Urteil des LAG Köln vom 01.10.2010

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Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 796/10
Datum:
01.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
4.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Sa 796/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 5127/09
Schlagworte:
Benachteiligung wegen des Geschlechts
Normen:
§ 1 AGG, § 3 Abs. 1 AGG, § 8 Abs. 1 AGG, § 15 Abs. 2 AGG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Geht eine Bewerbung um eine Stelle erst nach deren Besetzung ein, so
kommt eine Benachteiligung gem. § 3 Abs. 1 AGG grundsätzlich nicht in
Betracht.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 06.05.2010 – 8 Ca 5127/09 – wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG.
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Auf ein Stellenangebot, welches der Beklagte im Internet auf der Seite . aufgegeben
hatte und welches u. a. folgende Angaben enthielt
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Kurzinfo weibliche Hausaufgabenbetreuung
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gesucht
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Dauer der
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Beschäftigung 2 x pro Woche ca. 4 Std.
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Jobbeschreibung Hausaufgabenbetreuung bei einer
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12-jährigen Gymnasiastin sowie
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9jährigen Grundschülerin
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Anforderungen nettes Wesen und Lateinkenntnisse
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bewarb sich der Kläger per E-Mail vom 2. Mai 2009. Auf seine Nachfrage nach dem
Sachstand per E-Mail vom 1. Juni 2009 teilte der Beklagte ihm mit E-Mail vom 2. Juni
2009 mit, dass die Stelle bereits anderweitig vergeben sei.
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Der Kläger hatte mehrfach während seines Studiums als Nachhilfelehrer für die Klassen
4 - 13 gearbeitet.
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Mit seiner am 2. Jun 2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger Entschädigung wegen
Geschlechtsdiskriminierung im Umfang von 3 Monatsgehältern, die er auf der Basis
eines von ihm als üblich bezeichneten Stundenlohns von 20,-- € mit 20 x 32 pro Monat
auf insgesamt 1.920,-- € berechnet.
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Erstinstanzlich stritten die Parteien im Wesentlichen darum, ob das Stellenangebot der
Begründung eines Arbeitsverhältnisses gegolten habe oder einer selbstständigen
Tätigkeit. Wegen des diesbezüglichen Vortrages wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf
den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Nettobetrag in Höhe von
1.920,-- € zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat vorgetragen, nach seiner Erinnerung habe sein Stellenangebot nicht
das Wort "weibliche" enthalten. Dies sei zwar in dem vom Kläger überreichten Auszug
aus dem Internet der Fall gewesen. Möglicherweise sei das Wort "weibliche" aber
später hinzugefügt worden.
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Jedenfalls habe er die Stelle in dem Zeitpunkt, als die Bewerbung des Klägers
eingegangen sei, bereits vergeben gehabt. Dazu hat der Beklagte sich auf eine E-Mail
vom 27. April 2009 (Bl. 28 d. A.) bezogen, in der es heißt:
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"Sehr geehrte Damen und Herren,
22
bitte stellen sie meine Anzeige mit der ID Nr. K-2009-04-22-01 offline, da ich die
Stelle bereits besetzen konnte.
23
Mit freundlichen Grüßen
24
i. A. S S
25
F H. L
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Rechtsanwalt"
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Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Stelle zum Zeitpunkt der Bewerbung
bereits besetzt gewesen sei.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen deshalb abgewiesen, weil nicht
festzustellen sei, dass es bei der Ausschreibung um die Anbahnung eines
Arbeitsvertrages gegangen sei. Im Übrigen sei die unterschiedliche Behandlung gemäß
§ 8 Abs. 1 AGG zulässig gewesen. Der Beklagte könne sich auf Art. 6 Abs. 2 GG
berufen. Aufgrund seiner Entscheidung sei daher die Zugehörigkeit zum weiblichen
Geschlecht eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Übertragung der
Position der Hausaufgabenbetreuung.
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Gegen dieses ihm am 18.05.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.06.2010
Berufung eingelegt und diese am 13.07.2010 begründet.
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Er legt ausführlich dar, weshalb die Ausschreibung des Beklagten auf die Anbahnung
eines Arbeitsverhältnisses gezielt habe. Insofern wird auf die Berufungsbegründung
Bezug genommen.
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Es verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des AGG – so der Kläger weiter, nur
eine weibliche Hausaufgabenbetreuung anzubieten. Sonst müsse es auch einer
Grundschule erlaubt sein, lediglich Frauen als Lehrerinnen einzustellen. Spinne man
diesen Gedanken weiter, wäre es Eltern sogar erlaubt, Lehrer eines bestimmten
Geschlechts in öffentlichen Schulen abzulehnen.
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Es gehe auch nur um die Überwachung von Kindern bei den Hausaufgaben und um
einfache Hilfestellungen, nicht darum, dass Kinder irgendwie körperlich behandelt
werden müssten. Das Gericht berge in seinen Ausführungen subtil die Befürchtung, als
stecke in jedem Mann ein potentieller Sittentäter, der gleichsam einem Vulkan jederzeit
bei kleinen Mädchen die Kontrolle über sich verlieren könne. Dieses sei weltfremd.
Wenn das Gericht sich auf Art. 6 GG stützen wolle, so wäre auch die Position eines
Gärtners gegebenenfalls auch mit einer Frau in einem hochherrschaftlichen Haus zu
besetzen, da auch dort logischerweise ein Zugang zu Kindern bestehe und von einem
männlichen Angestellten gegebenenfalls mit Unbill zu rechnen sei. Auch in
Grundschulen werde die Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung von Männern
ausgeübt unabhängig vom Geschlecht der Kinder.
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Schließlich müsse beachtet werden, dass in der Regel bei Nachhilfestunden auch
gegebenenfalls noch die Mutter der Kinder im Haus sei.
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Dementsprechend überzeuge auch die die Parallele des Arbeitsgerichts zu dem vom
Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht, da es dort um ein Mädchenpensionat
gegangen sei und die Aufgabe auch darin bestanden habe, auch nachts, wenn die
Mädchen im Bett lagen, Aufsicht auszuüben.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln - Aktenzeichen 8 Ca 5127/09
abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen
Nettobetrag von 1.920,-- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu
bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht sei zu Recht
davon ausgegangen, dass das Merkmal "Arbeitgeber" fehle, weil es nicht um die
Begründung eines Arbeitsvertrages gegangen sei. Auch greife § 8 Abs. 1 AGG ein. Die
Entscheidung eines Vaters, die Hausaufgabenbetreuung seiner 9 und 12 Jahre alten
Töchter einer Frau zu übertragen, sei nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu
respektieren.
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Schließlich sei zu berücksichtigen, dass zu dem Zeitpunkt, als die Bewerbung des
Klägers eingegangen sei, die Stelle bereits vergeben gewesen sei.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers
hatte in der Sache keinen Erfolg.
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I. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Kläger überhaupt benachteiligt
worden ist.
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Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1
genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person
in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat und erfahren würde (§ 3 Abs. 1 S.
1 AGG).
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Macht ein Bewerber geltend, er sei bei der Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle
entgegen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz benachteiligt worden, so setzt
dies grundsätzlich voraus, dass seine Bewerbung um die Stelle schon im Zeitpunkt der
Besetzungsentscheidung vorlag (vgl. hierzu auch BAG 19.08.2010 - 8 AZR 370/09 -
Pressemitteilung 62/10).
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Ist eine Stelle schon besetzt, so können spätere Bewerber nicht mehr berücksichtigt
werden. Die Behandlung, die sie erfahren, ist typischerweise die Ablehnung der
Bewerbung. Jede Person in einer vergleichbaren Situation erfährt diese Ablehnung, hat
sie erfahren oder würde sie erfahren. Deshalb liegt eine Benachteiligung nicht vor.
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Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte bereits erstinstanzlich darauf berufen, dass
die Stelle, als die Bewerbung des Klägers eingegangen sei, bereits vergeben gewesen
sei. Die Bewerbung des Klägers erfolgte unter dem 2. Mai 2009 per E-Mail (Bl. 3 d. A.).
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Der Beklagte hat schon erstinstanzlich vorgetragen, dass bereits unter dem 27. April
2009 sein Anwaltsbüro das S K gebeten hat, das Inserat Offline zu stellen, da die Stelle
bereits besetzt sei. Er hat dazu eine Kopie der oben zitierten E-Mail vom 27. April 2009
vorgelegt (Bl. 28 d. A.).
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Der Kläger hat diesen Vortrag des Beklagten nur mit "Nichtwissen" bestritten. Der
Kläger hat aber als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die
anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere auch für die Benachteiligung (BAG
05.02.2004 NJW 2004, 2114 - weitere Nachweise bei Meinel/Hein/Herms AGG, 2. Aufl.,
§ 22 Rn. 12).
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Zwar ist in der Literatur umstritten, ob insoweit die Beweiserleichterungen des § 22 AGG
gelten (Nachweise bei Bauer/Göpfert/Krieger AGG, 2. Aufl., Rn. 6). Dieses kann jedoch
im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn der Kläger hat auch keine Indizien bewiesen,
die vermuten lassen könnten, dass die Behauptung des Beklagten falsch sei, dass die
Stelle bereits am 27. April 2009 besetzt worden sei. Er hat auch nicht behauptet, dass
die vom Beklagten vorgelegte E-Mail gefälscht sei. Die Mail als solche aber stellt ein
starkes Indiz für die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten dar. Diesem ist der
Kläger nur mit dem Bestreiten mit "Nichtwissen" entgegengetreten, ohne Gegenbeweis
anzutreten. Es ist daher vom Vorbringen des Beklagten auszugehen, dass die Stelle
bereits besetzt war. Bereits daran scheitert der Anspruch.
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II. Ob eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts im vorliegenden Fall
insbesondere wegen des Erziehungsgrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG zulässig
gewesen wäre, weil das weibliche Geschlecht wegen der Art der auszuübenden
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende
berufliche Anforderung darstellte und der Zweck rechtmäßig und die Anforderung
angemessen wäre (§ 8 Abs. 1 AGG), kann deshalb dahinstehen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG
verwiesen.
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Dr. Backhaus Kreischer Kolsch
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