Urteil des LAG Hessen vom 01.11.2010

LAG Frankfurt: ruhezeit, urlaub, dienstliche tätigkeit, arbeitsgericht, anschluss, verordnung, kabinenpersonal, rechtsmissbrauch, sicherheit, betriebsordnung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
17. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 Sa 968/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 ArbZG, Anh 3 Abschn Q
EWGV 3922/91, LuftBODV 2,
§ 1 TVG
Zusammenfallen von tariflich vorgeschriebenen Ruhezeiten
und Erholungsurlaub - MTV Nr 1a Kabinenpersonal
Lufthansa
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Februar 2010, 15 Ca
8300/09, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug darüber, ob tarifvertraglich
vorgeschriebene Ruhezeiten und Erholungsurlaub zusammenfallen können.
Wegen der Darstellung des Sach- und Streitstandes, des Vortrags der Parteien im
ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 91 bis 93 d. A.).
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 03. Februar 2010
verkündetes Urteil, 15 Ca 8300/09, abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, Urlaubsansprüche könnten auch während
tarifvertraglicher Ruhezeiten erfüllt werden. Der Zweck der Ruhezeiten und der
Zweck des Erholungsurlaubs schlössen sich nicht gegenseitig aus. Auch während
des Urlaubs sei der mit den Ruhezeiten bezweckte Gesundheitsschutz
gewährleistet. Die tarifvertraglichen Regelungen würden weder einen Anspruch auf
gesonderte Gewährung von Ruhezeiten im Sinne eines eigenständig
durchsetzbaren Freistellungsanspruchs bzw. Zusatzurlaubs gewähren noch
vorschreiben, in welcher Weise die Einhaltung der Ruhezeiten zu gewährleisten sei.
Maßgebend sei allein, dass der Arbeitnehmer während der vorgeschriebenen
Ruhezeit nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werde. Auch wenn der
Arbeitnehmer aus anderen Gründen ohnehin arbeitsfrei habe, sei sichergestellt,
dass ihm ausreichend Zeit gegeben werde, sich von den Auswirkungen des
vorangegangenen Dienstes zu erholen und vor dem nächsten Flugeinsatz gut
ausgeruht zu sein. Auch die Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 vom 16. Dezember
1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der
Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt (in der Folge: VO (EWG) Nr. 3922/91),
geändert durch Verordnung (EG) Nr. 859/2008 der Kommission vom 20. August
2008 (in der Folge: VO (EG) Nr. 859/2008), und die Vorschriften der LuftBO
enthielten kein Anrechnungsverbot. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 93 bis 96 d. A.).
Gegen dieses ihr am 01. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Juni
2010 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 02. August 2010 begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag und behauptet, die Beklagte
gestalte die Dienstpläne systematisch in der Weise, dass Flugereignisse so
zugewiesen würden, dass danach anfallende Ruhezeiten in die Zeit eines bereits
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zugewiesen würden, dass danach anfallende Ruhezeiten in die Zeit eines bereits
genehmigten Erholungsurlaubs fielen. Dementsprechend lasse sie auch keine
Requests auf Umläufe zu, nach deren Abschluss die Ruhezeit in die Zeit bis zum
Beginn eines bereits festgelegten Erholungsurlaubs gelegt werden könne. Die
Klägerin meint, die Beklagte verkürze damit systematisch den Urlaubsanspruch
ihrer Kabinenmitarbeiter. Sie vertritt die Auffassung, die Ruhezeitregelungen für
das fliegende Personal dienten gegenüber der in § 5 ArbZG geregelten Ruhezeit
für Bodenbetriebe weitergehenden Zwecken, nämlich der Sicherheit des
Luftverkehrs, und sollten im Sinne der gesundheitlichen Prävention der
Besonderheit Rechnung tragen, dass im Flugverkehr zum Teil erhebliche
Zeitzonen zu überbrücken seien und Arbeitsbänder im Bereich des
Tagesrhythmustiefes anfielen. Ruhezeiten sollten insbesondere gewährleisten,
dass ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus nach der Zeitzone der Heimatbasis
beibehalten werden könne. Die Ruhezeiten für Flugpersonal sollten dem Ausgleich
der Auswirkungen von Zeitzonenunterschieden dienen und insoweit
luftverkehrstypische Belastungen ausgleichen. Anders als die nach § 5 ArbZG zu
gewährende Ruhezeit sei die durch die Beklagte gewährte Ruhezeit nach den
tarifvertraglichen Bestimmungen wie auch nach der VO (EWG) Nr. 3922/91 durch
das Personal auch zweckentsprechend zu nutzen. Die Gewährung von Ruhezeit
durch Urlaub verletze die VO (EWG) Nr. 3922/91, führe zu einer Gefährdung des
Luftverkehrs und lasse weder einen ordnungsgemäßen Urlaubsantritt noch eine
freie Gestaltung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer zu. Zweckentsprechende
Verwendung der Ruhezeit schließe bestimmte Aktivitäten anlässlich eines
Kurzurlaubs aus. Im Anschluss an einen Langstreckeneinsatz könne nicht
ordnungsgemäß Urlaub angetreten werden, da der hiernach bestehende
besondere körperliche Erschöpfungszustand und der gestörte Wach-Schlaf-
Rhythmus eine Urlaubsaufnahme mit den üblichen Urlaubsaktivitäten nicht
zulasse. Gewährung von Ruhezeit durch Urlaub schränke die Urlaubsgestaltung ein
und verkürze damit den Urlaubsanspruch. Soweit das Bundesarbeitsgericht
abstrakt festgehalten habe, Ruhezeiten könnten in unterschiedlicher Form und ggf.
auch durch Urlaubserteilung gewährt werden, gelte dies aufgrund der dort
bestehenden besonderen Bedingungen nicht für den Luftverkehr. Indem die
Beklagte planmäßig die Urlaubsansprüche der Kabinenmitarbeiter verkürze,
vereitle bzw. gefährde sie die zweckentsprechende Nutzung der Ruhezeit. Die
Klägerin hält ferner an ihrer Auffassung fest, das Verhalten der Beklagten sei
mitbestimmungswidrig.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom
03. Februar 2010, 15 Ca 8300/09, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
in genehmigte Urlaubszeiten fallende Ruhezeiten als Ruhezeiten zu gewähren, die
nicht mit dem Urlaubsanspruch verrechnet werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages daran fest, Ruhezeiten
könnten auch durch Urlaubsgewährung eingehalten werden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
vom 03. Februar 2010, 15 Ca 8300/09, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519,
520 Abs. 1 und 3 ZPO.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte kann Ruhezeiten mit Urlaub "verrechnen"; die tarifvertraglich und
nach dem durch VO (EG) Nr. 859/2008 und zuvor durch VO (EG) Nr. 8/2008
geänderten Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91 einzuhaltenden Ruhezeiten sind
auch dann gewährleistet, wenn sie in Zeiten des Erholungsurlaubs fallen. Es wird
festgestellt, dass die Kammer den Entscheidungsgründen des angefochtenen
Urteils folgt, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf das Vorbringen in der Berufung ist
Folgendes zu ergänzen:
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Für den Bereich des ArbZG ist anerkannt, dass Ruhezeiten i. S. d. § 5 ArbZG auch
durch Urlaubsgewährung eingehalten werden können
Diese Grundsätze finden auch vorliegend Anwendung. Es besteht kein Grund,
tarifvertraglich oder gemäß VO (EWG) Nr. 3922/91 Anhang III, Abschnitt Q, OPS
1.1110 zu gewährende Ruhezeiten wegen Besonderheiten des Luftverkehrs anders
zu behandeln.
Zutreffend ist, dass für die Klägerin als Besatzungsmitglied von Luftfahrzeugen § 5
ArbZG keine Anwendung findet. Gemäß § 20 ArbZG gelten die Vorschriften über
Flug-, Flugdienst- und Ruhezeiten der Zweiten Durchführungsverordnung zur
Betriebsordnung für Luftfahrtgerät in der jeweils geltenden Fassung (in der Folge:
2. DV LuftBO), § 20 ArbZG, wobei gemäß § 1 Abs. 2 2. DV LuftBO seit 16. April
2009 bei Einsatz von Besatzungsmitgliedern für die gewerbsmäßige Beförderung
in Flugzeugen anstelle der §§ 2 bis 24 2. DV LuftBO die Bestimmungen des
Anhangs III (in der Folge: OPS) der VO (EWG) Nr. 3922/91, zuletzt geändert durch
VO (EG) Nr. 859/2008 in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zur
Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (in der Folge: 1. DV LuftBO) in ihrer jeweils
geltenden Fassung gelten.
Entgegen den Regelungen im ArbZG enthalten der MTV Nr. 1 a und die OPS eine
Definition des Begriffs der Ruhezeit. Hiernach ist Ruhezeit eine
zusammenhängende Zeit von mindestens 10 Stunden, während der ein
Mitarbeiter von Dienstleistungen jeglicher Art befreit ist (§ 4, 4. Abschnitt, A Abs. 1
MTV Nr. 1 a, ebenso § 6 Abs. 1 2. DV LuftBO in der bis 15. April 2009 geltenden
Fassung), bzw. ein festgelegter ununterbrochener Zeitraum, in dem das
Besatzungsmitglied von allen dienstlichen Verpflichtungen befreit und nicht in
Bereitschaft auf dem Flughafen ist (OPS 1.1095, Nr. 1.13.). Dies entspricht dem
formalen Verständnis des Begriffs der Ruhezeit auch nach dem ArbZG, wonach
formal Ruhezeit der Zeitraum zwischen Ende der täglichen Arbeitszeit und Beginn
der nächsten täglichen Arbeitszeit bzw. die Zeit zwischen zwei Arbeitsschichten ist
Von daher bestehen keine Unterschiede zum Ruhezeitbegriff des ArbZG,
die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der Arbeitnehmer ist auch
dann von Dienstleitungen jeglicher Art bzw. von allen dienstlichen Verpflichtungen
befreit, wenn ihm Erholungsurlaub gewährt wird.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, die in Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91
enthaltenen Vorschriften über Ruhezeiten dienten – auch – dem präventiven
Gesundheitsschutz, mag dies aus Erwägungsgrund 10 der VO (EG) Nr. 1899/2006
abzuleiten sein und kann als zutreffend angenommen werden
Wenn Zweck der Ruhezeiten damit – jedenfalls
auch – die Sicherstellung der notwendigen Erholung der Personals zwischen zwei
Flugdienstzeiten ist, liegt insoweit ebenfalls keine Abweichung gegenüber dem sog.
materiellen Ruhezeitbegriff des ArbZG vor. Dieser wird verstanden als die Zeit der
Erholung und Ruhe, die Zeit der Regeneration der durch die Arbeit verbrauchten
Kräfte, insb. durch ununterbrochenen Schlaf, wobei der Erholungswert der Ruhezeit
entscheidend von der freien Verfügbarkeit des Arbeitnehmers über diese Zeit und
der Gewissheit abhängt, während der Ruhezeit nicht zur Arbeit abberufen zu
werden Diese arbeitsschutzrechtliche
Zielsetzung der Ruhezeit unterscheidet sich bei Mitarbeitern des fliegenden
Personals nicht von der bei Mitarbeitern in Bodenbetrieben. Erholung wird durch
frei verfügbare Zeit gewährleistet, innerhalb derer ein Arbeitseinsatz
ausgeschlossen ist. Dies wiederum ist auch bei Urlaubsgewährung der Fall.
Besonderen Belastungen des fliegenden Personals durch die Dauer des Umlaufs
und/oder die Überwindung verschiedener Zeitzonen wird hierbei durch die Dauer
der einzuhaltenden Ruhezeit Rechnung getragen, § 4, 4. Abschnitt, A, B und C MTV
Nr. 1 a, OPS 1.1110 Nr. 1.3., § 12 1. DV LuftBO.
Auch Gesichtspunkte der Flugsicherheit gebieten keine andere Beurteilung. Die
über die Bestimmungen des ArbZG hinausgehenden Beschränkungen der
Arbeitszeit in der Luftfahrt dienen, zumindest auch, der Sicherheit des
Luftverkehrs. Die entsprechenden Vorschriften sind damit auch unter dem
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Luftverkehrs. Die entsprechenden Vorschriften sind damit auch unter dem
Gesichtspunkt der Flugsicherheit auszulegen
Grenzen der Anrechnung arbeitsfreier
Zeiten auf die Ruhezeiten können sich dabei aus dem Rechtsgedanken ergeben,
dass der Arbeitgeber im Luftverkehr für eine effektive Ruhezeit zu sorgen hat. Dies
wurde bisher aus § 9 Abs. 6 2. DV LuftBO in der bis 15. April 2009 geltenden
Fassung abgeleitet
ergibt sich aber auch daraus, dass der
Luftfahrtunternehmer sicherzustellen hat, dass die Ruhezeiten den
Besatzungsmitgliedern ausreichend Zeit geben, sich von den Auswirkungen des
vorangegangenen Dienstes zu erholen und zu Beginn der darauf folgenden
Flugdienstzeit gut ausgeruht zu sein (OPS 1.1090, Nr. 3.5.), und dass
Besatzungsmitglieder die zur Verfügung gestellten Gelegenheiten und
Einrichtungen für Ruhepausen bestmöglich nutzen und ihre Ruhezeiten
ordnungsgemäß planen und in Anspruch nehmen sollten (OPS 1.1090, Nr. 4.2.).
Effektive Ruhezeit und Nutzung zur Erholung wird aber nicht dadurch
beeinträchtigt, dass im Anschluss an einen Umlauf Erholungsurlaub gewährt wird.
Dementsprechend betrifft das von der Klägerin genannte Beispiel eines
Kurzurlaubs mit Interkontinentalflug für eine Städtereise auch nicht die Frage, ob
mit einem sog. Kurzurlaub die Möglichkeit einer effektiven Nutzung der Ruhezeit zu
Erholungszwecken eingeräumt wird, sondern allenfalls, ob sie vom Arbeitnehmer
tatsächlich genutzt wird. Im Übrigen wird die Flugsicherheit, auch unter dem von
der Klägerin angeführten Aspekt der Beibehaltung des geregelten Schlaf-Wach-
Rhythmus bei der Überbrückung von Zeitzonen anlässlich eines Umlaufs, nicht nur
durch die Lage der Ruhezeiten gewährleistet, sondern beispielsweise auch durch
die Begrenzung der höchstzulässigen Flugstunden im Jahr und durch die
Verlängerung der Ruhezeiten, § 4, 4. Abschnitt MTV Nr. 1 a, OPS 1.1110 Nr. 1.3.
Die Einhaltung von Ruhezeiten durch genehmigten Erholungsurlaub führt weder zu
einer Verkürzung des Urlaubsanspruchs noch widerspricht sie dem Zweck des
Erholungsurlaubs.
Der Umfang des Erholungsurlaubs von 42 Kalendertagen (§ 17 Abs. 3 MTV Nr. 1 a)
wird nicht dadurch reduziert, dass er zum Teil auch der Einhaltung der Ruhezeiten
i. S. d. § 4, 4. Abschnitt MTV Nr. 1 a, OPS 1.1110 dient.
Mit dem Zusatz "Erholung" wird zwar nur der sozialpolitische Zweck umschrieben,
dem der Urlaubsanspruch dienen soll
Seine Entstehung setzt somit weder ein
konkretes noch ein abstraktes Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers voraus
Unabhängig von einem
Erholungsbedürfnis
hat der Arbeitgeber zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs
den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen und ihm uneingeschränkt zu
ermöglichen, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des
Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen
Dies schließt es aber nicht aus,
Urlaub zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich erholungsbedürftig ist, im
Gegenteil. Weder ist Urlaub ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer wegen
bestehenden Erholungsbedürfnisses nicht sofort bei Urlaubsbeginn oder während
eines sog. Kurzurlaubs sämtlichen von der Klägerin genannten besonderen
Aktivitäten nachgehen kann, noch besteht ein Anspruch, Urlaub, auch sog.
Kurzurlaub, bereits in erholtem Zustand antreten zu können und deshalb der
Erholung dienende Ruhezeiten vor Urlaubsantritt einzuräumen. Auch insoweit
besteht kein Unterschied zwischen Mitarbeitern von Bodenbetrieben und
Besatzungsmitgliedern von Luftfahrzeugen.
Ein derartiger Unterschied kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die
Klägerin tarifvertraglich verpflichtet ist, die Ruhezeit zweckentsprechend zu
verwenden, § 4, 4. Abschnitt, A Abs. 2 MTV Nr. 1 a, wie auch die Beklagte nach § 9
Abs. 6 2. DV LuftBO in der bis 15. April 2009 geltenden Fassung (§ 15 Abs. 5 2. DV
LuftBO in der ab 16. April 2009 geltenden Fassung findet auf die Klägerin keine
Anwendung, § 1 Abs. 2 2. DV LuftBO) verpflichtet war, die Besatzungsmitglieder
schriftlich anzuweisen, während der Ruhezeit deren Zweck entgegenstehende
Tätigkeiten zu unterlassen. Auch dem ArbZG unterfallende Arbeitnehmer trifft die
vertragliche Nebenpflicht, die ihnen gewährte Ruhezeit zweckentsprechend zu
verwenden Ebenso trifft im Übrigen
Mitarbeiter von Bodenbetrieben und Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen
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Mitarbeiter von Bodenbetrieben und Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen
während des Urlaubs zwar keine Erholungsverpflichtung, aber trotz
selbstbestimmter Nutzung der Freizeit gleichermaßen die arbeitsvertragliche
Nebenpflicht, ihr außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass die
ordnungsgemäße dienstliche Tätigkeit nicht unmöglich gemacht wird. Dies gilt
auch während des Urlaubs bezüglich der ordnungsgemäßen Arbeitsaufnahme
nach Urlaubsende
Dass den Kabinenmitarbeitern neben dem Urlaub Ortstage zustehen, § 4, 7.
Abschnitt Abs. 1 MTV Nr. 1 a, § 8 Abs. 4 1. DV LuftBO, die die Ruhezeiten
beinhalten können, § 4, 7. Abschnitt Abs. 5 MTV Nr. 1 a, § 8 Abs. 3 Satz 2 1. DV
LuftBO, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch im Geltungsbereich des ArbZG
erfüllen arbeitsfreie Sonn- und Feiertage sowie sonstige arbeitsfreie Tage wie zB.
Samstage die Voraussetzungen der Ruhezeit. Damit ist noch keine Aussage
darüber getroffen, ob Urlaub die Voraussetzungen der Ruhezeit erfüllt. Die
tarifliche Regelung stellt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, ebenso wie § 8
Abs. 3 1. DV LuftBO lediglich klar, dass Ortstage nicht auf Urlaub anzurechnen
sind. Entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung kommt den
Ruhezeiten auch keine weitergehende Schutzfunktion wegen an Sonn- und
Feiertagen zu erbringenden Arbeitsleistungen zu. Dieser Ausgleich wird vielmehr
durch die sog. Orts- bzw. "OFF"-Tage geschaffen.
Die Gewährung von Ruhezeiten durch Urlaub führt zu keiner finanziellen
Schlechterstellung der Klägerin. Wenn die auf Urlaubstage entfallende
Schichtzulage nicht steuerfrei ist
so gilt dies für sämtliche der Klägerin zustehenden Urlaubstage. Der Umfang
des Erholungsurlaubs der Klägerin wird nicht dadurch verändert, dass er teilweise
auch die Voraussetzungen der Ruhezeit erfüllt. Dementsprechend ist und bleibt
die Schichtzulage für einen Urlaub von 42 Kalendertagen (§ 17 Abs. 3 MTV Nr. 1 a)
steuerpflichtig. Der Unterschied besteht vielmehr darin, dass in der Zeit, für die die
Klägerin eine steuerfreie Schichtzulage erhält, ggf. mehr Arbeitstage und weniger
Ruhezeiten liegen.
Da Ruhezeiten auch durch Urlaub eingehalten werden können, liegt entgegen der
Auffassung der Klägerin auch kein Verstoß der Beklagten gegen
Aufzeichnungspflichten, § 55 Abs. 1 LuftBO, OPS 1.1135, vor.
Soweit die Klägerin auch in der Berufung daran festhält, die Beklagte gestalte
Dienstpläne systematisch so, dass tarifvertragliche Ruhezeiten in bereits
genehmigten Erholungsurlaub fielen, und lasse Requests auf Umläufe nicht zu, bei
denen die Ruhezeit in die Zeit vor Urlaubsantritt falle, und die Beklagte verhalte
sich mitbestimmungswidrig, hat das Arbeitsgericht bereits auf widersprüchlichen
Vortrag der Klägerin hingewiesen. So wurde der Klägerin unstreitig der Request
nach A vom 06. März 2009 bis 08. März 2009 gewährt und im Anschluss daran
eine Ruhezeit eingehalten, die vor dem danach genehmigten Urlaub endete. Das
Arbeitsgericht hat ferner zu Recht Zweifel an der Mitbestimmungswidrigkeit der
Maßnahme geäußert. § 77 des Tarifvertrages Personalvertretung für das
Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV) enthält kein Mitbestimmungsrecht
in Arbeitszeitfragen oder bezüglich der Ruhezeiten, sondern verweist auf den
Tarifvertrag Bordpersonal, der für das Kabinenpersonal durch den MTV Nr. 1 a
abgelöst wurde. Nach § 4, 8. Abschnitt MTV Nr. 1 a hat die Personalvertretung
mitzubestimmen bei der Feststellung der Umlaufpläne des Kabinenpersonals. Dies
ist erfolgt. Feststellung der Umlaufpläne umfasst nicht die nach Abschluss eines
Umlaufs einzuhaltende Ruhezeit. Um diese geht es vorliegend und nicht etwa um
eine während des Umlaufs einzuhaltende Ruhezeit. Die zwischen zwei Umläufen
einzuhaltenden Ruhezeiten betreffen aber die mitbestimmungsfreie
Einsatzplanung und nicht die Feststellung der Umlaufpläne. Selbst wenn dies der
Fall wäre, wären die einzuhaltenden Ruhezeiten, für die im Übrigen tarifvertragliche
und gesetzliche Regelungen bestehen, eingehalten. Dass sich ein etwaiges
Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung darüber hinaus dann auch noch auf
die Rechtsfrage erstrecken könnte, ob Ruhezeiten auch durch Urlaubsgewährung
eingehalten werden, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon hat das Arbeitsgericht
aber schließlich auch zu Recht darauf abgestellt, dass ein etwaiger Verstoß gegen
§ 106 GewO und/oder gegen Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung ggf.
zu einer Unwirksamkeit einer Maßnahme im Einzelfall führen könnte, nicht jedoch
zu einem mit dem Klageantrag verfolgten allgemeinem und generellen Verbot,
Ruhezeiten durch Urlaubsgewährung einzuhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
29 Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.