Urteil des LAG Hessen vom 21.11.2008

LAG Frankfurt: erdwärme, urproduktion, gewinnung, gemeinsame einrichtung, firma, einbau, auskunftserteilung, entschädigung, geothermie, hauptsache

Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 1284/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Geltungsbereich des VTV-Bau - Sozialkasse - Baugewerbe -
Erdwärmegewinnung - Urproduktion
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
der Klägerin auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber
zu erteilen,
1.1
wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten, in den Monaten
Dezember 2004 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden,
welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese
Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
1.2
wie viele Angestellte, die eine nach de Vorschriften des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind geringfügig
Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) – in
den Monaten
Dezember 2004 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden
und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten
angefallen sind;
2.
für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer
Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin folgende
Entschädigung zu zahlen:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend die
Auskunftsklage für den Zeitraum Dezember 2002 bis November 2004 nebst
bedingter Entschädigungszahlung in Höhe von 197.727,50 EUR (in Worten:
Hundertsiebenundneunzigtausendsiebenhundertsiebenundzwanzig und 50/100
Euro) erledigt ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
Auskünfte nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu erteilen und
im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung zu leisten
sowie darüber, ob die Hauptsache teilweise erledigt ist.
Die Klägerin ist die A.. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien
des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die
Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie hat die Beklagte mit der
Beklagten am 10. Oktober 2006 zugestellter Klageschrift auf der Grundlage des
allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im
Baugewerbe (VTV) auf Auskunft und bedingte Entschädigungszahlung hinsichtlich
der gewerblichen Arbeitnehmer und der Angestellten für den Zeitraum Dezember
2002 bis Juni 2006 in Anspruch genommen.
Die Beklagte betreibt einen Betrieb, in welchem geothermische Bohrungen zur
Gewinnung von Erdwärme durchgeführt werden. Bei diesem Verfahren wird durch
Sonden, die mittels Bohrungen ins Erdreich eingebracht werden, Erdwärme als
Energiequelle erschlossen und zu Heizungs-, Kühlungs- und Lüftungszwecken
sowie zur Warmwasserbereitung nutzbar gemacht. Die Beklagte plant und führt die
Erdbohrungen selbst durch und verlegt die Sonden nebst den erforderlichen
Anschlussarbeiten und der abschließenden Verpressung der Bohrungen.
Arbeitszeitlich entfielen bis zum Anschluss an das Heizsystem, welcher nicht von
der Beklagten ausgeführt wird, 10 % der Tätigkeiten auf die Baustelleneinrichtung,
25 % auf Bohrarbeiten, 10 % auf das Vorbereiten und Verbinden der Sondenrohre
zum Einbau, 20 % auf den Einbau der Sondenrohre mit Verpressarbeiten und
Druckprüfungen, 5 % auf Anschlussarbeiten im horizontalen Bereich – Verlängern
der Sondenrohre im bauseitig oder vom Subunternehmer hergestellten
Rohrgraben mit Druckprüfung – und 30 % auf die Montage der Verteileranlage und
Anschlussarbeiten an die jeweilige Wärmepumpe mit Befüllung der Sondenrohre
zum Transport der Umweltwärme (Kältemittel) und Durchführung der
Druckprüfungen. Die erstmalige Inbetriebnahme der Bohrgeräte bedarf der
Genehmigung der Bergbehörde. Die ordnungsgemäße Erhaltung des Bohrgeräts
ist der Behörde gegenüber turnusgemäß durch einen Sachverständigen
mitzuteilen (vgl. die Prüfberichte Anlage B1 – B5 zum Schriftsatz der Beklagten
vom 30.04.2007, Bl. 17 – Bl. 21 d. A. in 10 Sa 1304/07). Die Bohrungen erreichen
eine Tiefe zwischen 80 m und mindestens 100 m, wobei zwischen den Parteien
streitig ist, ob auch Bohrungen bis zur Tiefe von 160 m anfallen. Die Erdsonde
selbst ist ein Kunststoffschlauch, welcher ein Glykol-Wasser-Gemisch enthält.
Am 23. Februar 2000 fand vor Gründung der Beklagten ein Gespräch zwischen der
Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten statt, dessen Inhalt streitig ist.
Auf die Anfrage einer Fa. B.. vom 10. April 2000 (vgl. B. 76 – 79 d. A. in 10 Sa
1305/07) teilte die C. mit Schreiben vom 20. April 2000 mit, dass diese Firma nach
den derzeitigen Angaben nicht verpflichtet sei, Urlaubskassenbeiträge zu zahlen
(vgl. Bl. 75 d. A. in 10 Sa 1305/07). Mit Schreiben vom 12. August 2003 teilte die
Firma D. der Klägerin mit, dass sie Erdsondenbohrungen für
Wärmepumpenanlagen plane und ausführe, ohne dazu eigene gewerbliche
Arbeitnehmer zu beschäftigen (vgl. Bl. 72 d. A. in 10 Sa 1305/07). Mit Schreiben
vom 25. August 2003 teilte die Klägerin dieser Firma mit, dass sie mit der Tätigkeit
der Planung und Ausführung von Erdsondenbohrungen für Wärmepumpenanlagen
nicht am Sozialkassenverfahren des Baugewerbes teilnehme und verpflichtet sei
mitzuteilen, wenn sich der Tätigkeitsschwerpunkt auf die Ausführung
baugewerblicher Arbeiten im Tarifsinn verlagere (vgl. Bl. 27 d. A. in 10 Sa 1304/07).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte auskunftspflichtig sei, da
sie im Klagezeitraum in ihrem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Bohrtätigkeiten
verrichtet habe.
Die Klägerin hat zuletzt nach Klagerücknahme in Höhe von € 1470,00 beantragt,
die Beklagtenseite zu verurteilen,
1.
der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
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1.1
wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des 6.
Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Dezember 2002 bis
Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche
Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten
Monaten angefallen sind,
1.2
wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des 6. Buches
Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind geringfügig
Beschäftigte im Sinne des § 8 des 4. Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) – in den
Monaten Dezember 2002 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagten seither
beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den genannten
Monaten angefallen sind,
2.
für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer
Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende
Entschädigung zu zahlen:
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sie nicht auskunftspflichtig sei, da sie
dem Geltungsbereich des VTV nicht unterfalle. Bei geothermischen Bohrungen zur
Gewinnung von Erdwärme handele es sich um Bohrarbeiten, welche nicht
baugewerblicher Art seien. Die Beklagte hat behauptet, der größte Anteil der
Arbeitszeit der von ihr beschäftigten Arbeitnehmer entfalle nicht auf die
Bohrtätigkeiten, sondern auf die Planung und die Sondeneinbringung. Es würden
Tiefbohrungen bis 160 m durchgeführt, wobei Bohrungen über 100 m, die
inzwischen die Regel seien, genehmigt werden müssten.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 03. Juli 2007 – 2 Ca
1871/07 – abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, dass es für den
betrieblichen Geltungsbereich des VTV im Allgemeinen ausreiche, wenn eine
Beispielstätigkeit aus dem Katalog des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV überwiegend
ausgeübt werde, so dass es auf eine weitere Darlegung des Zusammenhangs mit
Bauarbeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. I – III VTV nicht mehr ankomme. Das
gelte auch für Bohrarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 VTV. Weitere
Voraussetzung für die Eröffnung des Geltungsbereichs sei jedoch, dass die
entsprechende Arbeit "gewerblich" geleistet werde. Der Gewerbebegriff umfasse
alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung
gerichtet seien und fortgesetzt ausgeübt würden. Ausgeschlossen seien die
Urproduktion, die freien Berufe und der öffentliche Dienst. Urproduktion sei die
Gewinnung von Roh- und Naturerzeugnissen. Die Erdwärme stelle ein
Naturerzeugnis dar und sei vergleichbar mit anderen Bodenschätzen. Die von der
Beklagten durchgeführten Bohrarbeiten verfolgten allein den Zweck, die
vorhandene Erdwärme nutzbar zu machen, so dass die betriebliche Tätigkeit der
Beklagten der Urproduktion zuzurechnen sei.
Dieses Urteil ist der Klägerin am 02. August 2007 zugestellt worden. Die Berufung
der Klägerin ist am 31. August 2007 und die Berufungsbegründung nach
rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. November
2007 am 02. November 2007 bei Gericht eingegangen. Die Klägerin ist hinsichtlich
des Beitragszeitraums Dezember 2002 bis November 2003 im Dezember 2007
von der Auskunfts- zur erstinstanzlichen Mindestbeitragsklage übergegangen, hat
den Entschädigungsbetrag entsprechend reduziert und die Teilerledigung erklärt.
Die Klägerin wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, dass
die Durchführung von Erdsondenbohrungen und die Herstellung einer
Erdwärmeanlage nicht der Urproduktion unterfalle, da die Beklagte kein rohes
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Erdwärmeanlage nicht der Urproduktion unterfalle, da die Beklagte kein rohes
Naturerzeugnis gewinne und keine Erwärme fördere, sondern eine Anlage für ein
bestimmtes Bauvorhaben schaffe. Die Wärme werde erst dann "gefördert", wenn
der Heizungsbauer den Hochdruckanschluss in Gang gesetzt habe. Die Beklagte
stelle eine Anlage her, mit welcher nach dem Heizungseinbau Erdwärme genutzt
werden könne. Außer Bohrarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 VTV) würden auch
Isolierarbeiten (Nr. 9) ausgeführt und Rohrleitungsbau (Nr. 25) verrichtet, da die
Rohre mit Bentonit vergossen und die Sondenrohre auch horizontal verlegt
würden. Urproduktion läge nicht vor, da die Erdwärme im Zusammenhang mit der
Grundstücksnutzung freigesetzt werde, § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG. Die Beklagte
unterhalte keinen Betrieb des Heizungsbauergewerbes, da sie den
Hochdruckanschluss nicht ausführen dürfe und im Übrigen die Rückausnahme von
§ 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV vorläge. Einen Vertrauenstatbestand, dass die
Beklagte nicht in Anspruch genommen werde, habe die Klägerin durch die
Schreiben an Dritte nicht geschaffen. Das Gespräch am 23. Februar 2000 habe
eine andere GmbH betroffen und es sei zugesichert worden, dass die Beklagte
sich nach Gründung erneut melden werde, was nicht geschehen sei.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 03.07.2007, Az. 2 Ca 1871/06,
abzuändern und die Beklagtenseite zu verurteilen,
1.
der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1
wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des 6.
Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Dezember 2003 bis
Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche
Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten
Monaten angefallen sind,
1.2
wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des 6. Buches
Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind geringfügig
Beschäftigte im Sinne des § 8 des 4. Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) – in den
Monaten Dezember 2003 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagten seither
beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den genannten
Monaten angefallen sind,
2.
für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer
Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende
Entschädigung zu zahlen:
sowie
3.
festzustellen, dass die Auskunftsklage wegen des Zeitraums Dezember 2002
bis November 2003 mit einer Teilentschädigung in Höhe von insgesamt 99.897,50
€ in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die
Nutzbarmachung von Erdwärme für Dritte unterfalle nicht dem Geltungsbereich
des VTV, da es sich um Urproduktion handele. Sie – die Beklagte – gewinne den
Rohstoff, den der Bauherr sodann im Sinne einer Verarbeitung nutze. Vom Begriff
der Urproduktion würden auch entsprechende Vorbereitungstätigkeiten erfasst. §
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der Urproduktion würden auch entsprechende Vorbereitungstätigkeiten erfasst. §
4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG regele lediglich die Anwendbarkeit dieses Gesetzes, was
nichts daran ändere, dass die Tätigkeit als solche Urproduktion bleibe. Bei
Bohrungen über 100 m Tiefe bestünde eine Anzeigepflicht gem. § 127 BBergG. Die
Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin handele treuwidrig, da dem
Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer vor der Unternehmensgründung am
23. Februar 2000 erklärt worden sei, dass für den Tätigkeitsbereich der
Geothermie eine Teilnahmeverpflichtung nicht bestünde. Auch verstoße die
Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie den Firmen D. und B.
mitgeteilt habe, dass die Planung und Ausführung von Erdsondenbohrungen für
Wärmepumpenanlagen nicht zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren führe. Im
Übrigen – so die Ansicht der Beklagten – unterfalle sie als Heizungsbauer der
Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2Abschn. VII Nr. 12 VTV. Die Rückausnahme liege
nicht vor, da lediglich 25 % der Arbeitszeit auf Bohrtätigkeit entfalle und
arbeitszeitlich überwiegend die Sonde verlegt und Anschlussarbeiten verrichtet
würden. Dämm- und Isolierarbeiten würden nicht ausgeführt. Auch
Rohrleitungsbau werde nicht verrichtet, da die Erdwärmesonden selbst keine
Rohrleitungen, sondern spezielle Kunststoffschläuche seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der
Berufungsschriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist
gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Klägerin hat sie form-
und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
Die Berufung der Klägerin ist begründet, denn die Beklagte unterfiel im
Klagezeitraum dem Geltungsbereich des VTV. Anspruchsgrundlage für das
Auskunftsbegehren ist § 21 VTV, wonach der Arbeitgeber der Kasse auf dem ihm
zur Verfügung gestellten Formular monatlich spätestens bis zum 15. des
Folgemonats die näher bezeichneten Auskünfte zu erteilen hat.
Anspruchsgrundlage für den Entschädigungsanspruch ist § 61 Abs. 2 ArbGG.
Voraussetzung für die Auskunftspflicht ist, dass der Betrieb der Beklagten im
streitgegenständlichen Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV fiel. Gemäß §
1 Abs. 2 VTV fallen Betriebe des Baugewerbes unter den betrieblichen
Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts sind das Betriebe, in denen überwiegend entweder die in §
1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber
Leistungen im Sinn der Bestimmungen der Abschnitte I – IV erbracht werden (BAG
18. Januar 1984 – 4 AZR 140/83 – AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass im Betrieb der Beklagten
arbeitszeitlich prozentual zu 25 % Bohrarbeiten, zu 10 % das Vorbereiten und
Verbinden der Sondenrohre zum Einbau, zu 20 % der Einbau der Sondenrohre mit
Verpressarbeiten und Druckprüfungen und zu 5 % Anschlussarbeiten im
horizontalen Bereich (Verlängern der Sondenrohre im bauseitig oder vom
Subunternehmer hergestellten Rohrgraben mit Druckprüfung) anfielen. Bei den
Bohrarbeiten handelt es sich unabhängig von der Tiefe der Bohrung, wie vom
Arbeitsgericht näher ausgeführt, um eine Tätigkeit im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn.
V Nr. 6 VTV. Bei den übrigen genannten Tätigkeiten handelt es sich um
Rohrleitungsbau im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV, wobei die
Vorbereitung und Verbindung der Sondenrohre zum Einbau
Zusammenhangstätigkeit darstellt. Insoweit ist es unschädlich, dass es sich bei
den Erdwärmesonden um Kunststoffschläuche handelt, die mit einem Gemisch
gefüllt sind. Ein bestimmtes Material, aus dem die Rohre bestehen müssen, wird in
dem Fallbeispiel nicht vorausgesetzt. Zu Recht spricht auch die Beklagte selbst
von Sondenrohren. Es handelt sich dabei eben um Rohre, durch die Wärme
geleitet wird. Es kann dahinstehen, was es mit dem Arbeitszeitanteil von 30 % auf
sich hat, der auf die Montage der Verteileranlage und Anschlussarbeiten entfällt.
Auch kann dahinstehen, mit welchem arbeitszeitlichen Anteil die
Baustelleneinrichtung als Zusammenhangstätigkeit den Bohrarbeiten und dem
Rohrleitungsbau jeweils zuzurechnen ist. Schließlich kann dahinstehen, ob
entsprechend der Behauptung der Klägerin auch Dämm- und Isolierarbeiten im
Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV anfielen. Die Beklagte bestreitet das,
ohne allerdings ausdrücklich zu der Behauptung der Klägerin Stellung zu nehmen,
dass die Sondenrohre mit Bentonit, einem Stoff, der Wasser bindet, die
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dass die Sondenrohre mit Bentonit, einem Stoff, der Wasser bindet, die
Entstehung von Hohlräumen beim Gefrieren verhindert und damit letztlich der
Isolierung dient, vergossen werden.
Der Betrieb der Beklagten wird auch nicht von der Ausnahmevorschrift des § 1
Abs. 2 Abschn. VII Ziff. 12 VTV erfasst. Danach werden vom Geltungsbereich des
VTV Betriebe des Zentralheizungsbauergewerbes nicht erfasst, soweit nicht
Arbeiten der in Abschn. IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden. Wie oben
dargelegt, werden im Betrieb der Beklagten zu mehr als 50 % Arbeiten ausgeführt,
die unter Abschn. V fallen.
Allerdings wäre gleichwohl der Geltungsbereich des VTV nicht eröffnet, wenn die
Beklagte keinen Betrieb des Baugewerbes unterhalten würde. Zur Anwendbarkeit
des VTV gehört unter anderem, dass die entsprechende Tätigkeit "gewerblich"
geleistet wird. Die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit ist damit ein allgemeines
Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Geltungsbereichs, das unabhängig von den
Detailregelungen in den Abschnitten I – V vorliegen muss (BAG 03.08.2005 – 10
AZR 561/04 – EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 121). Der Gewerbebegriff, den die
Bautarifvertragsparteien in Bezug genommen haben, umfasst alle erlaubten
selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und
fortgesetzt ausgeübt werden. Ausgeschlossen ist die Urproduktion wie die
Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und die Fischerei sowie die freien Berufe und der
öffentliche Dienst. Die Urproduktion ist, allgemein gesprochen, die Gewinnung von
rohen Naturerzeugnissen. Zur Urproduktion gehört deshalb auch das Bergwesen.
Erdwärme ist ein bergfreier Bodenschatz und unterfällt grundsätzlich den
Regelungen des BBergG. In § 3 Abs. 3 Nr. 2 b BBergG ist ausdrücklich geregelt,
dass als bergfreie Bodenschätze auch die Erdwärme und die im Zusammenhang
mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien geltend. Das Eigentum an
einem Grundstück erstreckt sich nicht auf die Erdwärme. Für die Aufsuchung der
Erdwärme bedarf es grundsätzlich einer Genehmigung gem. § 7 BBergG und für
die Gewinnung einer Bewilligung gem. § 8 BBergG.
Entgegen der Ansicht der Klägerin gewinnt die Beklagte auch Erdwärme. Jedenfalls
steht ihre Tätigkeit in engem Zusammenhang mit dem Gewinnen dieser Energie.
Richtig ist zwar, dass die Beklagte eine Anlage bzw. eine Vorrichtung für ein
bestimmtes Bauvorhaben schafft und erst nach Fertigstellung des Bauvorhabens
und Anschluss der Erdwärmegewinnungsanlage an die Heizungsanlage die Wärme
gefördert wird. Insoweit besteht jedoch kein grundlegender Unterschied etwa zur
Gewinnung von Öl oder sonstigen Produkten der Urproduktion. Wer mittels
Bohrungen etwa Erdölfelder oder Feldspatvorkommen erschließt, ist Teil der
Urproduktion auch dann, wenn er anschließend das Erdöl nicht selber fördert bzw.
den Feldspat nicht selber abbaut (BAG 03.08.2005 – 10 AZR 561/04 – a. a. O.).
Nichts anderes kann bei der Erdwärmegewinnung gelten, in deren Rahmen die
Beklagte die erforderlichen Bohrarbeiten durchführt und die Sondenrohre so
verlegt, dass sie anschließend an das Heizungssystem angeschlossen werden
können. Dass die Erdwärme als solche anders als andere Bodenschätze wie Erdöl,
Kohle etc. nicht verkauft wird, steht der Einordnung als Urproduktion nicht
entgegen.
Die Erdwärmegewinnung durch die Beklagte fällt nicht unter die
Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BBergG. Während § 2 Abs. 2 Ziff. 1
BBergG unter anderem bestimmt, dass das Gesetz für das Aufbereiten von
bergfreien Bodenschätzen gilt, und § 4 Abs. 3 Satz 1 BBergG definiert, was unter
"aufbereiten (Aufbereitung)" zu verstehen ist, nimmt Satz 2 die Weiterverarbeitung
und die Neugewinnung ausdrücklich vom Begriff der Aufbereitung aus und regelt
bezüglich der Erdwärme:
"...; die Nutzung von Erdwärme ist einer Weiterverarbeitung gleichzustellen."
Die Beklagte nutzt die Erwärme nicht, sie erschließt und gewinnt sie lediglich.
Genutzt wird die Erdwärme sodann vom Bauherrn nach Anschluss der
Heizungsanlage.
Die Tätigkeit der Beklagten ist jedoch gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG vom
Geltungsbereich gemäß § 2 Abs. 1 BBergG ausgenommen. In § 4 Abs. 2 Nr. 1
BBergG ist zunächst geregelt, dass das Gewinnen von Bodenschätzen im Sinne
von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen
einschließlich der damit zusammenhängenden, vorbereitenden, begleitenden und
nachfolgenden Tätigkeiten ist. Darunter fällt auch die Erdwärmegewinnung. Dann
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nachfolgenden Tätigkeiten ist. Darunter fällt auch die Erdwärmegewinnung. Dann
jedoch heißt es:
"...; ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen
1. in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen
baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung. ..."
Das Gewinnen von Erdwärme durch die Beklagte auf den jeweiligen Grundstücken
steht im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung. Der Gesetzgeber hat
damit die oberflächennahe Nutzung der Geothermie entsprechend der
Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 2 Ziff. 1 BBergG nicht als eine Tätigkeit
angesehen, die der Gewinnung von Bodenschätzen dient (so LAG Berlin-
Brandenburg 16.11.2007 – 8 Sa 2058/06 – n. v./Juris). Soweit der Gesetzgeber die
oberflächennahe Nutzung der Geothermie aus der Begriffsbestimmung der
Gewinnung von Bodenschätzen ausgenommen hat, kann entgegen der Ansicht
der Beklagten nicht mehr auf die allgemeine Definition der Urproduktion
zurückgegriffen werden. Das Bundesberggesetz regelt das Bergwesen. Gemäß § 6
Abs. 1 Satz 2 GewO findet die Gewerbeordnung auf das Bergwesen nur insoweit
Anwendung, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG
regelt u. a., dass es sich bei der grundstücksbezogenen Geothermie im
Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung nicht um das Gewinnen von
Bodenschätzen handelt. Damit ist diese Tätigkeit aus dem sachlichen
Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG und somit aus dem Bereich des
Bergwesens ausgenommen.
§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG differenziert auch nicht danach, ob die notwendigen
Bohrungen bis 100 m oder tiefer gehen, sodass dahin stehen kann, ob die von der
Beklagten behaupteten Bohrungen von "inzwischen" in der Regel bis 160 m den
Klagezeitraum betrafen und genehmigungspflichtig sind.
Da die Beklagte nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Parteien des VTV
war, war sie nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Allerdings war der VTV im
streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt worden, weshalb
die Rechtsnorm des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 4 TVG erfassen.
Die Klägerin handelt nicht treuwidrig, wenn sie die ihr zustehenden Ansprüche
geltend macht. Es kann dahinstehen, was genau Inhalt des am 23. Februar 2000
geführten Gesprächs war. Selbst wenn die Klägerin damals geäußert hätte, dass
die noch zu gründende Beklagte mit der von ihr verrichteten Tätigkeit nicht dem
Geltungsbereich des VTV unterfallen werde, würde es sich dabei um die Mitteilung
einer unzutreffenden Rechtsansicht handeln. Die Tarifbindung der Beklagten
besteht kraft Allgemeinverbindlicherklärung des VTV, an welcher die Äußerung
einer falschen Rechtsansicht nichts zu ändern vermag.
Auch ein etwaiger Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Verhältnis
zu den Firmen B. und D. -zugunsten der Beklagten unterstellt, dass diese Firmen
von der Klägerin nicht ggf. rückwirkend zur Auskunftserteilung oder
Beitragszahlung herangezogen wurden – vermag an der Tarifbindung nichts zu
ändern. Abgesehen davon hätte die Firma D. unabhängig von dem Inhalt des
Mitteilungsschreibens der Klägerin vom 25. August 2003 bereits deshalb von der
Klägerin nicht zu Auskünften oder Beiträgen bzgl. der gewerblichen Arbeitnehmer
herangezogen werden können, da diese Firma nach ihrer Angabe keine eigenen
gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigte.
Soweit die Klägerin von der Auskunfts- zur Mindestbeitragsklage übergegangen ist,
ist der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, da sie unterlegen ist, § 91 ZPO.
Die Zuvielforderung der Klägerin in erster Instanz ist verhältnismäßig geringfügig
und hat keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst, § 92 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.