Urteil des LAG Hessen vom 25.02.2011

LAG Frankfurt: ordentliche kündigung, bedingung, vergleich, arbeitsgericht, auflage, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, dokumentation, meinung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
1. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ta 483/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 33 RVG
Wertfestsetzung - bedingter Klageantrag auf
Weiterbeschäftigung für den Fall der Erfolglosigkeit der
Güteverhandlung
Leitsatz
Ein Klageantrag auf Weiterbeschäftigung neben einer Kündigungsschutzklage kann
bedingt gestellt werden für den Fall, dass die Güteverhandlung erfolglos bleibt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main vom 25. Oktober 2010 – 8 Ca 2570/10 – aufgehoben. Der Wert
gem. § 33 RVG wird für das Verfahren auf 14.380,00 Euro und für den Vergleich auf
20.450,20 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin hat geklagt auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis durch eine
fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist (Klageantrag
zu 1). Zusätzlich ist „für den Fall des Scheiterns des Gütetermins …“ zu 2)
beantragt worden, die Klagepartei … weiterzubeschäftigen.
Der Rechtsstreit ist nach erfolgloser Güteverhandlung durch einen Vergleich gem.
§ 278 Abs. 6 ZPO beendet worden.
Auf Antrag der Klägervertreter hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 25.
Oktober 2010 den Wert gem. § 33 RVG für das Verfahren auf 10.785,00 Euro (=
den Betrag eines Vierteljahresverdienstes brutto) und für den Vergleich auf
16.855,29 Euro festgesetzt.
Das Arbeitsgericht hat dabei den Klageantrag zu 2) nicht separat bewertet. Der
Antrag sei nicht von einer Rechtsbedingung im innerprozessualen Sinne abhängig
gemacht, es handele sich vielmehr um einen Vorbehalt im tatsächlicher Hinsicht,
welcher allein vom Verhalten der Gegenseite abhängen solle; eine Klageerhebung
unter solch einer Bedingung sei jedoch nicht zulässig. Da aber keine unbedingte
Klageerhebung gewollt gewesen sei, sei der Antrag dahin auszulegen, dass er nur
für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) gestellt worden sei.
Gegen den ihnen am 29. Oktober 2010 zugestellten Beschluss haben die
Klägervertreter mit Schriftsatz vom 02. November 2010 – eingegangen beim
Arbeitsgericht am 04. November 2010 – Beschwerde eingelegt.
Die Klägervertreter vertreten die Ansicht, die vom Arbeitsgericht gewählte
Auslegung sei unzutreffend. Die von Seiten der Klägerin gewollte Bedingung
ergebe sich klar aus dem Wortlaut in der Klageschrift, nach dem Scheitern der
Güteverhandlung liege damit ein unbedingter Antrag vor. Die Werte für das
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Güteverhandlung liege damit ein unbedingter Antrag vor. Die Werte für das
Verfahren und den Vergleich seien mithin jeweils um den Betrag einer
Bruttomonatsvergütung zu erhöhen. Im Übrigen gelte: Selbst wenn die gewählte
Bedingung unzulässig wäre, sei auch der unzulässige Antrag zu bewerten.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sich dazu auf die
Gründe des angefochtenen Beschlusses bezogen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Klägervertreter hat
Erfolg.
Die Werte für das Verfahren und für den Vergleich sind im Hinblick auf den
Klageantrag zu 2) gegenüber der Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht um
jeweils den Betrag einer Bruttomonatsvergütung in unstreitiger Höhe zu erhöhen,
also um jeweils 3.595,00 Euro (auf 14.380,00 Euro für das Verfahren und auf
20.450,20 Euro für den Vergleich), wobei der Vergleichsmehrwert im Übrigen nicht
im Streit steht.
Der Klageantrag zu 3) auf Weiterbeschäftigung stellt nach der erfolglosen
Güteverhandlung einen unbedingten Antrag dar, der im Einklang mit der ständigen
Kammerrechtsprechung mit dem Betrag einer Bruttomonatsvergütung zu
bewerten ist (
).
Zwar sind bedingte Klageanträge grundsätzlich unzulässig. Es ist mit der Aufgabe
und den Zwecken eines staatlich geordneten Prozessverfahrens unvereinbar, dass
ein Rechtsstreit geführt wird, der von Anfang an unter einer von der Klägerseite
willkürlich gesetzten Bedingung steht und gegenstandslos wird, wenn die
Bedingung nicht eintritt (
).
Einen solchen Antrag hat die Klägerin jedoch nicht gestellt, soweit sie den Antrag
auf Verurteilung der Beklagten zu ihrer Weiterbeschäftigung für den Fall der
Erfolglosigkeit der Güteverhandlung gestellt hat. Es handelt sich nicht um eine
willkürliche und unzulässige Bedingung (
).
Innerhalb eines bestehenden Prozessrechtsverhältnisses wie hier kann eine
Prozesshandlung anerkanntermaßen von einer innerprozessualen Bedingung
abhängig gemacht werden (
), wobei das
innerprozessuale Ereignis, auf das abgestellt wird, keineswegs nur eine gerichtliche
Entscheidung sein kann (
). Die hier gewählte Gestaltung lässt auch nicht im
Zweifel, mit welchen Anträgen und mit welcher Tatsachengrundlage im jeweiligen
Stadium prozessiert wird (
), insoweit besteht jeweils die prozessual unabdingbar
gebotene sichere Grundlage.
Dass die Antragsgestaltung auf eine für die Klägerseite günstigere
Kostengestaltung abzielt, spricht nicht gegen deren Zulässigkeit (
).
Es bedarf keiner Kostenentscheidung. Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben,
weil die Beschwerde Erfolg hat, und Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9
Satz 2 RVG).
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.