Urteil des LAG Köln vom 28.06.2002

LArbG Köln: einverständnis, einseitiges rechtsgeschäft, abfindung, kündigungsfrist, unternehmen, arbeitsgericht, rücknahme, hinweispflicht, willenserklärung, realisierung

Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 1019/01
Datum:
28.06.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1019/01
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 660/01
Schlagworte:
Sozialplanabfindung; Eigenkündigung; Auslegung einer
Abfindungszusage
Normen:
BetrVG § 112; BGB § 133
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Das vom Arbeitgeber erklärte Einverständnis mit einem vorfristigen
Ausscheidungstermin bedeutet grundsätzlich nicht das von einer
Abfindungszusage zur Bedingung gemachte Einverständnis des
Arbeitgebers mit der Eigenkündigung des Arbeitnehmers selbst - ebenso
wenig wie sein bloßes Schweigen.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.06.2001 verkündete Urteil
des Arbeitsgerichts Köln - 2 Ca 660/01 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
TATBESTAND
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Die Parteien - nämlich die beklagte KG, die ein Einzelhandelsunternehmen mit
zahlreichen Filialen betreibt und die seit zwölf Jahren von ihr zuletzt als
Abteilungsleiterin beschäftigte Klägerin - streiten nach Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung der Klägerin vom 07. 11. 2000 zum 31. 12.
2000 um eine Abfindung in der rechnerisch nicht streitigen Höhe von 42.000,- DM. Die
Klägerin beruft sich auf ein vom Personalleiter der Beklagten und dem Vorsitzenden des
bei ihr amtierenden Betriebsrats unterzeichneten, mit "Personalanpassungen"
überschriebenes Rundschreiben, das im Rahmen von geplanten Personalanpassungen
in der Zentrale allen dort beschäftigten Mitarbeitern zugeleitet wurde. Es bezieht sich auf
Informationen "über die geplanten Personalanpassungen in der Zentrale" auf einer kurz
zuvor abgehaltenen Betriebsversammlung und weist auf verschiedene
Gestaltungsmöglichkeiten hin; so werde angeboten, die Personalanpassungen auch
über vertragliche Stundenkürzungen vorzunehmen. Sodann heißt es: "Weiterhin gibt es
die Möglichkeit, daß Mitarbeiter aus eigenem Entschluß das Unternehmen verlassen. In
diesem Fall erhalten sie eine Abfindung auf der Basis des Sozialplans. - Natürlich
gehört zu beiden der o.g. Möglichkeiten auch das Einverständnis des Unternehmens
und setzt die Abstimmung mit dem Vorgesetzten voraus." Das Einverständnis der
Beklagten sieht die Klägerin in deren Stillschweigen auf ihre mit verkürzter Frist
ausgesprochene Eigenkündigung i.V.m. deren Bestätigungsschreiben vom 10. 11. 2000
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(Bl. 6), in dem es heißt: "Mit dem Austrittstermin vor Ablauf Ihrer Kündigungsfrist, zum
31.12.2000, sind wir einverstanden." Die Beklagte, nach deren Ansicht der
Klageanspruch nicht besteht, bestreitet, mit dem Ausscheiden der Klägerin
einverstanden gewesen zu sein; deren Arbeitsplatz habe nicht "angepaßt" werden
sollen, sondern sei wieder besetzt worden. Nur auf die dringende Bitte der Klägerin, die
ein anderes Arbeitsverhältnis habe antreten wollen, habe ihr Vorgesetzter auf die
Einhaltung der vollen Kündigungsfrist verzichtet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr
Klageziel weiter und meint, das vom Rundschreiben vorausgesetzte Einverständnis
habe die Beklagte mindestens konkludent erklärt, indem sie sie ohne weiteres - noch
dazu unter Verkürzung der Kündigungsfrist - habe ziehen lassen. Die Beklagte habe der
Kündigung widersprechen müssen, wenn sie die Abfindung hätte verhindern wollen.
Wäre sie, die Klägerin, belehrt worden, hätte sie ihre Kündigung nicht vor Erteilung des
Einverständnisses oder Zug um Zug ausgesprochen. In der unterlassenen Belehrung
liege eine Verletzung der Fürsorgepflicht, die die Beklagte zum Schadensersatz
verpflichte.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an sie
42.000,-- DM nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag als Abfindung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und meint, das Rundschreiben
vom 20. 12. 1999 sei keine Anspruchsgrundlage; diese sei vielmehr in der in ihrem
Hause geltenden Betriebsvereinbarung vorn 03. 03. 1998 (Bl. 77 ff.) zu sehen; unter
dessen Geltungsbereich falle die Klägerin nicht, weil ihr Arbeitsplatz von
Personalanpassungsmaßnahmen überhaupt nicht betroffen gewesen sei und sie
nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis angetreten habe.
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E N T S C H E I DUNGSGRÜNDE
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Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der geltend gemachte Klageanspruch steht der Klägerin nicht 2u. In der
Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von
der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die
Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:
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Unstreitig erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung vom 03.
03. 1998 nicht. Sie erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen des Rundschreibens
vom 20. 12. 1999, weshalb die Frage offen bleiben kann, ob dieses eine eigene
Anspruchsgrundlage bildet:
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Das Rundschreiben wendet sich erkennbar nur an die Mitarbeiter, die von den
"geplanten Personalanpassungen" betroffen waren, über die auf der zuvor
durchgeführten Betriebsversammlung informiert worden war. Das ergeben bereits
Überschrift ("Personalanpassungen") und Einleitungssatz ("im Zuge der kürzlich
stattgefundenen Betriebsversammlung wurden Sie über die geplanten
Personalanpassungen in der Zentrale informiert.") des Rundschreibens. Diesen Bezug
bestätigt auch der weitere Verlauf des Rundschreibens: "Aufgrund einiger Anfragen"
meint selbstverständlich Anfragen zu diesem Thema. "... in diesem Zusammenhang auf
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folgende Möglichkeiten hinweisen" meint ebenso klar den Zusammenhang der
Personalanpassungen und die Möglichkeiten zur Realisierung der diesbezüglichen
Pläne. Der folgende Absatz spricht davon, "daß die Personalanpassungen auch über
vertragliche Stundenkürzungen erfolgen können", wobei "die" Personalanpassungen
natürlich "diese" nämlich die zuvor angesprochenen meint - also die auf der
Betriebsversammlung vorgestellten Personalanpassungen in der Zentrale.
Wenn der folgende Absatz diesen Bezug nicht mehr sprachlich aufgreift, sondern nur
davon spricht, es bestehe "die Möglichkeit, daß Mitarbeiter aus eigenem Entschluß das
Unternehmen verlassen", so ist dieser Bezug durch den Kontext doch eindeutig: Zum
einen beginnt der Absatz mit "Weiterhin" und präsentiert sich damit als eine weitere der
eingangs angekündigten mehreren Möglichkeiten zur Realisierung der "geplanten
Personalanpassungen in der Zentrale"; zum anderen faßt der folgende Absatz die
vorangehenden zu den "beiden o.g. Möglichkeiten" zusammen. Und schließlich spricht
der vorletzte Absatz davon, daß die genannten Möglichkeiten "auch" das Einverständnis
des Unternehmens voraussetzen - darüber hinaus also noch weitere Voraussetzungen
haben müssen.
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Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß ihr Arbeitsplatz von den geplanten und auf der
Betriebsversammlung angekündigten Personalanpassungen betroffen war. Sie hat nicht
einmal mitgeteilt, wie die auf der Betriebsversammlung bekannt gegebenen Pläne
lauteten. Wie die Beklagte sich später mit den von ihr geschaffenen vollendeten
Tatsachen abgefunden und diese verwaltet hat, ist ohne Bedeutung.
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Im übrigen liegt auch das im Rundschreiben vom 20. 12. 1999 vorausgesetzte
"Einverständnis des Unternehmens" nicht vor. Solches kann - anders als die Klägerin
meint - im bloßen Schweigen der Beklagten nicht gefunden werden. Schon vom
Grundsatz her kann im Schweigen einer Person keine Zustimmung gefunden werden -
schon gar keine Zustimmung zu einem Rechtsverlust. Vorliegend gilt das im
gesteigerten Maße: Bei der Kündigung handelt es sich um ein einseitiges
Rechtsgeschäft, dessen Zustandekommen eine Reaktion des Erklärungsempfängers
gar nicht voraussetzt - schon gar nicht dessen Zustimmung. Erklärt der Arbeitnehmer
eine Kündigung, bleibt für den Arbeitgeber i.d.R. überhaupt kein Raum, mit ihr
einverstanden oder nicht einverstanden zu sein - er muß sie nolens volens hinnehmen.
Infolgedessen wird von ihm auch gar keine Wohlgefallens- oder Mißfallensäußerung
erwartet; sein Schweigen ist nicht beredt, es eignet sich nicht als stillschweigende
Willenserklärung.
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Zum Einverständnis i.S.d. Rundschreibens wird das Schweigen der Beklagten, die am
Weggang der Klägerin ohnehin nichts ändern konnte, auch nicht dadurch, daß sie auf
einen Teil der Kündigungsfrist verzichtete. Wie schon das Bestätigungsschreiben der
Beklagten vom 10.11.2000 klarstellt, bezog sich das dort erklärte Einverständnis
ausschließlich auf den "Austrittstermin". Es entspricht taktischer Klugheit, einen
abkehrwilligen Arbeitnehmer, den man ohnehin nicht halten kann, nicht gegen seinen
Willen weitere Wochen an den Betrieb zu fesseln und ihm damit eine lukrative
Anschlußposition zu vereiteln, wenn das Resultat nur eine ganz kurzfristig verlängerte
Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter sein kann, an dessen Loyalität besser keine allzu
hohe Erwartungen mehr gestellt werden sollten. Aus dieser Maßnahme eine
Zustimmung zum Weggang als solchem zu konstruieren, ist zu weit hergeholt.
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Ein weiteres kommt hinzu: Mit dem "Einverständnis des Unternehmens" kann das
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Rundschreiben im Falle der Alternative "aus eigenem Entschluß das Unternehmen
verlassen" nicht das Einverständnis mit dem Ausscheiden als solchem meinen, weil
nach ihm im Falle der rechtmäßigen Eigenkündigung gar nicht gefragt wird. Die
Beklagte müßte sinn- und nutzloserweise einen Protest aussprechen, nur um sich
gegen den Eindruck zu verwahren, sie könnte innerlich einverstanden sein. Aus dem
Zusammenhang und aus dem Bezug auf den Sozialplan ist vielmehr zu schließen, daß
sich das Einverständnis nur dann abfindungsauslösend auswirken soll, wenn es sich
darauf bezieht, das Ausscheiden in den Bereich der Rationalisierungsmaßnahmen
einzuordnen - es muß sich um ein Einverständnis mit dem Ausscheiden als Teil der
"geplanten Personalanpassungen in der Zentrale" handeln eben weil es ein als
Willenserklärung verstandenes Einverständnis mit einer rechtmäßigen Eigenkündigung
gar nicht gibt. Das von der Klägerin fälschlich gesehene Einverständnis der Beklagten
ist erst recht nicht eines mit ihrem Ausscheiden als Maßnahme der Personalanpassung
der auf der Betriebsversammlung angekündigten Art.
Erfolglos beansprucht die Klägerin für sich Schadensersatz mit Bezug auf eine von der
Beklagten verletzte Hinweispflicht. Eine Hinweispflicht der Beklagten bestand nicht.
Grundsätzlich muß sich der Arbeitnehmer selbst über die rechtlichen Folgen seines
Ausscheidens Klarheit verschaffen; das gilt für den Aufhebungsvertrag (RAG, Urteil vom
03. 11. 1984 in NZA 1985, 712) und erst recht für die Eigenkündigung (LAG Frankfurt,
Urteil vom 21, 03. 1985 in LAGE BGB § 119 Nr.4), denn die Eigenkündigung kann der
Arbeitgeber nicht durch Verweigerung der Mitwirkungshandlung verhindern. Darüber
hinaus wäre das Unterlassen einer Belehrung nur schuldhaft, wenn die Beklagte hätte
erkennen müssen, daß sich die Klägerin als Folge ihrer Eigenkündigung eine
Abfindung erhoffte. Davon kann keine Rede sein; denn es lag fern anzunehmen, daß
alle ausscheidenden Arbeitnehmer eine Abfindung erwarteten. Schließlich verschweigt
die Klägerin, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte ihrer Ansicht nach hätte belehren
müssen: Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß sie dies prophylaktisch hätte tun
sollen; nach Ausspruch der Kündigung aber war es für eine Belehrung zu spät, da eine
Kündigung nicht einseitig zurückgenommen werden kann. Zu einer Rücknahme war die
Klägerin auch gar nicht bereit, wie ihre Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom
19. 12. 2000 (Bl. 53) beweist: Spätestens dieses enthält nämlich die von der Klägerin
vermißte Belehrung darüber, daß ihr Ausscheiden keinen Abfindungsanspruch auslöst.
Die Rücknahme ihrer Kündigung hat die Klägerin dennoch nicht angeboten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht
zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG
wird hingewiesen.
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