Urteil des LAG Hessen vom 04.10.2010

LAG Frankfurt: handel und gewerbe, sinn und zweck der norm, internationales privatrecht, internationale zuständigkeit, unternehmen, treu und glauben, anwendung des rechts, gerichtsbarkeit, common law

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
16. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 Sa 1982/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 72 Abs 1
NATOTrStatZAbk, Art 30 Abs
2 BGBEG, Art 72 Abs 1b
NATOTrStatZAbk
Internationale Zuständigkeit - Kündigung "at will"
("arbeiten und kündigen nach Belieben") - Anwendung US-
amerikanischen Kündigungsrechts
Orientierungssatz
1.Für Streitigkeiten nicht deutscher Unternehmen wirtschaftlichen Charakters ist nach
Art. 72 Abs. 1b ZA-Natotruppenstatut die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben.
2.Zur Auslegung des Begriffs "Arbeitsschutzrecht" in Art. 72 Abs. 1b ZA-
Natotruppenstatut.
3.Nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB war hier US-amerikanisches Recht anzuwenden, da die
Beklagte eine amerikanische Kreditgenossenschaft mit Sitz in Maryland (USA) ist, die
Finanzleistungen (ausschließlich) für Mitglieder der US-Streitkräfte und deren
Angehörige erbringt, der Kläger amerikanischer Staatsbürger ohne gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland ist und seine Arbeitsleistung auf einem der US-Armee
unterstellten Flugplatz erbrachte und in US-Dollar bezahlt wurde.
4.Zur amerikanischen "at will"-Doktrin
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden
vom 29. September 2009 – 1 Ca 569/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und die
Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens.
Die Beklagte ist eine Kreditgenossenschaft mit Sitz in XXX. Als nicht deutsches
Unternehmen wirtschaftlichen Charakters im Sinne von Artikel 72
Zusatzabkommen Natotruppenstatut bietet sie in fünf Filialen in Deutschland
ausschließlich für US-Militärangehörige Finanzdienstleistungen an. Die Filialen
befinden sich jeweils auf US Militärgelände. Die Beklagte beschäftigt in
Deutschland regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der am XXX geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist
amerikanischer Staatsbürger und seit 17. März 2003 bei der Beklagten zunächst in
H und ab 2008 in W als Bankkaufmann (Branch Manager II) mit einer
Bruttomonatsvergütung von zuletzt 4605,33 US-Dollar beschäftigt.
Im Zusammenhang mit seiner Einstellung übersandte die Beklagte dem Kläger
unter dem 14. Februar 2003 ein Schreiben, wegen dessen Inhalt im einzelnen auf
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unter dem 14. Februar 2003 ein Schreiben, wegen dessen Inhalt im einzelnen auf
Blatt 176 der Akten (Übersetzung Bl. 201 der Akten, insbesondere Rückseite)
Bezug genommen wird. Am unteren Rand des Schreibens befindet sich folgender
Hinweis: Your employment with A is "at will" which means that either you, or A, may
terminate your employment at anytime, with or without cause (Übersetzung: Ihr
Arbeitsverhältnis bei der A ist ein jederzeit fristlos kündbares "at will"-
Arbeitsverhältnis (nach dem amerikanischen Grundsatz "arbeiten und kündigen
nach Belieben", d.h., dass sowohl Sie als auch die A das Arbeitsverhältnis jederzeit
mit oder ohne besonderen Grund beenden können). Mit Schreiben vom 17. März
2003, das auch vom Kläger unterzeichnet wurde, informierte die Beklagte den
Kläger über Einschränkungen des Arbeitsverhältnisses; insoweit wird auf Blatt 175
der Akten (Übersetzung Blatt 200 der Akten) verwiesen. Der letzte Satz dieses
Schreibens lautet: The employee, as well as A may end the employment
relationship at will (Übersetzung Bl. 200 d. A.: Sowohl der Beschäftigte als auch die
A können das Arbeitsverhältnis jederzeit fristlos beenden).
Am 26. März 2008 gegen 18:00 Uhr teilten eine Vertreterin der Personalabteilung,
Frau G, und seine direkte Vorgesetzte, Frau C, dem Kläger mit, dass er soeben
seinen letzten Arbeitstag beendet habe und am darauf folgenden Tag nicht mehr
zu erscheinen bräuchte.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 16. April 2009 beim Arbeitsgericht
eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt
im Sinne des § 1 KSchG. Ferner sei das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht
erfüllt. Die Parteien unterlägen der deutschen Gerichtsbarkeit. Auf das
Arbeitsverhältnis sei deutsches Arbeitsrecht anzuwenden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26. März
2009 nicht aufgelöst worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auf seinem alten Arbeitsplatz zu
unveränderten Arbeitsbedingungen als Branch Manager II bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, als nicht deutsches Unternehmen
wirtschaftlichen Charakters im Sinne des Artikel 72 Zusatzabkommen
Natotruppenstatut unterliege sie nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Auf das
Arbeitsverhältnis finde US-amerikanisches Recht des Staates XX Anwendung. Die
Parteien hätten eine Beschäftigung "at will" vereinbart, so dass die mündlich
ausgesprochene Kündigung wirksam sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts unterlägen nichtdeutsche Unternehmen wirtschaftlichen
Charakters im Sinne des Artikels 72 Zusatzabkommen Natotruppenstatut der
deutschen Gerichtsbarkeit. Nach dem hier anwendbaren deutschen Arbeitsrecht
sei die Kündigung nach § 623 BGB unwirksam, weil sie nicht schriftlich erfolgt ist.
Deshalb sei die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.
Dieses Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 6. November 2009 zugestellt. Er
hat hiergegen mit einem am 7. Dezember 2009 (Montag) eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis 8. Februar 2010 mit einem am 8. Februar 2010
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte der
deutschen Gerichtsbarkeit unterliege. Die vom Arbeitsgericht herangezogene
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts beziehe sich auf die Anwendung des
Betriebsverfassungsrechts und sei daher hier nicht einschlägig. Jedenfalls sei der
Fall nicht nach deutschem, sondern nach US-amerikanischem Recht zu beurteilen.
Die Parteien hätten ausdrücklich eine Beschäftigung auf der Basis "at will" und
damit nach dem Recht des Staates XX vereinbart. Unabhängig hiervon ergebe sich
aus den objektiven Anknüpfungspunkten die Anwendung von US-amerikanischem
Recht. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte ausschließlich amerikanische
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Recht. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte ausschließlich amerikanische
Staatsangehörige und zwar solche, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht in
der Bundesrepublik Deutschland haben auf Militärplätzen der US-Streitkräfte
ausschließlich im Interesse der Bedürfnisse der Truppe beschäftige. Maßgeblich sei
weiterhin, dass der Kläger amerikanischer Staatsbürger sei, die Vertragssprache
amerikanisch sei und die Auszahlung der Vergütung in US-Dollar erfolgte. Die
Kündigung des Klägers sei nicht grundlos erfolgt, sondern weil dieser trotz einer
Vielzahl von Ermahnungen und Abmahnungen es fortgesetzt habe, seine
arbeitsvertraglichen Pflichten zu verletzen. Die Gründe für die Kündigung seien von
der Personalabteilung in den Vereinigten Staaten geprüft worden. Es sei erwogen
worden, den Kläger ergänzend zu schulen. Angesichts der vorangegangenen
Abmahnungen und der Tatsache, dass entscheidend für die Entlassung ein schwer
wiegender Vertrauensbruch des Klägers gewesen sei, sei hiervon abgesehen
worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. September 2009 -1 Ca
569/09- abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Das
Arbeitsgericht habe richtig erkannt, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterliege. Auf
das Arbeitsverhältnis finde deutsches Recht Anwendung. Die Parteien hätten keine
Rechtswahl getroffen. Aus Artikel 72 Abs. 1b Zusatzabkommen Natotruppenstatut
ergebe sich die Anwendung deutschen Arbeitsrechts. Danach würden
nichtdeutsche Unternehmen wirtschaftlichen Charakters zwar von den deutschen
Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerbe, nicht aber von den
Vorschriften des Arbeitsschutzrechts befreit. Zum Arbeitsschutzrecht gehörten
auch die Regelungen des § 1 KSchG und § 623 BGB. Die Anwendung von Artikel 30
EGBGB führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger verrichtete seine Arbeit
gewöhnlich in der Bundesrepublik Deutschland. Das Recht des Recht des Staates
XX sei dem Kläger nicht bekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist statthaft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2b
Arbeitsgerichtsgesetz. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung ist begründet.
1. Die Parteien unterliegen der deutschen Gerichtsbarkeit.
a) Die Parteien sind nicht als Exterritoriale nach § 18 bis § 20 GVG von der
deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, weil sie nicht Mitglieder diplomatischer
Missionen oder konsularischer Vertretungen oder sonstige Repräsentanten
anderer Staaten sind.
b) Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, gewährt auch das
Natotruppenstatut der Beklagten keine Exterritorialität. Bei der Beklagten handelt
es sich um ein nicht deutsches Unternehmen wirtschaftlichen Charakters im Sinne
von Artikel 72 Abs. 1 Zusatzabkommen Natotruppenstatut. Wie das
Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 19. Juni 1984 (1 ABR 65/82, BAGE
46, 107, Randnummer 62ff), wodurch die entgegenstehende Rechtsprechung des
Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (4. Mai 1983-5 AZR 613/80) überholt
ist, im einzelnen ausgeführt hat, ist die deutsche Gerichtsbarkeit lediglich für
nichtdeutsche Organisationen nicht wirtschaftlichen Charakters im Sinne von
Artikel 71 Abs. 2 Zusatzabkommen Natotruppenstatut nicht gegeben, während
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Artikel 71 Abs. 2 Zusatzabkommen Natotruppenstatut nicht gegeben, während
dies für die nicht deutschen Unternehmen wirtschaftlichen Charakters im Sinne
von Artikel 72 Abs. 1 Zusatzabkommen Natotruppenstatut der Fall ist. Dies ergibt
sich daraus, dass die nicht deutschen Unternehmen wirtschaftlichen Charakters
nach Artikel 72 Zusatzabkommen Natotruppenstatut eine weitaus beschränktere
Sonderstellung haben, als die nicht wirtschaftlichen Organisationen, die als
Bestandteile der Truppe angesehen und behandelt werden. Dem gegenüber
genießen die nicht deutschen Unternehmen wirtschaftlichen Charakters nach
Artikel 72 Abs. 1 Zusatzabkommen Natotruppenstatut nur eine Befreiung von
Zöllen, Steuern, Einfuhr- und Wiederausfuhrbeschränkungen und von der
Devisenkontrolle in dem Umfang, der zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist.
2. Die Kündigung der Beklagten vom 26. März 2009 ist nicht nach deutschem
Recht, sondern nach US-amerikanischem Recht, dem des Staates XX, zu
beurteilen.
a) Die Anwendung deutschen Arbeitsrechts, insbesondere § 1
Kündigungsschutzgesetz und des § 623 BGB, ergibt sich nicht aus Artikel 72 Abs. 1
b Zusatzabkommen Natotruppenstatut. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift.
Danach sind die nicht deutschen Unternehmen wirtschaftlichen Charakters von
den deutschen Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerbe, außer
den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts, befreit.
Das Zusatzabkommen des Natotruppenstatuts ist ein völkerrechtlicher Vertrag.
Bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge ist vorrangig auf den subjektiven
Willen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen, in
dessen Rahmen sich der Effektivitätsgrundsatz entfaltet. Hierbei ist auch im
Völkerrecht der Wortlaut einer Norm Ausgangspunkt der Auslegung. Dieser wird
nach dem Ziel der Norm, dem Zusammenhang der Norm im gesamten
Vertragswerk und ihrem Sinn und Zweck interpretiert. Ergänzend kann eine
historische und rechtsvergleichende Auslegung vorgenommen werden.
Hieraus folgt, dass die Vertragsstaaten des Zusatzabkommens des
Natotruppenstatuts den in Artikel 72 Abs. 1b verwendeten Begriff des
Arbeitsschutzrechts in dem Sinne verstanden wissen wollen, dass damit die
Vorschriften über die Sicherheit am Arbeitsplatz gemeint sind. Bereits der Wortlaut
(Arbeitsschutzrecht) spricht dafür, diesen Begriff nicht im Sinne eines allgemeinen
Arbeitnehmerschutzes, sondern entsprechend seiner Bedeutung als Fachbegriff,
wie er vom Gesetzgeber verwandt und im Arbeitsleben angewendet wird, zu
verstehen. Danach gehört zum Arbeitsschutzrecht der technische Arbeitsschutz,
der den Arbeitnehmer vor Gefahren der Betriebsanlagen und Produktionsweisen
sichern will, der medizinische Arbeitsschutz, durch den eine gesunde
Arbeitsumgebung erreicht werden soll und der soziale Arbeitsschutz, mit dem
Arbeitszeitrecht und dem Schutzrecht für besondere Arbeitnehmergruppen -
Frauen und Jugendliche- (Schaub-Vogelsang, ArbR-Hdb, 13. Aufl., § 152
Randnummer 2; Münchener Handbuch zum ArbR-Kothe, 3. Aufl., § 290
Randnummern 1 bis 3). Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck der Regelung. Die
nicht deutschen Unternehmen wirtschaftlichen Charakters sollen nach der
Vorschrift zwar von den deutschen Vorschriften über die Ausübung von Handel und
Gewerbe befreit werden, ein unerlässlicher Mindestschutz in Bezug auf Gefahren
am Arbeitsplatz soll jedoch unverzichtbar sein. Dem gegenüber stünde eine
Auslegung des Begriffs Arbeitsschutzrecht in dem Sinne, dass alle
arbeitnehmerschützenden Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts Anwendung
finden, mit der im ersten Halbsatz angeordneten Befreiung von den deutschen
Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerbe in Widerspruch, denn
diese betreffen auch die Ausübung von Handel und Gewerbe. Im Übrigen wäre es
sachfremd, für nichtdeutsche Unternehmen wirtschaftlichen Charakters, die
regelmäßig keine deutschen Arbeitnehmer beschäftigen, die Anwendung der
deutschen Arbeitnehmerschutzvorschriften (insbesondere § 1
Kündigungsschutzgesetz, § 623 BGB) vorzuschreiben. Vielmehr geht es nach dem
Sinn und Zweck der Norm um die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften als
Bestandteil des öffentlichen Rechts zur Wahrung der Gesundheit und Sicherheit
der Beschäftigten. Hierfür spricht auch die historische Entwicklung und die
Systematik der Norm. In der ursprünglichen Fassung des Artikels 72 Abs. 1b
Zusatzabkommen Natotruppenstatut war der zweite Halbsatz ("außer den
Vorschriften des Arbeitsschutzrechts") nicht enthalten. Lediglich in Bezug auf die
nichtdeutschen Organisationen nicht wirtschaftlichen Charakters war in Artikel 71
Abs. 3 S. 2 Zusatzabkommen Natotruppenstatut vorgesehen, dass die
Vorschriften, die sich auf Sicherheitsmaßnahmen beziehen, vorbehaltlich Artikel 53
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Vorschriften, die sich auf Sicherheitsmaßnahmen beziehen, vorbehaltlich Artikel 53
anzuwenden sind. Diese Regelung lautet nunmehr: „Die arbeitsschutzrechtlichen
Vorschriften sind jedoch vorbehaltlich des auf diesen Artikel Bezug nehmenden
Abschnitts des Unterzeichnungsprotokolls anzuwenden." Der Begriff
"Sicherheitsmaßnahmen" wurde also ersetzt durch "arbeitsschutzrechtliche
Vorschriften". Dies belegt, dass damit die Vorschriften, die dem
Gesundheitsschutz der Beschäftigten dienen (und damit auch ihrer Sicherheit,
etwa vor Arbeitsunfällen) und nicht etwa das deutsche Arbeitnehmerschutzrecht
als Gesamtheit der die Arbeitnehmer schützenden Vorschriften angewendet
werden müssen. Wenn in Artikel 72 Abs. 1b zweiter Halbsatz Zusatzabkommen
Natotruppenstatut derselbe Begriff (Arbeitsschutzrecht) wie in Artikel 71 Abs. 3 S.
2 Zusatzabkommen Natotruppenstatut verwandt wird, ist er auch in gleicher Weise
auszulegen.
b) Nach internationalem Privatrecht ist im vorliegenden Fall nicht deutsches,
sondern US-amerikanisches Recht anzuwenden. Dies ergibt sich aus Artikel 30
Abs. 2 EGBGB. Zwar sind die Artikel 27, 30 und 34 EGBGB mit dem Inkrafttreten
der Rom-I-VO zum 7. Dezember 2009 außer Kraft getreten; sie gelten aber
weiterhin für Arbeitsverträge, die vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden
(H/W/K, Arbeitsrecht Kommentar, 4. Aufl., Art. 3, 8, 9 Rom-I-VO Rn. 1). Dies trifft
auf den Arbeitsvertrag der Parteien zu.
Selbst wenn die Arbeitsvertragsparteien keine Rechtswahl getroffen haben,
unterliegt der Arbeitsvertrag US-amerikanischem Recht des Staates XX, weil sich
aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das
Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat (als der
Bundesrepublik Deutschland) aufweist. Als Umstände, die nach dieser
Ausnahmeklausel die Anwendung des Rechts eines anderen Staates zur Folge
haben können, kommen insbesondere die Staatsangehörigkeit der Parteien, der
Sitz des Arbeitgebers, die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung
gezahlt wird, der Ort des Vertragsschlusses und der Wohnsitz in Betracht
(Bundesarbeitsgericht 24. August 1989-2 AZR 3/89, AP Nr. 30 Internationales
Privatrecht-ArbR, Leitsatz 2). Die Beklagte ist eine amerikanische
Kreditgenossenschaft mit Sitz in XX, USA. Der Kläger ist amerikanischer
Staatsbürger. Er erbrachte seine Arbeitsleistung auf einem der US-Armee
unterstellten Flugplatz in W. Die Aufgabe der Beklagten besteht darin,
Finanzdienstleistungen für Mitglieder der Streitkräfte und deren Angehörige zu
erbringen. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Finanzmarkt, insbesondere
gegenüber Kunden deutscher Staatsangehörigkeit, erfolgt nicht. Die
Vertragssprache war amerikanisch. Die Vergütung des Klägers wurde in US-Dollar
gezahlt. Der Kläger wohnt zwar derzeit in W, hat aber seinen gewöhnlichen
Aufenthalt nicht in Deutschland.
3. Die Kündigung der Beklagten vom 26. März 2009 ist nicht unwirksam.
a) Die Beklagte hat den Kläger bei seiner Einstellung mit Schreiben vom 14.
Februar 2003 (Anlage B 6, Blatt 176 der Akten, Übersetzung Blatt 201 der Akten
insbesondere Rückseite) darauf hingewiesen, dass sein Arbeitsverhältnis bei der
Beklagten ein jederzeit fristlos kündbares "at will"-Arbeitsverhältnis (nach dem
amerikanischen Grundsatz "Arbeiten und Kündigen nach Belieben") ist, woraus
folgt, dass sowohl er als auch die Beklagte das Arbeitsverhältnis jederzeit mit oder
ohne besonderen Grund beenden können. Ferner haben sich die Parteien
übereinstimmend am 17. März 2003 schriftlich bestätigt, dass es sich um eine "at
will" Vertragsbeziehung handelt (Blatt 175, 200 der Akten). Zwar befasst sich diese
Erklärung im zweiten Absatz nur mit den Einschränkungen des
Arbeitsverhältnisses aufgrund der vorzunehmenden Hintergrundüberprüfung. Der
letzte Absatz dieses Schreibens enthält jedoch weitere Einschränkungen, nämlich
dass diese Erklärung kein Arbeitsvertrag ist und nicht als solcher ausgelegt werden
darf und dass das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten jederzeit fristlos (at will)
beendet werden kann. Diese Einschränkungen sollen daher unabhängig von der
Hintergrundüberprüfung generell für das Arbeitsverhältnis gelten. Auch aus dem
Einleitungssatz des Schreibens vom 17. März 2003 ergibt sich durch die
Verwendung des Plurals ("limitations"), dass die Hintergrundüberprüfung nur eine
der für das Arbeitsverhältnis geltenden Einschränkungen ist. Auf der Grundlage
dieser Schreiben nahm der Kläger seine Tätigkeit in einem unbefristeten
Arbeitsverhältnis bei der Beklagten auf.
b) Im amerikanischen Kündigungsrecht gilt die aus dem Common-Law entwickelte
"at will"-Doktrin. Danach kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis von jeder Partei
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"at will"-Doktrin. Danach kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis von jeder Partei
jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden
(Jander/Lorenz, Kündigungsschutz im amerikanischen ArbR, RdA 1990, 97, 98;
Kittner/Kohler, Kündigungsschutz in Deutschland und in den USA, BB 2000, Beilage
4, Seite 1, 4). Zwar ist die "at will"-Doktrin in verschiedener Hinsicht eingeschränkt,
etwa durch das Verbot einer der Kündigung entgegenstehenden public-policy,
public-policy-exeption oder durch den Schutz von whistleblowers durch
whistleblowers-statues. Darum geht es hier jedoch nicht.
Ferner kann die "at-will"-Doktrin nach der Rechtsprechung US-amerikanischer
Gerichte eingeschränkt sein, wenn die Kündigung gegen eine (stillschweigende)
Verpflichtung zu Treu und Glauben verstößt. Der Kläger trägt keine Tatsachen vor,
die darauf schließen ließen, es handele sich um eine arglistige, bösgläubige oder
willkürliche Kündigung. Zudem hat die Beklagte in der Berufungsbegründung
ausgeführt, dass die Kündigung des Klägers erfolgte, weil dieser trotz einer Vielzahl
von Ermahnungen und Abmahnungen es fortgesetzt hat, seine
arbeitsvertraglichen Pflichten zu verletzen. Die Gründe für die Kündigung seien
über die Personalabteilung in den USA geprüft und validiert worden. Es sei auch
geprüft worden, ob der Kläger ergänzend zu schulen sei, wovon jedoch im Hinblick
auf die vorangegangenen Abmahnungen und einen schwerwiegenden
Vertrauensbruch des Klägers Abstand genommen worden sei.
Schließlich wird die "at will"-Doktrin eingeschränkt durch Diskriminierungsverbote in
Bezug auf Rasse, Hautfarbe, ethnische Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter,
Behinderung, sexuelle Orientierung oder genetische Merkmale. Auch hierauf beruft
sich der Kläger nicht.
4. Der Anwendbarkeit US-amerikanischen Kündigungsrechts steht der ordre public
nicht entgegen. Nach Artikel 6 EGBGB ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates
nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit
wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist,
insbesondere wenn die Anwendung gegen Grundrechte verstößt. Dies ist hier
deshalb nicht der Fall, weil auch bei Anwendung US-amerikanischen Rechts dem
Arbeitnehmer in einem "at will" kündbaren Arbeitsverhältnis nicht jeder
Kündigungsschutz versagt ist. Wie oben ausgeführt bestehen erhebliche
Einschränkungen der "at will"-Doktrin, die sicher stellen dass Arbeitnehmer nicht
entgegen einer public policy etc., arglistig, treuwidrig oder in diskriminierender
Weise gekündigt werden.
5. Schließlich führt auch Artikel 34 EGBGB nicht zur Anwendbarkeit von § 1
Kündigungsschutzgesetzes und § 623 BGB. Bereits mit Urteil vom 24. August
1989 (2 AZR 3/89 -AP Nr. 30 Internationales Privatrecht-ArbR) hat das
Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Bestimmungen des
Kündigungsschutzgesetzes über den allgemeinen Kündigungsschutz (§§ 1-14)
nicht als Eingriffsnormen im Sinne des Artikel 34 EGBGB anzusehen sind. Für § 623
BGB gilt nichts anderes. Diese Vorschriften dienen in erster Linie dem Ausgleich
zwischen Bestandsschutzinteressen des Arbeitnehmers und der Vertragsfreiheit
des Arbeitgebers. Der Gesetzgeber überlässt auch die Durchsetzung des
Schutzes allein dem Arbeitnehmer. Über das Individualinteresse hinausgehende
Interessen werden erst mit den Regelungen über die Massenentlassung sowie den
Kündigungsschutz der Betriebsverfassungsorgane, Schwerbehinderten- und
Mutterschutz betroffen.
III.
Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
IV.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.