Urteil des LAG Hessen vom 08.09.2006

LAG Frankfurt: treu und glauben, vergütung, hessen, werk, bindungswirkung, zukunft, anpassung, arbeitsgericht, verein, feststellungsklage

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3/2 Sa 1829/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 613a Abs 1 S 2 BGB, § 133
BGB, § 157 BGB, § 328 Abs 1
BGB, § 151 BGB
(Kein Anspruch auf eine dynamische Anpassung an die
Tariferhöhungen des BAT/VkA aus betrieblicher Übung)
Leitsatz
Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige
Gehaltsentwicklung behalten. Aus freiwillig erfolgten Lohnsteigerungen entsteht daher
lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Lohns, nicht
aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Lohnerhöhungen
weiterzugeben (wie BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am
Main vom 23. Juni 2005 - 19/17 Ca 6081/04 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit ab Januar 2004
Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag zum BAT für den Bereich der
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) oder nach dem
Bund/Land-Tarif zusteht.
Die Klägerin ist seit 01. September 1997 bei der Beklagten bzw. deren
Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag (Bl. 5 - 7 d. A.)
enthält unter anderem folgende Regelungen:
§ 2
(1) Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den jeweiligen, für Angestellte geltenden
Bestimmungen des Dienstvertragsrechts des Diakonischen Werkes in Hessen und
Nassau (DVR/DWHN).
§ 4
(1) Die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter wird in die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe ...
BAT eingereiht.
§ 12
Sonstige Absprachen, Ergänzungen oder Änderungen dieses Vertrages bedürfen
zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für Änderungen dieses
Formerfordernisses.
Träger der Einrichtung, in der die Klägerin beschäftigt wurde, war zunächst der A-
Krankenhaus Verein für Krankenpflege und Diakonie in B. Zum 01. Januar 1996
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Krankenhaus Verein für Krankenpflege und Diakonie in B. Zum 01. Januar 1996
fand ein Betriebsübergang auf die A-Krankenhaus gGmbH, zum 01. Januar 2004
auf die jetzige Beklagte statt. Sämtliche Träger der Einrichtung waren bzw. sind
Mitglied im Diakonischen Werk Hessen/Nassau (DWHN).
Die Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau vom 25. September 1980 enthält
unter anderem folgende Regelungen:
§ 1
(1) Auf die Arbeitsverhältnisse der im kirchlich-diakonischen Dienst des
Diakonischen Werks in Hessen und Nassau (DWHN) als Angestellte beschäftigten
Mitarbeiter finden der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961
sowie die für BAT-Angestellte zusätzlich abgeschlossenen oder noch
abzuschließenden Tarifverträge in der für das Land Hessen jeweils geltenden
Fassung Anwendung, soweit in Abschnitt II durch die zuständigen Gremien des
DWHN nichts anderes bestimmt ist oder wird.
§ 8
(2) Die Mitglieder sind verpflichtet,
c) das Dienstvertragsrecht des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau sowie
das kirchliche Datenschutzrecht in der vom Diakonischen Werk übernommenen
Fassung anzuwenden ...
Seit Beginn ihrer Tätigkeit bis zum 31. Dezember 2003 erhielt die Klägerin
Vergütung nach BAT/VkA.
Anlässlich der Übertragung der Einrichtung von dem A-Krankenhaus Verein für
Krankenpflege und Diakonie B auf die A-Krankenhaus gemeinnützige GmbH i. G.
informierte Erstgenannte die Mitarbeiter unter dem 04. Juli 1995 (Bl. 15, 16 d. A.)
wie folgt:
Die zukünftige gemeinnützige GmbH wird ebenfalls eine Mitgliedseinrichtung des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau sein, so dass alle bisherigen Rechte
und Ansprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten bleiben,
insbesondere auch die zusätzliche Altersversorgung durch die Kirchliche
Zusatzversorgungskasse C (KZVK). Dies wird zwischen dem bisherigen Träger des
Krankenhauses und der gGmbH durch den Abschluss eines entsprechenden
Personalüberleitungsvertrages gesichert.
Der am 24. Oktober 1995 vereinbarte Personalüberleitungsvertrag (Bl. 129- 131 d.
A.) bestimmt unter anderem folgendes:
§ 1
1. Die gGmbH tritt gem.§ 613a BGB in die Dienst-, Arbeits-, Ausbildungs- und
Praktikantenverträge mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Krankenhauses einschließlich der Krankenpflegeschule, der Kindertagesstätte und
zugehöriger Einrichtungen zum 1.1.1996 ein.
2. Die Namen der von der gGmbH zu übernehmenden Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ergeben sich aus der zum Stichtag 1.1.1996 zu erstellenden Liste, die
dann Bestandteil dieses Vertrages wird.
§ 2
2. Auf die Arbeitsverhältnisse finden die Bestimmungen des Dienstvertragsrechts
des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (DVR/DWHN) sowie die
Mitarbeitervertretungsverordnung des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau
in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Vergütung richtet sich auch
weiterhin nach dem Tabellenwerk VkA/Kommunal.
Seit Ende 1998 erhielten neu eingestellte Mitarbeiter Vergütung nach BAT B/L. Für
die bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse blieb es bei der Anwendung des
BAT/VkA.
Anlässlich des zum 01. Januar 2004 erfolgten Betriebsübergangs von der A
gGmbH auf die Beklagte informierte die Erstgenannte die Klägerin unter dem 24.
Oktober 2003 (Bl. 9, 10 d. A.) wie folgt:
Vorab möchten wir Ihnen mitteilen, dass auch nach dem Betriebsübergang die
Arbeitsvertragsordnung des Diakonischen Werkes Hessen/Nassau (BAT/DW) und
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Arbeitsvertragsordnung des Diakonischen Werkes Hessen/Nassau (BAT/DW) und
die Bestimmungen über die Zusatzversorgung (KZVK) uneingeschränkt
Anwendung finden werden. Der bisherige Dienstvertrag bleibt bestehen, das
Ausstellen neuer Verträge ist nicht erforderlich. Für den überwiegenden Teil der
Mitarbeiter ergeben sich daher keinerlei Änderungen. Lediglich die Mitarbeiter, die
derzeit noch nach dem VkA-Tarif vergütet werden, werden in den Bund-Land-Tarif
überführt, der in manchen Fällen eine geringfügige Verschlechterung der
Vergütung zur Folge hat, wobei hier an eine großzügige Ausgleichsregelung in
Form einer Zulage gedacht ist.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 (Bl. 11, 12 d. A.) und 03. Dezember 2003 (Bl.
13 d. A.) bot die A gGmbH der Klägerin eine Zulage an, die aktuelle
Einkommensnachteile aus der Differenz der bisherigen Vergütung nach VkA-Tarif
zum B/L-Tarif ausgleichen sollte. Damit erklärte sich die Klägerin nicht
einverstanden.
Die Beklagte hat die seit Januar 2004 erfolgten Tariferhöhungen nach BAT/VkA
nicht an die Klägerin weitergegeben. Diese hat die Klägerin mit ihrer Klage geltend
gemacht.
Die Klägerin hat behauptet, bei der Einstellung sei ihr unmissverständlich der
BAT/VkA zugesagt worden. Über einen anderen Tarifvertrag sei nicht gesprochen
worden. Alle Beteiligten seien offensichtlich davon ausgegangen, dass der BAT/VkA
die übliche Vergütung des Diakonischen Werkes sei. Die Klägerin hat die
Auffassung vertreten, auch aus dem - ihr allerdings nicht bekannten -
Personalüberleitungsvertrag ergebe sich eine Verpflichtung der Beklagten zur
Weiteranwendung des BAT/VkA. Jedenfalls sei aufgrund der langjährigen
Anwendung des BAT/VkA eine Bindungswirkung aufgrund betrieblicher Übung
entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 14.785,12 brutto abzüglich €
8.319,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus € 2.951,43 brutto abzüglich € 1.663,90 netto seit dem
15.01.2004aus € 2.951,43 brutto abzüglich € 1.663,90 netto seit dem
15.02.2004aus € 2.951,43 brutto abzüglich € 1.663,90 netto seit dem
15.03.2004aus € 2.951,43 brutto abzüglich € 1.663,90 netto seit dem
15.04.2004aus € 2.979,40 brutto abzüglich € 1.663,90 netto seit dem
15.05.2004zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Klägerin nach dem Vergütungstarifvertrag zum BAT
für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA)
derzeit in der Vergütungsgruppe V b/10 in der jeweils geltenden Fassung zu
vergüten ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Verweisung in § 2
Arbeitsvertrag auf das Dienstvertragsrecht des Diakonischen Werkes ergebe sich
die Geltung von § 1 Abs. 1 Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-
diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau, in dessen §
1 Abs. 1 die Anwendung des BAT in der für das Land Hessen jeweils geltenden
Fassung vorgesehen sei. Der von der Klägerin behaupteten mündlichen
Vereinbarung des BAT/VkA stehe das im Arbeitsvertrag vereinbarte
Schriftformerfordernis entgegen. Die tatsächlich erfolgte Vergütungszahlung nach
dem VkA-Tarif sei arbeitsvertragswidrig erfolgt. Im Übrigen habe die
Vergütungszahlung nach BAT/VkA gegen § 8 Abs. 2 c der Arbeitsvertragsordnung
verstoßen. Das im Arbeitsvertrag vereinbarte Schriftformerfordernis stehe auch
dem Entstehen einer betrieblichen Übung entgegen. Darüber hinaus könne nach
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus einer fehlerhaften Zahlung
auch über einen längeren Zeitraum nicht ohne weiteres auf eine betriebliche
Übung geschlossen werden. Die Klägerin könne nicht darauf vertrauen, dass die
rechtswidrige Anwendung des BAT/VkA aufrecht erhalten bleibt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der
betrieblichen Übung stattgegeben. Die langjährige Vergütungszahlung nach
BAT/VkA habe die Klägerin als Versprechen einer dauerhaften Vergütungszahlung
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BAT/VkA habe die Klägerin als Versprechen einer dauerhaften Vergütungszahlung
nach dem Kommunaltarif ansehen dürfen. Die Rechtsvorgänger der Beklagten
hätten auch einen entsprechenden Verpflichtungswillen gehabt, da ihnen bekannt
gewesen sei, dass sie sich mit der Anwendung des BAT/VkA satzungswidrig
verhielten. Die Berufung der Beklagten auf das Schriftformerfordernis verstoße
gegen Treu und Glauben, weil die Vergütungszahlung nach BAT/VkA bei den
Rechtsvorgängern der Beklagten über einen langen Zeitraum hinweg praktiziert
wurde. Aufgrund dieses Verhaltens der Rechtsvorgänger der Beklagten seien die
betroffenen Arbeitnehmer nicht zu der Annahme veranlasst worden, die so
begründete vertragliche Regelung sei wegen eines Formfehlers rechtsunwirksam.
Es wäre Sache der Arbeitgeberin gewesen, durch eine klare und verständliche
Erklärung zu vermeiden, dass aufgrund ihres Verhaltens eine Bindungswirkung
begründet werden konnte.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe die gezahlte Vergütung schon
deshalb nicht als Versprechen dauerhafter Zahlung nach BAT/VkA verstehen
dürfen, weil die Tariflohnerhöhungen nie unmittelbar und direkt weitergeben
wurden, sondern stets zunächst von der arbeitsrechtlichen Kommission für das
Diakonische Werk in der Fassung BAT/BL beschlossen wurden, bevor sie für die
Klägerin entsprechend nach BAT/VkA (rechtswidrig) umgesetzt wurden. Zu
Unrecht sehe das Arbeitsgericht in der Berufung auf das Schriftformerfordernis
einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Die Rückkehr zu der kirchenrechtlich
vorgegebenen Anwendung des BAT B/L könne nicht treuwidrig sein. Im Übrigen
fehle es bereits deshalb am Vorliegen einer betrieblichen Übung, weil die Beklagte
und ihre Rechtsvorgänger als nicht tarifgebundene Arbeitgeber sich grundsätzlich
nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen wollten,
sondern ihre Entscheidungsfreiheit über die künftige Gehaltsentwicklung behielten.
Hinsichtlich künftiger Gehaltserhöhungen habe deshalb eine Bindungswirkung nicht
eintreten können. Schließlich sei das Urteil auch deshalb aufzuheben, weil der
BAT/VkA seit 01. Oktober 2005 durch den TVöD abgelöst wurde. Eine Überleitung
in den TVöD scheide jedoch aus, weil insoweit zu Gunsten der Klägerin kein
Vertrauenstatbestand erwachsen konnte. Für das kirchliche Arbeitsrecht gelte ab
01. Oktober 2005 die KADAVO, nicht der TVöD.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2005 - 19/17 Ca
6081/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Die
Klägerin ist der Auffassung, die Frage ob die Vergütungszahlung nach BAT/VkA im
Verhältnis zwischen den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und dem
Diakonischen Werk rechtswidrig war, sei für das Arbeitsverhältnis der Parteien ohne
Bedeutung. Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hätten sich bewusst
entschieden, nach BAT/VkA zu vergüten. Unabhängig vom Bestehen einer
betrieblichen Übung habe die Klägerin jedenfalls eine individuelle Zusage erhalten.
Insoweit behauptet sie, die damalige Personalleiterin der Beklagten, Frau D, habe
der Klägerin die Vergütung nach BAT/VkA ausdrücklich zugesagt. Frau D habe ihr
vorab eine Berechnung des Gehalts zugeschickt. Dabei habe Frau D zwar den
BAT/VkA zugrunde gelegt, die Vergütung jedoch nicht nach der VkA-Endstufe
berechnet. Die Klägerin habe Frau D angerufen und darauf hingewiesen, dass sie
unter diesen Umständen nicht in das Anstellungsverhältnis eintreten würde.
Daraufhin habe Frau D die Vergütung nach BAT/VkA Tarifgruppe V b Endstufe
berechnet. Die Vergütung nach BAT/VkA sei daher bereits vor Abschluss des
schriftlichen Arbeitsvertrages vereinbart gewesen. Auch nach dem 01. Oktober
2005 könne eine Vergütung noch nach BAT/VkA, nämlich in der zuletzt gültigen
Fassung, erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
A.
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Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64
Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Leistungsantrags bestehen
keine Bedenken.
Auch der Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2) ist zulässig. Wie das
Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, muss sich die Feststellungsklage nicht
notwendiger Weise auf das Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit beziehen.
Vielmehr können auch einzelne Beziehungen und Folgen eines
Rechtsverhältnisses Gegenstand einer Feststellungsklage sein (Germelmann
ArbGG 5. Aufl. § 46 Rn. 53 m.w.N.). Bei der Frage nach welchem Tarifvertrag die
Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis zu zahlen ist, handelt es sich um eine
einzelne Beziehung aus dem Rechtsverhältnis, die damit feststellungsfähig ist.
Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, §
256 Abs. 1 ZPO. Der Vorrang der Leistungsklage steht hier dem
Feststellungsantrag deshalb nicht entgegen, weil mit einem Leistungsantrag nur
die bereits entstandenen Vergütungsansprüche geltend gemacht werden können.
Der gestellte Feststellungsantrag bezieht sich jedoch auch auf die Zukunft.
Hieraus ergibt sich das besondere Feststellungsinteresse.
II.
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin kann weder Zahlung der
Tariflohnerhöhungen nach BAT/VkA (Leistungsantrag) verlangen, noch die
Feststellung, dass sie nach BAT/VkA in der jeweils geltenden Fassung zu vergüten
ist.
1. Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den
jeweiligen, für Angestellte geltenden Bestimmungen des Dienstvertragsrechts des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (DVR/DWHN). Nach § 1 Abs. 1 der
Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau findet auf die Arbeitsverhältnisse der
im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau
als Angestellte beschäftigten Mitarbeiter der BAT in der für das Land Hessen
jeweils geltenden Fassung Anwendung.
b) Die Parteien haben auch nicht mündlich die Anwendung des BAT/VkA
vereinbart. Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Arbeitsvertrages sei ihr unmissverständlich der BAT/VkA
zugesagt worden. Dieses Vorbringen hat sie zweitinstanzlich dahingehend
konkretisiert, dass die damalige Personalleiterin der Beklagten, Frau D, ihr die
Vergütung nach BAT/VkA ausdrücklich zugesagt habe. Sie habe der Klägerin vorab
eine Berechnung des Gehalts zugeschickt und dabei zwar die Vergütung nach
BAT/VkA zugrunde gelegt, jedoch ohne Berücksichtigung der VkA-Endstufe. Dies
habe die Klägerin telefonisch reklamiert und sodann die richtige Eingruppierung
nach BAT/VkA Tarifgruppe V b Endstufe erhalten.
c) Die Auslegung von Willenserklärungen hat nach §§ 133, 157 BGB zu erfolgen.
Hierbei ist der objektive Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln. Maßgebend
ist insoweit der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des
vertraglichen Regelungszusammenhangs. In die Auslegung einzubeziehen sind
auch die Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf den
Sinngehalt derselben zulassen (BAG 27. August 1970 - 2 AZR 519/69 - BAGE 22,
424 zu 1 a) der Gründe). Ferner ist der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte
Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten einzubeziehen (BAG 15.
September 2004 - 4 AZR 9/04 - AP BGB § 157 Nr. 29 zu I. 1. b) bb) (2) der
Gründe). Schließlich ermöglicht die tatsächliche Handhabung des
Arbeitsverhältnisses Rückschlüsse auf dessen Inhalt ( BAG 25. Oktober 2000 - 4
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Arbeitsverhältnisses Rückschlüsse auf dessen Inhalt ( BAG 25. Oktober 2000 - 4
AZR 506/99 - BAGE 96, 177 zu II. 2. d) der Gründe).
d) Soweit die Klägerin behauptet, die damalige Personalleiterin der Beklagten habe
ihr Vergütung nach BAT/VkA ausdrücklich zugesagt, ist diese Erklärung nach ihrem
Wortlaut als Hinweis auf die zum damaligen Zeitpunkt praktizierte Zahlung von
Vergütung nach BAT/VkA zu verstehen. Dem objektiven Bedeutungsgehalt dieser
Erklärung lässt sich nicht entnehmen, dass auch für die Zukunft - entgegen der
bestehenden Regelungen für Mitglieder des Diakonischen Werks - eine Bindung an
künftige Erhöhungen des BAT/VkA herbeigeführt werden sollte. Die Erklärung von
Frau D bezog sich vielmehr auf die gegenwärtige Vergütung. Etwas anderes ergibt
sich auch nicht aus der von Frau D vorgenommenen Berechnung der Vergütung
nach BAT/VkA Tarifgruppe V b Endstufe. Hieraus kann nicht geschlossen werden,
Frau D habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten auch in Bezug auf künftige
Gehaltserhöhungen an den BAT/VkA binden wollen. Eine derartige Erklärung wäre
auch der Interessenlage der Rechtsvorgängerin der Beklagten offensichtlich
zuwider gelaufen. Wie Frau D bekannt gewesen sein musste, war diese nicht
tarifgebunden, so dass ihr jeweils frei stand, darüber zu entscheiden, ob bzw. in
welchem Umfang sie Tariferhöhungen nach BAT weitergibt oder nicht. Auch die
tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses lässt insoweit keine
Rückschlüsse auf einen Verpflichtungswillen der Rechtsvorgängerin der Beklagten
zu, da, selbst wenn in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen entsprechend
BAT/VkA erfolgten, die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen aufgrund
fehlender Tarifbindung hierzu nicht verpflichtet waren. Dass die
Rechtsvorgängerinnen der Beklagten ihre diesbezügliche Entscheidungsfreiheit
aufgeben wollten, ist nicht erkennbar.
2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergibt sich der klägerische
Anspruch nicht aus betrieblicher Übung.
a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter
Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer
schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer
eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des
Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend
angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich
gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist
nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung
oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und
durfte (ständige Rechtsprechung, vergleiche BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 -
zu I. 1. der Gründe m.w.N.). Im Wege der Auslegung des Verhaltens des
Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die
Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine
bestimmte Zeit gewährt. Bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber kann eine
betriebliche Übung der Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der
Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet nur angenommen werden, wenn
es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür gibt, dass er auf
Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen
übernehmen will. Denn ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich
nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies ist
gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts in einen Arbeitgeberverband. Die fehlende
Tarifbindung verdeutlicht den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und
Gehälter zukünftig nicht ohne weitere Prüfung entsprechend der Tarifentwicklung
vorzunehmen. Die nicht vorhersehbare Dynamik der Lohnentwicklung und die
hierdurch verursachten Personalkosten sprechen grundsätzlich gegen einen
objektiv erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen des Arbeitgebers zu einer
dauerhaften Entgeltanhebung entsprechend der Tarifentwicklung in einem
bestimmten Tarifgebiet. Mit den in Anlehnung an eine Tariflohnerhöhung
erfolgenden freiwilligen Lohnsteigerungen entsteht lediglich ein Anspruch der
Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Lohnes, nicht aber zugleich eine
Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Lohnerhöhungen weiterzugeben.
Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die
künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Darin unterscheidet sich dieser
Sachverhalt von der betrieblichen Übung bei der Gewährung von Zulagen oder
Jahressonderzahlungen. Hierbei entstehen zwar auch weitere Kosten. Diese sind
aber statisch und damit vorhersehbar und nicht unüberschaubar dynamisch
ausgestaltet (BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I. 2. der Gründe).
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b) Eine Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass zu Gunsten der Klägerin keine
betriebliche Übung im Sinne einer dynamischen Anpassung an die
Tariferhöhungen des BAT/VkA entstanden ist. Daraus, dass die Beklagte bzw.
deren Rechtsvorgängerinnen nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind, folgt,
dass sie sich die Entscheidungsfreiheit über die Übernahme von Tariferhöhungen
vorbehalten wollten. Soweit in der Vergangenheit Tariferhöhungen nach BAT/VkA
an die Beschäftigten weitergegeben wurden, entstand zwar ein Anspruch auf diese
konkreten Tariferhöhungen, nicht jedoch eine Bindungswirkung hinsichtlich
künftiger Tariferhöhungen.
3. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 2 Nr. 2
Personalüberleitungsvertrag als Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328
Abs. 1 BGB. Wie sich aus § 1 Nr. 1 u. 2 Personalüberleitungsvertrag ergibt, betrifft
dieser nur die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die zum 01.
Januar 1996 bestanden. Da das Arbeitsverhältnis zur Klägerin erst später
begründet wurde, wird es von dem Personalüberleitungsvertrag nicht erfasst.
C.
Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91
Abs. 1 ZPO
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor; insbesondere hat der
Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung zum Inhalt, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.