Urteil des LAG Hessen vom 13.07.2007
LAG Frankfurt: treu und glauben, allgemeine geschäftsbedingungen, kommission, hessen, mittel des arbeitskampfes, verkürzung der arbeitszeit, pacta sunt servanda, arbeitsrecht, evangelische kirche
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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3/12 Sa 307/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, § 4 Abs 5 TVG, § 15
BAT, § 17 BAT, § 311 Abs 1
BGB
Zur Auslegung der Arbeitsvertragsordnungen des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau -
Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Darmstadt vom 21. Dezember 2007 – 10 Ca 111/06 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Zuwendung für das Jahr 2005 sowie die Vergütung
von geleisteten Überstunden.
Die Beklagtenseite ist eine kirchlich-diakonische Einrichtung und Mitglied im
Diakonischen Werk in Hessen und Nassau. Die zuständige evangelische Kirche für
Hessen und Nassau (EKHN) hat in Artikel 71 ihrer Kirchenordnung folgendes
geregelt:
(1) Die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau können im
Rahmen des kirchlichen Auftrages unter partnerschaftlicher paritätischer
Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst verbindlich für alle Anstellungsträger
geregelt werden.
(2) Das nähere bestimmt ein Kirchengesetz, dem mehr als die Hälfte der
gewählten und berufenen Mitglieder der Kirchensynode zustimmen muss.
Auf dieser Grundlage hat die EKHN am 29. November 1979 das Kirchengesetz
über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst
(Arbeitsrechts – Regelungsgesetz – ARRG) beschlossen:
§ 4 ARRG lautet:
(1) Die durch die arbeitsrechtliche Kommission oder den
Schlichtungsausschuss nach Maßgabe dieses Kirchengesetzes
beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen sind für alle
Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich dieses Kirchengesetzes
verbindlich.
(2) Es dürfen nur Arbeitsverträge geschlossen werden, die den in Abs. 1
geschlossenen Regelungen entsprechen.
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Für die von der arbeitsrechtlichen Kommission (ArK) beschlossene
Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Werk in Hessen
und Nassau in der Fassung vom 01. Dezember 1982 zuletzt geändert am
17.5.2005 galten unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Abs. 1
Auf das Arbeitsverhältnis der im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen
Werkes in Hessen und Nassau (DWHN) als Angestellte beschäftigten Mitarbeiter
findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 sowie die
für BAT-Angestellte zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der für das Land
Hessen am 30.06.2004 geltenden Fassung Anwendung, soweit im Folgenden
nichts anderes bestimmt ist.
In der Arbeitsrechtsregelung zur Einführung der Kirchlich-Diakonischen
Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005 hat die arbeitsrechtliche Kommission
unter anderem beschlossen:
Artikel 5 Neufassung der Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im
kirchlichdiakonischen Dienst des DWHN
§ 2
Anwendung der KDAVO
Auf die Arbeitsverhältnisse finden ab dem 01. Oktober 2005 die Bestimmungen
der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) in der jeweils
geltenden Fassung entsprechende Anwendung, soweit im Folgenden nichts
anderes bestimmt ist.
§ 10
Sonderzahlung 2005
Abweichend von § 37 Abs. 4 KDAVO ist die Bemessungsgrundlage für die
Sonderzahlung im Jahr 2005 die Summe aus dem Arbeitsentgelt (§ 30 KDAVO),
der Leistungszulage (§ 29 KDAVO), der Vergütung für Mehrarbeit (§ 31 KDAVO),
dem Überstundenzuschlag (§ 32 KDAVO) und 65 % der Besitzstandszulage (§ 8
KDAVO) für den Monat Oktober.
Artikel 1 Kirchlich – Diakonische Arbeitsvertragsordnung (KDAVO)
§ 13
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters in
Vollzeitbeschäftigung beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich
40 Stunden wöchentlich.
Die Klägerseite ist seit dem 18. April 1994 bei der Beklagtenseite auf der
Grundlage des im April 1994 geschlossenen Arbeitsvertrages beschäftigt. In § 2
des Arbeitsvertrages ist folgende Bezugnahmeklausel vereinbart:
(1) Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den jeweiligen, für Angestellte geltenden
Bestimmungen des Dienstvertragsrechts des Diakonischen Werkes in Hessen und
Nassau (DVR/DWHN). Hierbei handelt es sich insbesondere um den
Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und diesen ändernde,
ergänzende oder ersetzende Tarifverträge in der Fassung der
Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (BAT/DW).
Seit Oktober 2005 arbeitete die Klägerseite statt wie bislang 38,5 Stunden pro
Woche ohne einen finanziellen Ausgleich 40 Stunden pro Woche.
Ziel des am 20. Juli 2005 von der arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen
Regelwerks ist es im Wesentlichen, bestehende Arbeitsbereiche und Arbeitsplätze
vor dem Hintergrund stetig sinkender Refinanzierungsmöglichkeiten zu sichern.
Die mit den Änderungen der Arbeitsbedingungen verbundenen finanziellen
Einbußen haben im Falle der Klägerseite die bislang gezahlte Vergütung um nicht
mehr als 20 % unterschritten.
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Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 17. Juli 2006 eingegangenen und der Beklagten
am 27.7.2006 zugestellten Klage macht die Klägerseite die Zahlung einer
restlichen Zuwendung in Höhe von 727,42 Euro brutto sowie eine
Überstundenvergütung in Höhe von insgesamt 481,95 Euro brutto wegen der
Einführung der 40-Stunden-Woche geltend. Nach den Regelungen, die vor den
Beschlüssen der arbeitsrechtlichen Kommission vom 20. Juli 2005 auf das
Arbeitsverhältnis zur Anwendung kamen, standen der Klägerseite die
vorgenannten Leistungen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu.
Die Klägerseite hat die Rechtsansicht vertreten, dass die arbeitsvertragliche
Bezugnahmeklausel die Einführung eines eigenständigen Regelwerkes nicht
gestatte. Der in der Bezugnahmeklausel angeführte Verweis auf das
Dienstvertragsrecht werde durch die in Satz 2 enthaltene Regelung konkretisiert.
Sie verdeutliche, dass eine Regelung wie die KDAVO nicht gemeint sein könne, weil
es sich bei ihr nicht um einen den BAT ändernden, ergänzenden oder ersetzenden
Tarifvertrag handele. Im Übrigen handele es sich um eine überraschende, unklare
Klausel, die die Klägerseite unangemessen benachteilige und damit unwirksam sei.
Es gelte weiterhin der BAT/DW. Aufgrund der massiven Verschlechterungen der
Arbeitsbedingungen handele es sich bei der Anwendung der neuen Regelungen
um einen Ermessensmissbrauch.
Die Klägerseite hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1209,37 Euro brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 727, 42 Euro seit dem 01. Dezember 2005 und aus 481,95 Euro seit dem
27.07.2006 zu zahlen.
Die Beklagtenseite hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsansicht vertreten, dass die geltend gemachten Leistungen der
Klägerseite nicht zustünden, weil durch die Beschlüsse der arbeitsrechtlichen
Kommission die AngAVO wirksam geändert worden sei. § 2 des Arbeitsvertrages
verstoße nicht gegen die §§ 305 ff BGB. Die AngAVO – so die Beklagte weiter –
unterliege nach § 310 Abs. 4 Ziffer 1 BGB nicht der Kontrolle nach den §§ 305 ff
BGB. Zudem scheide eine solche gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB aus.
Das Arbeitsgericht Darmstadt hat durch Urteil vom 21. Dezember 2006 die Klage
abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die
Entscheidungsgründe Seite 5 bis 8 – Bl. 36 bis 39 d.A. – Bezug genommen. Gegen
dieses am 02. Februar 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerseite am 26. Februar
2007 Berufung eingelegt und diese – nach rechtzeitiger Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. April 2007 – mit dem bei Gericht am 26.
April 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerseite verfolgt ihr Klagebegehren unter Wiederholung und Ergänzung
ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter und macht hierzu eingehende
Rechtsausführungen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 18. April
2007 – Bl. 56 - 59 d.A. – Bezug genommen.
Die Klägerseite beantragt,
das Urteils des Arbeitsgerichts Darmstadt aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, an sie 727,42 Euro brutto Zuwendung nebst 5
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01. Dezember 2005 sowie
481,93 Euro brutto Überstundenvergütung nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über
dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagtenseite beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens und ergänzt es durch eingehende
Rechtsausführungen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22. 06.
2007 – Bl. 66 - 73 d.A. Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
A.
Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft
und von der Klägerseite gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520
ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß
begründet worden.
B.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die
Klage abgewiesen. Die Klägerseite hat keinen Anspruch auf die begehrten
Zahlungen, weil durch die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel anstelle des BAT
in der Fassung des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau die
Bestimmungen der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) vom
01. Oktober 2005 in das Arbeitsverhältnis einbezogen wurden. Die
arbeitsvertragliche Inbezugnahme der Arbeitsvertragsordnung vom 20.07.2005
hält einer Kontrolle nach §§ 305 ff BGB stand.
I.
Die Klägerseite hat aufgrund der durch § 2 des Arbeitsvertrages erfolgten
einzelvertraglichen Bezugnahme keinen Anspruch auf Zahlung der restlichen
Zuwendung für das Jahr 2005 (§§ 1, 2 TV-Zuwendung) und auf Vergütung
geleisteter Überstunden (§§ 611 Abs. 1 BGB, 15, 17 BAT, 7, 26, 10b AngAVO/DW)
gemäß dem BAT nebst Änderungen und zusätzlichen Regelungen in der Fassung
des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau. § 10 der KDAVO bestimmt eine
geänderte Bemessungsgrundlage für die Sonderzuwendung 2005, die zu einem
geringeren Zahlungsbetrag führt und nach § 13 KDAVO die wöchentliche
Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche erhöht, sodass die Klägerseite keine
Überstunden geleistet hat.
1.
Der BAT nebst Änderungen und zusätzlichen Regelungen in der Fassung des
Diakonischen Werkes ist ein aufgrund kirchlichen Rechts geschaffenes Regelwerk,
das lediglich auf den Bestimmungen und der Systematik des BAT aufbaut. Auf das
Arbeitsverhältnis finden demgemäß kirchenrechtliche Regelungen, nicht aber der
BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung (vgl. BAG 06. November
1996 – 10 AZR 287/96 – NZA 1996, 659 (660)). Kirchlich-diakonische Einrichtungen
fallen nicht einmal unter den Geltungsbereich des BAT.
Das Regelwerk ist durch die kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsordnung (KDAVO)
abgelöst worden. Nach § 1 des Artikel 5 der Arbeitsrechtsregelung zur Einführung
der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung gilt die arbeitsrechtliche
Regelung, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 01. Oktober 2005 begonnen hat
(Nr. 1) und im Arbeitsvertrag bestimmt wurde, dass die Arbeitsvertragsordnung für
Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen
und Nassau (AngAVO/DW) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung findet
(Nr.2). In § 2 des Artikels 5 ist als Zeitpunkt für die Anwendung der 01. Oktober
2005 bestimmt.
2.
Durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel wird die Neufassung der
Arbeitsvertragsordnung in das Arbeitsverhältnis transformiert.
a) Nach § 2 des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den
jeweiligen für Angestellte geltenden Bestimmungen des Dienstvertragsrechts
(DVR/DWHN) des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau. Damit wird auf die
von der arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Arbeitsvertragsordnungen
zeit- und inhaltsdynamisch Bezug genommen. Dies ergibt eine Auslegung des
Arbeitsvertrages.
aa) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aus der Sicht des Empfängers zu
bestimmen. Ausgehend vom Wortlaut der Klausel ist der objektive
Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln, wobei der allgemeine
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Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln, wobei der allgemeine
Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen
Regelungszusammenhangs maßgebend ist. In die Auslegung einzubeziehen sind
auch die den Parteien erkennbaren Begleitumstände der Erklärung, soweit sie
einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die tatsächliche
Handhabung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht ebenfalls Rückschlüsse auf
dessen Inhalt. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch
die Entstehungsgeschichte, der von den Vertragsparteien verfolgte
Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG 24. September
2003 – 10 AZR 34/03 – Rn. 38, zitiert nach Juris; BAG 20. April 2005 – 4 AZR 292/04
– Rn. 18, zitiert nach Juris). Nach diesen Maßstäben vermag sich die Kammer nicht
der Auslegung der Klägerseite anzuschließen.
b) Durch die Bezugnahmeklausel sollen erkennbar die Regelwerke der
arbeitsrechtlichen Kommission erfasst werden, die die Arbeits- und
Entgeltbedingungen der Arbeitsverhältnisse festlegen. Der Wortlaut der Klausel ist
durch den Begriff "Dienstvertragsrecht des Diakonischen Werkes" weit gefasst und
erstreckt sich nach dem Sprachgebrauch auf alle Regelungen die sich mit dem
Abschluss, der Einhaltung und der Beendigung des Arbeitsvertrages sowie seiner
inhaltlichen Ausgestaltung befassen und auf der Grundlage des Kirchenrechts
zustande gekommen sind. Da die Regelung einschränkungslos formuliert ist – es
sollen die "jeweiligen für Angestellte geltenden Bestimmungen" erfasst werden –,
handelt es sich um eine zeit- und inhaltsdynamisch ausgestaltete
Verweisungsklausel. Es soll nicht nur die übliche Tarifentwicklung des ursprünglich
zugrunde gelegten BAT und der ihn ergänzenden Tarifverträge mit vollzogen
werden. Auch ein Tarifwechsel ist möglich, sodass die Abkopplung der
Arbeitsvertragsordnung von den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes auf das
Arbeitsverhältnis durchschlägt.
Inhaltliche Einschränkungen lassen sich nicht – wie die Klägerseite meint – aus
Satz 2 der Bezugnahmeklausel herleiten. Die Regelung gibt insoweit nur Auskunft
darüber, welche Bestimmungen im Zeitpunkt des Abschlusses des
Arbeitsvertrages maßgebend waren und seinerzeit Geltung beansprucht haben.
Dies folgt zwanglos aus dem Zusammenspiel von Satz 1 und Satz 2 der Regelung.
Satz 1 enthält den Geltungsbefehl und verweist diesbezüglich auf die
kirchenrechtlichen Bestimmungen. Durch sie wird festgelegt, welches
Regelungswerk Geltung beanspruchen kann. Demgegenüber teilt der
beschreibend formulierte Satz 2 nur die seinerzeit geltende Rechtslage mit.
Soweit die Klägerseite meint, der Zweck der Regelung bestehe darin, den
kirchlichen Arbeitnehmern die Teilhabe an den Errungenschaften der Tarifverträge
des öffentlichen Dienstes zu sichern, vermag sich dem die Kammer nicht
anzuschließen. Die Auffassung fußt auf einer isolierten Betrachtung des Satzes 2
und lässt den Regelungszusammenhang mit Satz 1 des § 2 des Arbeitsvertrages
außer Acht. Er zeigt, dass nach Sinn und Zweck der Bezugnahmeklausel die
Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Regelungen des kirchlich-diakonischen
Dienstes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sichergestellt werden soll.
bb) Damit ist die bislang geltende und ihrem materiellen Gehalt nach dem BAT
entsprechende Arbeitsvertragsordnung durch die Neufassung abgelöst, das heißt
aufgehoben worden. Eine Nachwirkung vergleichbar dem § 4 Abs. 5 TVG ist im
Streitfall nicht vorgesehen. Die Neufassung der Arbeitsvertragsordnung hat ab
dem 01. Oktober 2005 ihre Vorgängerregelung aufgehoben. Bei ihr handelt es sich
seit dem nicht mehr um "geltende Bestimmungen des Dienstvertragsrechts" im
Sinne des § 2 des Arbeitsvertrages.
II.
Sowohl die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel selbst, als auch die in Bezug
genommene Arbeitsvertragsordnung vom 20.7.2005 halten einer Kontrolle nach
§§ 305 ff. BGB stand.
1.
Es handelt sich bei § 2 des Arbeitsvertrages um allgemeine Geschäftsbedingungen
im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagtenseite vorformulierten
Bedingungen waren zur mehrfachen Verwendung bestimmt. Das ist zwischen den
Parteien unstreitig.
a) Eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die
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a) Eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die
arbeitsvertragliche Verweisung auf Arbeitsvertragsordnungen des Diakonischen
Werkes sind im kirchlich-diakonischen Bereich üblich und liegen grundsätzlich im
Rahmen dessen, was nach den Umständen in Arbeitsverträgen mit Arbeitgebern
des Diakonischen Werkes erwartet werden muss. Bei den von der
arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Arbeitsvertragsordnungen handelt
es sich ferner um das für den Betrieb fachlich und örtlich einschlägige Regelwerk.
Üblich sind auch dynamische Verweisungen (zu den Kriterien: Däubler, AGB-
Kontrolle im Arbeitsrecht, § 305 c Rn. 22 m.w.N.)
b) Die Bezugnahmeklausel verstößt ferner nicht gegen die Unklarheitsregel des §
305 c Abs. 2 BGB. Diese hat die Funktion, bei objektiv mehrdeutigen Klauseln eine
Auslegungshilfe zu geben und führt zu einer Auslegung zu Lasten des Verwenders.
Unklar ist jede Verweisungsklausel, bei der nach Ausschöpfung der anerkannten
Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel bleiben (vgl. BAG 09. November
2005 – 5 AZR 145/05 – Rn. 25, zitiert nach Juris; BAG 17. Januar 2006 – 9 AZR
417/05 – Rn. 37, zitiert nach Juris). An einem derartigen Mangel leidet die
Bezugnahmeklausel nicht.
c) Die Verweisungsklausel als solche ist einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle
zugänglich. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Bestimmungen in
allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, wenn
durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen
vereinbart werden. Andere Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen,
durch die nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird, sind gemäß § 307 Abs. 3
Satz 2 i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB bei einem Verstoß gegen das
Transparenzgebot unwirksam. Dieser eingeschränkten Kontrolle unterliegen
insbesondere Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten
Vertragsleistungen festlegen (BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 24, zitiert
nach Juris).
Auch wenn danach Entgeltvereinbarungen nicht der Inhaltskontrolle unterliegen,
bedeutet dies nicht, dass jede Klausel, die sich auf die Hauptleistungspflichten
bezieht von einer Inhaltskontrolle freigestellt wäre. So unterliegen einseitige
Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die
Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu
modifizieren, der gerichtlichen Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB (z.B. BAG
11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – Rn. 18, zitiert nach Juris). Dementsprechend
sind Bezugnahmeklauseln kontrollfähig, auch wenn durch sie Auswirkungen auf die
Hauptleistungspflichten herbeigeführt werden können. Dies gilt unabhängig davon,
ob die Verweisungsklausel im Streitfall als Leistungsbestimmungsrecht nach §§
317 ff. BGB zu qualifizieren ist (so BAG 17. April 1996 – 10 AZR 558/95 – NZA
1997, 55 (56); Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 242; a.A. Thüsing, Kirchliches
Arbeitsrecht, Seite 134 ff., Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rn. 48). In
jedem Fall ist die Interessenlage mit der in den § 317 ff. BGB geregelten insofern
vergleichbar, als sich beide Partner des Arbeitsvertrages der Herrschaft über die
Ausfüllung des vertraglich gesetzten Rahmens begeben haben. Dynamische
Verweisungsklauseln laufen faktisch auf die Einräumung eines einseitigen
Bestimmungsrechts desjenigen hinaus, der die Rechtsmacht innehat, das
Verweisungsobjekt zu ändern. Wegen der Wirkungsähnlichkeit dynamischer
Verweisungsklauseln liegt es nahe, sie wie Leistungsbestimmungsrechte einer
Inhaltskontrolle zu unterziehen (vgl. Oetker, JZ 2002, 337 (341)). Unmittelbarer
Regelungsgegenstand ist nicht die Hauptleistung, sondern eine das eigentliche
Hauptleistungsversprechen modifizierende Nebenabrede.
aa) Die Verweisungsklausel stellt eine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften
dar. Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur
Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot
entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, das heißt auch alle
ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die
aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des
jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (vgl. BAG
25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – Rn. 16, zitiert nach Juris). Dazu gehört auch der
allgemeine Grundsatz, das Verträge und die sich aus ihnen ergebenden Pflichten
für jede Seite bindend sind (pacta sunt servanda; vgl. BAG 25. April 2007 – 5 AZR
627/06 – Rn. 17, zitiert nach Juris).
Die dynamische Verweisungsklausel schließt zwangsläufig ein, dass der
Arbeitnehmer nachträgliche für ihn nachteilige Änderungen der
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Arbeitnehmer nachträgliche für ihn nachteilige Änderungen der
kirchlichdiakonischen Arbeitsvertragsordnungen ohne jede Einflussmöglichkeit
automatisch gegen sich gelten lassen muss. Eine solche automatische Änderung
vertraglicher Leistungspflichten oder sonstiger vertraglicher Bestimmungen laufen
dem Grundsatz zuwider, das Verträge zu halten sind und das Vertragsinhalte in
der Regel nur im Einvernehmen der Vertragsparteien verändert werden können,
vgl. § 311 Abs. 1 BGB (dazu auch BGH 08. November 2001 – III ZR 14/01 – Rn. 14,
zitiert nach Juris).
bb) Allerdings findet die Vorschrift des § 308 Nr. 4 BGB auf die vorliegende
Fallgestaltung keine Anwendung. Während von dieser Vorschrift das Recht des
Verwenders erfasst wird, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr
abzuweichen, geht es hier um die Einfügung einer vertraglichen Änderung, die
nicht im alleinigen Belieben des Verwenders steht, sondern auf eine Änderung der
kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsordnung beruht, die der Verwender ebenfalls
hinzunehmen hat (auch BAG 26. Januar 2005 – 4 AZR 509/03 – Rn. 38, zitiert nach
Juris).
cc) Maßgebend ist § 307 BGB. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die
im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Zu
berücksichtigen sind nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche
Besonderheiten des Arbeitslebens, denn es geht um die Beachtung der dem
Arbeitsverhältnis innewohnenden Besonderheiten (vgl. BAG 25.5.2005 – 5 AZR
572/04 – Rn. 21 zitiert nach Juris). Dazu gehört auch das kirchliche Arbeitsrecht
(vgl. BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 17, zitiert nach Juris). Die
Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene
Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB vorliegt, ist auf der Grundlage eine Abwägung der berechtigten Interessen der
Beteiligten zu beantworten. Dabei ist ein genereller, typisierender Maßstab
anzulegen (vgl. BAG 25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – Rn. 19, zitiert nach Juris).
Danach erweist sich die dynamische Bezugnahmeklausel unter Berücksichtigung
der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil nicht als
unangemessene Benachteiligung. Es ist anzuerkennen, dass wegen der
Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der
allgemeinen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ein anerkennenswertes
Interesses der Arbeitgeberseite daran besteht, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses
flexibel auszugestalten. Der Arbeitsvertrag als Dauerschuldverhältnis bedarf
ständiger Anpassung, die auch nicht bei Vertragsschluss vorweggenommen
werden kann. Das Interesse an einer Flexibilisierung kann schon aus praktischen
Gründen nicht durch Individualvereinbarung befriedigt werden. Abgesehen davon
das eine einvernehmliche Anpassung nicht immer gelingen wird, geht es im
kirchlichdiakonischen Dienst um eine große Anzahl an Arbeitsverträgen.
Andererseits besteht aufgrund der Verweisungsklausel die Möglichkeit, den Inhalt
des Arbeitsverhältnisses praktisch vollständig zu ändern, ohne dass Anlass und
Grenzen des Gestaltungsspielraums aufgezeigt werden. Gleichwohl liegt keine
unangemessene Benachteiligung vor, weil das Verweisungsobjekt – die
Arbeitsvertragsordnung – aufgrund ihres Entstehungsprozesses und ihrer Funktion
nicht mit der Gefahr verbunden ist, dass der Verwender mittels der dynamischen
Verweisung seine Interessen einseitig durchsetzen kann (vgl. dazu Oetker, JZ
2002, 337 (342)). Es ist eine zu berücksichtigende kirchenrechtliche Besonderheit,
dass eine Verfahrensabsicherung vor einer parteilichen Nutzung des
Entscheidungsspielraums durch die arbeitsrechtliche Kommission zu Gunsten der
Arbeitgeberseite besteht. Ob aufgrund dessen den Beschlüssen der
arbeitsrechtlichen Kommission auch eine Richtigkeitsvermutung beizumessen ist,
wie sie bei einem Tarifvertrag angenommen wird, ist für die Prüfung der
Verweisungsklausel nicht klärungsbedürftig, weil die konkrete
Arbeitsvertragsordnung ggfs. einer Inhaltskontrolle unterliegt. In jedem Fall wird
durch die einschlägigen Verfahrensregeln die erforderliche Neutralität der
arbeitsrechtlichen Kommission gewährleistet mit der Folge, dass ihren
Entscheidungen jedenfalls eine größere Richtigkeitsgewähr beizumessen ist als
einer Arbeitsvertragspartei. Die arbeitsrechtliche Kommission ist von der
Kirchenleitung unabhängig und paritätisch mit gewählten Repräsentanten der
Arbeitnehmer und der Arbeitgeber besetzt. Die Kommissionsmitglieder
unterliegen keinen Weisungen und haben eine gleichermaßen unabhängige
Stellung wie die Angehörigen der Mitarbeitervertretung der Kirchen (vgl. §§ 6, 10
ARRG). In dieser Ausgestaltung bietet die arbeitsrechtliche Kommission generell
eine Gewähr dafür, dass die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt und diese
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eine Gewähr dafür, dass die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt und diese
nicht unangemessen belastet werden.
dd) Auch aus dem Transparenzgebot lassen sich gegen die Bezugnahmeklausel
keine Einwendungen herleiten. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach §
307 Abs. 1 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur
eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Sinn des
Transparenzgebotes ist es der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von
der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass
der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbestimmungen
seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im
Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vor (BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 27,
zitiert nach Juris). Gemessen daran ist die Verweisungsklausel klar und
verständlich. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus ihrer dynamischen
Ausgestaltung herleiten. Auch dynamische Bezugnahmeklauseln entsprechen
einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies
ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit von Arbeitsverhältnissen. Die im
Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung in Bezug genommenen Regelungen sind
bestimmbar. Das ist ausreichend (vgl. BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn.
29, zitiert nach Juris).
2.
Bei der Arbeitsvertragsordnung vom 20.7.2005 handelt es sich ebenfalls um
allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Die
Arbeitsvertragsordnung enthält für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte
Vertragsbedingungen, welche die dem Diakonischen Werk angeschlossenen
Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern stellen.
Einer Anwendung der §§ 305 ff. BGB steht § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht
entgegen. Eine Inhaltskontrolle von Vertragsbestimmungen nach §§ 305 ff. BGB
unterbleibt nach dieser Vorschrift nur bei Verträgen auf dem Gebiet des Familien-
oder Gesellschaftsrechts sowie bei Tarifverträgen, Betriebs- oder
Dienstvereinbarungen. Der Gesetzgeber hat kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Rechtsqualität
solcher Vertragsbedingungen nicht in den Gesetzestext aufgenommen und damit
zu erkennen gegeben, dass kirchliche Arbeitsvertragsregelungen grundsätzlich
einer Überprüfung anhand der §§ 305 ff. BGB unterliegen sollen (vgl. BAG 17.
November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 16, zitiert nach Juris, in diese Richtung
weisend bereits BAG 08. Juni 2005 – 4 AZR 417/04 – Rn. 69; auch BAG 26. Januar
2005 – 4 AZR 509/03 – Rn. 53, zitiert nach Juris). Durch die Forderung nach der
angemessenen Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß §
310 Abs. 4 Satz 2 BGB hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit eröffnet, dass
verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bei der
Anwendung der §§ 305 ff. BGB zu gewährleisten (BAG 17. November 2005 – 6 AZR
160/05 – Rn. 18, zitiert nach Juris).
Die Arbeitsvertragsordnung ist wirksam in den Vertrag einbezogen. Eine
unzureichende Kenntnisnahmemöglichkeit des Arbeitnehmers steht dem nicht
entgegen. § 305 Abs. 2 BGB findet nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 BGB im
Arbeitsrecht keine Anwendung und eine Analogie schaltet ebenfalls aus (vgl. BAG
14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 21, zitiert nach Juris).
Inwieweit bei dynamischen Bezugnahmeklauseln auch bei jeder Änderung des
Regelwerks zu fragen ist, ob eine unzulässige Überraschung vorliegt, bedarf im
Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Aufgrund der dynamischen
Ausgestaltung der Klausel musste die Klägerseite insbesondere auch mit einer
Neugestaltung der Arbeitsvertragsordnung rechnen, die mit einer Abkopplung von
den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes verbunden ist. Die weitgehende
Orientierung an Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bedeutet, dass im
kirchlich-diakonischen Werk Regelungen übernommen werden, an deren
Aushandlung das Diakonische Werk nicht beteiligt ist und die keine
kirchenspezifischen Regelungen enthalten. Dieser Umstand steht in einem
Spannungsverhältnis zum Konzept des sogenannten Dritten Weges, welcher das
staatliche Tarifvertragssystem für den kirchlichen Bereich als ungeeignet für die
Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter ablehnt (vgl. dazu Richardi,
Arbeitsrecht in der Kirche, § 10 Rn. 30). Infolge dessen ist es nicht überraschend,
wenn dieser Zustand beendet wird und Regelungen zur Geltung gebracht werden,
die auf die Besonderheiten des Dienstes im Diakonischen Werk zugeschnitten
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die auf die Besonderheiten des Dienstes im Diakonischen Werk zugeschnitten
sind.
Ebenfalls offen bleiben kann, ob unter Beachtung der Besonderheiten des
Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) ein nicht hinnehmbarer
Überraschungseffekt möglicherweise vorliegen könnte, wenn eine Modifizierung
der Arbeitsbedingungen eintritt, die zu einer Verringerung der Vergütung um mehr
als ¼ oder eine Verkürzung der Arbeitszeit, die mit einer entsprechenden
Gehaltskürzung einher geht, vorliegt (so Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 1361
(1365); zustimmend Däubler, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, § 305 c Rn. 22). Eine
Reduzierung des Entgelts in diesem Umfang ist mit der Änderung der
Arbeitsvertragsordnung – unstreitig – nicht verbunden.
Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt ebenfalls nicht vor.
Der Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 des § 307 BGB ist für die Prüfung
nicht gemäß § 307 Abs. 3 i. V. m. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB eingeschränkt, da die
Arbeitsvertragsordnung weder einen Tarifvertrag darstellt noch ausdrücklich auf
einen Tarifvertrag Bezug nimmt (BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn.
19).
Die Bestimmungen der Arbeitsvertragsordnung halten unter Beachtung der
Besonderheiten des Arbeitsrechts einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Die
unterschiedliche Entstehung von Arbeitsvertragsordnungen und Tarifverträgen
rechtfertigen es jedenfalls dann nicht, die kirchlichen Arbeitsvertragsordnungen
einer anderen Inhaltskontrolle zu unterziehen als sie bei Tarifverträgen
vorzunehmen wäre, wenn sie einschlägige tarifvertragliche Regelungen ganz oder
mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernehmen. Die materielle
Richtigkeitsgewähr tarifvertraglicher Regelungen beruht nicht primär darauf, dass
den Tarifvertragsparteien das Mittel des Arbeitskampfes zur Verfügung steht,
sondern darauf, dass sie als gleichgewichtig durchsetzungsfähig angesehen
werden (vgl. BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 24, zitiert nach Juris).
Inwieweit kirchliche Arbeitsvertragsordnungen und Tarifverträge hinsichtlich der
Richtigkeitsgewähr auf eine Stufe zu stellen sind, wenn in den
Arbeitsvertragsordnungen tarifvertragliche Regelungen – wie im Streitfall – nicht
übernommen werden, ist bislang noch nicht abschließend geklärt (offen gelassen
auch in BAG 26. Januar 2005 – 4 AZR 509/03 – Rn. 46, zitiert nach Juris, BAG 08.
Juni 2005 – 4 AZR 417/04 – Rn. 57, zitiert nach Juris). Die Frage ist auch im Streitfall
nicht entscheidungserheblich. Bei angemessener Berücksichtigung der durch
Verfahrensregeln gesicherten Neutralität der arbeitsrechtlichen Kommission sind
im Rahmen des § 307 BGB bei der Angemessenheitskontrolle keine strengen
Kontrollmaßstäbe anzulegen, weil ihren Regelungen jedenfalls eine größere
Richtigkeitsgewähr zukommt als den Entscheidungen einer Arbeitsvertragspartei.
Es genügen willkürfreie, sachlich nachvollziehbare Erwägungen, auch wenn wie im
Streitfall aufgrund der Verlängerung der Arbeitszeit ohne entsprechenden
Lohnausgleich das Äquivalenzverhältnis der Hauptleistungspflichten betroffen ist.
Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrages sind allerdings nach den
Wertungen des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig (vgl. BAG 11. Oktober 2006 – 5
AZR 721/05 – Rn. 22). Geht es nur um einen verhältnismäßig kleiner Teil der
Gesamtvergütung bleibt der Kernbereich unangetastet.
Nach diesen Maßstäben bestehen gegen die Arbeitsvertragsordnung keine
Bedenken. Die finanziellen Einsparungen dienen – unstreitig – dem Erhalt der
Arbeitsplätze innerhalb des Diakonischen Werkes. Es gibt keine Anhaltspunkte,
dass dieses Ziel nicht verfolgt wurde. Der Kernbereich des Arbeitsvertrages ist
nicht betroffen, da die Einbußen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen
verhältnismäßig kleinen Teil der Gesamtvergütung ausmachen. Zwischen den
Parteien steht außer Streit, dass die Reduzierung weniger als 20 % der
Gesamtvergütung beträgt. Dies bewegt sich im Rahmen dessen, was
Arbeitnehmer bei einem ausdrücklich vereinbarten Widerrufsvorbehalt bei einer
freiwilligen Leistung hinnehmen müssen (vgl. z.B. BAG 13.5.1987, AP Nr. 4 zu §
305 BGB Billigkeitskontrolle).
Die Bestimmungen der Arbeitsvertragsordnung selbst sind im Sinne von § 307
Abs. 1 Satz 2 BGB klar und verständlich. Dies wird auch von der Klägerseite nicht
in Abrede gestellt.
3.
Für eine Billigkeitskontrolle im Sinne einer allgemeinen, nicht auf die
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Für eine Billigkeitskontrolle im Sinne einer allgemeinen, nicht auf die
Besonderheiten des Falles bezogenen Angemessenheitsprüfung ist neben der
Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB kein Raum. Sie stellen eine abschließende
Konkretisierung von Treu und Glauben hinsichtlich einer allgemeinen, allein den
Inhalt einer Regelung überprüfenden Angemessenheitskontrolle dar (vgl. BAG
25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – Rn. 51 zitiert nach Juris). Entsprechendes gilt, wenn
man die Billigkeitskontrolle auf § 319 BGB stützt.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerseite hat die
Kosten der Berufung zu tragen, weil ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte.
D.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG
zu zulassen, da eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen betroffen ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.