Urteil des LAG Hessen vom 10.09.2008

LAG Frankfurt: wichtiger grund, karte, dringender tatverdacht, strafbare handlung, arbeitsgericht, missbrauch, abmahnung, coupon, verdachtskündigung, warenhaus

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
6. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TaBV 89/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 626 BGB, § 103 Abs 2
BetrVG
(Außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglied -
Missbrauch von Payback-Punkten - Erforderlichkeit einer
Abmahnung)
Leitsatz
Die Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds
ist zu versagen. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund besteht nicht. Ein Missbrauch
von Payback-Punkten durch den Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses
kann zwar grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Hier ist aber
die Arbeitgeberin der substantiierten Einlassung der Arbeitnehmerin, dass anderen
Arbeitnehmern wegen gleichartiger Pflichtverletzungen nicht gekündigt wurde, nicht
entgegengetreten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar für die Arbeitgeberin ist.
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2007 – 18/11 BV 646/07 – wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die antragstellende Arbeitgeberin begehrt die gerichtliche Ersetzung der
Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Mitglieds des
Betriebsrats ...
Die antragstellende Arbeitgeberin (die Beteiligte zu 1.) führt zahlreiche SB-
Warenhäuser. Ein solches befindet sich in ... Das SB-Warenhaus in ... hat 270
Beschäftigte. Marktleiter ist bzw. war Kurt Dambeck. Der Beteiligte zu 2. ist der im
Betrieb ... gewählte Betriebsrat. Betriebsratsvorsitzender ist Franz Wahl.
Die am 19. Juli 1950 geborene, verheiratete Beteiligte zu 3. ist seit dem 18. Juni
1968 bei der Beteiligte zu 1. mit einem monatlichen Gehalt von € 2.223,00 brutto
bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden als Mitarbeiterin im SB-
Warenhaus in ... beschäftigt. Die Beteiligte zu 3. ist ordentliches
Betriebsratsmitglied.
Die Beteiligte zu 1. beantragte mit Schreiben vom 11. Juni 2007 (vgl. Anlage 2 zur
Antragsschrift vom 15. Juni 2007, Bl. 9 - 14 d.A.) bei dem Beteiligten zu 2. die
Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen/fristlosen, hilfsweise
außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist bis zum 31. Juli
2007 des Arbeitsverhältnisses der Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 2. verweigerte
die Zustimmung mit Schreiben vom 13. Juni 2007 (vgl. Anlage 4 zur Antragsschrift
vom 15. Juni 2007, Bl. 18 - 22 d.A.).
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Die Antragsschrift der Beteiligten zu 1. ist beim Arbeitsgericht eingegangen am
18. Juni 2007. Kündigungsgrund ist der Missbrauch eines Payback-Sondercoupons
über 500 Payback-Punkte (entspricht einem Wert von € 5,00) bzw. der
dahingehenden dringende Tatverdacht. Im Jahr 2007 wurde im Rahmen des
Verkaufs von Konzertkarten für ein Konzert von Herbert Grönemeyer der
Konzertkarte ein Payback-Coupon im Wert von 500 Punkten angehängt. Dieser
Coupon konnte bis zum 31. Juli 2007 bei allen Payback-Partnerunternehmen (auch
der Beteiligten zu 1.) bei einem Einkauf eingelöst werden.
Bei dem Payback-System handelt es sich um ein Kundenbindungsinstrument. Mit
der Payback-Karte erhalten Kunden je nach getätigtem Umsatz Rabattpunkte, die
gegen Warenprämien, Gutscheine oder in Bargeld eingetauscht werden können.
Die Erfassung der Payback-Punkte erfolgt beim Kassieren des Einkaufs an der
Kasse, in dem der Kunde eine Payback-Karte vorlegt, die Daten dieser Payback-
Karte eingescannt werden und über dieses Einscannen die Gutschrift der
Rabattpunkte erfolgt. Zusätzlich zu dieser Form der Gutschrift von Rabattpunkten
gibt es im Rahmen spezieller Kundenbindungs- und Marketingaktivitäten sog.
Payback-Sondercoupons, die eine Multiplikation der normalen Rabattpunkte
vorsehen bzw. höhere Punktsätze als die vorstehend genannten beinhalten.
Solche Sondercoupons werden zum einen den Payback-Karteninhabern im
Rahmen von Mailing-Aktionen zugesandt bzw. werden verbunden mit dem Kauf
bestimmter Artikel bzw. Dienstleistungen den Kunden überlassen. Sämtliche
Coupons im Zusammenhang mit dem Paypack-System sind jeweils nur einmalig
verwendbar.
Der der Konzertkarte für ein Konzert von Herbert Grönemeyer beigefügte Payback-
Sondercoupon, der ebenfalls grundsätzlich nur einmal verwendbar sein sollte,
enthielt allerdings - anders als bei manch anderem Payback-Sondercoupon -
selbst nicht den Hinweis auf diese Verwendbarkeit. Auf dem Sondercoupon
aufgedruckt war lediglich der Hinweis auf den Gültigkeitszeitraum. Die
Mehrfacheinlösung des Sondercoupons war auch technisch nicht ausgeschlossen.
Die Übertragung der Payback-Sondercoupons war grundsätzlich erlaubt. Die
Betreiberin des Rabattsystems, die Payback-Loyality-GmbH, hatte die Möglichkeit
zur Einlösung von Coupons aus der Grönemeyer-Aktion allerdings pro Payback-
Karte auf 6 mal begrenzt.
Mitarbeiter der Revisionsabteilung stellten in der Folge fest, dass eine Reihe von
Arbeitnehmerinnen des Marktes ... der Beteiligten zu 1. auf ihrer Payback-Karte
bzw. der Payback-Karte von Familienangehörigen eine Gutschrift von 500 Payback-
Punkten aus dem Sondercoupon der Grönemeyer Konzertkarte von zwischen 3 bis
50 mal aufwiesen.
Die Beteiligte zu 3. soll 11 Gutschriften von je 500 Payback-Punkten über ihre
Payback-Karte in der Zeit vom 21. März bis 16. Mai 2007 aus dem Sondercoupon
des Herbert Grönemeyer Konzerts erwirkt haben.
Der Marktleiter soll hiervon am 30. Mai 2007 Kenntnis erlangt haben.
Die Beteiligte zu 3. lässt sich hierzu - wie schon in ihrer Anhörung vom 30. Mai
2007 - wie folgt ein:
Sie sei davon ausgegangen, dass der Sondercoupon mehrfach habe eingelöst
werden können. Sie habe einen Sondercoupon eingesetzt, den sie von der
Sekretärin des Betriebsrats bzw. einer Kassiererin erhalten habe. Sie habe den
Sondercoupon mit dem Hinweis auf das Gültigkeitsdatum von der jeweiligen
Kassiererin herausverlangt, da sie - wie bereits ausgeführt - von der Möglichkeit
der Mehrfacheinlösung des Mehrfachcoupons ausgegangen sei.
Die Arbeitnehmerinnen verweisen darauf, dass entgegen der von der Beteiligten
zu 1. vorgelegten Organisationsanweisung vom 01. November 2006, die den
Kassiererinnen durch die Teamleiterin Kasse ... ... im November 2006 zur Kenntnis
gebracht worden sein soll, eine allgemeine Verunsicherung im Umgang mit den
Sondercoupons des Herbert Grönemeyer Konzerts bestanden habe. So habe die
genannte Teamleiterin Kasse ... ... auf Anfrage erklärt, dass die Coupons an
Kunden zurückzugeben seien, wenn diese es - mit Hinweis auf die Gültigkeitsdauer
- so verlangen. In gleicher Weise habe sich der Marktleiter selbst geäußert.
Die Organisationsanweisung vom 01. November 2006 lautet dabei wie folgt:
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„Sehr geehrte Damen und Herren,
für die kommende Deutschland-Tournee wird Payback eine Werbekooperation mit
dem Musiker Herbert Grönemeyer eingehen.
Hierbei können Kunden einen Coupon von 500 Payback-Punkten u.a. bei Real
einlösen.
Die Abwicklung/Annahme der Coupons erfolgt wie gewohnt.
Hinweis: Aufgrund der hohen Wertigkeit ist darauf zu achten, dass die
angenommenen Coupons sofort bei Annahme vom Mitarbeiter Kasse durch
„Zerreißen“ entwertet werden.“
Die Arbeitnehmerinnen verweisen weiter auch darauf, dass die Arbeitgeberin in
anderen Fällen (namentlich genannt werden 11 Arbeitnehmer u.a. die Teamleiterin
Kasse ... ... und die stellvertretende Marktleiterin M. J.) trotz ebenfalls festgestellter
mehrmaliger Einlösung des Sondercoupons über 500 Payback-Punkte kein
Kündigungsverfahren durchgeführt habe.
Die Beteiligte zu 3. verweist im Übrigen darauf, dass sie als freigestelltes
Betriebsratsmitglied die behauptete Information über die Organisationsanweisung
vom 01. November 2006, gerichtet an die Kassiererinnen, ohnehin nicht erhalten
habe.
Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, dass sich die Arbeitnehmerin durch die
Mehrfacheinlösung des Sondercoupons einen rechtswidrigen Vorteil zu ihren
Lasten erschlichen habe bzw. erschleichen wollte, sodass die Kündigung auch als
Verdachtskündigung gerechtfertigt sei.
Die Beteiligte zu 3. ist der Ansicht, dass u.a. auf jeden Fall ein wichtiger Grund für
eine außerordentliche Tatkündigung, aber auch für eine außerordentliche
Verdachtskündigung nicht vorliege.
Die Beteiligte zu 1. beantragt,
die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen, fristlosen
Kündigung von ... zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2007 den Antrag der
Arbeitgeberin zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat angenommen, ein wichtiger Grund für eine Tat- wie auch für
eine Verdachtskündigung bestehe nicht, da nicht ausgeschlossen sei, dass die
Beteiligte zu 3. mehrfach von dritter Seite in den Besitz eines Sondercoupons
gekommen sei und diesen - weil übertragbar - jeweils berechtigterweise zum
Erreichen der Gutschrift eingesetzt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der
Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug
genommen.
Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 1. Beschwerde innerhalb der zur
Sitzungsniederschrift der öffentlichen Sitzung vom 10. September 2008
festgestellten und dort ersichtlichen Fristen eingelegt.
Die Beteiligte zu 1. verfolgt ihren Antrag weiter.
Die Beteiligte zu 1. ist der Ansicht, dass es Sache der Beteiligten zu 3. sei,
darzulegen, wie sie rechtmäßig in den Besitz der zahlreichen Payback-
Sondercoupons gelangt sein will. Sie rügt weiter, dass das Arbeitsgericht verkannt
habe, dass die Beteiligte zu 3. teilweise eingeräumt habe Sondercoupons
mehrfach eingesetzt zu haben.
Die Beteiligte zu 1. beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom
18. Dezember 2007 - 18/11 BV 646/07 - die Zustimmung des Antragsgegners zur
außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses von ... ... zu
ersetzen.
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Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt
der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt
verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beteiligten zu 1. ist im Ausgangspunkt
zuzustimmen. Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann
rechtmäßig sein, wenn der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung im Betrieb
begeht, die zum Nachteil des Arbeitgebers wirkt. Dabei kann nicht nur eine
erwiesene Straftat, sondern auch ein dringender Tatverdacht auf das Vorliegen
einer solchen Straftat das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
erforderliche Vertrauen unwiederbringlich zerstören, sodass im Einzelfall eine
außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB gerechtfertigt ist. Dabei soll an
dieser Stelle nicht vertieft werden, ob ein arbeitsvertraglicher Bezug eines
ungerechtfertigten Verhaltens der Arbeitnehmerin hier deshalb zu verneinen wäre,
weil sie sich ggf. den Vorteil einer ungerechtfertigten Punktegutschrift auf der
Payback-Karte als Kundin der Partnerunternehmen der Payback-Loyality-GmbH
erschlichen hätte. Auch nicht vertieft werden soll, ob und welchen Schaden die
Beteiligte zu 1. hat, wenn man berücksichtigt - wie teilweise von der
Arbeitnehmerseite vorgetragen -, dass aufgrund des Umstandes, dass die Punkte
nur im Zusammenhang mit einem Einkauf bei der Beteiligten zu 1. eingelöst
wurden, die Beteiligte zu 1. zusätzlichen Umsatz erzielt hat.
Die Kammer ist aber unter zwei Gesichtspunkten zu dem Ergebnis gelangt, dass in
Anwendung des ultima-ratio-Grundsatzes vor Ausspruch einer Kündigung eine
Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Ohne diese erforderliche Abmahnung ist
daher die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB nicht
rechtmäßig. Ein Gesichtspunkt, dass ein unterstelltes Fehlverhalten der Beteiligten
zu 3. dergestalt, sich durch wiederholte Vorlage eines Sondercoupons des Herbert
Grönemeyer Konzerts ungerechtfertigte Punktegutschriften verschafft zu haben,
nicht für eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung ausreicht, ist der schon vom
Arbeitsgericht angesprochene Umstand, dass nämlich ein derartiges unterstelltes
Fehlverhalten der Arbeitnehmerin nur zum Erfolg führen kann, wenn die
Kassiererinnen der Beteiligten zu 1. den Sondercoupon nicht - wie es erforderlich
wäre - vernichtet haben. Die Beteiligte zu 1. hat aber nicht dargelegt, dass eine
entsprechende Anweisung aus November 2006 auch konsequent durchgesetzt
wurde. Um einen Missbrauch zu vermeiden hätte dann nämlich es den
Arbeitnehmerinnen auch untersagt werden müssen, Sondercoupons von Kunden
oder Kolleginnen überhaupt anzunehmen, da dies immer die Gefahr mit sich
bringt, dass ein bereits verwendeter Sondercoupon weitergegeben und dann eben
nicht vernichtet wird. Auch hätte es insoweit dann keine Ausnahmen gegenüber
Kunden geben dürfen. Hier hat die Beteiligte zu 1. - so teilweise die Einlassung der
Arbeitnehmerseite, der die Beteiligte zu 1. nicht substantiiert entgegengetreten ist
- Ausnahmen gemacht. Ein weiterer Gesichtspunkt für die Erforderlichkeit einer
vorherigen Abmahnung ist, dass die Beteiligte zu 1. selbst zu erkennen gegeben
hat, dass eine unterstellte Pflichtverletzung der Beteiligten zu 3. nicht so
schwerwiegend gewesen ist, als dass das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt
werden kann. Die Arbeitnehmerseite hat nämlich - ohne dass die Beteiligte zu 1.
dem substantiiert entgegengetreten wäre - unter namentlicher Nennung von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorgetragen, dass auch in anderen Fällen
eine Mehrfachverwendung des Sondercoupons nicht zu einer Kündigung des
Arbeitsverhältnisses geführt hat. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Gleichbehandlungsgrundsatz bei
der Beurteilung einer Kündigung nicht unmittelbar anzuwenden ist, weil der
Gleichbehandlungsgrundsatz mit dem Gebot der umfassenden Abwägung der
Umstände des jeweiligen Einzelfalls - wie er für eine Kündigung erforderlich ist - nur
beschränkt zu vereinbaren ist. Jedoch kann der Gleichbehandlungsgrundsatz
mittelbare Wirkungen erzielen. Er schließt eine umfassende Abwägung aller
Umstände des Einzelfalls nicht aus, sondern ist als ein maßgeblicher
Gesichtspunkt in die Abwägung einzubeziehen. Werden mehrere Kündigungen
wegen eines gleichartigen Kündigungsgrundes ausgesprochen, hängt es von den
bei jeder Kündigung zu berücksichtigenden Besonderheiten, z. B. der kürzeren
oder längeren Betriebszugehörigkeit ab, ob die Kündigung aller Arbeitnehmer
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oder längeren Betriebszugehörigkeit ab, ob die Kündigung aller Arbeitnehmer
gerechtfertigt ist oder ist. Bei gleicher Ausgangslage muss jedoch der Arbeitgeber,
der nach einer selbst gesetzten Regel verfährt, darlegen, weshalb er in einem Fall
hiervon abweicht. Zum Beispiel darf der Arbeitgeber nicht ohne sachliche
Differenzierungsgründe bei einem von mehreren Arbeitnehmern gemeinsam
begangenen Prämienbetrug nur zwei Arbeitnehmern kündigen und es bei dem
anderen, ebenso belasteten Arbeitnehmer bei einer Verwarnung belassen. Im
Ergebnis muss der Arbeitgeber die Gründe darlegen, die eine differenzierende
Behandlung mehrerer Arbeitnehmer im Lichte des Kündigungsschutzes sachlich
rechtfertigen (vgl. ErfK zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, Müller-Glöge, § 626 BGB Rn
199, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall. Auch sonst lässt sich eine
entsprechende Regel der Arbeitgeberin nicht erkennen. Die Arbeitgeberin geht hier
mit der Kündigung gegen Arbeitnehmer vor, die seit den 90er Jahren beschäftigt
sind ebenso wie gegenüber Arbeitnehmern, die „erst“ seit 2000, 2001 bzw. 2004
bei ihr beschäftigt sind
und sogar gegen eine Arbeitnehmerin, die seit 1968 bei ihr beschäftigt ist. Auch
die Anzahl der behaupteten ungerechtfertigt erschlichenen Punkte durch
Mehrfachverwendung des Sondercoupons ist in einer Bandbreite von 3- bzw. 4-
maliger Mehrfachverwendung über 8 , 10- bzw. 11-fache Mehrfachverwendung bis
hin zu einer 25- bzw. 50-fachen Mehrfachverwendung so, dass nicht ersichtlich ist,
dass sich die Beteiligte zu 1. von einer bestimmten Regel für eine Kündigung des
Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist. Ob es weitere Umstände gibt, die es
gerechtfertigt erscheinen lassen, dass aus sachlichen Differenzierungsgründen
hinsichtlich der von der Arbeitnehmerseite angesprochenen Arbeitnehmern keine
Kündigung ausgesprochen wurde, ist mangels Sachvortrag der Arbeitgeberin nicht
ersichtlich.
Diese Entscheidung ergeht kostenfrei.
Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde
besteht nicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.