Urteil des LAG Köln vom 16.09.2005

LArbG Köln: mehrbelastung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, anpassung, risikoverteilung, eingriff, gegenleistung, aktiven, vertragsschluss, arbeitsgericht, ruhegehalt

Landesarbeitsgericht Köln, 12 (13) Sa 648/05
Datum:
16.09.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 (13) Sa 648/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 22 Ca 371/05
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 14.04.2005 – 22 Ca 371/04 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die Höhe der an den Kläger zu zahlenden betrieblichen
Altersversorgung.
2
Der am 22.07.1934 geborene Kläger war vom 01.10.1964 bis 31.12.1997 beim T
beschäftigt. Ab 01.01.1998 nimmt er Altersrente in Anspruch und bezieht seitdem ein
Ruhegehalt, für das ab 01.01.2004 die Beklagte Anspruchsgegnerin ist.
3
Das Ruhegehalt wird gezahlt auf der Grundlage der Betriebsvereinbarungen vom
25.06.1976 mit Änderungen durch Betriebsvereinbarungen vom 04.06.1993 und
17.11.1995. Diese beinhalten eine sogenannte Gesamtversorgung, danach beträgt der
Ruhegehaltsanspruch nach beamtenrechtlichen Vorbild nach 10-jähriger
anrechnungsfähiger Dienstzeit 35 % und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum
vollendeten 25. Dienstjahr um je 2 % und von da ab um je 1 % bis zum Höchstsatz von
75 % der ruhegeldfähigen Dienstbezüge. Auf den so berechneten
Versorgungsprozentsatz wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
angerechnet. Dazu verhält sich Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung (Anrechnung anderer
Versorgungsbezüge), in der es u. a. heißt:
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8.1
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Auf die betrieblichen Versorgungsleistungen werden angerechnet:
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a. Der Anteil von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bzw.
Leistungen aus Befreiungsversicherungen, für die der T die Beiträge gezahlt hat
und soweit der Rentenanteil auf die anrechnungsfähige Dienstzeit entfällt,
ausgenommen die Rentenanteile, die auf Zurechnungszeiten nach dem
55. Lebensjahr beruhen.
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b. Die Hälfte der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bzw.
Leistungen aus Befreiungsversicherungen, soweit sie nicht auf freiwilligen Weiter-
oder Höherversicherungsbeiträgen des Versorgungsempfängers beruhen und
soweit sie nicht nach a) voll anzurechnen sind.
8
c. Die Hälfte von Versorgungsbezügen aufgrund unverfallbarer Anwartschaften aus
früheren Beschäftigungsverhältnissen.
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Bei der Anrechnung der Anteile aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf
die Gesamtversorgung wird auch nach Einführung der im RRG 92 festgelegten
Zugangsfaktoren (§ 77 SGB VI) mit dem individuellen Zugangsfaktor,
mindestens jedoch mit dem Zugangsfaktor 1,0 gerechnet.
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Für den Kläger ergab sich zum 01.01.1998 ein Anspruch auf betriebliches Ruhegeld in
Höhe von 3.487,36 DM brutto; wegen der Berechnung wird auf das Schreiben vom
03.12.1997 Bezug genommen.
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Dieser Betrag wurde jeweils dynamisiert, und zwar zeitgleich nach Maßgabe des
Anstieges der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach der Besoldungsordnung für die
Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen. Hieraus wurde unter Zugrundelegung der
individuellen Versorgungsdaten jährlich neu der Betrag der Gesamtversorgung
berechnet. Auf den so berechneten Gesamtversorgungsbetrag wurde der
anrechnungsfähige Teil der aktuellen, um die jährliche Anpassung erhöhten
individuellen Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung –
zeitgleich mit deren Anpassungstermin – angerechnet.
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Mit Schreiben vom 27.02.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde hinsichtlich
der Dynamisierung eine Änderung vornehmen, und zwar der Gestalt, dass die
Betriebsrente um den jeweils eingetretenen Erhöhungsprozentsatz der Tabellen der
LBO für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen erhöht werde, eine Berücksichtigung
der Veränderungen der Sozialversicherungsrente im Rahmen der Gesamtversorgung
jedoch nicht mehr erfolge.
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Beim Kläger führte diese Abkoppelung von der Entwicklung der
Sozialversicherungsrente dazu, dass er ab 01.04.2004 eine Betriebsrente von
2.058,74 € bezieht. Die monatliche Differenz gegenüber der bislang praktizierten
Dynamisierung beträgt 16,54 € brutto. Im vorliegenden Rechtsstreit macht er eine
Differenz von 16,52 € brutto monatlich ab 01.04.2004 und von 33,20 € ab 01.08.2004
geltend.
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Dem tritt die Beklagte entgegen. Sie trägt vor: Die von ihr vorgenommene Modifizierung
bei der Dynamisierung der Betriebsrenten sei wegen des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage gerechtfertigt. Die Geschäftsgrundlage sei unter zwei
Gesichtspunkten weggefallen, nämlich zum einen wegen einer Äquivalenzstörung
(Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung) und zum anderen wegen einer
Zweckverfehlung. Da sich die Sozialversicherungsrenten infolge rentenrechtlicher
Änderungen wesentlich langsamer erhöhten als die Bruttobesoldung, steige die
Betriebsrente schneller an, als dies bei Erteilung der Versorgungszusage habe erwartet
werden können. Dieser Trend werde durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz noch
wesentlich verstärkt. Die Belastung erhöhe sich dadurch für sie in einer Weise, die nicht
mehr zumutbar sei. Die Mehrbelastung belaufe sich auf 46,04 %. Die Beklagte verweist
dazu auf ein Gutachten der Unternehmensberatung Dr. Dr. H vom 15.12.2004.
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Geschäftsgrundlage sei auch gewesen, dass sich Aktiveinkommen, Gesamtversorgung
und Sozialrenten in etwa in einem Gleichklang bewegten, da sich nur dann auch die
Betriebsrente ähnlich entwickelt hätte. Dieser Gleichklang sei nicht mehr gegeben. Das
Einkommen der Aktiven steige wesentlich geringer als die Betriebsrente. Diese
Änderungen bei der Anpassung der Sozialversicherungsrenten seien nicht
vorhersehbar gewesen. Die Modifizierungen bei der Dynamisierung des Ruhegehaltes
seien erforderlich gewesen und führten nur dazu, dass der Kläger in der Zukunft etwas
"weniger mehr" erhalte, also eine etwas abgeschwächte Dynamik seiner Betriebsrente.
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Es sei ihr, der Beklagten, nicht zuzumuten, abzuwarten, bis sich die Nachteile aus dem
immer weiter fortschreitenden Auseinanderlaufen von Bruttobesoldung und
Sozialversicherungsrenten voll realisierten. Ein frühzeitiges Gegensteuern, das das
Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung langfristig erhalte, sei nicht
nur rechtlich unbedenklich, sondern sinnvoll.
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Durch Urteil vom 14.04.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, im
Wesentlichen mit der Begründung, eine Störung der Geschäftsgrundlage, die die
Beklagte zum vorliegenden Eingriff in die Dynamisierung berechtigt habe, liege nicht
vor. Wegen des Inhaltes des erstinstanzlichen Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 141 –
151 d. A. verwiesen.
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Gegen dieses ihr am 27.04.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.05.2005
Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 27.07.2005 am 27.07.2005
begründet.
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Die Beklagte verbleibt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrages dabei, dass die Geschäftsgrundlage der ursprünglichen
Versorgungsverpflichtung (Gesamtversorgung mit Gesamtrentenfortschreibung) in einer
Weise gestört sei, die sie zum vorgenommenen Eingriff in die Dynamisierung
berechtige. Durch gesetzgeberische Eingriffe in die Entwicklung der
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Sozialversicherungsrente sei es zu einer unzumutbaren Mehrbelastung für sie, die
Beklagte, gekommen. Diese Mehrbelastung betrage insgesamt 46,04 %. Die Beklagte
beruft sich dazu auf das von der Dr. Dr. H erstellte Gutachten vom 15.12.2004, das auf
zutreffenden Tatsachen und unanfechtbaren Methoden beruhe.
Die von ihr vorgenommene Änderung der Dynamisierung sei angemessen und
vertragsimmanent. Sie stelle die ursprüngliche Erwartung der Parteien wieder her,
wonach sich die Bruttobetriebsrente so entwickeln sollte, wie die Bruttovergütung der
aktiven Mitarbeiter. Es handele sich um eine schonende Beteiligung der betroffenen
Betriebsrentner an den Folgen der nicht vorhersehbaren Entwicklung der gesetzlichen
Rente.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.04.2005
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– 22 Ca 371/05 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger tritt dem angefochtenen Urteil unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vortrages bei. Wegen des erst- und zweitinstanzlichen
Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften
verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
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Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Der von der Beklagten
vorgenommene Eingriff in die Dynamisierung des Ruhegehaltes ist unberechtigt. Er
lässt sich nicht mit einer Störung oder einem Wegfall der Geschäftsgrundlage
rechtfertigen, wie die Beklagte geltend macht.
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1. Gemäß § 313 BGB liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, wenn sich die
Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss in
schwerwiegender Weise geändert haben, und die Parteien den Vertrag nicht oder nicht
mit diesem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen
hätten. Rechtsfolge ist eine Anpassung des Vertrages, soweit einem Vertragspartner
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen
oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr
zugemutet werden kann. Die Rechtsprechung wendet diese Grundsätze auch auf
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an, insbesondere wenn sich die
Rechtslage wesentlich und in unvorhersehbarer Weise geändert hat (BAG, Urteil vom
22.04.1986 – 3 AZR 496/83 – AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskasse; Beschluss
vom 23.09.1997 – 3 ABR 85/96 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Hier liegen
diese Voraussetzungen für die von der Beklagten vorgenommene Anpassung der
Versorgungszusage wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vor.
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2. Die Beklagte stützt ihre diesbezügliche Annahme zunächst darauf, dass
Zweckverfehlung eingetreten sei, dies jedoch zu Unrecht.
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a) Gesamtversorgungssysteme können dazu dienen, die Erhaltung eines bestimmten
Lebensstandards zu sichern (vgl. BAG, Urteil vom 28.07.1998 – 3 AZR 100/98 – AP
Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung). Gerade dies ist nach dem Vortrag der Beklagten
hier der Fall. Danach basiert auch die Gesamtrentenfortschreibung auf der Vorstellung
und dient dem Ziel, den Versorgungsempfängern den Lebensstandard zu sichern, den
sie als aktive Arbeitnehmer erworben haben. Wenn dies das Ziel der Gesamtversorgung
ist, folgt daraus zwingend, dass die Beklagte auch die sich aus der Entwicklung der
Sozialversicherung ergebende Lücke auffangen und ausgleichen muss. Sonst wird die
Erhaltung des Lebensstandards nicht gesichert, vielmehr nimmt dieser kontinuierlich ab.
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b) Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, aktive Einkommen und
Gesamtversorgungsbezüge sollten sich im Gleichlauf entwickeln, überzeugt dies nicht.
Richtig ist zwar, dass bei Schaffung des Gesamtversorgungssystems die Entwicklung
der Sozialversicherungsrente bruttolohnbezogen erfolgte. Die Beklagte hat aber nicht
schlüssig dargelegt, dass dieser Umstand Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage
geworden ist. Dabei ist sie insoweit in vollem Umfange darlegungs- und beweisbelastet,
und zwar auch dafür, dass dem Vertragsschluss bestimmte Vorstellungen zugrunde
gelegen haben (Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., Rdnr. 31 zu § 313). Dazu fehlt es an
einem entsprechend substantiierten Vortrag. Angesichts des Zwecks des vorliegenden
Gesamtversorgungssystems spricht mehr dafür, dass die Sozialversicherungsrente ein
bloßer Berechnungsfaktor war. Die gesetzliche Rente war die Mindestversorgung, die
entsprechend der Versorgungszusage aufgestockt werden sollte, damit der vereinbarte
Versorgungsgrad erreicht werde. Wie bereits ausgeführt, konnte dies bei
Zugrundelegung der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung nicht erreicht
werden.
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3. Die Beklagte beruft sich weiter darauf, es liege eine zum Wegfall der
Geschäftsgrundlage führende Äquivalenzstörung vor.
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a) Zutreffend ist, dass ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, wenn also
die bei Vertragsschluss vorausgesetzte Gleichwertigkeit der beiden Leistungen nicht
mehr gegeben ist, zur Störung der Geschäftsgrundlage führen kann. Dafür wann dies
der Fall ist, ist die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung maßgebend. Diese
geht bei einem Gesamtversorgungssystem mit Anrechnungsklausel, wie sie hier vorliegt
(Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung) grundsätzlich zu Lasten des die Versorgung
zusagenden, also der Beklagten; denn diese ist bei Erteilung der Versorgungszusage
nicht von festen Äquivalenzvorstellungen ausgegangen, die sich nachträglich als
unzutreffend erwiesen haben, sondern hat von vornherein eine als unsicher erkennbare
Größe einbezogen. Es war voraussehbar, dass der von der Beklagten zu tragende
Versorgungsaufwand mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belastet war,
Schwankungen zu Gunsten der Beklagten, wie sie über lange Zeit tatsächlich
eingetreten sind, aber auch zu ihren Lasten, wie sie sich jetzt ergeben haben, möglich
waren. Voraussehbare Entwicklungen begründen aber regelmäßig kein
Anpassungsrecht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (Wiedemann, Festschrift für
Stimpel, Seite 964/965).
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b) Nach in der Rechtsprechung vertretener Ansicht kommt allerdings eine zur
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Anpassung der Versorgungszusage führende Störung der Geschäftsgrundlage in
Betracht, wenn sich durch Änderungen des Sozialversicherungsrechtes "die Rechtslage
in grundlegender Weise geändert hat und die dadurch verursachte Mehrbelastung sehr
erheblich ist" (BAG, Urteil vom 22.04.1986 – 3 AZR 496/83 – AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG
Unterstützungskasse). Wann dies der Fall sein soll, ist nicht abschließend geklärt. Das
Bundesarbeitsgericht hat eine Mehrbelastung von 61,3 % als grundlegende und krasse
Überschreitung des ursprünglichen Dotierungsrahmens eingestuft (BAG, Beschluss
vom 23.09.1997 – 3 ABR 85/96 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
In der Literatur wird teilweise eine Mehrbelastung von rund 20 %, teilweise aber auch
von 30 bis 40 % als ausreichend angesehen, um zur Anpassung der
Versorgungszusage zu berechtigen (vgl. dazu Höfer/Lerner, Anmerkung zu BAG AP
Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Andres-Förster-Rößler-Rühmann, Arbeitsrecht der
betrieblichen Altersversorgung, Randnummer 573 führen aus, dass bei einer
Ausdehnung des Dotierungsrahmens um mehr als 50 % für den Arbeitgeber die Grenze
des Zumutbaren überschritten ist, errechnet aus einem Vergleich der Barwerte mit und
ohne die eingetretenen Änderungen im Sozialversicherungsrecht (vgl. zu diesem
Ansatz auch BAG, Beschluss vom 23.09.1997 – 3 ABR 85/96 – a. a. O.).
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c) Das Landesarbeitsgericht schließt sich letzterer Ansicht insoweit an, dass bei einer
Ausdehnung des Dotierungsrahmens um weniger als 50 % in Fällen wie dem
vorliegenden eine Anpassung der hier in Rede stehenden Art wegen Störung der
Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt. Das ergibt sich aus der vertraglichen
Risikoverteilung, wonach das Risiko sinkender Sozialversicherungsrenten
integrierender Bestandteil des Versorgungssystems ist. Dieser Umstand kann deshalb
nur in Ausnahmesituationen zu einem Anpassungsrecht der Arbeitgeberseite führen und
insoweit das Risiko verschieben. Insoweit erscheinen dem Landesarbeitsgericht die
genannten Prozentsätze von 20 oder 30 bis 40 % als zu gering.
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d) Hier geht die Beklagte von einer Mehrbelastung in Höhe von 46,04 % aus. Dies liegt
unter der vom Landesarbeitsgericht allenfalls als erheblich angesehenen Schwelle, ein
Eingriff in die Dynamisierung, wie von der Beklagten vorgenommen, kommt deshalb
nicht in Betracht. Es bedarf daher keines Eingehens mehr darauf, ob das Gutachten der
Unternehmensberatung Dr. Dr. H vom 15.12.2004, aus dem die Beklagte diese Zahl
entnommen hat, auf zutreffenden Tatsachen beruht und die angewandte Methode
(Barwertvergleich/Näherungsverfahren) sachgerecht sind.
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e) Maßgebend für die hier vertretene Auffassung ist auch, dass der Kläger bereits
mehrfach Einschnitte bei seiner Versorgung hat hinnehmen müssen. Das
Landesarbeitsgericht verweist dazu auf das Gutachten vom 15.12.2004, Seite 7.
Insoweit ist der Kläger bereits an der Risikoverteilung zu Gunsten der Beklagten
beteiligt worden. Es ist also nicht so, dass lediglich die aktiven Arbeitnehmer Eingriffe in
ihr Gehaltsniveau hinnehmen müssen, die Betriebsrentner also unbehelligt geblieben
sind. Auch das muss bei der Festlegung des Schwellenwertes, bei dessen
Überschreitung die Mehrbelastung für die Beklagte unzumutbar sein soll, berücksichtigt
werden. Ob diese Einschnitte bei der Altersversorgung bei Ermittlung des Wertes von
46,04 % berücksichtigt worden sind oder nicht, lässt das Landesarbeitsgericht
dahingestellt.
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f) Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beklagten war bei der vom
Landesarbeitsgericht vertretenen Ansicht kein entscheidungserheblicher Faktor, da
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allein auf die Risikoverteilung und allenfalls noch auf das Äquivalenzprinzip abzustellen
ist. Die Leistungsfähigkeit der Beklagten steht im Übrigen außer Frage.
4. Die Höhe der Forderung ist mit den jetzt noch gestellten Anträgen unstreitig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
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R E V I S I O N
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eingelegt werden.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
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schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht
54
Hugo-Preuß-Platz 1
55
99084 Erfurt
56
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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(Dr. Leisten) (Gerresheim) (Baurmann)
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