand, aus dem sich ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung
des Anwaltsvertrages herleiten lassen kann, hat seinen Grund nicht im Gebührenrecht.
Nichtgebührenrechtlich ist jeder Einwand, der sich nicht gegen die Richtigkeit einzelner
Ansätze, sondern gegen den Gebührenanspruch als solchen nach Grund und/oder
Höhe richtet (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Auflage, § 19 BRAGO Rdn. 52).
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3. Die nach § 19 Abs. 1 S. 1 BRAGO beantragte Kostenfestsetzung ist immer schon
dann abzulehnen, wenn der Antragsgegner derartig außergebührenrechtliche
Einwendungen erhebt (§ 15 Abs. 5 S. 1 BRAGO). Eine nähere Substantiierung der
Einwände oder sogar deren Schlüssigkeit kann nicht verlangt werden, da über die
Begründetheit nicht im vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 19
BRAGO entschieden werden kann. Es muss lediglich erkennbar sein, dass der Einwand
irgendeinen sachlichen Hintergrund hat und nicht offensichtlich aus der Luft gegriffen
oder bewusst rechtsmissbräuchlich gestellt wird (vgl. Landesarbeitsgericht Köln,
Beschlüsse vom 14. August 2002 – 7 (10) Ta 129/02 –, vom 14. Oktober 2004 – 9 Ta
327/04 – und vom 3. Juli 2007 – 9 Ta 177/07 -; Landesarbeitsgericht Düsseldorf LAGE
Nr. 3 zu § 19 BRAGO; Riedel/Susbauer, BRAGO, 7. Aufl., § 19 Rdn. 29; zum neuen
Recht: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 11 Rdn. 141 m. w. N.).
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Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einwand keinen sachlichen Grund
hat und offensichtlich aus der Luft gegriffen ist.
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Im Gegenteil musste angesichts der im Arbeitsvertrag rechtswirksam vereinbarten
Wettbewerbsverbote von vornherein damit gerechnet werden, dass die Beklagte mit
einer fristlosen Kündigung reagierte, sobald ihr die Konkurrenztätigkeit durch Abwerben
von Kundenaufträgen bekannt wurde. Der Wettbewerbsverstoß erfolgte im noch
bestehenden Arbeitsverhältnis, da die Kündigung vom 29. November 2003 mit Wirkung
zum 29. Februar 2004 ausgesprochen worden war. Im bestehenden Arbeitsverhältnis
gilt schon nach § 60 HGB ein gesetzliches Wettbewerbsverbot. Die Beklagte hatte im
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Kündigungsschreiben auf die zusätzliche vertragliche Regelung ausdrücklich
hingewiesen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine unerlaubte
Konkurrenztätigkeit einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten aus dem
Arbeitsverhältnis darstellt und als Grund für eine fristlose Kündigung an sich geeignet ist
(vgl. Übersicht in KR-Fischmeier, 8. Aufl., § 626 BGB Rdn. 460 m. w. N.).
Die Antragstellerin ist daher, sofern sie an ihrem Gebührenanspruch festhält, auf den
allgemeinen Klageweg zu verweisen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin nach § 97 ZPO zu tragen.
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Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
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Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen diesen
Beschluss ist nicht ersichtlich.
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(Schwartz)
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