Urteil des LAG Hessen vom 07.12.2007

LAG Frankfurt: gesellschaft mit beschränkter haftung, sitz im ausland, allgemeinverbindlicherklärung, gemeinsame einrichtung, eisen, industriebetrieb, montage, hauptbetrieb, begriff, tarifvertrag

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 541/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, § 5 TVG, § 1 Abs 3 S
2 AEntG
Geltungsbereich des VTV - Verschweißen von Rohrleitungen
aus Metall - Einschränkung der
Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV -
Industriebetrieb
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden
vom 11. Januar 2007 - 4 Ca 1490/05 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an
den Kläger 10.614,20 EUR (in Worten: Zehntausendsechshundertvierzehn und
20/100 Euro) zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für
den Zeitraum Mai 2002 bis November 2002 Urlaubskassenbeiträge für die nach
Deutschland entsandten und dort beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer in
unstreitiger Höhe zu zahlen.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen
Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der
tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern, wobei die dazu
erforderlichen Mittel durch entsprechende Beitragszahlungen der baugewerblichen
Arbeitgeber an den Kläger aufzubringen sind.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach portugiesischem
Recht. Sie verfügte zuletzt über ein Stammkapital in Höhe von € 80.000,00. Nach
Angaben der Beklagten beschäftigte sie in ihrem Hauptbetrieb in Portugal
durchschnittlich 47 Arbeitnehmer monatlich. Die Haupttätigkeit der Beklagten
besteht im Verschweißen von Rohrleitungen aus Metall als Bestandteil von
Industrieanlagen, ohne dass Anlagenteile wie Pumpen, Ventile und
Steuerungselemente eingebaut werden. Das gesamte Auftragsvolumen der
Beklagten liegt bei ca. € 2.000.000,00 im Jahr. Sie beschäftigte im Jahr 2002 in der
Bundesrepublik Deutschland monatlich maximal 18 gewerbliche Arbeitnehmer. Die
Beklagte war in Deutschland als Subunternehmerin insbesondere für die Firma E
und die Firma A tätig. Wegen des insoweit abgeschlossenen Werkvertrags vom 17.
Mai 2002 nebst Folgeaufträgen über Rohrmontage- und Rohrleitungsarbeiten
sowie wegen des Rahmenwerkvertrags vom 07. August 2002 nebst
Teilleistungsverträgen über Rohrverlege- und Rohrschweißarbeiten wird auf die
vorgelegten Verträge (Bl. 84 - 109 d. A.) Bezug genommen. Die Arbeitsmittel
wurden der Beklagten von den Auftraggebern gestellt. Die arbeitszeitlich
überwiegende Tätigkeit der von der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland
eingesetzten Arbeitnehmer, welche geprüfte Schweißer waren, bestand darin,
Rohrleitungen als Bestandteile einer Industrieanlage/Raffinerie vor Ort zu
verschweißen.
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Die Beklagte war in den Kalenderjahren 1998 bis 2001 vom
Urlaubskassenverfahren befreit. Mit Schreiben vom 07. Oktober 2003 teilte der
Kläger der Beklagten mit, dass die Befreiung vom Urlaubskassenverfahren
überprüft werde und insoweit weitere Auskünfte erforderlich seien (Bl. 18 d. A.).
Mit der Beklagten am 07. Juli 2005 zugestellter Klageschrift hat der Kläger die von
ihm geltend gemachten Beitragsansprüche eingeklagt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei beitragspflichtig. Er hat
behauptet, die von der Beklagten nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer,
aber auch die im Hauptbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätten arbeitszeitlich
überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten verrichtet und dabei nicht nur
Schweißarbeiten durchgeführt, sondern auch die Rohre an den industriellen
Anlagen montiert. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte sich
nicht auf die Ausnahme gemäß der Einschränkung der
Allgemeinverbindlicherklärung des VTV berufen könne, da sie keinen
Industriebetrieb unterhalten habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 10.614,20 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, sie unterhalte einen Metallbaubetrieb und führe
elektrische Installationen durch. Die Rohrleitungen als Bestandteil von
Industrieanlagen seien von den von ihr beschäftigten Arbeitnehmern ausschließlich
verschweißt, nicht jedoch montiert worden. Das Verschweißen und das Montieren
von Rohren, welche Bestandteile einer industriellen Anlage seien, seien
Tätigkeiten, die dem fachlichen Geltungsbereich der Metall- und Elektroindustrie
unterfielen. Auch bei den Auftraggebern der Beklagten handele es sich um
Metallbetriebe.
Mit Urteil vom 11. Januar 2007 - 4 Ca 1490/05 - hat das Arbeitsgericht Wiesbaden
die Klage abgewiesen. Es hat u. a. ausgeführt, die Beklagte sei nicht
beitragspflichtig, da sie sich zu Recht auf die Einschränkung der
Allgemeinverbindlicherklärung berufen könne. Im Klagezeitraum sei der Betrieb der
Beklagten vom Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages der Metall- und
Elektroindustrie erfasst worden. Die von der Beklagten verrichteten
Schweißarbeiten an Industrieanlagen unterfielen grundsätzlich dem betrieblichen
Geltungsbereich dieses Rahmentarifvertrages, in welchem ausdrücklich von
„Schweißerei“ die Rede sei. Der Betrieb der Beklagten sei auch ein
Industriebetrieb. Allgemein werde der Begriff der Industrie von dem des Handwerks
durch die Betriebsgröße, die Anzahl der Beschäftigten sowie den größeren
Kapitalbedarf in Folge der Anlagenintensität abgegrenzt. Die Industrie sei durch
ihre Produktionsanlagen sowie durch die Produktion für den allgemeinen
Markt gekennzeichnet, während bei einem Handwerksbetrieb die Arbeiten
überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks
ausgeführt und diese Arbeiten für einen bestimmten Kundenkreis und nicht auf
Vorrat getätigt würden. Der Handwerksbetrieb sei in der Regel ein kleinerer, wenig
technisierter Betrieb. Zwar sei das Montieren und Schweißen von
Rohrleitungselementen keine typischerweise als industriell einzuordnende
Tätigkeit, da überwiegend mit der Hand und mit unterstützenden Hilfsmitteln wie
Schweißgeräten etc. gearbeitet werde. Allerdings seien solche Arbeiten
ausdrücklich in der Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen
Metallberufen vom 15. Januar 1987 genannt. Das Kriterium der Arbeiten für den
allgemeinen Markt oder für bestimmte Auftraggeber sei als Abgrenzungskriterium
zwischen Handwerk und Industrie heute ohne Wert. Gleiches gelte für den
Personalbestand, zumal die Beklagte bei entsprechendem Bedarf weitere
Arbeitnehmer hätte einsetzen können. Die Tätigkeit der Beklagten in anderen
Ländern der Europäischen Union, das jährlich abgewickelte Auftragsvolumen und
das eingetragene Stammkapital spreche eher für einen Betrieb größeren
Zuschnitts und damit für einen Industriebetrieb. Im Übrigen ergebe sich aus dem
klaren Wortlaut der Einschränkung der AVE, dass es allein darauf ankomme, ob ein
bestimmter Betrieb unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages der Metall- und
Elektroindustrie falle. Die Tarifparteien seien davon ausgegangen, dass der
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Elektroindustrie falle. Die Tarifparteien seien davon ausgegangen, dass der
Tarifvertrag auch für alle außerbetrieblichen Arbeitsstätten (Montagen) der Eisen-,
Metall- und Elektroindustrie gelten solle. Daraus sei zu schließen, dass der
fachliche Geltungsbereich jeder der bezeichneten Organisationseinheiten und
damit auch reine Montagebetriebe, die selbst nicht produzierten, vom
Geltungsbereich erfasst würden. Der Tarifvertrag spreche Montagestellen sowie
alle Hilfs- und Nebenbetriebe an, auch wenn sie über keine Produktionsstätte
verfügten. Wie in dem vergleichbaren Fall, welcher vom Hessischen LAG mit Urteil
vom 17. Mai 2004 - 16/10 Sa 786/03 - entschieden worden sei, sei der Betrieb der
Beklagten daher als ein Betrieb einzuordnen, der unter den Geltungsbereich des
Rahmentarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie falle.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 06. März 2007 zugestellt worden. Die Berufung
des Klägers ist am 29. März 2007 und die Berufungsbegründung am Montag, dem
07. Mai 2007 bei Gericht eingegangen.
Der Kläger wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist weiterhin der
Ansicht, die Beklagte sei im Klagezeitraum beitragspflichtig, da sie sich auf die
Einschränkung der AVE nicht berufen könne. Der Kläger behauptet, die Beklagte
habe einen Handwerksbetrieb unterhalten, was sich aus Folgendem ergebe: Von
der Zahl der Arbeitnehmer, dem Auftragsvolumen und dem Kapitaleinsatz her
handle es sich um einen Kleinbetrieb. Es werde weitgehend - von den
transportablen Schweißgeräten abgesehen - ohne Maschineneinsatz
gearbeitet und es sei beim Verschweißen der Rohre handwerkliches Geschick
erforderlich. Die Beklagte erbringe für einzelne Auftraggeber Dienst- bzw.
Werkleistungen. Damit erfülle der Betrieb der Beklagten alle Kriterien, bei deren
Vorliegen auf einen Handwerksbetrieb geschlossen werde. Soweit sich der
fachliche Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Ziff.
3 auch auf Montagestellen, Hilfs- und Nebenbetriebe etc. beziehe, müssten diese
zu Betrieben gehören, die selbst Betriebe der Metall- und Elektroindustrie seien.
Das ergebe sich aus den Worten „vorgenannter Fachzweige und Betriebe“ unter
Ziff. 3 Satz 1 der tariflichen Geltungsbereichsregelung und aus Ziff. 3 Satz 2, wo
auf „alle außerbetrieblichen Arbeitsstellen (Montagen) der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie ...“ verwiesen werde. Auch dem Einleitungssatz sei zu entnehmen,
dass die Tarifverträge ausschließlich Betriebe der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie, nicht jedoch Handwerksbetriebe erfassen sollten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11.01.2007 - 4 Ca 1490/05 -
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 10.614,20 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, sie sei nicht
beitragspflichtig, da sie keinen Handwerks-, sondern einen Industriebetrieb
unterhalten habe, was sich aus Folgendem ergebe: Neben den 47 Arbeitnehmern
im Hauptbetrieb habe sie Arbeitnehmer in ganz Europa beschäftigt und sei auch
in der Lage gewesen, weitere Arbeitnehmer nach Deutschland zu entsenden. Der
Betrieb der Beklagten werde vom fachlichen Geltungsbereich des
Manteltarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie erfasst, da in Ziff. 3 dieses
Tarifvertrages nicht vorausgesetzt werde, dass die Montagestelle sowie die Hilfs-
und Nebenbetriebe selbst Industriebetriebe seien. Im Übrigen arbeiteten die
Arbeitnehmer auch überwiegend nicht handwerklich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift
vom 07. Dezember 2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden
ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Der Kläger hat sie auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg, denn dem Kläger stehen die geltend
gemachten Beitragsansprüche gegen die Beklagte für den Zeitraum Mai 2002 bis
November 2002 in nicht streitiger Höhe zu. Der Anspruch des Klägers beruht auf §
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November 2002 in nicht streitiger Höhe zu. Der Anspruch des Klägers beruht auf §
8 Nr. 15 BRTV-Bau i. V. m. § 18 VTV in der im Klagezeitraum geltenden Fassung.
Diese Tarifbestimmungen sind auf das Rechtsverhältnis der Parteien gemäß § 1
Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AEntG anzuwenden. § 1 Abs. 1 AEntG erstreckt die
Rechtsnormen eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages des Baugewerbes im
Sinn der §§ 1 und 2 Baubetriebeverordnung auf ein Arbeitsverhältnis, das zwischen
einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im räumlichen Geltungsbereich
des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmern besteht. Die Erstreckung setzt
voraus, dass der ausländische Arbeitgeber in seinem Betrieb überwiegend
Bauleistungen im Sinn des § 211 Abs. 1 SGB III erbringt. Gegenüber der
Urlaubskasse ist er dann nach § 1 Abs. 3 AEntG verpflichtet, die tariflich
bestimmten Meldungen abzugeben und die tariflichen Beiträge zu entrichten.
Die Voraussetzungen der Erstreckung sind erfüllt. Die Beklagte hat im
streitbefangenen Zeitraum überwiegend bauliche Leistungen im Sinne der sozial-
und tarifrechtlichen Bestimmungen erbracht.
Gemäß § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind Bauleistungen alle Leistungen, die der
Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von
Bauwerken dienen. Sie werden überwiegend erbracht, wenn die baulichen
Tätigkeiten die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer beanspruchen. In
gleicher Weise erfolgt die Abgrenzung, wenn streitig ist, ob der Betrieb dem
betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge unterliegt (BAG 25.01.2005 - 9
AZR 146/04 - NZA 2006, 171 m. w. N.).
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die im Betrieb der Beklagten
beschäftigten Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungen in
industriellen Anlagen / Raffinerien verschweißt haben. Das gilt sowohl für die bis zu
19 nach Deutschland entsandten Mitarbeiter, wie auch für die nach der
Behauptung der Beklagten durchschnittlich monatlich 47 beschäftigten
gewerblichen Arbeitnehmer im Hauptbetrieb. Auf die Frage, ob die Beklagte in
Deutschlang ggf. auch eine selbständige Betriebsabteilung unterhielt, kommt es
somit nicht an. Soweit die Beklagte erstinstanzlich behauptet hat, sie führe auch
elektrische Installationen aus, hat sie diese Behauptung nicht weiter präzisiert und
in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten.
Das Verschweißen von Rohren in industriellen Anlagen ist Rohrleitungsbau im Sinn
von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 25 VTV. Der Begriff des Rohrleitungsbaus erfasst
das Verlegen bzw. Montieren von Metallrohren (BAG 22.09.1993 - 10 AZR 538/91 -
NZA 1994, 562; Hess. LAG 17.05. 2004 - 16/10 Sa 786/03 - n.v./juris). Dabei
macht es keinen Unterschied, ob die Rohre durch Verschweißen oder mittels
sonstiger Montage in der industriellen Anlage verlegt werden. Es ist deshalb
irrelevant, wenn die Beklagte zwar nicht das Verschweißen, wohl aber die Montage
von Rohrleitungen bestreitet. Aus den von der Beklagten vorgelegten
Werkverträgen ergibt sich im Übrigen, dass die der Beklagten
übertragenen Rohrverlegearbeiten und damit die Montage der Rohre durch
Verschweißen erfolgt. Das Bestreiten der Beklagten, Montagearbeiten
durchgeführt zu haben, kann sich mithin nicht auf die Rohrverlegearbeiten
beziehen, sondern nur so verstanden werden, dass die Beklagte keine weiteren
Anlageteile wie Pumpen, Ventile und Steuerungselement montiert hat, was
allerdings vom Kläger auch nicht behauptet wird.
Das Verlegen von Rohren in Industrieanlagen/ Raffinerien wird jedenfalls auch von §
1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erfasst. Danach fallen u.a. solche Betriebe unter den
betrieblichen Geltungsbereich, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen
Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung
gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung,
Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken dienen. Industrieanlagen
bzw. Raffinerien sind Bauwerke, denn es handelt sich dabei um aus Baustoffen
oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen, die mit dem Erdboden
verbunden sind oder in Folge ihrer eigenen Schwere auf dem Erdboden ruhen
(BAG 25.04.2007 - 10 AZR 246/06 - NZA-RR 2007, 528). Das Verschweißen der
Rohre in der Anlage dient der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder
Änderung dieser Bauwerke.
Der Betrieb der Beklagten unterfiel im Klagezeitraum dem für allgemeinverbindlich
erklärten Geltungsbereich der Bautarifverträge.
Die Allgemeinverbindlicherklärung gemäß der Bekanntmachung über die
Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen für das Baugewerbe vom 17.
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Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen für das Baugewerbe vom 17.
Januar 2000 erstreckt sich gemäß 1. Teil I Ziff. 1 u. a. nicht auf Betriebe und
selbstständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern im In- oder Ausland, die
unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 01.
Juli 1999 geltenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen. Dabei gilt,
dass hinsichtlich etwaiger Einschränkungen der Voraussetzungen der
Allgemeinverbindlicherklärung die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist
(BAG 21.02.2005 - 10 AZR 382/04 - AP Nr. 270 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Der Betrieb der Beklagten fiel nicht unter den fachlichen Geltungsbereich der
Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie.
Der fachliche Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie ist
im Anhang zur AVE-Bekanntmachung, soweit vorliegend von Interesse, wie folgt
umschrieben:
„Für alle Betriebe der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie; darunter fallen - ohne
Rücksicht auf die verarbeiteten Grundstoffe - insbesondere folgende Fachzweige:
1. ... Schweißerei ... Stahl- und Leichtmetallbau......
3. Verwaltungen, Niederlassungen, Forschungs- und Entwicklungsbetriebe,…
Montagestellen sowie alle Hilfs- und Nebenbetriebe vorgenannter Fachzweige und
Betriebe, die über keine eigene Produktionsstätte verfügen, jedoch Montagen
ausführen, die dem fachlichen Geltungsbereich entsprechen.
Für alle außerbetrieblichen Arbeitsstellen (Montagen) der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie. ...“
Die von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer erbrachten ihre Tätigkeit nicht
in einem Industriebetrieb.
Wenn die im Anhang zur AVE-Einschränkung bezeichneten Tarifverträge der
Metall- und Elektroindustrie den fachlichen Geltungsbereich im Einleitungs- und im
Schlusssatz mit „Betriebe der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie“ beschreiben,
geben sie damit mangels abweichender Anhaltspunkte zu verstehen, dass sie den
Begriff „Industrie“ in seiner allgemeinen Bedeutung als Komplementärbegriff zum
Handwerk verstanden wissen wollen (vgl. BAG 22.07.1998 AP Nr. 213 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Bau; Hess. LAG 17.05.2004 - 16/10 Sa 786/03 - a.a.O.). Allgemein
wird der Begriff der Industrie vom Begriff des Handwerks durch den Unterschied
der Betriebsgröße, die Anzahl der Beschäftigten, den größeren Kapitalbedarf in
Folge der Anlagenintensität, die Produktionsweise und die Absatzstrukturen
abgegrenzt. Ein Handwerksbetrieb ist danach insbesondere dadurch
gekennzeichnet, dass die Arbeit überwiegend von Hand nach den Methoden des
einschlägigen Handwerks ausgeführt, für einen bestimmten Kundenkreis
(Einzelfertigung) und nicht auf Vorrat verrichtet wird und es sich insgesamt um
einen kleineren, weniger technisierten Betrieb handelt (BAG 11.03.1981 - 4 AZR
1022/78 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Steinmetzgewerbe).
Der Geltungsbereich der Metalltarifverträge erstreckt sich nicht auf
Handwerksbetriebe. Das gilt auch, soweit im Tarifvertrag Schweißereien und der
Stahl- und Leichtmetallbau, Montagestellen und Betriebe, die nur Montagen
ausführen sowie außerbetriebliche Arbeitsstellen (Montagen) genannt sind. Das
Berufungsgericht teilt die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts nicht, dass sich aus
dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie
selbst ergebe, dass Montagestellen oder alle außerbetrieblichen Arbeitsstellen in
denen montiert bzw. geschweißt wird, unabhängig davon dem Geltungsbereich
unterfallen, ob die Montagestelle oder die außerbetriebliche Arbeitsstelle Teil eines
Industriebetriebes ist. Aus der Systematik des Tarifvertrages ergibt sich, dass
ausschließlich die Betriebe der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie unter den
fachlichen Geltungsbereich fallen sollen, wobei lediglich klargestellt wird, dass auch
Verwaltungen, Forschungs- und Entwicklungsbetriebe oder auch sonstige
außerbetriebliche Arbeitsstellen (Montagen) solcher Industriebetriebe vom
persönlichen Geltungsbereich erfasst werden. Auch die im Tarifvertrag genannten
Schweißereien sowie diejenigen Betriebe, die über keine eigene Produktionsstätte
verfügen, jedoch Montagen ausführen, müssen die Merkmale eines
Industriebetriebes aufweisen, wenn sie unter den Geltungsbereich des
Tarifvertrages fallen sollen.
Es kommt mithin vorliegend darauf an, ob die überwiegende Tätigkeit der
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Es kommt mithin vorliegend darauf an, ob die überwiegende Tätigkeit der
Arbeitnehmer der Beklagten im Klagezeitraum eine handwerkliche Tätigkeit war
oder in industriellem Rahmen verrichtet wurde.
Das Schweißen von Rohrleitungselementen im Zusammenhang mit der
Errichtung/Instandhaltung von Industrieanlagen/Raffinerien ist keine als typisch
industriell einzuordnende Tätigkeit.
Allerdings hat das Hessische LAG in seiner Entscheidung vom 17. Mai 2004 (a. a.
O.) zu Recht darauf hingewiesen, dass das Montieren von Rohrleitungselementen
auch in der Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen
Metallberufen vom 15. Januar 1987 (BGBl. 1987 S. 274 f.) genannt ist. § 8 Abs. 2
Nr. 1 lit. c dieser Verordnung nennt nämlich als Gegenstand des
Ausbildungsberufsbildes des Anlagenmechanikers in der Fachrichtung
Apparatetechnik ausdrücklich das Montieren und Demontieren von Bauteilen,
Baugruppen und Apparaten. § 8 Abs. 2 Nr. 2 lit. d der Verordnung in der
Fachrichtung Versorgungstechnik nennt das Montieren und Demontieren von
Bauteilen, Baugruppen und Versorgungsanlagen sowie in lit. g das Instandhalten
von Versorgungsanlagen. Das Hess. LAG schließt daraus, dass die Herstellung von
Rohrleitungselementen aus Metall eine typische Tätigkeit des Stahl- und
Leichtmetallbaus sei, welcher in Ziff. 1 des fachlichen Geltungsbereichs der
Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie genannt ist. Dieser sei dadurch
gekennzeichnet, das Material aus Metall hergestellt werde, welches an Gebäuden
und sonstigen Bauwerken und damit auch an und in Industrieanlagen Verwendung
finde. Ganz in diesem Sinne werde daher auch in wirtschaftssystematischem
Schrifttum die Herstellung von Rohrleitungen dem Wirtschaftszweig der
Metallerzeugung und -verarbeitung zugeordnet. Daraus wird geschlossen, dass
auch das Zusammenfügen von Rohrleitungselementen, also ihre Montage, zu den
in Ziff. 3 genannten Tätigkeiten zähle und das Verlegen bzw. Montieren von Rohren
innerhalb einer industriellen Anlage generell dem Tarifbereich der Metallindustrie
unterfalle.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Montage bzw. das Verschweißen
von Rohrleitungen an industriellen Anlagen auch dem Wirtschaftszweig der
Metallerzeugung und -verarbeitung zugeordnet werden kann. Daraus folgt jedoch
nicht, dass diese Tätigkeit ausschließlich diesem Wirtschaftszweig unterfällt. Seit
1984 ist der Beruf des Rohrleitungsbauers ein anerkannter Beruf der
Bauwirtschaft. Seine Aufgabe ist es, Druckrohrleitungen zu bauen, die Wasser,
Gase, Öl, Fernwärme und andere Medien dorthin leiten, wo Bedarf ist (vgl. Blätter
zur Berufskunde 2. Aufl. 1986 1 - II A 506). Auch im Bereich der Bauwirtschaft
werden mithin Rohrleitungen montiert.
Aus der Zuordnung dieser Tätigkeit zum Wirtschaftszweig der
Metallverarbeitung folgt auch nicht, dass es sich in jedem Fall um eine industrielle
Tätigkeit handeln muss. Vielmehr kommt es insoweit auf die Umstände des
Einzelfalls an.
Der Betrieb der Beklagten weist keine Merkmale eines Industriebetriebes auf. Es
handelt sich bei diesem Betrieb um einen kleineren Betrieb selbst dann noch,
wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass sie neben den in Deutschland
beschäftigten Arbeitnehmern monatlich im Durchschnitt im Kalenderjahr 2002 in
ihrem Hauptbetrieb in Portugal weitere 47 Arbeitnehmer beschäftigte und dass
das Stammkapital zuletzt € 80.000,00 und das Auftragsvolumen im Jahr €
2.000.000,00 betrugen. Entscheidend ist jedoch, dass im Betrieb der Beklagten
nicht der Einsatz von Maschinen bei der Erledigung der Aufträge im Vordergrund
stand, sondern transportable Schweißgeräte zum Einsatz kamen und die Rohre in
der jeweiligen Industrieanlage per Hand verschweißt wurden. Das setzt
handwerkliches Geschick voraus. Die Beklagte produziert auch nicht für einen
anonymen Markt, sondern wird als Subunternehmerin von ihren Auftraggebern
projektbezogen bei bestimmten Kunden eingesetzt. Damit sind die wesentlichen
Kriterien für einen Handwerksbetrieb erfüllt.
Von der Allgemeinverbindlicherklärung sind im Kalenderjahr 2002 allein die
Industrie-, nicht jedoch die Handwerksbetriebe ausgenommen worden. Erst in der
Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken
für das Baugewerbe vom 24. Februar 2006 wurde unter den in 1. Teil III Ziff. 6
genannten Voraussetzungen auch das Metallhandwerk von der
Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommen.
Die Beklagte trägt gemäß § 91 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des
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Die Beklagte trägt gemäß § 91 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des
Rechtsstreits.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.