Urteil des LAG Hessen vom 01.06.2006

LAG Frankfurt: juristische methodenlehre, einseitiges rechtsgeschäft, persönliche eignung, vergütung, versetzung, betriebsrat, tarifvertrag, grundausbildung, arbeitsbedingungen, arbeitsgericht

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 Sa 1743/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 KSchG, § 1 Abs 1 TVG, §
99 BetrVG
(Änderungskündigung)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Wiesbaden vom 07. September 2005 – 6 Ca 14/04 – wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
Die Beklagte betreibt eine Spielbank mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Der Kläger
ist seit ... 19... als Croupier beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt
etwa EUR 5.000,-. Er wurde zum 1. Juli 2003 in die Tarifstufe Croupier I befördert.
Kurze Zeit später, am 26. Aug. 2003, legte er das ärztliche Attest des Dr. A vom
21. Aug. 2003 (Bl. 35 d. A.) vor, wonach er Verbeuge- und Rotationspositionen für
die Gesamtwirbelsäule während seiner vornehmlich sitzenden Tätigkeit
insbesondere am Pokertisch zu vermeiden hat. Die daraufhin von der Beklagten
beim Betriebsrat beantragte Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den
Tätigkeitsbereich der Gehaltsgruppe III und zur entsprechenden Umgruppierung
hat dieser verweigert. Der arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsantrag der
Beklagten wurde hinsichtlich der Versetzung und Umgruppierung zweitinstanzlich -
inzwischen rechtskräftig - zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 19. Dez. 2003 (Bl. 5
d. A.), zugegangen am 21. Dez. 2003, sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber
vorsorglich für den Fall, dass die Versetzung nicht durch ihr Direktionsrecht
gedeckt sein sollte, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2004 aus
und bot ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Croupier in der Tarifstufe
III an. Den Betriebsrat hatte sie mit Schreiben vom 15. Dez. 2003 (Bl. 11 d. A.)
angehört. Der Betriebsrat nahm mit Schreiben vom selben Tag zur beabsichtigten
Kündigung Stellung. Der Kläger erklärte sich unter dem Vorbehalt der gerichtlichen
Überprüfung mit den Änderungen zum 1. Juli 2004 einverstanden.
Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 12. Jan. 2004 Klage eingereicht. Er ist
der Auffassung gewesen, die Kündigung verstoße gegen den Tronc- und
Gehaltstarifvertrag, weil er die Beförderungsvoraussetzungen für die Croupierstufe
I und II weiterhin erfülle. Dies ergebe sich insbesondere aus der bei der Auslegung
des Tarifvertrages 2000 zu berücksichtigenden Tarifgeschichte. In einer
Einigungsstelle sei im Jahre 1995 darüber Einigkeit erzielt worden, dass es nach § 6
Ziff. 1 TV 1992 für die Eingruppierung ausreiche, dass im Poker eine
Grundausbildung absolviert werde und es nicht darauf ankomme, dass der
jeweilige Spieltechniker auch praktisch im Poker eingesetzt werde oder eingesetzt
worden sei. In der Folgezeit sei der Tarifvertrag in diesem Sinne geändert worden.
Der im Tarifvertrag 1992 enthaltene § 6 Abs. 3, der eine Rückgruppierung regelte,
sei ausdrücklich gestrichen worden, weil man jedenfalls für den Bereich des Pokers
nur die Ausbildung durch Absolvierung eines Kurses für die Beibehaltung einer
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nur die Ausbildung durch Absolvierung eines Kurses für die Beibehaltung einer
bestimmten Tarifgruppe hätte haben wollen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die von der Beklagen mit Schreiben vom 19. Dez. 2003 mit
Wirkung zum 1. Juli 2004 gewünschten Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial
ungerechtfertigt sind sowie das Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2004 hinaus
unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Kläger erfülle infolge seiner
gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr die Voraussetzungen der
Tarifstufen Croupier I und II, da ihm die persönliche Eignung und Fähigkeit für den
Einsatz an allen Spielen fehle.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, des vom
Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens
wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch Urteil vom 7. Sept. 2005 – 6 Ca
14/04 - stattgegeben. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf den
Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts - 18/4 TaBV 89/04 - ausgeführt,
das synallagmatische Gefüge von Leistung und Gegenleistung werde durch die
fehlende Einsatzmöglichkeit des Klägers am Pokertisch nicht beeinträchtigt, weil er
die übrigen Tätigkeiten noch wahrnehmen könne. Wegen der Einzelheiten der
Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe Bezug
genommen.
Gegen dieses ihr am 15. Sept. 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.
Sept. 2005 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Nov. 2005 am 23. Nov.
2005 begründet.
Die Beklagte bleibt bei ihrer Auffassung, die Croupiersstufen I und II in § 5 des
Tronc- und Gehaltstarifvertrages setzten die fachliche und persönliche
Einsetzbarkeit des Mitarbeiters am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen
voraus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 7. Sept. 2005 - 6 Ca 14/04 -
abzuändern und die Klage abzuweisen;
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 1. Juni 2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs.2 ArbGG, 511 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 2 c) ArbGG,
und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs.1
ArbGG, 517, 519, 520 ZPO, und damit insgesamt zulässig.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Änderungsschutzklage des
Klägers ist begründet. Der Wirksamkeit der Änderungskündigung steht nicht
entgegen, dass sie vorsorglich für den Fall, dass die beabsichtigten Änderungen
nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt ist, ausgesprochen worden ist.
Eine solche Rechtsbedingung ist zulässig (BAG Urteil vom 11. März 1998 – 2 AZR
577/97 – Juris).
Der Beklagten stand zwar für ihre vorsorgliche Änderungskündigung vom 19. Dez.
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Der Beklagten stand zwar für ihre vorsorgliche Änderungskündigung vom 19. Dez.
2003 ein Grund zur Seite. Der Kläger erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen der
Croupiersstufen I und II, weil er aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht
mehr am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen eingesetzt werden kann. Dies
rechtfertigt die personenbedingte Änderungskündigung. Der Kläger ist aus
gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht mehr in der Lage, die vertraglich
geschuldete Tätigkeit als Croupier I oder II zu erbringen. Dies rechtfertigt die
Zuweisung einer Tätigkeit nach Croupiersstufe III und die entsprechende
tarifvertragliche Rückgruppierung. Dass der Croupier am Spieltisch bei allen
angebotenen Spielen auch tatsächlich eingesetzt werden kann, ist Voraussetzung
für die Eingruppierung und Vergütung nach den Croupiersstufen I und II. Dies ergibt
die Auslegung von § 5 und § 6 des Tronc- und Gehaltstarifvertrages. Will der
Arbeitgeber den Arbeitsvertrag in mehreren Punkten ändern, muss jede der
beabsichtigten Änderungen begründet sein (BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR
624/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54).
Für die Auslegung von Tarifverträgen als Normen gelten wie auch für Gesetze die
Grundsätze der sog. objektiven Auslegung. Diese hat entsprechend den
Grundsätzen der Gesetzesauslegung zunächst vom Wortlaut der Tarifnorm
auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille
der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck
der tarifvertraglichen Regelung mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den
Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den
Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deshalb mitberücksichtigt
werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Norm auf den wirklichen
Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung
des Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Regelung zutreffend
ermittelt werden können (ebenso BAG Urteil vom 12. Sept. 1984 - 4 AZR 336/82 -
EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 14). Verbleiben bei entsprechender Auslegung des
Wortlauts und des Gesamtzusammenhanges als den stets und in erster Linie
heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfalle noch Zweifel, so kann zur
Ermittlung des wirklichen Willens der Beteiligten auf weitere Kriterien wie die
Entstehungsgeschichte und praktische Übung zurückgegriffen werden. Bei der
Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel gebietet die juristische
Methodenlehre keine bestimmte Reihenfolge. Im Zweifel ist derjenigen Auslegung
der Vorzug zu geben, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und
praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG Urt. v. 13. Aug. 1986 - 4 ABR 2/86 - EzA
a.a.O., Nr. 16).
Der Wortlaut der Tarifnorm ist eindeutig. Seit 1996 lautet § 5 I Ziff. 7 des Tronc-
und Gehaltstarifvertrages, dass der Croupier I und II am Spieltisch bei allen
angebotenen Spielen arbeitet und zur Aufsicht am Spieltisch und bei
entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden kann.
Dem entspricht § 6 des Tarifvertrages, wonach Beförderungsvoraussetzung die
Eignung für die zu besetzende Position ist. Dass der Croupier I und II am Spieltisch
bei allen angebotenen Spieltischen „arbeitet“ macht klar, dass es nicht ausreicht,
eine Grundausbildung absolviert zu haben, die tatsächliche Einsatzfähigkeit, z. B.
aus personenbedingten Gründen jedoch nicht gegeben ist. Voraussetzung für die
Vergütung nach Croupiersstufe I und II ist es zwar nicht, dass der Croupier im
Vergütungszeitraum tatsächlich an allen Spieltischen eingesetzt wird. Der
Arbeitgeber hat die höhere Vergütung jedoch für die flexible Einsatzfähigkeit am
Spieltisch bei allen angebotenen Spielen zu zahlen und dafür, dass der Croupier
für den Einsatz am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen zur Verfügung steht.
Der Arbeitgeber zahlt die höhere Vergütung, weil er mittels seines Direktionsrechts
jederzeit in der Lage ist, eine andere Tischbesetzung vorzunehmen. Aus der
Tarifgeschichte kann kein dem klaren Wortlaut und dem Sinn und Zweck der
Tarifnorm widersprechendes Ergebnis abgeleitet werden. Auch nach § 5 I Ziff. 7 TV
Stand 1992 „arbeitete“ der Croupier I und II an allen Spieltischen, nach dem
Tarifvertrag vom 30. Mai 1995 (Bl. 95 d. A.) arbeitet er am Spieltisch und nach der
Fassung vom 11. April 1996 (Bl. 96 d. A.) wieder an allen Spielen. Die insoweit
etwas relativierte Fassung in der Zeit vom 1. Juni 1995 bis 1996 kann nicht zu einer
dem späteren Wortlaut widersprechenden Auslegung führen. Die
Protokollerklärung Ziff. 2 b) anlässlich der Einigungsstellensitzung vom 9. März
1995 (Bl. 70 d. A.) führt ebenfalls nicht dazu, den Tarifvertrag entgegen seinem
Wortlaut auszulegen. Zudem heißt es dort lediglich, dass der Croupier, der die
Grundausbildung absolviert hat, die Position auch dann ausfüllt, wenn er dort nicht
praktisch eingesetzt wird, nicht aber, wenn er dort gar nicht einsatzfähig ist,
abgesehen davon, dass es sich lediglich um eine Absichtserklärung handelt, die
jedenfalls seit 1996 nicht tarifvertraglich umgesetzt worden ist. Dass es in § 6 Abs.
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jedenfalls seit 1996 nicht tarifvertraglich umgesetzt worden ist. Dass es in § 6 Abs.
3 des Tronc- und Gehaltstarifvertrages 1992 (Bl. 64 d. A.) einmal eine
Rückstufungsmöglichkeit gab, wonach nicht in allen Spielen einsetzbare Croupiers
ihre Eingruppierung behielten, wenn sie bis zum 30. Juni 1993 die erforderlichen
Qualifikationen nachwiesen, spricht nicht gegen die hier vorgenommene
Auslegung, da es erkennbar eine zeitliche befristete Übergangsregelung war.
Die Änderungskündigung ist jedoch aus einem anderen Grund unwirksam. Die
angestrebten Änderungen beziehen sich zum einen auf eine Versetzung im Sinne
der §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG, da der Arbeitsbereich des Klägers sich inhaltlich
ändert, indem er nicht am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen eingesetzt
wird. Dies stellt einen wesentlichen Teilentzug des vertraglich vereinbarten
Tätigkeitsbereichs dar. Zum anderen betreffen die Änderungen eine
Umgruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG. Hinsichtlich beider Maßnahmen
wurde der Zustimmungsersetzungsantrag durch Beschluss des Hess.
Landesarbeitsgericht vom 26. April 2005 (– 18/4 TaBV 89/04 – Bl. 183 ff. d. A.)
zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat das
Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 16. Nov. 2005 (- 10 ABN 60/05 – Bl.
217 ff. d. A.) zurückgewiesen.
Eine Änderungskündigung, bei der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung rechtskräftig feststeht, dass der Arbeitnehmer wegen Verstoßes
gegen §§ 99 BetrVG, 134 BGB auf Dauer gemäß § 275 Abs. 1 BGB nicht
verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung nach den Arbeitsbedingungen, die Inhalt der
Änderungskündigung sind - nämlich eine Tätigkeit und Vergütung nach
Croupiersstufe III - zu erbringen, ist unwirksam. Die Änderungskündigung ist auf
eine Vertragsänderung gerichtet, die eine rechtskräftig festgestellte unmögliche
Leistung zum Gegenstand hat. Der Änderung der Arbeitsbedingungen steht ein
dauerndes Leistungshindernis entgegen.
Das Bundesarbeitsgericht hat zwar durch Urteil vom 30. Sept. 1993 – 2 AZR
283/99 – AP § 2 KSchG 1969 Nr. 33 = EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 118) entschieden,
dass die Durchführung des Zustimmungs(ersetzungs)verfahrens nicht
Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungskündigung sei. Steht jedoch bereits
zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fest, dass die Zustimmung
des Betriebsrats nicht mehr zu erlangen ist, weil der
Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig zurückgewiesen worden ist, ist die
Änderungskündigung rechtswidrig. Der vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30.
Sept. 1993 a.a.O.; ebenso KR-Rost, § 2 KSchG Rz. 141; Wlotzke, Anm. zu BAG AP §
2 KSchG 1969 Nr. 33) vertretene Ausweg, es biete sich an, wenn später endgültig
feststehe, dass die Zustimmung nicht zu erlangen sei, § 275 Abs. 2 BGB (a.F.)
anzuwenden, so dass die Parteien aus ihren Verpflichtungen aus dem
Änderungsvertrag befreit würden und es nunmehr bei dem ursprünglichen Vertrag
bleibe, hilft nicht weiter, weil nicht hinreichend berücksichtigt wird, dass der alte
Arbeitsvertrag nach einer wirksamen Änderungskündigung nicht mehr existiert (so
zutreffend ErfK-Ascheid, § 2 KSchG Rz. 32). Das Bundesarbeitsgericht ist hierzu
der Auffassung, der Arbeitnehmer bleibe, wenn die Zustimmung vom Betriebsrat
verweigert und auch vom Arbeitsgericht nicht nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt
wird, zur Tätigkeit in dem alten Arbeitsbereich berechtigt und verpflichtet, der ihm
ordnungsgemäß zugewiesen war, ohne dass eine wirksame andere Zuweisung
vorläge. Auch der Entzug der bisherigen Tätigkeit sei unwirksam. Entzug und
Zuweisung einer Tätigkeit stellten einen einheitlichen Vorgang dar, der auf seine
rechtliche Zulässigkeit hin auch nur einheitlich beurteilt werden könne. Das
erscheint nicht konsequent (insoweit ebenso ErfK/Ascheid § 2 KSchG Rz. 32; BBDW
§ 2 Rz. 97). Während das Bundesarbeitsgericht zur Begründung der Trennung von
individualrechtlicher Änderungskündigung und kollektivrechtlicher Versetzung allein
auf den zu ändernden Vertrag abstellt, stellt es zur Vermeidung von Brüchen bei
endgültig fehlender Zustimmung auf den Mitbestimmungstatbestand, nämlich die
Tätigkeitszuweisung, ab. Mit einer wirksamen Änderungskündigung ist jedoch der
Arbeitsvertrag hinsichtlich der Arbeitsaufgaben geändert, nicht erweitert, es sei
denn, das Änderungsangebot ist ausdrücklich auf eine Erweiterung ausgerichtet.
Im Regelfall lautet das Änderungsangebot jedoch wie im Streitfall auf Zuweisung
einer bestimmten anderen oder geänderten Tätigkeit. Ist der Arbeitsvertrag
hinsichtlich der Arbeitsaufgaben geändert, ist der Arbeitnehmer nach Ablauf der
Kündigungsfrist nicht mehr verpflichtet, die bisherige, nicht mehr dem
Arbeitsvertrag entsprechende Tätigkeit auszuführen. § 311 a BGB steht dem nicht
entgegen, weil diese Vorschrift die Wirksamkeit von Verträgen behandelt (vgl.
Palandt-Heinrichs, 64. Aufl., § 311 a BGB Rz. 3), nicht aber die
Änderungskündigung als einseitiges Rechtsgeschäft.
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Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung trägt die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist im Hinblick auf eine notwendige Klarstellung zum Urteil des
Bundesarbeitsgerichts vom 30. Sept. 1993 (a.a.O.) zu den individualrechtlichen
Auswirkungen auf eine Änderungskündigung für den Fall, dass über den
Zustimmungsersetzungsantrag zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung bereits rechtskräftig negativ entschieden ist (und im Hinblick auf die
Abweichung vom Beschluss des Hess. Landesarbeitsgerichts vom 26. April 2005 –
18/4 TaBV 89/04 – Bl. 183 ff. d. A.), wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.