Urteil des LAG Köln vom 19.01.2006

LArbG Köln: betriebsrat, internet, verfügung, zugang, erfüllung, intranet, unternehmen, anschluss, geschäftsführung, geschäftsleitung

Landesarbeitsgericht Köln, 6 TaBV 55/05
Datum:
19.01.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 TaBV 55/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 19 BV 248/04
Schlagworte:
Betriebsrat; Sachmittel; Internetanschluss
Normen:
§ 40 BetrVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die allgemeine Üblichkeit der Nutzung des Internets begründet nicht
ohne weiteres auch die Erforderlichkeit, dieses technische Hilfsmittel zur
Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats einzusetzen (hier
abgestufter Zugang zunächst für Gesamtbetriebsrat, aber noch nicht für
örtlichen Betriebsrat).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 11.08.2005
verkündete Beschluss des Arbeitsgerichts Köln – 19 BV 248/04 –
abgeändert:
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
dem Antragsteller (im folgenden: Betriebsrat) einen allgemeinen Internetanschluss zur
Verfügung stellen muss.
2
Der antragstellende Betriebsrat in der Niederlassung der Arbeitgeberin in K -G besteht
aus 7 Mitgliedern. Die Arbeitgeberin hat ihre Zentrale in M . Das Unternehmen gehört
zum Metro-Konzern, der unter der Marke "r ,-" SB-Warenhäuser und unter der Marke "e "
Verbrauchermärkte betreibt. Bei der Arbeitgeberin sind derzeit ca. 34.000 Arbeitnehmer
in 284 SB-Warenhäusern beschäftigt. Es sind sowohl ein Gesamt- als auch ein
Konzernbetriebsrat gebildet. Die 54 Mitglieder des Gesamtbetriebsrats verfügen über
einen Internetzugang. Demgegenüber besitzt der Betriebsrat für das von ihm benutzte
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Notebook lediglich einen Zugang zum firmeneigenen Intranet und einen e-mail
Anschluss.
Der Betriebsrat beschloss am 28.09.2004, dass ein Internetanschluss für seine
Aufgabenwahrnehmung erforderlich sei. Die Arbeitgeberin lehnte den Antrag auf
Einrichtung eines Internetzugangs unter dem 14.10.2004 mit Hinweis darauf ab, ein
solcher Anschluss gehöre nicht zum betrieblichen Standard und sei auch nicht
erforderlich.
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Zwischen dem Vorstand der M A und dem Konzernbetriebsrat wurde am 02.11.2004
eine Konzernbetriebsvereinbarung über den Einsatz des sog. Web-Portals im Rahmen
des M -G -Networking geschlossen (Kopie Bl. 39 ff. d.A.). Darin heißt es u.a.:
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"Nr. 1.3
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Inhaltlicher Schwerpunkt ist die konzernweite Einführung des Web-Portals
und damit zusammenhängend der Schutz von Personaldaten (Daten, die
Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter zulassen) und die konzernweite
Regelung der gelegentlichen privaten Nutzung von Internet, Intranet und e-
mail bei Einführung des Web-Portals.
7
...
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Nr. 2.1
9
Diese Konzernbetriebsvereinbarung gilt organisatorisch für alle
Unternehmen und personell für alle Arbeitnehmer im
Zuständigkeitsbereichs des KBR.
10
...
11
Nr. 7 Rechte der Betriebsräte
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Nr. 7.1
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Der KBR, die GBR und die Betriebsräte können ihre Arbeit im Web-Portal
für ihren Zuständigkeitsbereich darstellen. Der Arbeitgeber stellt die dafür
erforderlichen technischen Ressourcen in den Betrieben zur Verfügung, in
denen das Web-Portal eingeführt ist. Nach Einführung sind die Betriebsräte
(KBR, GBR, BR) berechtigt, das Web-Portal bzw. Internet, Intranet und e-
mail/Faxdienste im Rahmen ihrer Aufgabe zu nutzen.
14
Nr. 7.2
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Der Konzernbetriebsrat und die GBR bzw. Betriebsräte für ihren jeweiligen
Zuständigkeitsbereich können jederzeit die Einhaltung dieser
Betriebsvereinbarung prüfen."
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Der Betriebsrat hat am 08.12.2004 das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet und
die Ansicht vertreten, er benötige einen PC mit dazugehörendem Bildschirm und
Internetanschluss, um seine betrieblichen Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können.
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Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 11.08.2005 stattgegeben und die
Arbeitgeberin verpflichtet, das bereits vorhandene Notebook des Betriebsrats im
Betriebsratsbüro an das Internet anzuschließen und etwaige laufende Kosten zu
übernehmen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Internet
handele es sich um eine Quelle, die geeignet sei, dem Betriebsrat die zur Erfüllung
seiner Aufgaben notwendigen Informationen zu vermitteln. Für die Erforderlichkeit
spreche auch die rasante Entwicklung der Nutzung des Internets, das in jüngster Zeit zu
einem selbstverständlichen Arbeitsmittel für die Informationsbeschaffung geworden sei.
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Mit ihrer am 22.09.2005 eingelegten Beschwerde gegen den ihr am 02.09.2005
zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts wendet die Arbeitgeberin vor allem ein, der
Betriebsrat habe die konkrete betriebliche Erforderlichkeit des Internetanschlusses nicht
dargelegt. Zudem stünden dem Verlangen betriebliche Belange entgegen. Würde man
alle Betriebsräte der insgesamt 284 SB-Warenhäuser mit einem Internetanschluss
ausrüsten, so entstünden dadurch monatlich rund 22.862,-- EUR zusätzliche Kosten.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.08.2005 – 19 BV 248/04 –
abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
21
Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
23
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss aus Rechtsgründen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf
die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66, 87, 89 ArbGG).
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Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Antrag des Betriebsrats ist derzeit unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht nach §
40 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, das bereits vorhandene Notebook über den bisherigen
Umfang hinaus an das Internet anzuschließen und hierfür die Kosten zu übernehmen.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
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Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende
Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen.
Die Bestimmung sieht in ihrer ab dem 28.07.2001 geltenden Fassung ausdrücklich vor,
dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch Informations- und Kommunikationstechnik in
erforderlichem Umfang zur Verfügung stellen muss. Die Prüfung, ob das verlangte
Sachmittel für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und deshalb vom
Arbeitgeber zu beschaffen ist, obliegt dem Betriebsrat. Diese Entscheidung darf er nicht
allein an seinem subjektiven Bedürfnis ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass
er bei seiner Entscheidungsfindung die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm
stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an
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einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und berechtigte Interessen des
Arbeitgebers auch im Hinblick auf eine Begrenzung seiner Kostentragungspflicht
gegeneinander abzuwägen (BAG vom 03.09.2003 – 7 ABR 8/03, MDR 2004, 515
m.w.N.).
Zur Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG gehört
auch das Internet. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass es sich dabei um eine
Quelle handelt, die geeignet ist, dem Betriebsrat die zur Erfüllung seiner Aufgaben
notwendigen Informationen zu vermitteln. Allerdings kann von der weiteren Prüfung, ob
das verlangte Sachmittel für die Erledigung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist,
auch nach der Neufassung von § 40 Abs. 2 BetrVG nicht abgesehen werden (vgl. BAG
vom 03.09.2003 – 7 ABR 8/03 -, MDR 2004, 515). Erforderlichkeit verlangt mehr als
bloße Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit (vgl. LAG Köln vom 27.09.2001 – 10 TaBV
38/01 - , MDR 2002, 527; ferner LAG Köln vom 06.06.2002 – 5 TaBV 22/02 - ).
Insbesondere kann der Betriebsrat den Zugang zum Internet nicht allein aufgrund der
"rasanten technischen Entwicklung" und des Ausstattungsniveaus der Arbeitgeberin
beanspruchen.
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Der erforderliche Umfang eines Sachmittels bestimmt sich nicht ausschließlich nach
dem Ausstattungsniveau des Arbeitgebers. Die Geschäftsleitung eines Betriebs verfolgt
andere Ziele als die laufende Geschäftsführung des Betriebsrats. Soweit sich die
Aufgaben von Arbeitgeber und Betriebsrat jedoch berühren, etwa bei der betrieblichen
Mitwirkung und Mitbestimmung, kann der Einsatz moderner Kommunikationsmittel auf
Arbeitgeberseite den erforderlichen Umfang der dem Betriebsrat zur Verfügung zu
stellenden Sachmittel beeinflussen (vgl. BAG vom 11.03.1998 – 7 ABR 59/96 – EzA
BetrVG 1972, § 40 Nr. 81; ferner BAG vom 03.09.2003 – 7 ABR 8/03 – MDR 2004, 515).
Dies hat im Unternehmen der Arbeitgeberin zu der Entscheidung geführt, jedenfalls die
Mitglieder des Gesamtbetriebsrats mit einem Internetanschluss auszustatten, damit sie
die gleichen Informationsmöglichkeiten haben wie ihre Verhandlungspartner in der
Geschäftsführung und in den Verwaltungsstandorten. Demgegenüber verfügt die
örtliche Geschäftsleitung als regelmäßiger Ansprech- und Verhandlungspartner des
Betriebsrats nicht über einen allgemeinen Internetzugang, so dass ein Anschluss auf
Ortsebene unter dem Aspekt des gleichmäßigen Zugangs zu aktuellen Informationen
nicht erforderlich erscheint.
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Auch die inzwischen festzustellende allgemeine Üblichkeit der Nutzung des Internets
sagt nichts über die Notwendigkeit, dieses technische Hilfsmittel auch zur Bewältigung
der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats einzusetzen. Die fortschreitende technische
Entwicklung ist im Rahmen von § 40 Abs. 2 BetrVG nur von Bedeutung, wenn sie sich in
den konkreten betrieblichen Verhältnissen niedergeschlagen hat, die vom Betriebsrat im
Rahmen seiner Prüfung, ob ein Sachmittel für die Erledigung seiner Aufgaben
erforderlich ist, zu berücksichtigen sind.
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Angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse in dem Filialbetrieb in K -G , in dem
bislang kein Mitarbeiter über einen allgemeinen Internetanschluss verfügt, durfte der
Betriebsrat den Zugang zum Internet als Mittel der Informationsbeschaffung nicht für
erforderlich halten. Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Beschluss des BAG
vom 03.09.2003 (a.a.O.) zugrunde lag, kann auch nicht davon ausgegangen werden,
dass für den verlangten Zugang zum Internet keine zusätzlichen Investitionen oder
technischen Einrichtungen notwendig wären. Die elektronische Infrastruktur in dem hier
betoffenen SB-Warenhaus unterscheidet sich wesentlich von dem damals betroffenen
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Betrieb, in dem an mehr als 90 Arbeitsplätzen bereits ein Zugang zum Internet bestand.
Der Betriebsrat hat letztlich nicht darlegen können, dass der unbeschränkte
Internetzugang zur sachgerechten Erfüllung seiner betrieblichen Aufgaben erforderlich
ist. Zwar liegen die Vorteile der Informationsbeschaffung im Sinne der Nützlichkeit auf
der Hand. Dem Betriebsrat ist auch zuzugeben, dass herkömmliche Medien die Vielzahl
und Komplexität der aus dem Internet zur Verfügung gestellten Informationen nicht
liefern können. Daraus folgt aber nicht ohne Weiteres die Erforderlichkeit des
Internetzugangs für die Tagesarbeit bzw. die konkret anstehenden
Verhandlungsgegenstände mit der Arbeitgeberin. Der Betriebsrat hat auch in der
Anhörung vor dem Beschwerdegericht keinen einzigen Gegenstand nennen können, für
den die Internetnutzung bei objektivierter Beurteilung unter Berücksichtigung der
betrieblichen Verhältnisse erforderlich erschiene. Dabei muss beachtet werden, dass
der Betriebsrat bereits über einen Intranetzugang verfügt, der einen Zugriff auf die
Internetseiten bestimmter Konzernunternehmen ermöglicht. Ferner unterhält der
Gesamtbetriebsrat eine eigene Seite im Intranet, auf der er sich und seine Arbeit
darstellen kann. Dort sind sämtliche Informationen des Gesamtbetriebsrats seit dem
Jahr 2002 hinterlegt. Außerdem kann man dort sämtliche
Gesamtbetriebsvereinbarungen einsehen. Vor allem aber verfügt der Betriebsrat bereits
über das e-mail System "Outlook", so dass er jederzeit mit dem Gesamtbetriebsrat oder
einzelnen seiner Mitglieder korrespondieren kann. Der insoweit notwendige Gedanken-
und Informationsaustausch ist damit gewährleistet, ohne dass es eines
Internetanschlusses bedurfte.
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Schließlich ergibt sich auch aus der Konzernbetriebsvereinbarung vom 02.11.2004 kein
fälliger Anspruch auf den begehrten Internetzugang. Richtig ist zwar, dass darin die
Einführung eines Web-Portals mit Internetnutzung auch für die örtlichen Betriebsräte
vereinbart worden ist. Ein Rechtsanspruch auf Nutzung besteht aber ausdrücklich erst
"nach Einführung". Mangels zeitlicher Festlegung kann ein unmittelbarer
Erfüllungsanspruch daher nicht angenommen werden. Davon unberührt bleiben die
Möglichkeiten, über den Konzern- und Gesamtbetriebsrat eine möglichst schnelle
Umsetzung der Konzernbetriebsvereinbarung zu erreichen.
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III.
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IV.
keine grundsätzliche Bedeutung hat, sondern auf den besonderen Umständen des
Einzelfalls beruht.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen diesen Beschluss findet mangels Zulassung die Rechtsbeschwerde nicht statt (§
92 Abs. 1 ArbGG). Auf den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a
ArbGG wird hingewiesen.
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Dr. Kalb Dr. Wegener Knoth
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