Urteil des LAG Köln vom 03.01.2008

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Landesarbeitsgericht Köln, 8 Ta 277/07
Datum:
03.01.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 Ta 277/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 3 BV 112/06
Schlagworte:
Streitwert, Beschlussverfahren, Feststellung Gemeinschaftsbetrieb
Normen:
§§ 23 Abs. 3 S. 2 RVG, 18 Abs. 2 BetrVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden
Streitsachen sind typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur
(Wenzel,, a.a.0., § 12 Rz. 445).
Bei der Bewertung des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG ist zu
beachten, dass es in einem engen Zusammenhang zum
Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG steht. Die Frage der
Zuordnung der Arbeitnehmer zum Betrieb stellt eine wesentliche
Vorfrage auch für das Wahlanfechtungsverfahren dar. Es erscheint
deshalb sachgerecht, bei der Wertfestsetzung für diese
Zuordnungsverfahren an die für Wahlanfechtungsverfahren nach
§ 19 BetrVG entwickelten Grundsätze anzuknüpfen (vgl. LAG Köln,
Beschluss vom 24.02.1989 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 11; LAG Hammburg,
Beschluss vom 17.12.1996 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 37).
Auch in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG erscheint dabei der
Rückgriff auf die Stufen des § 9 BetrVG angemessen, weil sich in diesen
Stufen und der dort jeweils festgelegten Anzahl der Mitglieder des
Betriebsrates die Bedeutung der Angelegenheit widerspiegelt (LAG
Bremen, Beschluss vom 12.05.1999 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 43; LAG
Hamm, Beschluss vom 01.03.2006 – 10 Ta 21/06 – EzA-SD 2006, Nr. 7,
18 (Leitsatz 1)).
In Anwendung dieser Grundsätze ist ausgehend vom anderthalbfachen
Hilfswert bei einem einköpfigen Betriebsrat für jede weitere Staffel des §
9 BetrVG eine Anhebung um jeweils den einfachen Hilfswert, d. h. für
jedes weitere Betriebsratsmitglied um den halben Hilfswert,
vorzunehmen (LAG Hamm, Beschluss vom 01.03.2006 – 10 Ta 21/06 –
EzA-SD 2006, Nr. 7, 18 (Leitsatz 1); LAG Köln, Beschluss vom
19.05.2004 – 10 Ta 79/04 -).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 2)
wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.08.2007 –
3 BV 112/06 – abgeändert:
Der Gegenstandswert wird auf 22.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
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Die Streitwertbeschwerde des Beteiligten zu 1. vom 31.08.2007 richtet sich gegen den
Beschluss des Arbeitsgerichts vom 31.08.2007 durch den das Arbeitsgericht für das auf
Feststellung eines Gemeinschaftsbetriebes der Beteiligten zu 2.und 3. gerichtete
Begehren des Beteiligten zu 1. den Gegenstandswert zur Berechnung der
Anwaltsgebühren 14.000,00 € festgesetzt hat.
3
Die Beschwerde macht geltend, dass der Beschluss des Arbeitsgerichts nicht
hinreichend die Betriebsgröße nach Staffelung der Grundsätze in § 9 BetrVG
berücksichtige und die Problematik der Entfernung der Betriebsstätten außer acht lasse.
4
Eine zutreffende Bewertung führe zu einem Gegenstandswert von 28.800,00 €.
5
II.
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Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Der
Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war auf 22.000,00 €
festzusetzen.
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1. Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das vorliegende Beschlussverfahren
richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in diesen
Fällen nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.
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§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die
Wertvorschriften fehlen.
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Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist ebenso wie früher § 8 Abs. 2
BRAGO insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren
Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem
Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber immer erst
hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche
Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des
jeweiligen Streitgegenstandes vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm,
Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom
12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-
RR 2005, 435; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rz. 194, 441 ff.).
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2. Zutreffend gehen die Beteiligten wie auch das Arbeitsgericht für den vorliegenden
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Fall davon aus, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine
nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt.
Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind
typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur (Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 445).
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Vermögensrechtliche Ansprüche sind nur solche, die auf Geld oder geldwerte Leistung
gerichtet sind, gleichgültig, ob sie aus einem vermögensrechtlichen oder
nichtvermögensrechtlichen Grundverhältnis entspringen (LAG Hamburg, Beschluss vom
04.08.1992 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 18; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 313; Vetter, NZA 1996,
122).
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Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn es vornehmlich um Fragen
der Teilhabe des Betriebsrates an der Gestaltung des betrieblichen Geschehens geht.
So liegt der vorliegende Fall.
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Der Beteiligte zu 1. macht im Ausgangsverfahren das Vorliegen eines gemeinsamen
Betriebes der Beteiligten zu 2. und 3. geltend, § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 18 Abs. 2
BetrVG. Insoweit handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für
die grundsätzlich der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist.
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4. Entgegen der Rechtsauffassung des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1.
konnte der Gegenstandswert aber nicht auf 28.800,00 € festgesetzt werden.
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Der Gegenstandswert beträgt vielmehr in Anlehnung an die Rechtsprechung der
Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts zur Festsetzung des
Gegenstandswertes in Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG 22.000,00 €.
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Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für ein arbeitsgerichtliches
Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG angefochten wird,
richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die
gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebes bestimmt wird. Dies entspricht der
überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, Beschluss vom
17.12.1991 - NZA 1992, 327; LAG Thüringen, Beschluss vom 13.11.1998 - AuR 1999,
146; LAG Brandenburg, Beschluss vom 26.04.1995 - 6 Ta 23/94 -; LAG Köln, Beschluss
vom 10.10.2002 - NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom
09.07.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 55).
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Danach ist bei einem einköpfigen Betriebsrat vom anderthalbfachen Hilfswert aus, der
für jede weitere Staffel des § 9 BetrVG jeweils um den einfachen Hilfswert, das heißt für
jedes weitere Betriebsratsmitglied um den halben Hilfswert zu erhöhen ist (LAG Hamm,
Beschluss vom 01.03.2006 - 10 Ta 21/06 - EzA-SD 2006, Nr 7, 18 (Leitsatz 1); LAG
Köln, Beschluss vom 19.05.2004 - 10 Ta 79/04 -).
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Ein Wahlanfechtungsverfahren, das die Wahl eines neunköpfigen Betriebsrates für
einen Gemeinschaftsbetrieb der beteiligten Arbeitgeberinnen zum Gegenstand hätte, ist
hiernach mit einem Gegenstandswert von 22.000,00 € bewertet.
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3. Das vorliegende Beschlussverfahren, das die Feststellung des Vorliegens eines
Gemeinschaftsbetriebes der beteiligten Arbeitgeberinnen zum Gegenstand hat, ist nicht
anders zu bewerten. Dass das vorliegende Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG nicht
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direkt im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl eingeleitet worden ist,
erscheint für die Wertfestsetzung unerheblich (LAG Hamburg, Beschluss vom
17.12.1996 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 37). Sachgerecht auch für das vorliegende
Verfahren ist es, bei der Wertfestsetzung an die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer
anzuknüpfen. Dies sind im vorliegenden Fall mehr als 201 Beschäftigte. Bei der
Bewertung des zugrunde liegenden Verfahrens ist nämlich darauf Bedacht zu nehmen,
dass das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG in einem engen Zusammenhang zum
Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG steht. Die Frage der Zuordnung der
Arbeitnehmer zum Betrieb stellt eine wesentliche Vorfrage auch für das
Wahlanfechtungsverfahren dar. Es erscheint deshalb sachgerecht, bei der
Wertfestsetzung für entsprechende Zuordnungsverfahren an die für
Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 entwickelten Grundsätze anzuknüpfen (vgl. LAG
Köln, Beschluss vom 24.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 11; LAG Hamburg, Beschluss
vom 17.12.1996 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 37). Auch in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2
BetrVG erscheint der Rückgriff auf die Stufen des § 9 BetrVG angemessen, weil sich in
diesen Stufen und der dort jeweils festgelegten Anzahl der Mitglieder des Betriebsrates
die Bedeutung der Angelegenheit widerspiegelt (LAG Bremen, Beschluss vom
12.05.1999 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 43; LAG Hamm, Beschluss vom 01.03.2006 - 10 Ta
21/06 - EzA-SD 2006, Nr 7, 18 (Leitsatz 1)).
Mit dieser Bewertung ist darüber hinaus ausreichend bewertet, dass ein stattgebende
Entscheidung – als automatische Folge – Freistellungsansprüche nach § 38 BetrVG
auslöst, so dass hieraus keine weitere Anhebung des Gegenstandswertes ableitet.
Auch die in der Beschwerdebegründung angesprochene räumliche Entfernung der
Betriebsstätten ist für eine weitergehende Anhebung des Gegenstandswertes danach
nicht zusätzlich beachtlich.
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Da Rechtsschutzziel des Beteiligten zu 1. im vorliegenden Fall die Feststellung des
Vorliegens eines Gemeinschaftsbetriebes der beteiligten Arbeitgeberinnen ist, bei dem
ein neunköpfiger Betriebsrat zu wählen wäre, kommt weder eine Zusammenrechnung
derjenigen Werte, die sich im Wahlanfechtungsverfahren eines jeden beteiligten
Betriebsrates ergäben, noch eine Zusammenrechnung der derzeitigen Anzahl
sämtlicher Betriebsratsmitglieder der beteiligten Betriebsräte in Betracht.
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III.
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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(Jüngst )
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