Urteil des LAG Köln vom 13.06.2006

LArbG Köln: befristung, höchstdauer, arbeitsgericht, anschluss, berufserfahrung, erlass, verwaltung, fachhochschule, konzept, konkretisierung

Landesarbeitsgericht Köln, 13 (14) Sa 125/06
Datum:
13.06.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 (14) Sa 125/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 5 Ca 7567/05
Schlagworte:
Befristungskontrollklage
Normen:
§§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs.2, 17, 22 TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TzBfG kann eine
Befristungsdauer von zwei Jahren rechtfertigen.
2. Der Wirksamkeit der Befristung steht nicht entgegen, wenn diese
Befristungsdauer von zwei Jahren zwar von vorneherein vorgesehen,
aber nicht in einem Vertrag vereinbart, sondern auf drei unmittelbar
aufeinander folgende Verträge aufgeteilt worden ist.
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 09.12.2005 – 5 Ca 7567/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am
23.07.2005 geendet hat.
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Die Klägerin absolvierte an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung
eine Ausbildung zur Bürokommunikationskauffrau, die sie am 23.07.2003 erfolgreich
abschloss. Die Parteien schlossen am 15.08.2003 einen bis zum 23.07.2004 befristeten
Arbeitsvertrag als Zeitangestellte (§ 1) unter ausdrücklicher Berufung auf den
Sachgrund § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 a)
SR 2 y BAT. Nach § 2 des Vertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem
Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden und
ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden
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Fassung, insbesondere des SR 2 y BAT. Am 26. Mai 2004 schlossen die Parteien einen
"Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages vom 15.08.2003", wonach die Befristung bis
zum 26.01.2005 verlängert wurde. Mit dem "Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages"
vom 09.12.2004 wurde die Befristung nochmals bis zum 23.07.2005 verlängert. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Arbeitsverträge Bezug genommen.
Vor Abschluss dieser Arbeitsverträge hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden
Personalrat an. In dem Anhörungsschreiben vom 17.05.2004 zum Änderungsvertrag
vom 25./26.05.2004 nimmt die Beklagte Bezug auf einen Erlass vom 31.01.2001,
wonach mit ehemaligen Auszubildenden ein auf bis zu 24 Monate befristetes
Arbeitsverhältnis als Zeitangestellte abgeschlossen werden kann.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Anhörungsschreiben sowie
den Erlass vom 31.01.2001 Bezug genommen.
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Die Klägerin erhob am 12.08.2005 Klage auf Feststellung eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses. Sie hat gemeint, die Befristungen seien unwirksam, da eine
insgesamt zweijährige Befristung aufgrund von drei aufeinander folgenden befristeten
Arbeitsverträgen vom Sachgrund nicht gedeckt sei.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten
über den 23.07.2005 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht;
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2. die Beklagte zu verurteilen, sie für den Fall des Obsiegens mit dem
Feststellungsantrag zu 1. zu den bisherigen, vertraglich geregelten
Arbeitsbedingungen als Verwaltungsangestellte in der Fachhochschule des
Bundes für öffentliche Verwaltung, , weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Befristungsabreden nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
TzBfG in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 a SR 2 y BAT zulässig seien.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird
verwiesen.
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Gegen das ihr am 26.01.2006 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin am
03.02.2006 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Sie vertritt die
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Auffassung, die Befristung sei nicht von der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr.1 a SR 2 y BAT
gedeckt.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.12.2005 – 5 Ca 7567/05 –
abzuändern und nach den Schlussanträgen der Klägerin I. Instanz zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft die erstinstanzlich vertretene Rechtsauffassung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgetragenen Schriftsätze sowie
überreichten Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 S. 2 ArbGG) und frist- sowie
formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG, 519, 520 ZPO).
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II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die
Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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1. Die als Befristungskontrollklage gemäß § 17 S. 1 TzBfG zulässige und rechtzeitig
eingereichte Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch
wirksame Befristungsabrede mit Vertrag vom 09.12.2004 zum 23.07.2005. Die
Befristungsabrede ist nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TzBfG in Verbindung mit der
Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 a SR 2 y BAT wirksam.
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2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegt bei mehreren
aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die zuletzt
vereinbarte Befristung der gerichtlichen Kontrolle. Mit dem vorbehaltlosen Abschluss
eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Vertragsverhältnis auf
eine neue rechtliche Grundlage, die für ihre Rechtsbeziehungen künftig allein
maßgeblich sein soll. Dadurch wird zugleich ein etwaiges unbefristetes
Arbeitsverhältnis aufgehoben (vgl. etwa BAG 4.4.1990 - 7 AZR 259/89 – AP Nr. 136 zu
§ 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag m. w. N.).
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3. Die Befristung zum 23.07.2005 im zu letzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom
09.12.2004 bedurfte eines sachlichen Grundes. Die Parteien hätten zwar gemäß § 14
Abs. 2 TzBfG iVm der Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr.1 a SR 2 y BAT auch eine
sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren vereinbaren können. Dies
haben sie jedoch nicht getan. Vielmehr verweist § 1 des Arbeitsvertrages vom
09.12.2004 – gleichlautend zu den vorangegangenen Arbeitsverträgen - ausdrücklich
auf den Sachgrund gemäß § 14 Abs. 1 Nr.2 TzBfG in Verbindung mit der Protokollnotiz
Nr.1 zu 1 a SR 2 y BAT gestützt. Die seit dem 01.01.2002 im Geltungsbereich des BAT
ausdrücklich zugelassene sachgrundlose Befristung nach der Protokollnotiz Nr. 6 zu 1 a
SR 2 y BAT ist daher ausgeschlossen.
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4. Die Befristung ist entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht allein
aufgrund der Protokollnotiz Nr. 1 in Verbindung mit Nr. 2 zu 1 a SR 2 y BAT, wonach der
Abschluss eines Zeitvertrages für die Dauer von mehr als fünf Jahren unzulässig ist,
wirksam. Denn die Sachgrundbefristung gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG gilt zwingend. Nach
§ 22 TzBfG kann von dieser Vorschrift – auch von den Tarifvertragsparteien - nur
zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Eine tarifliche Regelung, die eine
sachgrundlose Befristung bis zu fünf Jahren zulässt, wäre für den Arbeitnehmer
ungünstiger als die gesetzliche Regelung nach § 14 Abs.2 TzBfG (sachgrundlose
Befristung nur bis zu zwei Jahren) Diese Verschlechterung haben die
Tarifvertragsparteien aber nicht gewollt. Vielmehr führt die Regelung nach der
Protokollnotiz Nr. 1 (Sachgrunderfordernis bei Zeitangestellten) zu einer Besserstellung
des Arbeitnehmers. Die Protokollnotiz Nr. 2 regelt daneben lediglich die Höchstgrenze
eines Zeitvertrages auf die Dauer von fünf Jahre, nicht jedoch, welche Befristungsdauer
unterhalb dieser Höchstgrenze für den jeweils eingreifenden Sachgrund zulässig ist.
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5. Die Befristungsabrede ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TzBfG wirksam. Danach ist
die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn die Befristung im Anschluss an
eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine
Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.
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a) Dieser vom Gesetzgeber neu geschaffene Sachgrund trägt ausweislich die
Regierungsbegründung (BT-Drucksache 14/4374 S. 19) tariflichen Regelungen vieler
Wirtschaftsbereiche Rechnung, die den Auszubildenden nach Ende der Ausbildung
einen Anspruch auf eine befristete Beschäftigung verschaffen, um ihnen mit der
hierdurch vermittelten Berufserfahrung den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern.
Die Neuregelung in Nr. 2 weitet diese Befristungsmöglichkeit nunmehr ohne Rücksicht
auf die Tarifbindung der Vertragspartner aus (APS-Backhaus 2. Auflage § 14 TzBfG Rn
83). Dieser Sachgrund stellt wie der allgemeinere Sachgrund nach Nr.6 (in der Person
des Arbeitnehmers liegenden Gründe) auf die Wünsche des Arbeitnehmers ab. Bis zur
gesetzlichen Neuregelung hat die Rechtsprechung für vergleichbare Fälle den
Sachgrund der sozialen Überbrückung anerkannt (vgl. dazu etwa BAG 03.10.1984 – 7
AZR 132/83 – AP Nr.88 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Dies bedeutet jedoch
nicht, dass diese bisherige Rechtsprechung ohne weiteres auf die Neuregelung zu
übertragen ist (so auch Lipke in KR 7.Aufl. § 14 TzBfG Rn 86, 87 m.w.N.) Die Auslegung
hat vielmehr vom Wortlaut der Regelung auszugehen, wobei der o.g. Gesetzeszweck zu
berücksichtigen ist. Die Zweckorientierung in Nr. 2 (um ... zu) verlangt vom Arbeitgeber,
im Rahmen seiner Prognose diesen Kausalzusammenhang zu belegen. Dabei hat der
Übergang in eine Anschlussbeschäftigung nicht festzustehen, denn er soll nur
erleichtert werden. Dem Arbeitgeber obliegt es darzutun, warum die Befristung den
Übergang in eine Anschlussbeschäftigung bei ihm oder bei einem anderen Arbeitgeber
fördern soll (so auch KR-Lipke a. a. O. Rn 96; a.A. Backhaus a.a.O. Rn 90).
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b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin fällt, da sie bei der
Beklagten eine Berufsausbildung zur Bürokommunikationskauffrau und damit eine
Ausbildung im Sinne des Sachgrundes der Nr. 2 absolviert hatte, unter deren
Geltungsbereich. Sie wird wie die übrigen Auszubildenden bei der Beklagten im
Anschluss an die Ausbildung bis höchstens zwei Jahre lang zum Erwerb von
Berufserfahrung und damit zur Erleichterung des Übergangs in eine Anschlusstätigkeit
beschäftigt.
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c) Die (3.) Befristung erfolgt auch im Anschluss an diese Ausbildung. Denn nach dem
ersten zwischen den Parteien mit dem Befristungsgrund nach Nr.2 abgeschlossenen
Arbeitsvertrag vom 15.08.2003 war als Vertragsbeginn der 24.07.2003, also ein Tag
nach Beendigung der Ausbildung festgesetzt.
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d) Die Dauer der Befristung von vorliegend insgesamt zwei Jahren ist vom Sachgrund
der Anschlussbefristung gedeckt. Das Gesetz enthält dazu keine Konkretisierung. Die
zulässige Dauer der Befristung richtet sich nach dem Sachgrund. Wie bereits
ausgeführt, dient der Sachgrund der Anschlussbefristung dem Zweck dem Arbeitnehmer
durch die befristete Beschäftigung nach Ausbildung oder Studium den Übergang in eine
Beschäftigung zu erleichtern. Diesem Zweck stände entgegen, die Dauer der Befristung
einerseits zu kurz zu bemessen, andererseits aber auch über mehrere Jahre zu
erstrecken. Das Berufungsgericht hält eine Höchstdauer von bis zu zwei Jahren für
angemessen und schließt sich insoweit der wohl mittlerweile überwiegenden
Auffassung in der Literatur an (vgl. etwa APS/Backhaus a. a. O. Rn. 91; KR-Lipke a. a.
O. Rn. 95; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 259 jeweils m.w.N.)
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e) Die Gesamtbefristungsdauer der allein auf den Sachgrund nach Nr.2 gestützten
Arbeitsverträge vom 24.07.2003 bis zum 23.07.2005 überschreitet die
Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren nicht. Der Wirksamkeit der Befristung steht
nicht entgegen, dass die Beklagte diese zulässige Höchstbefristung nicht in einem
Vertrag vereinbart hat, sondern auf drei unmittelbar aufeinander folgende Verträge
aufgeteilt hat. Soweit Dörner (a. a. O. Rn 259) demgegenüber vertritt, der Sachgrund
verbiete nach seinem Sinn und Zweck eine wiederholte Befristung, teilt das
Berufungsgericht diese Auffassung jedenfalls für eine Fallkonstellation wie der
vorliegend zu entscheidenden nicht. Die Besonderheit besteht hier darin, dass die
befristeten Verträge unmittelbar aneinander anschließen und die Höchstdauer von zwei
Jahren nicht überschreiten. Dadurch wird dem Gesetzeszweck, dem Arbeitnehmer den
Übergang in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, in vollem Umfang Rechnung
getragen. Es kommt vorliegend hinzu, dass aufgrund des Erlasses vom 31.01.2001 die
Gesamtdauer der Befristungen von vornherein vorgesehen waren. Dies zeigt, dass allen
drei Verträgen ein einheitliches Konzept im Sinne des gesetzlichen Befristungsgrundes
zugrunde gelegen hat.
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III. Die Klägerin hat die Kosten für das erfolglos eingelegte Rechtsmittel zu tragen (§ 97
Abs. 1 ZPO).
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IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die
entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Befristung nach § 14 Abs.
1 S. 1 Nr. 2 TzBfG im Falle mehrerer unmittelbar aneinander anschließender befristeter
Verträge und die Frage der zulässigen Höchstdauer der Befristung vom
Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden und von grundsätzlicher Bedeutung sind.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil kann von
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R E V I S I O N
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eingelegt werden.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
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schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht
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Hugo-Preuß-Platz 1
45
99084 Erfurt
46
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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(Dr. von Ascheraden) (Piechowski) (Faßbender)
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