Urteil des LAG Hessen vom 26.01.2011

LAG Frankfurt: maler, beihilfe, wartezeit, eintritt des versicherungsfalles, tarifvertrag, erwerbsunfähigkeit, gemeinsame einrichtung, befristete rente, arbeitsgericht, anwartschaft

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
18. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 Sa 627/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tarifliche Zusatzrente bei Erwerbsunfähigkeit
Leitsatz
Der Versicherungsfall für eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente nach den
Tarifverträgen für eine Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk ("Altfälle" bis
31.12.2006) folgt der Feststellung des Versicherungsfalls durch die gesetzliche
Rentenversicherung
Die Berechnung der Wartezeit für eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente ("Altfälle"
bis 31.12.2005) knüpft an den Versorgungsfall an, nicht an eine evtl. früher festgestellte
Fachuntauglichkeit/Berufsuntauglichkeit
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 23.
Februar 2010 – 2/1 Ca 1724/08 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die beklagte Zusatzversorgungskasse
ihm eine Beihilfe zur Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen
Rentenversicherung zu zahlen hat.
Die beklagte Zusatzversorgungskasse ist eine gemeinsame Einrichtung der
Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks in der Rechtsform eines
Versicherungsvereins a.G.
Nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über eine
überbetriebliche Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 23.
November 1992 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 20. Juni 1997
(folgend: TV Zusatzversorgung) bzw. dem ebenfalls für allgemeinverbindlich
erklärten Tarifvertrag über eine zusätzliche Altersversorgung im Maler und
Lackiererhandwerk vom 23. November 2005 (folgend: TZA Maler-Lackierer) ist sie
verpflichtet, Arbeitnehmern, die vor dem 01. Januar 1976 geboren wurden und am
31. Dezember 2005 bereits zum Kreis der im Beihilfesystem Versicherten
gehörten, Grundbeihilfen und befristete Ergänzungsbeihilfen zu Renten aus der
gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.
Der am XX.XX.19XX geborene Kläger hat von 1974 bis 1977 eine Lehre im Maler-
und Lackiererhandwerk gemacht und arbeitete zumindest bis 31. März 2001 in
verschiedenen Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks. Er erlitt im Juli 2001
einen Magendurchbruch und bezog folgend Krankengeld sowie ab Januar 2002
Arbeitslosengeld. Vom 02. März 2002 bis zum 13. September 2003 arbeitete der
Kläger danach als Maler bei der Firma „A“. Dieser Betrieb unterfiel nicht dem
Geltungsbereich der Tarifverträge für das Maler- und Lackiererhandwerk. Danach
arbeitete der Kläger nicht mehr.
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Am 14. Juli 2005 stellte der Kläger einen Rentenantrag. Durch Rentenbescheid vom
10. November 2005 stellte die Deutsche Rentenversicherung B fest, dass die
Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem
29. August 2005 erfüllt waren und bewilligte dem Kläger eine befristete Rente ab
01. März 2006. Wegen des vollständigen Inhalts des Rentenbescheids wird auf die
Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Oktober 2010 (Bl. 273 - 285 d.A.)
verwiesen. Kraft Bescheid der Deutschen Rentenversicherung B vom 30.
November 2006 wird die dem Kläger gewährte Versichertenrente als Dauerrente
bis längstens zur Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres weitergewährt
(vgl. weitere Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Oktober 2010, Bl. 286
d.A.).
Mit Datum vom 01. Juli 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die
Gewährung einer Beihilfe. Durch Bescheid vom 17. August 2007 lehnte die
Beklagte die Gewährung einer Beihilfe ab. Auf ein Schreiben des Klägers führte die
Beklagte am 01. Februar 2008 aus, dass der Kläger nicht die tarifliche
Voraussetzung erfülle, innerhalb der letzten sieben Jahre vor Eintritt des
Versicherungsfalles mindestens 60 Monate in Betrieben des Maler- und
Lackiererhandwerks zurückgelegt zu haben. Sie empfahl dem Kläger jedoch, seine
Fachuntauglichkeit anhand eines vertrauensärztlichen Gutachtens nachzuweisen
und stellte ihm in Aussicht, er habe dann eventuell eine Anwartschaft auf einen
Anspruch auf Beihilfe zur Altersrente (Anlage zur Klageschrift, Bl. 38 d.A.).
Der Kläger erhob am 04. August 2008 Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu
verurteilen, seine Fachuntauglichkeit anzuerkennen vor dem Arbeitsgericht
München. Dies verwies den Rechtsstreit durch Beschluss vom 03. September 2008
an das Arbeitsgericht Wiesbaden.
Der arbeitsmedizinischen Dienst der BG Bau bescheinigte dem Kläger am 24.
Januar 2009 rückwirkend, dieser sei seit 13. September 2003 berufsuntauglich im
Sinne des Tarifvertrages der Maler- und Lackiererzusatzversorgungskasse (Anlage
zum Schriftsatz des Klägers vom 27. Januar 2009, Bl. 112 f. d.A.). Bereits mit
Schreiben vom 27. Januar 2009 bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass er die
Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf Gewährung einer
Beihilfe aus der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks
erfüllt habe. Ihm werde eine Altersbeihilfe bei Bezug der Altersrente aus der
gesetzlichen Sozialversicherung gewährt werden (Anlage zum Schriftsatz des
Klägers vom 23. März 2009, Bl. 118 d.A.). Eingehend bei dem Arbeitsgericht
Wiesbaden am 25. März 2009 verlangte der Kläger rückwirkend ab 13. September
2003 eine Beihilfe zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der
ursprüngliche Antrag ist von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt
worden.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, hinsichtlich der Berechnung der Wartezeit für
den Anspruch auf Beihilfe zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei § 16
TZA Maler-Lackierer entsprechend anzuwenden. § 16 TZA Maler-Lackierer
behandele die Aufrechterhaltung der Versorgungsanwartschaften bei
Altersbeihilfe. Diese Regelung müsse auch für die Aufrechterhaltung von
Versorgungsanwartschaften für eine Erwerbsunfähigkeitsbeihilfe gelten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend ab dem 13. September 2003
Beihilfen zu Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit gemäß Tarifvertrag vom 23. November 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, § 16 Nr. 1 TZA Maler-Lackierer gelte ausschließlich für
Altersbeihilfen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 23. Februar 2010
abgewiesen. Der Kläger habe die Wartezeit gemäß § 15 Nr. 3 a), b) TZA Maler-
Lackierer nicht erfüllt. Die Wartezeitberechnung könne nicht dadurch verschoben
werden, dass die Rückrechnung für die letzten sieben Jahre nicht an die
Erwerbsunfähigkeit anknüpfe, sondern an den Zeitpunkt, ab dem der Kläger
fachuntauglich gewesen sei. Eine Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit sei
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fachuntauglich gewesen sei. Eine Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit sei
nicht mit einer Berufsuntauglichkeit/Fachuntauglichkeit gemäß § 16 Nr. 1 TZA
Maler-Lackierer gleichzusetzen. § 16 Nr. 1 TZA Maler-Lackierer dürfe auch nicht
entsprechend angewendet werden. Die Regelung betreffe ausdrücklich nur die
Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Gewährung einer Altersbeihilfe. Eine
analoge Anwendung scheide aus, eine von den Tarifvertragsparteien nicht gewollte
Regelungslücke könne nicht angenommen werden. Hinsichtlich der Einzelheiten,
auch wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug, wird auf
Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 142 - 146
d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 23. Februar
2010 (Bl. 140 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil, welches ihm am 29. März 2010 zugestellt worden ist, hat der
Kläger mit am 27. April 2010 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht
eingereichtem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig
beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Juni 2010
mit einem an diesem Tag bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen
Schriftsatz begründet.
Der Kläger vertritt die Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht § 240 SGB VI
nicht geprüft. Der Kläger habe bereits ab dem Zeitpunkt seiner Fachuntauglichkeit
am 13. September 2003 den Tatbestand für einen Bezug der
Erwerbsminderungsrente erfüllt. Anspruchsvoraussetzung für die tarifliche Beihilfe
sei nicht, dass die gesetzliche Rente selbst bewilligt worden sei. Zum 13.
September 2003 sei die Wartezeit gemäß § 15 Nr. 3 b) TZA Maler-Lackierer erfüllt
gewesen. Außerdem macht er geltend, dass die in Klammern gesetzte Erwähnung
des § 16 Nr. 1 TZA Maler-Lackierer in § 15 Nr. 3 b) TZA Maler-Lackierer lediglich
der Erläuterung des Begriffs der Fachuntauglichkeit bzw. Berufsuntauglichkeit
diene. Die Tarifvertragsparteien hätten nicht vereinbart, dass der Zeitpunkt des
Eintritts der Fachuntauglichkeit nur für die Fälle der Aufrechterhaltung des
Anwartschaftsrechts nach § 16 Nr. 1 TZA Maler-Lackierer maßgeblich sei. Lediglich
hilfsweise sei geltend zu machen, dass sich § 16 Nr. 1 TZA Maler-Lackierer der
Rechtsgedanke entnehmen lasse, dass die Feststellung der Berufsuntauglichkeit
gleichgesetzt werde mit der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers.
Schließlich verstoße die Wartefrist gem. § 15 Nr. 3 b) TZA Maler-Lackierer gegen
den Gleichheitsgrundsatz und sei nichtig. Arbeitnehmer, welche nach dem 31.
Dezember 1975 geboren seien, müssten lediglich eine Wartezeit von 36 Monaten
nachweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 23. Februar 2010 – 1/2 Ca 1724/08 –
abzuändern und
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm seit 13. September 2003 eine
Beihilfe zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit gemäß dem Tarifvertrag über eine überbetriebliche
Zusatzversorgung vom 23. November 2005 in Verbindung mit dem Tarifvertrag
vom 06. Februar 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Fachuntauglichkeit einerseits und Erwerbsminderung bzw.
Erwerbsunfähigkeit andererseits könnten nicht gleichgesetzt werden. Ob und ab
wann ein Anspruch auf gesetzliche Rente erfüllt sei, werde allein durch den
Rentenversicherungsträger entschieden. Für den Kläger sei der 29. August 2005
maßgeblich. Eine Anwendung der für eine Altersbeihilfe vorgesehenen Berechnung
der erforderlichen Wartezeiten auf die Beihilfe wegen Erwerbsminderung oder
Erwerbsunfähigkeit sei nach der tariflichen Systematik ausgeschlossen. Der Kläger
habe auch vor seinem Ausscheiden keinen unverfallbaren Anspruch auf eine
Beihilfe zur Rente wegen Erwerbsminderung erworben, da er keine ausreichende
Zugehörigkeit zu einem Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks nachweisen
könne.
Die tarifliche Regelung sei auch nicht analog anwendbar. Die Tarifvertragsparteien
hätten eine Wartezeitregelung für notwendig gehalten, da bei einem wegen
Fachuntauglichkeit ausgeschiedenen Arbeitnehmer eine unter Umständen erst
viele Jahre später eintretende Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit nichts
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viele Jahre später eintretende Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit nichts
mit der Fachuntauglichkeit zu tun haben und nicht auf der Tätigkeit im Maler- und
Lackiererhandwerk beruhen müsse.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf
den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf das Protokoll
der Verhandlung vom 26. Januar 2011 (Sitzungsniederschrift Bl. 300 d.A.) Bezug
genommen.
Die Kammer hat durch Beschlüsse vom 23. September 2010 und 11. November
2010 Hinweise erteilt. Zur Wiedergabe ihres Inhalts wird auf diese verwiesen (Bl.
219, 290 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet
hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG)
keinen Bedenken. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1
ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufung des Klägers, die sich nur auf die Abweisung des geänderten Antrags,
nicht aber auf die Kostenentscheidung nach übereinstimmend erklärter teilweiser
Erledigung des Rechtstreits bezieht, hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht
hat eine Verpflichtung der Beklagten zu Recht verneint.
I.
Die Klage ist mit dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag zulässig gemäß §§
256 Abs. 1, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die
Beklagte ihm seit dem Zeitpunkt seiner Fachuntauglichkeit, dem 13. September
2003, eine Beihilfe zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen
Erwerbsunfähigkeit nach dem Tarifvertrag über eine überbetriebliche
Zusatzversorgung von 23. November 2005 (TZA Maler-Lackierer) und zusätzlich
nach dem Tarifvertrag vom 06. Februar 2004 über eine ergänzende
überbetriebliche Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk (TV
ergänzende Zusatzversorgung) schuldet.
Der Kläger muss keine Leistungsklage erheben. Der Vorrang der Leistungsklage
gilt nicht uneingeschränkt. Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf
diesem Weg eine sachgemäße, einfachere Erledigung der aufgetretenen
Streitpunkte zu erreichen und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen
Zwang zur Leistungsklage sprechen (
). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Parteien streiten
nicht um die Höhe einer etwaigen Beihilfe, sondern ausschließlich darum, ob die
Beklagte den Kläger eine Beihilfe zur gesetzlichen Rente wegen voller
Erwerbsminderung zu zahlen hat.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine tarifliche Beihilfe zur
Erwerbsunfähigkeitsrente. Er erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nicht.
1.
Arbeitsgericht Wiesbaden sind die Voraussetzungen für einen Beihilfeanspruch des
Klägers nicht nach dem seit 01. Januar 2006 geltenden Tarifvertrag über eine
zusätzliche Altersversorgung im Maler und Lackiererhandwerk vom 23. November
2005 (TZA Maler-Lackierer) zu bestimmen. Der Kläger ist vor dem 01. Januar 2006,
nämlich zum 21. März 2001, aus dem letzten Arbeitsverhältnis zu einem Betrieb
ausgeschieden, welcher unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Maler
und Lackiererhandwerks fiel. Er macht geltend, die Voraussetzungen für einen
tariflichen Beihilfeanspruch seit dem 13. September 2003, zumindest aber sei
dem 29. August 2005, zu erfüllen. Damit richtet sich sein möglicher Anspruch nach
dem bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Tarifvertrag über eine
überbetriebliche Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 23.
November 1992 in der Fassung vom 20. Juni 1997 (TV Zusatzversorgung).
Dies macht den Antrag des Klägers nicht bereits unbegründet. Durch den TZA
Maler-Lackierer ist mit Wirkung ab 01. Januar 2006 das Zusatzversorgungssystem
für Neuzugänge und jüngere Arbeitnehmer (Geburt nach dem 01. Januar 1976) auf
die Zusage einer individuellen kapitalgedeckten Zusatzrente umgestellt worden.
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die Zusage einer individuellen kapitalgedeckten Zusatzrente umgestellt worden.
Für Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2005 zum Kreis der bei der
Zusatzversorgungskasse Versicherten im Beihilfesystem gehörten oder die schon
Beihilfeleistungen nach den abgelösten Tarifverträgen erhielten, gelten diese
Bestimmungen nach Teil III des neuen Tarifvertrages fort (vgl. § 4 Nr. 3 TZA Maler-
Lackierer). Die für den Kläger maßgeblichen Tarifregelungen haben sich damit
inhaltlich nicht geändert. Die vom Kläger angeführten Vorschriften nach §§ 12 - 23
TZA Maler-Lackierer entsprechen den Bestimmungen in §§ 5 ff. TV
Zusatzversorgung.
2.
Erwerbsminderung zu, weil er seit 13. September 2003
fachuntauglich/berufsuntauglich war.
In § 5 Nr. 4 c) TV Zusatzversorgung ist für diesen Versorgungsfall als eine
Anspruchsvoraussetzung bestimmt:
„Die Leistungspflicht der Kasse tritt - unbeschadet der Vorschriften des § 12 - ein
(Versorgungsfall), wenn ein Arbeitnehmer die erforderliche Wartezeit erfüllt und er
(…)
c) einen Tatbestand erfüllt hat, der gegenüber einem gesetzlichen
Sozialversicherungsträger einen Anspruch auf eine Erwerbs- oder
Berufsunfähigkeits- oder Unfallrente begründet (Versicherungsfall).“
Der Kläger argumentiert, er habe aufgrund seiner Fachuntauglichkeit schon am
13. September 2003 gemäß § 240 SGB VI die Voraussetzungen für die Gewährung
einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erfüllt. Es
kann jedoch dahinstehen, ob der vor dem 02. Januar 1961 geborene Kläger schon
im September 2003 berufsunfähig war, wie von § 240 SGB VI gefordert.
Die angeführte tarifliche Regelung fordert, dass ein Anspruch gegenüber einem
gesetzlichen Sozialversicherungsträger begründet ist. Dies setzt voraus, dass der
Berechtigte einen Antrag gestellt hat, vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI. Es kommt nicht
darauf an, dass ein Rentenanspruch bestanden hätte, wenn ein Antrag gestellt
worden wäre. Die Tarifvertragsparteien wollten die Voraussetzungen für eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit nicht selbst überprüfen, sondern sich an die Feststellung
eines solchen Tatbestandes durch den gesetzlichen Sozialversicherungsträger
binden. Nur dann liegt ein Versicherungsfall vor. Dies wird auch durch § 13 Nr. 2 b)
TV Zusatzversorgung bestätigt. Dort ist geregelt:
„dem Antrag auf Gewährung einer Beihilfe sind außerdem nach den §§ 6 bis 8
erforderlichen Unterlagen über den Nachweis der Wartezeit beizufügen:
(…)
b) für die Beihilfe zur Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente der Rentenbescheid
(einschließlich Anlagen) des Versicherungsträgers, aus dem hervorgeht, dass und
von welchem Zeitpunkt an der Anspruch des Versicherten auf eine gesetzliche
Rente begründet ist;“
Maßgeblich ist allein der durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger
festgestellte Versicherungsfall, nicht in der Umstand, das bei früherer
Antragstellung auch früher einer Rente hätte bezogen werden können, wie der
Kläger geltend macht. Der Versicherungsfall ist für den Kläger durch den Bescheid
der Deutschen Rentenversicherung Oberbayern vom 10. November 2005 auf den
29. August 2005 festgestellt worden (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom
14. Oktober 2010, Bl. 273 - 285 d.A.).
3.
§ 5 Nr. 4 c) TV Zusatzversorgung ist danach auf den 29. August 2005 abzustellen.
Dem Kläger steht bereits deshalb keine Ergänzungsbeihilfe zu seiner gesetzlichen
Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, weil er die gemäß § 6 Nr. 3 b)TV
Zusatzversorgung erforderliche Wartezeit von 60 Monaten innerhalb der letzten
sieben Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalls nicht erfüllt.
a)
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1. Als Wartezeiten gelten:
(…)
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3. a) Die Wartezeit beträgt 220 Monate.
b) Davon müssen wenigstens 60 Monate innerhalb der letzten sieben Jahre vor
Eintritt des Versorgungsfalles, bei berufsuntauglich (fachuntauglich) geschriebenen
(§ 8 Nr. 1) innerhalb der letzten sieben Jahre vor Eintritt der Untauglichkeit in
einem unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrag des fallenden Betrieb
zurückgelegt sein.
(…)“
In § 8 Nr. 1 TV Zusatzversorgung ist bestimmt:
§ 8 Aufrechterhaltung der Versorgungsanwartschaften
1. Scheidet ein Versicherter, der die Wartezeiten gemäß § 6 Nr. 3 a) und 3 b)
erfüllt hat, aus gesundheitlichen Gründen aus dem Maler- und Lackiererhandwerk
aus und erklärt ihn ein Amtsarzt in der Bundesrepublik Deutschland oder ein
Vertrauensarzt der Berufsgenossenschaft von diesem Zeitpunkt an für
berufsuntauglich (fachuntauglich), so hat er dies der Kasse zu Aufrechterhaltung
des Anspruchs auf die Gewährung eine Altersbeihilfe unter Beifügung des
ärztlichen Zeugnisses und des Nachweises über die Wartezeit zu melden.“
b)
nicht erfüllt, wenn diese ab dem 29. August 2005 berechnet wird. Das ist darauf
zurückzuführen, dass er seit 22. März 2003 nicht mehr in einem Betrieb arbeitete,
der unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Maler- und
Lackiererhandwerks fiel.
Zu Gunsten des Klägers kann nicht angenommen werden, dass ausreicht, dass er
die Wartezeit von 60 Monaten erfüllen würde, wenn man diese ab dem Zeitpunkt
seiner Fachuntauglichkeit, dem 13. September 2003, berechnet. § 6 Nr. 3 b) TV
Zusatzversorgung sieht zwar einer Wartezeitberechnung ab dem Eintritt der
Untauglichkeit vor, dieser Berechnungsregel gilt jedoch nur für den Bezug der
Altersbeihilfe gemäß § 8 Nr. 1 TV Zusatzversorgung. Dies ergibt sich aus der
Auslegung des Tarifvertrags.
aa)
Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut
auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am
Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen
seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen
Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der
Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm
zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse
nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge
weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls
auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität
denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen (
).
bb)
nicht aus. Dann wäre der im zweiten Halbsatz in Klammern gesetzte Verweis auf §
8 Nr. 1 als Legaldefinition verstehen.
Die Systematik des Tarifvertrages spricht jedoch gegen diese Auslegung. Nur für
die Altersbeihilfe gilt die Regel, dass die Wartezeit ab dem Zeitpunkt der
Fachuntauglichkeit berechnet wird, für die anderen Beihilfeleistungen ist der Eintritt
des Versorgungsfalles als Berechnungszeitpunkt maßgeblich.
Hierfür ist zunächst anzuführen, dass in § 8 Nr. 1 TV Zusatzversorgung nur die
Altersbeihilfe erwähnt ist. Dagegen gilt § 8 Nr. 2 TV Zusatzversorgung für
sämtliche Beihilfen. Diese Differenzierung ist erkennbar gewollt. § 8 regelt
entsprechend seiner Überschrift eine Aufrechterhaltung von
Versorgungsanwartschaften und bildet somit eine speziellere Regelung zu den in §
12 TV Zusatzversorgung u.a. geregelten Bedingungen für den Erwerb einer
unverfallbaren Anwartschaft. § 12 TV Zusatzversorgung knüpft die Begründung
einer unverfallbaren Anwartschaft entsprechend dem BetrAVG an die
Betriebszugehörigkeit an. § 8 TV Zusatzversorgung bestimmt darüber hinaus,
dass eine Versorgungsanwartschaft auch dann erhalten bleibt, wenn ein
Versicherter, der die Wartezeiten erfüllt hat, wegen Fachuntauglichkeit aus dem
Maler- und Lackiererhandwerk ausscheidet (Nr. 1) oder wenn innerhalb des Maler-
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Maler- und Lackiererhandwerk ausscheidet (Nr. 1) oder wenn innerhalb des Maler-
und Lackiererhandwerks von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen
Tätigkeit wechselt (Nr. 2). Dabei betrifft die Regelung unter Nr. 1 nur die
Altersbeihilfe, die Regelung unter Nr. 2 sämtliche Beihilfearten, wie angeführt. Die
Wartezeit wird branchenbezogen, nicht betriebsbezogen berechnet.
Arbeitnehmern, die wegen einer Fachuntauglichkeit nicht mehr länger im Maler-
und Lackiererhandwerk arbeiten können, soll ihr (anteiliger) Anspruch auf
Altersbeihilfe erhalten bleiben. Arbeitnehmern, die nach ausreichender Wartezeit
von einer unselbstständigen in eine selbstständige Tätigkeit wechseln und
innerhalb der Branche bleiben, sollen alle (anteiligen) Ansprüche als
Anwartschaften geschützt werden.
Daneben enthält der TV Zusatzversorgung keine weiteren speziellen Regelungen
zur Unverfallbarkeit. Dies wäre jedoch geboten, wenn einem Arbeitnehmer,
welcher fachuntauglich geworden ist, ein Anspruch auf alle (anteiligen) tariflichen
Beihilfen ab diesem Zeitpunkt erhalten bleiben sollte. Es fehlt an einer § 8 Nr. 1 TV
Zusatzversorgung entsprechenden Regelung für eine Erwerbs- oder
Berufsunfähigkeitsrente. Dies wird auch an den persönlichen Daten des Klägers
deutlich. Der Kläger hat in keinem Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks so
lange gearbeitet, dass er die Voraussetzungen nach § 12 Nr. 1 TV
Zusatzversorgung für eine unverfallbare Anwartschaft erfüllt. Eine Ausnahme gilt
gemäß § 8 Nr. 1 TV Zusatzversorgung nur für seinen Anspruch auf Altersbeihilfe,
wie von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Januar 2009 anerkannt (Anlage zum
Schriftsatz der Beklagten vom 31. Januar 2009, Bl. 122 d.A.).
Der so herzuleitende Sinn und Zweck der Tarifregelung lässt erkennen, dass die
Tarifvertragsparteien eine Beihilfe bei Erwerbsminderung oder -unfähigkeit nur
leisten wollen, wenn die Erwerbsminderung oder -unfähigkeit in Zusammenhang
mit der ausgeübten Tätigkeit im Maler- und Lackiererhandwerk steht. Dies wird
nicht im Einzelfall geprüft, sondern durch die Wartezeitregelung unwiderlegbar
vermutet oder ausgeschlossen, in dem eine zeitliche Nähe zwischen dem
Versorgungsfall und der Tätigkeit im Maler- und Lackiererhandwerk bestehen
muss. Ein Wille der Tarifvertragsparteien, jeden zeitlich auch mit erheblichem
Abstand von einer Fachuntauglichkeit eintretenden Fall einer Erwerbsminderung
oder -unfähigkeit zu erfassen, ist nicht erkennbar. Dies wäre jedoch bei der vom
Kläger vorgenommenen Auslegung von § Nr. 3 b) TV Zusatzversorgung der Fall.
Dieses Ergebnis wird schließlich nicht durch die Versicherungsbedingungen vom
09. Mai 2007 widerlegt, welche der Kläger mit Klageerhebung vorgelegt hat (Bl. 23
- 34 d.A.) und die sich auf die nach dem TZA Maler-Lackierer, dort §§ 16 ff., zu
gewährenden Grund- und Ergänzungsbeihilfen für vor dem 01. Januar 1976
geborene Anspruchsberechtigte beziehen. Die in den Versicherungsbedingungen
unter § 6 wortgleich geregelten Bestimmungen zur Wartezeiterfüllung sind durch
eine Härtefallklausel (§ 6 a) ergänzt worden. Danach ist es in besonderen Fällen
(Abs. 2) im Wege der Kulanz möglich, die erforderliche Wartezeit nach § 6 Nr. 3 b)
(Sieben-Jahreszeitraum) ab dem letzten Arbeitstag zu berechnen. Erforderlich ist
der Nachweis einer ununterbrochenen Arbeitslosigkeit, die in unmittelbarem
Anschluss an ein Arbeitsverhältnis im Maler- und Lackiererhandwerk lag. Dies gilt
für alle Beihilfen, auch die Altersbeihilfe. Erkennbar sollen Zeiten unfreiwilliger
Arbeitslosigkeit nicht zum Anspruchsverlust führen. Als Ausnahmevorschrift ist
diese Versicherungsbedingung daher vielmehr dafür anzuführen, dass es im
Regelfall bei der Berechnung der Wartezeit ab dem Zeitpunkt des Eintritts des
Versorgungsfalls bleiben soll.
Dem Kläger war keine Gelegenheit zur weiteren Vortrag mehr zu geben. Durch den
Beschluss der Kammer vom 27. Oktober 2010 (Bl. 287 d.A.) und insbesondere die
Stellungnahme der Beklagten vom 23. Dezember 2010 ist auf die Bedeutung der
Unverfallbarkeit gemäß § 12 TV Zusatzversorgung zur Auslegung hingewiesen
worden.
cc)
§ 6 Nr. 3 b) zweiter Halbsatz TV Zusatzversorgung auf den vom Kläger geltend
gemachten Anspruch auf eine Beihilfe zur Rente wegen voller Erwerbsminderung (§
5 Nr. c) TV Zusatzversorgung) scheidet aus. Es spricht nichts dafür, dass die
Tarifvertragsparteien eine irrtümlich unvollständige Regelung getroffen haben. Eine
„Verbesserung“ des zwischen ihnen ausgehandelten Tarifvertrages ist unzulässig.
3.
ist kein für Tarifverträge anwendbarer Prüfungsmaßstab. Der arbeitsrechtliche
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ist kein für Tarifverträge anwendbarer Prüfungsmaßstab. Der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder
Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei
Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln.
Tarifvertragsparteien haben den allgemeinen Gleichheitssatz zu beachten (
). Auch
allgemeinverbindliche Tarifverträge sind am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG zu messen (
). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten
anders behandelt wird als eine andere, obwohl zwischen den Gruppen keine
Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung
rechtfertigen können (
).
Die Beklagte hatte mit Wirkung ab 01. Januar 2006 durch den TZA Maler Lackierer
von 23 November 2005 ihr Versorgungssystem umgestellt und das System der
Rentenbeihilfen für die Zukunft geschlossen. Unterschiedliche Wartezeitregelungen
für Arbeitnehmer, die beihilfeberechtigt sind und solchen, die (nur) Anspruch auf
eine kapitalgedeckte Zusatzrente haben, sind durch die Unterschiede der
Versorgungssysteme gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eine Zulassung der Revision ist nach dem Maßstab des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht
geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.