Urteil des LAG Hessen vom 18.01.2011

LAG Frankfurt: gbv, form, legitimation, arbeitsgericht, konzern, betriebsrat, anschluss, nichtigkeit, gespräch, umdeutung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
12. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 Sa 778/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 47 BetrVG
Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung
Orientierungssatz
Erfolglose Klage auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung wegen Nichtigkeit der als
Anspruchsgrundlage herangezogenen Betriebsvereinbarung und des Fehlens der
Voraussetzungen für eine Gesamtzusage (im Anschluss an BAG v. 17.03.2010 - 7 AZR
706/08)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom
20.04.2010 – 10 Ca 50/10 – wird kostenspflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, mit dem Kläger eine
Altersteilzeitvereinbarung abzuschließen.
Der am xxx geborene Kläger steht seit dem 29.04.1985 auf der Grundlage eines
Arbeitsvertrages gleichen Datums (Bl. 5 – 11 d.A.) in einem Arbeitsverhältnis zur
Beklagten bzw. mehrerer Rechtsvorgängerinnen. Er ist als B tätig und verdiente
zuletzt € 5.846,87 brutto monatlich.
Eine der Rechtsvorgängerinnen, die C, schloss am 29.07.2005 als eines von vier
Unternehmen mit dem Gesamtbetriebsrat der D eine
Gesamtbetriebsvereinbarung zur Altersteilzeit. Auf den Inhalt dieser Vereinbarung,
insbesondere die §§ 2 – 4 u. 11 wird Bezug genommen (Bl. 26 – 30 d.A.).
Unter dem 4.06.2009 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf
Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung mit einer Laufzeit von 5 Jahren,
beginnend mit dem 1.10.2009, ein. Dabei optierte er dafür, während der Dauer der
Übereinkunft in Teilzeit zu arbeiten. Mit Schreiben vom 3.12.2009 antwortete die
Beklagte, sie könne dem Kläger auf der Grundlage der
Gesamtbetriebsvereinbarung ein Altersteilzeitverhältnis mit einer Laufzeit von
lediglich 2 Jahren, beginnend ab dem 1.10.2012, anbieten (Bl. 35 d.A.). Darauf hat
der Kläger am 20.01.2010 Klage beim Arbeitsgericht Wiesbaden, gerichtet auf
Abschluss eines Altersteilzeitverhältnisses in Form des Blockmodells mit einer
Laufzeit von 5 Jahren, eingereicht.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens
der Parteien und der vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird auf den
Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen (Bl. 72 -74 d.A.).
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 20. April 2010 (10 Ca 50/10) die
Klage abgewiesen. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 74R – 77
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Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 74R – 77
d.A.).
Der Kläger hat gegen das ihm am 30. April 2010 zugestellte Urteil des
Arbeitsgerichts am 26. Mai 2010 Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht
eingelegt und sie am 25. Juni 2010 begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft seien erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet,
dass die Unternehmen der D, wenn sie in einer Region vertreten waren, alle am
selben Standort ansässig und denselben Zentraleinheiten zugeordnet waren und
deshalb Gemeinschaftsbetriebe gebildet hatten. Für jeden dieser Betriebe sei ein
Betriebsrat gewählt worden, der seinerseits Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat
der D entsandt habe. Der Kläger räumt ein, dass vielleicht die Benennung dieses
Gremiums als Gesamtbetriebsrat falsch gewesen sei und es Konzernbetriebsrat
hätte heißen müssen. Er ist jedoch der Ansicht, dass dies nichts an seiner
Legitimation zum Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung Altersteilzeit
ändere. Die beteiligten Unternehmen hätten seine Legitimation mit der
Unterschrift unter die Vereinbarung mehr als anerkannt. Es stelle sich als
rechtsmissbräuchlich dar, wenn der Arbeitgeber, der die Vereinbarung
unterzeichnet habe, sich später auf die fehlende Legitimation der
Arbeitnehmervertretung berufe.
Der Kläger behauptet weiter, in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der
Beklagten, Herrn E, am 22.09.2009 übereingekommen zu sein, seinen zunächst
auf das Kontinuitätsmodell gerichteten Antrag auf das Blockmodell umzustellen.
Daher habe er keine Veranlassung für einen erneuten schriftlichen Antrag
gesehen.
Der Kläger beantragt,
abändernd die Beklagte zu verurteilen, mit dem Kläger eine
Altersteilzeitvereinbarung abzuschließen, in der Altersteilzeit in Form des
Blockmodells vom 1.10.2009 bis 30.09.2014 nach weiterer Maßgabe der
Gesamtbetriebsvereinbarung zur Altersteilzeit zwischen C und dem
Gesamtbetriebsrat der D vom 29.07.2005 vereinbart wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf
den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft (§§ 8 ArbGG, 64 Abs. 1, 2 ArbGG). Sie ist auch form- und
fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517,
519, 520 Abs. 1, 3 ZPO).
Die Berufung bleibt in der Sache jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist
zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht mangels einer wirksamen
Anspruchsgrundlage kein Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung
gegen die Beklagte zu.
Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf die Gesamtbetriebsvereinbarung
Altersteilzeit vom 29.07.2005 (GBV) stützen; den diese ist nicht wirksam zustande
gekommen.
Die GBV wurde unstreitig zwischen vier Unternehmen der D, darunter auch eine
der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, und dem unternehmensübergreifend
errichteten Gesamtbetriebsrat der D geschlossen. Das verstößt gegen zwingende
Organisationsvorgaben des Betriebsverfassungsrechts. Dies hat das
Bundesarbeitsgericht in einem gleichgelagerten Fall entschieden und dazu
ausgeführt (BAG 17.03.2010 – 7 AZR 706/08 – juris):
Nach § 47 BetrVG wird der Gesamtbetriebsrat für ein Unternehmen gebildet. Das
Betriebsverfassungsgesetz kennt keinen eigenen Unternehmensbegriff, sondern
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Betriebsverfassungsgesetz kennt keinen eigenen Unternehmensbegriff, sondern
setzt ihn voraus. Es knüpft dabei an die in anderen Gesetzen für das Unternehmen
vorgeschriebenen Rechts- und Organisationsformen an, in denen alle
Rechtspersönlichkeiten nur Träger eines einheitlichen Unternehmens sein können.
Für das Betriebsverfassungsgesetz folgt die das Unternehmen kennzeichnende
Einheitlichkeit seines Rechtsträgers vor allem aus der im Gesetz angelegten
Unterscheidung zwischen Unternehmen und Konzern. Ein Konzern ist unabhängig
von seiner konkreten Ausgestaltung trotz einer einheitlichen Leitung kein
einheitliches Unternehmen, sondern ein Zusammenschluss rechtlich selbständiger
Unternehmen, die infolge ihres Zusammenschlusses ihre rechtliche
Selbständigkeit nicht verlieren. So setzt auch der Begriff des Unternehmens in §
47 BetrVG die Einheitlichkeit und die rechtliche Identität des betreibenden
Unternehmens voraus. Um einen Gesamtbetriebsrat zu bilden, müssen daher die
mehreren Betriebe alle von demselben Unternehmen betrieben werden. Für
Betriebe verschiedener Rechtsträger kann kein gemeinsamer Betriebsrat errichtet
werden (BAG 13.02.2007 – 1 AZR 184/06 – BAGE 121, 168).
Die Bildung eines unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrats verstößt auch
dann gegen § 47 BetrVG, wenn die Unternehmen einer Unternehmensgruppe
ausschließlich oder teilweise Gemeinschaftsbetriebe iSv. § 1 Abs. 2 BetrVG
unterhalten; denn die Trägerunternehmen werden durch die Bildung von
Gemeinschaftsbetrieben nicht zu einem Unternehmen iSd. § 47 BetrVG. Vielmehr
entsenden die Betriebsräte der Gemeinschaftsbetriebe jeweils Mitglieder in
sämtliche bei den Trägerunternehmen zu errichtenden Gesamtbetriebsräte. Das
folgt zwingend aus § 47 Abs. 9 BetrVG (BAG 13.02.2007 – 1 AZR 184/06 a.a.O.).
Der unter Verstoß gegen § 47 BetrVG errichtete Gesamtbetriebsrat ist rechtlich
nicht existent. Sein Handeln ist daher unbeachtlich, ihm stehen keine
betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse zu. Mit ihm geschlossene
Betriebsvereinbarungen sind unwirksam.
All dies trifft ohne jede Einschränkung auch auf die die hier abgeschlossene GBV
Altersteilzeit zu.
Es ist der Beklagten auch nicht verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der GBV zu
berufen, auch wenn sie oder eine ihrer Rechtsvorgängerinnen diese abgeschlossen
und das rechtlich nicht existente betriebsverfassungsrechtliche Organ als
Betriebspartner akzeptiert hat (BAG a.a.O).
Die Beklagte hat sich letztendlich nicht im Wege einer Gesamtzusage zum
Abschluss von Altersteilzeitvereinbarungen verpflichtet.
Die Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage
gemäß § 140 BGB kommt unter folgenden Voraussetzungen in Betracht: es
müssen besondere Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der
Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall
verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die darin vorgesehenen Leistungen zu
gewähren. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der
Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf die Dauer zu binden, kann nur in
Ausnahmefällen angenommen werden. Bei der Betrachtung ist zu berücksichtigen,
dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung jederzeit lösen kann,
während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren Inhalt eine Gesamtzusage
wird, nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung
möglich ist (BAG 30.05.2006 – 1 AZR 111/05 – NZA 2006, 1170 – 1173; BAG
a.a.O.).
Der Annahme, der Arbeitgeber habe sich auf Dauer individuell binden wollen, steht
hier schon allein der Umstand durchschlagend entgegen, dass die GBV zeitlich
begrenzt bis zum 31.12.2009 abgeschlossen wurde. Sonstige Umstände, de für
einen dauerhaften Bindungswillen der Beklagten sprechen könnten, sind nicht
ersichtlich.
Der Kläger hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen
Berufung zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht waren nicht
ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.