Urteil des LAG Hessen vom 06.08.2009

LAG Frankfurt: rechtsgeschäftsähnliche handlung, elektronische signatur, tarifvertrag, arbeitsgericht, anschrift, bezahlung, arbeitsentgelt, anschluss, urkunde, berufungskläger

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
14. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 Sa 563/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, § 126b BGB, § 126
BGB
(Zurückweisung von Ansprüchen durch e-mail)
Leitsatz
Soweit ein Tarifvertrag für die Zurückweisung von Ansprüchen aus dem
Arbeitsverhältnis die einfache Schriftform vorsieht, ist es ausreichend, wenn diese
Zurückweisung durch e-mail erfolgt, wenn für den Vertragspartner ausreichend
erkennbar ist, von wem die Erklärung abgegeben worden ist ( Anschluss an BAG v.
10.3.2009 - 1 ABR 93/07 - juris).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom
12.02.2008, Az. 20 Ca 5778/08 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliches Arbeitsentgelt als Differenz zwischen der
Entgeltgruppe I und der Entgeltgruppe VI für den Zeitraum von Januar bis Mai
2008.
Der Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) war vom 07.01.2008 bis
zum 01.06.2008 bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden:
Beklagte) als Maschinenarbeiter beschäftigt.
Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages (Bl.
11 - 15 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, findet auf das
Arbeitsverhältnis die Tarifverträge, abgeschlossen zwischen dem Bundesverband
Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) und der DGB Tarifgemeinschaft
Zeitarbeit in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung (§ 6, Bl. 13 d. A.).
Nach der Anlage zum Arbeitsvertrag vom 07.01.2008 (Bl. 15 d. A.) wurde ein
Entgelt nach der Entgeltgruppe 01 vereinbart. Entsprechend rechnete die Beklagte
das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von € 7,38 brutto pro Stunde ab.
Demgegenüber verlangt der Kläger Bezahlung nach der Entgeltgruppe VI in Höhe
von € 12,38 brutto.
Streitig ist zwischen den Parteien, insbesondere, ob der Kläger Tätigkeiten
ausführte, die keine Anlernzeit erfordern oder Tätigkeiten ausführte, die nach 5
Monaten der Beschäftigung kurze Anlernzeit erforderten oder ob seine Tätigkeiten
eine Meister- bzw. Technikerausbildung oder vergleichbare Qualifikationen
voraussetzten.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 01.04.2008, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird (Bl. 87 d. A.) Eingruppierung in die Entgeltgruppe VI des
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genommen wird (Bl. 87 d. A.) Eingruppierung in die Entgeltgruppe VI des
Entgeltrahmentarifvertrages sowie entsprechende Bezahlung. Dies lehnte die
Beklagte mit E-Mail vom 16. April 2008 (Bl. 88/89 d. A.) ab. Mit seiner am
13.08.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 21.08.2008
zugestellten Klage verlangt er die sich hieraus ergebende Differenz in Höhe von €
4.518,65 brutto.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten
Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des
Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 2009 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die im Tarifvertrag enthaltenen
Ausschlussfristen nicht gewahrt habe, insbesondere sei die in § 16 des
Manteltarifvertrages geregelte Frist, wonach Ansprüche im Falle ihrer Ablehnung
innerhalb von einem Monat nach Ablehnung gerichtlich geltend zu machen sind,
nicht gewahrt. Durch die E-Mail der Beklagten vom 16. April 2008 liege eine
wirksame schriftliche Ablehnung der Forderung vor.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 25.02.2009 zugestellt worden ist, hat
dieser mit Schriftsatz, der am 19.03.2009 beim Hessischen Landesarbeitsgericht
eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 06.04.2009 im
Einzelnen begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Er ist
insbesondere der Auffassung, die nach § 16 des Manteltarifvertrags erforderliche
schriftliche Zurückweisung sei durch die E-Mail der Beklagten nicht gewahrt.
Insbesondere sei § 126 a BGB anzuwenden, da die fragliche E-Mail vom
16.04.2008 keine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 126 a BGB
enthalte. Auch für Stellungnahmen des Betriebsrats gelte, dass eine einfache E-
Mail dem Schriftlichkeitsgebot nicht genüge.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom
12.02.2009 - Az.: 20 Ca 5778/08 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger €
4.518,65 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus € 788,35 seit dem 01.02.2008, aus € 994,70 seit dem
01.03.2008, aus € 1.058,05 seit dem 01.04.2008, aus € 932,55 seit dem
01.05.2008 sowie aus € 745,00 seit dem 01.06.2008 zu zahlen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie vertritt die Auffassung,
dass das Schriftformerfordernis nach dem Manteltarifvertrag durch die E-Mail der
Beklagten gewahrt sei.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der in der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Schriftsätze der Parteien, insbesondere
die Berufungsbegründung der Klägerseite vom 06.04.2009 sowie die
Berufungserwiderung der Beklagten vom 07.05.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gem. den §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO sowie nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist
fristgerecht und ordnungsgemäß eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG,
519 und 520 ZPO).
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das
Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Klage abgewiesen. Das
Berufungsgericht folgt in vollem Umfang den Gründen der angefochtenen
Entscheidung und macht sich diese voll inhaltlich zu Eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Zur
Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf diese verwiesen.
Die mit der Berufung vorgebrachten Angriffe, mit denen der Kläger sein
erstinstanzliches Vorbringen vertieft, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Im
Einzelnen gilt Folgendes:
1. Die Beklagte hat mit ihrer E-Mail die Ansprüche des Klägers wirksam
zurückgewiesen. Insoweit erfüllt die E-Mail zwar nicht die Voraussetzungen des §
126 Abs. 1 BGB, da eine eigenhändige Unterschrift der Urkunde fehlt. Die nach
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126 Abs. 1 BGB, da eine eigenhändige Unterschrift der Urkunde fehlt. Die nach
dem Tarifvertrag vorgesehene Schriftform ist jedoch gewahrt. § 16 des
Manteltarifvertrages hat folgenden Wortlaut:
„Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch
innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich
geltend gemacht werden.“
Für die Einhaltung der Schriftform im Sinne des § 18 MTV genügt die Einhaltung
der Textform gem. § 126 b BGB. Dies folgt daraus, dass es sich bei der Ablehnung
um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung handelt, nicht dagegen um ein
Rechtsgeschäft. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom
10.03.2009 erkannt, dass für rechtsgeschäftsähnliche
Handlungen die §§ 126 ff. BGB analog anwendbar sind. Insoweit stellt die
Rechtsprechung auf die jeweilige Interessenlage ab.
Anknüpfend an die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.2002
führt der Senat aus, dass auch die Ergänzung des § 126 BGB
durch § 126 a und § 126 b BGB an den Formvorschriften des Privatrechts nichts
geändert habe. Die vertraglichen Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitnehmer
einerseits und Arbeitgeber andererseits werden durch die fraglichen Erklärungen
weder begründet noch inhaltlich verändert oder beendet. Weder Normzweck noch
Interessenlage verlangen eine eigenhändige Unterzeichnung einer
entsprechenden schriftlichen Erklärung durch Namensunterschrift. Vielmehr ist
ausreichend, dass der Arbeitnehmer sichere Kenntnis davon erhält, dass der
Arbeitgeber den Forderungen des Arbeitnehmers nicht nachzukommen
beabsichtigt. Diesem Klarstellungszweck wird auch durch eine E-Mail ausreichend
genügt, ohne dass eine Originalunterschrift vorliegt. Ausreichend ist, dass der
Arbeitnehmer erkennen kann, von wem die Erklärung abgegeben wird.
Diesen Anforderungen wird die E-Mail vom 16.04.2008 gerecht. Aus ihr ist der
Verfasser der E-Mail ersichtlich, ebenso ist die Arbeitgeberin mit vollständiger
Anschrift, Geschäftsführung, Registernummer des Handelsregisters und Anschrift
angegeben. Damit hat die Beklagte das Schriftformerfordernis im Sinne des § 16
des Manteltarifvertrages gewahrt.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Voraussetzungen der
Entgeltgruppe VI erfüllt, nachdem die Ansprüche des Klägers durch nicht
rechtzeitige Geltendmachung verfallen sind.
2. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten der Berufung zu tragen, § 97
ZPO.
Es besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, die Revision zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.