Urteil des LAG Hessen vom 24.11.2010

LAG Frankfurt: gbv, arbeitsgericht, arbeitsbedingungen, beihilfe, private krankenversicherung, zukunft, verwaltungskosten, personalausschuss, mehrbelastung, rentner

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
6. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6/18 Sa 747/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 77 BetrVG, § 242 BGB
Ablösung vertraglicher Einheitsregelung
Orientierungssatz
Ablösung einer vertraglichen Einheitsregelung (sog. Tarifregelung der DPG) durch GBV
von ver.di
Billigkeitskontrolle der Ablösung einer vertraglichen Regelung auf Beihilfeberechtigung
des Arbeitnehmers nach Regeln des öffentlichen Dienstes
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitgerichts Frankfurt am Main
vom 21. Januar 2009 – 22 Ca 5222/08 – teilweise abgeändert, es wird festgestellt,
dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Krankheitsfalle weiterhin Beihilfe
und Unterstützung nach den im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften
und Unterstützungsgrundsätzen gemäß der Regelung nach § 17 des Anhangs II
der Tarifregelung der DPG vom 20. Juni 2000 über den 01.01.2009 hinaus als
Arbeitnehmer und als Rentner zu gewähren.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Beihilfe und
Unterstützungen gemäß den im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften
und Unterstützungsgrundsätzen zu gewähren.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger, soweit im Berufungsverfahren noch
relevant, die Fortführung der für ihn ehemals geltenden Tarifregelung der DPG (§
17) für die Zeit des Bestehens seines Arbeitsverhältnisse bis zum 31. Dezember
2009 und für die Zeit des Eintritts in den Ruhestand geltend.
Der am 26. Dezember 1949 geborene Kläger trat am 2. Oktober 1975 als
Gewerkschaftssekretär in die Dienste der Deutschen Postgewerkschaft (DPG).
Zuletzt war der Kläger auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom
21. Dezember 1999 (vgl. Anlage K4 zur Klageschrift vom 18. Juli 2008, Bl. 16, 17
d.A.) als Bezirkssekretär der DPG in der Hauptverwaltung Frankfurt am Main
beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist unter anderem vereinbart:
5. Auf das Beschäftigungsverhältnis finden die Bestimmungen der Tarifregelung für
die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft in ihrer jeweils geltenden
Fassung Anwendung.
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Der Kläger war vor der Einstellung bei der DPG Beamter der Deutschen
Bundespost und daher gemäß den beamtenrechtlichen Bestimmungen
beihilfeberechtigt. Die DPG führte diese Beihilfeberechtigung fort und erstattete
dem Kläger 50 % seiner Krankenkosten und der Krankenkosten seiner
Familienangehörigen. Der Kläger schloss zur weiteren Abdeckung der
Krankenkosten eine private Krankenversicherung bei der
Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) ab.
Bei der DPG wurden die Arbeitsbedingungen durch sog. Tarifregelungen bestimmt,
die durch den Hauptvorstand der DPG beschlossen wurden. Diese Tarifregelungen
wurden zuvor im Personalausschuss/in der Personalkommission vorbereitet. In der
Satzung der DPG vom 28., 29. November 1996 (vgl. Anl. K26 zur
Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 26.06.2009, Bl. 335-343 d.A.) heißt
es hierzu auszugsweise:
§ 50
Aufgaben des Hauptvorstandes
1. Der Hauptvorstand vertritt die Deutsche Postgewerkschaft nach innen und
außen. Er hat unter Beachtung der Ziele und Grundsätze der Deutschen
Postgewerkschaft (§ 3) alle Aufgaben (§ 4) und Aufträge, die sich aus der Satzung,
den Beschlüssen des Gewerkschaftskongresses und des Gewerkschaftsrates
ergeben, verantwortlich durchzuführen.
3. Der Hauptvorstand kann Beratungsgremien bilden. Aufgabenstellung und
Zusammensetzung werden durch Richtlinien geregelt.
Dem Personalausschuss gehörte ein Mitglied des Gesamtbetriebsrates der DPG
an. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates hatte ein Anhörungsrecht im
Personalausschuss. Zu den vom Personalausschuss erarbeiteten Entwürfen für
Tarifregelungen konnte der Gesamtbetriebsrat Stellung nehmen.
Der Beklagte wurde im Wege der Verschmelzung der Einzelgewerkschaften
Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG), Deutsche Postgewerkschaft (DPG),
Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Industriegewerkschaft
Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst (IG Medien) und der Gewerkschaft
Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) im März 2001 gegründet.
Im Vorfeld der beabsichtigten Verschmelzung schlossen die
Gründungsgewerkschaften/Quellorganisationen mit ihren jeweiligen
Gesamtbetriebsräten am 18. Mai 2000 eine Grundsatzvereinbarung zur Gründung
und Aufbau von ver.di (vgl. Anlage K8 zur Klageschrift vom 18.07.2008, Bl. 28-32
d.A., im folgenden "Grundsatzvereinbarung" genannt). Hier ist unter anderem
geregelt:
1.
Mit der Eintragung der Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz gehen alle
bei den Gewerkschaften bestehenden Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und
Pflichten, wie sie zum Zeitpunkt der Verschmelzung bestehen, auf ver.di über.
Die allgemeinen Anstellungsbedingungen und –regelungen der fünf
Gewerkschaften gelten jeweils für die aus ihrem ursprünglichen Geltungsbereich
stammenden Beschäftigten über den Zeitpunkt der Verschmelzung hinaus
solange fort, bis sie durch neue Vereinbarungen ersetzt werden.
Die Beteiligten dieser Vereinbarung sind sich dabei einig in dem Bestreben,
einvernehmlich neue einheitliche allgemeine Anstellungsbedingungen für alle
Beschäftigten zu schaffen.
Solche Regelungen, die üblicherweise tariflich normiert sind, können vor dem
30.06.2003 nicht ohne die Zustimmung der jeweils anderen Betriebspartei
(Gesamtbetriebsrat und Bundesvorstand von ver.di) vereinbart werden; die
Zustimmung kann nicht ersetzt werden. Unter Wahrung der für ver.di zu
vereinbarenden erweiterten Mitbestimmungsrechte sowie der dazu gehörenden
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vereinbarenden erweiterten Mitbestimmungsrechte sowie der dazu gehörenden
Konfliktlösungsregelungen ist nach diesem Zeitpunkt das Zustandekommen
solcher Regelungen auch ohne die Zustimmung einer der beiden Betriebsparteien
(Gesamtbetriebsrat und Bundesvorstand von ver.di) möglich.
Anstellungsbedingungen, die nicht einvernehmlich zustande gekommen sind,
können frühestens am 1. Juli 2004 in Kraft treten. Jede/r Beschäftigte hat die
Möglichkeit, bis zum 31.12.2007 seine/ihre bisherigen Vergütungsregelungen
(Entgelte einschließlich Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, Eingruppierung sowie
alle regelmäßig wiederkehrenden Vergütungsbestandteile) beizubehalten.
2.
Zusätzlich werden Besitzstandszusagen auch über den Zeitpunkt der Ablösung
der gegenwärtig geltenden Anstellungsbedingungen hinaus gegeben.
Besitzstandszusagen sollen im Rahmen einer noch zu vereinbarenden,
differenzierten Phasenregelung noch vor der Verschmelzung zwischen den
Parteien dieser Vereinbarung festgelegt werden.
Die DPG beschloss am 20. Juni 2000 eine sog. aktualisierte Neufassung der
Tarifregelung Stand Juni 2000 (vgl. Anlage K6 zur Klageschrift vom 18. Juli 2008, Bl.
21-27 d.A. bzw. Anlage K27 zum Berufungsbegründungsschriftsatz des Klägers
vom 26. Juni 2009, Bl. 344-360 d.A., im folgenden "Tarifregelung" genannt). Hier
heißt u.a.:
§ 17
Beihilfen, Unterstützungen
Hinweis: Rechtsstandswahrungen siehe Anhang II.
Anhang II Rechtsstandswahrungen
§ 17
Beihilfen, Unterstützungen
Die nachfolgende Regelung gilt für die bis zum 31.08.1995 eingestellten
Beschäftigten.
1. Auf Antrag können Beihilfen und in besonderen Fällen Unterstützungen gewährt
werden.
2. Die Behandlung der Anträge erfolgt unter Beachtung der im öffentlichen Dienst
geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätze für die
Inanspruchnahme von Pflegeleistungen, die im PflegeVG enthalten sind, ist die
Gewährung von Beihilfen ausgeschlossen. Alle Beschäftigten der DPG sind
verpflichtet, sich entsprechend den gesetzlichen Leistungen zu versichern.
In der Mitteilung an die Beschäftigten der DPG zu dieser Tarifregelung vom
23. Juni 2000 (vgl. Anlage K6 zur Klageschrift vom 18. Juli 2008, Bl. 20 d.A.) heißt es
auszugsweise:
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
die Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft ist seit
1979 durch 24 Berichtigungen und weitere Beschlüsse des Hauptvorstandes aus
diesem Jahr ergänzt und verändert worden. Da die Tarifregelung gemeinsam mit
dem Arbeitsvertrag die wichtigste Rechtsgrundlage für das Arbeitsverhältnis mit
der Deutschen Postgewerkschaft darstellt, hat der Hauptvorstand in seiner Sitzung
vom 20.06.2000 eine aktualisierte Neufassung beschlossen.
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Im Wesentlichen sind in diesem Rahmen die Rechtsstandswahrungen, wie sie
bisher lediglich durch Hinweise auf geänderte Beschlussfassungen enthalten
waren, nun im Volltext in den Anhang II der Tarifregelung aufgenommen worden.
Die Beihilfeberechtigung gemäß der Tarifregelung der DPG wurde unstreitig auch
bei Übergang aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand den Rentnern
weitergewährt.
Die Beklagte hat mit dem Gesamtbetriebsrat im Dezember 2007 eine
Gesamtbetriebsvereinbarung geschlossen (vgl. Anlage K9 zur Klageschrift vom
18.07.2008, Bl. 33, 36 d.A., im folgenden "GBV-Ablösung" genannt), die gemäß der
Grundsatzvereinbarung die Regelungen der Gründungsgewerkschaften ablösen
soll. Hier heißt es unter anderem:
Mit Inkrafttreten der allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten
wurden folgende Regelungen außer Kraft gesetzt:
2. Tarifregelung DPG
Anhang: … § 17 Beihilfe, Unterstützungen
Die allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten traten am 1.
Januar 2008 in Kraft.
In der Fußnote bezüglich der Aufhebung von § 17 Tarifregelung DPG heißt es:
Ver.di verpflichtet sich, u.a. für die betroffenen Beschäftigten, die nicht gesetzlich
krankenversichert sind und die Abwicklung ihrer privaten Krankenversicherung und
sich daraus ergebende Kosten über die bisherige Beihilferegelung abgewickelt
haben, eine Gruppenversicherung über die gesetzlichen
Krankenversicherungsleistungen abzuschließen, um den von der ver.di-AAB
verlangten Krankenversicherungsschutz inkl. Krankengeldzahlung ab dem 43. Tag
sicherzustellen. Dies darf im Vergleich zu vergleichbaren anderen Fällen einer
abgeschlossenen privaten Krankenkasse nicht zu unzumutbaren Belastungen für
die betroffenen Beschäftigten führen. Vor Abschluss einer Gruppenversicherung
oder adäquaten Regelung werden die Leistungen, die nicht in der ver.di GBV
Beihilfe geregelt sind, wie bisher gewährt. In Härtefällen auch darüber hinaus bis
längstens 31.12.2008. Im September 2008 entscheiden die Vertragsparteien, ob
eine Verlängerung der Härtefallregelung erforderlich ist.
Die Beihilfeberechtigung gem. § 17 Tarifregelung DPG führte die Beklagte
gegenüber Arbeitnehmern der DPG bis zum 30. Juni 2008 fort und gegenüber
Rentnern der DPG unbefristet über diesen Zeitpunkt hinaus fort. Am 1. Juli 2008
trat eine mit dem Gesamtbetriebsrat beschlossene Härtefallregelung in Kraft (vgl.
Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 07.10.2008, Bl. 91 d.A. im folgenden "GBV
Umstellung" genannt). Diese sieht vor, dass Mehrbelastungen aus der Umstellung
des Krankenversicherungsschutzes über € 300,00 den Beschäftigten als
Bruttobetrag mit dem laufenden Entgelt erstattet werden.
Die Krankenversicherung des Klägers auf der Basis 50 % (entspricht der
Beitragsgruppe B1 der PBeaKK) betrug 2008 bis zum 30. Juni 2008
(Grundversicherung + Verwaltungskosten) € 205,15. Hierauf zahlte die Beklagte
einen Arbeitgeberzuschuss von € 99,21 (vgl. Verdienstabrechnung Juni 2008,
Anlage K21 zum Schriftsatz des Klägers vom 31.10.2008, Bl. 133, 134 d.A.). Die
Krankenversicherung des Klägers auf der Basis 100 % (Beitragsgruppe B3 der
PBeaKK) betrug 2009 Grundversicherung + Verwaltungskosten € 766,43. Hierauf
zahlte die Beklagte einen Arbeitgeberanteil von € 231,63 (vgl. Schreiben der
PBeaKK vom 24.11.2008, Anlage K32 zum Schriftsatz des Klägers vom
27.08.2010, Bl. 179, 180 d.A.). Für die zweite Hälfte des Kalenderjahres 2008 und
für das Kalenderjahr 2009 erhielt der Kläger weiter einen Bruttozuschuss gemäß
der GBV Umstellung. Die Krankenversicherung des Klägers auf der Basis 100 %
der Beitragsgruppe B3 der PBeaKK betrug 2010 € 678,40 (vgl. Schreiben der
PBeaKK vom 01.12.2009, Anlage K32 zum Schriftsatz des Klägers vom
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PBeaKK vom 01.12.2009, Anlage K32 zum Schriftsatz des Klägers vom
27.08.2010, Bl. 483, 484 d.A.). Hierauf erhielt der Kläger einen Zuschuss der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von € 122,20, basierend auf einer
gesetzlichen Altersrente des Klägers von € 1.745,73. Mitversichert waren bei dem
Kläger zuletzt noch seine beiden in Ausbildung befindlichen Kinder, die am 22.
März 1985 bzw. am 6. Oktober 1987 geboren sind. Die Beitragsgruppe B2 der
PBeaKK umfasst die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die
Beitragsgruppe B3 der PBeaKK umfasst die Leistungen einer privaten
Krankenversicherung.
Der Kläger schloss mit der Beklagten am 24. November 2003 (vgl. Anlage K5 zur
Klageschrift vom 18. Juli 2008, Bl. 18, 19 d.A.) einen Altersteilzeitvertrag. Seine
Freistellungsphase begann am 1. Juli 2007. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.
Dezember 2009. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte an
den Kläger keinen Zuschuss zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen mehr.
Der Kläger hat gemeint, gerade die erheblichen Einschnitte in seine
Krankenversicherungskosten nach Renteneintritt zum 1. Januar 2010 seien nicht
hinnehmbar. Er habe aufgrund der Entscheidung der Beklagten im Sommer 2008
nicht die Möglichkeit gehabt, höhere Alterssicherungsbeiträge in der privaten
Krankenkasse aufzubauen. Er hätte auch möglicherweise keinen
Altersteilzeitvertrag im Jahre 2003 geschlossen, wenn er gewusst hätte, dass er zu
der Kürzung der Altersrente noch mehr Belastungen für die Krankenversicherung
hinnehmen muss. Der Kläger hat weiter gemeint, er habe aufgrund der
Tarifregelung der DPG und der Zusicherung der DPG im Jahre 2000 durch die
Rechtsstandswahrungen auch nicht damit rechnen müssen, dass eine Umstellung
der Absicherung für Krankenkosten erfolgt. Auch die Beklagte habe acht Jahre lang
die bisherige Regelung übernommen. Der Kläger hat gemeint, die Beklagte werde
durch eine Aufrechterhaltung der Tarifregelung der DPG hinsichtlich Absicherung
gegen Krankheit auch nicht finanziell überfordert. Betroffen seien lediglich etwa 22
Beschäftigte der DPG. Ähnliche Fälle könnte es nur noch bei der ÖTV geben. Der
Kläger hat weiter gemeint, unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BAG zu
der Angleichung der Arbeitsbedingungen bei der Beklagten nach Verschmelzung
(),
dass auch nicht unter Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die
Verpflichtung der Beklagten besteht, die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen
der einzelnen Gewerkschaften in einem bestimmten Zeitraum anzugleichen. Der
Kläger hat schließlich gemeint, es müsse eine Rechtskontrolle der GBV Ablösung
stattfinden, da es sich bei den Beihilfeleistungen um Entgeltzahlungen handele,
deren Kürzung üblicherweise nur durch Änderungskündigung durchgesetzt werden
könne.
Die Beklagte verteidigt die Umstellung des Krankenversicherungsschutzes im
Zeitpunkt des Inkrafttretens der GBV Ablösung der bei ihr beschäftigten
Arbeitnehmer der Gründungsgewerkschaft DPG. Die Beklagte hat gemeint, da es
sich bei den sog. Tarifregelungen der DPG um eine kollektivrechtliche Regelung
handele, die unter Mitwirkung des Gesamtbetriebsrates zustande gekommen sei,
sei diese durch die GBV Ablösung abänderbar, ohne dass ein Günstigkeitsvergleich
stattfinden müsse. Dies gelte auch dann, wenn es sich im Falle eines
Betriebsübergangs – wie vorliegend – um eine Betriebsvereinbarung des neuen
Arbeitgebers handele. Derartige kollektivrechtliche Regelungen stünden stets
unter dem Vorbehalt, durch nachfolgende Neuregelungen verschlechtert zu
werden. Einer ausdrücklichen "Jeweiligkeitsklausel", die allerdings im Arbeitsvertrag
des Klägers enthalten sei, hätte es nicht bedurft. Die Beklagte hat weiter gemeint,
die GBV Ablösungverstöße auch nicht gegen die Grundsätze des
Vertrauensschutzes. Ein schützenswertes Vertrauen des Klägers auf die zeitlich
unbegrenzte Fortgeltung der Tarifregelung der DPG bestehe nicht. Ein
schutzwürdiges Vertrauen des Klägers folge auch nicht aus den sog.
Ruhestandswahrungen der DPG. Dass diese Rechtsstandswahrungen nicht darauf
gerichtet waren, die betreffenden Ansprüche der Beschäftigten der DPG über die
Verschmelzung hinaus für alle Zeiten zu erhalten, ergebe sich aus der
Grundsatzvereinbarung vom 18. Mai 2000. Die sog. Ruhestandswahrungen hätten
vielmehr nur die Wirkung einer Stichtagsregelung. Der DPG habe auch die
Kompetenz gefehlt, Arbeitsbedingungen der Beschäftigten für die Zeit nach der
Verschmelzung zu regeln. Dies sei aber auch ohnehin nicht die Absicht der DPG
gewesen. Die bereits zuvor bestehenden Rechtsstandswahrungen seien im Jahr
2000 lediglich neu geordnet worden. Die Beklagte hat weiter gemeint, sie sei auch
aufgrund der Jeweiligkeitsklausel im Arbeitsvertrag des Klägers, die eine
dynamische Verweisung darstelle, zu Änderungen der Arbeitsbedingungen
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dynamische Verweisung darstelle, zu Änderungen der Arbeitsbedingungen
berechtigt. Die Beklagte habe ein schutzwertes Interesse an der Ablösung der
Tarifregelung der DPG in Form der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und
damit der Personalkostenstabilisierung. Zu berücksichtigen sei auch, dass die
Ablösung Begünstigungen für die Beschäftigten der DPG gebracht habe. So habe
die Arbeitszeit bei der DPG 38,5 Stunden wöchentlich betragen. Bei der Beklagten
sei die Arbeitszeit nach Lebensalter gestaffelt und betrage für Beschäftigte ab
dem 50. Lebensjahr 35 Stunden wöchentlich. Weiter werde ein Urlaubsgeld von €
400,00 gewährt und die Erhöhung der Jahressonderzuwendung führe auch zu einer
Erhöhung der Betriebsrente (der Kläger bezieht eine Betriebsrente in Höhe von €
1.405,74).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. Juni 2009 die Klage abgewiesen. Es ist
davon ausgegangen, dass die als vertragliche Einheitsregelungen zu wertenden
Tarifregelungen der DPG durch eine Betriebsvereinbarung abgeändert werden
können. Das Arbeitsgericht hat unter Zugrundelegung der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts im Beschluss des Großen Senates vom 16. September
1986 () angenommen, dass aufgrund der Mitwirkung des
Gesamtbetriebsrates der DPG die vom Hauptvorstand der DPG beschlossenen
sog. Tarifregelungen der DPG durch später nachfolgende Betriebsvereinbarungen
in den Grenzen von Recht und Billigkeit nach der Zeitkollisionsregel auch zu
Ungunsten der Arbeitnehmer abgeändert werden können. Das Arbeitsgericht hat
weiter unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom
24. Januar 2006 – 3 AZR 483/09 – angenommen, dass die
Betriebsvereinbarungsoffenheit sich auch aus der vereinbarten Jeweiligkeitsklausel
ergebe. Das Arbeitsgericht hat im Weiteren die Wirksamkeit der GBV Ablösung
bejaht. Es hat gemeint, der Eingriff in Besitzstände des Klägers sei nicht
unproportional und es bestünde zugunsten des Klägers auch kein
Vertrauensschutz. Dabei hat es die Mehrbelastung des Klägers als Rentner außer
Betracht gelassen, da diese zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
des Arbeitsgerichtes noch nicht bezifferbar gewesen sei. Das Arbeitsgericht hat
weiter gemeint, ein Vertrauensschutz sei weder aus den sog.
Rechtsstandswahrungen, noch aus einem internen Schreiben des seinerzeitigen
Bereichsleiters des Fachbereichs Postdienste der Beklagten vom 26. Februar 2008
(vgl. Anlage K12 zur Klageschrift vom 18.07.2008, Bl. 41, 42 d.A.) zu begründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien,
der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichtes wird auf
das angegriffene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger innerhalb der in der
Sitzungsniederschrift der Berufungsverhandlung vom 24. März 2010 festgestellten
und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger meint, das
Arbeitsgericht habe seine Belastungen infolge der Umstellung des
Krankenversicherungsschutzes insbesondere nach Renteneintritt ungenügend
gewürdigt und Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt.
Der Kläger meint, auch aus der Jeweiligkeitsklausel habe er nicht darauf schließen
können, dass die Tarifregelung der DPG durch Betriebsvereinbarungen des neuen
Rechtsträgers abgeändert werden können. Die vom Arbeitsgericht herangezogene
Entscheidung sei nicht einschlägig. Der Kläger meint weiter, die Jeweiligkeitsklausel
im Arbeitsvertrag, die es dem Arbeitgeber ermögliche, die Arbeitsbedingungen
jeweils neu festzusetzen, und zwar einseitig, halte einer AGB-Kontrolle nicht Stand.
Eine ergänzende Vertragsauslegung, wie sie grundsätzlich in Betracht komme, weil
der Arbeitsvertrag vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz abgeschlossen
wurde, könne nicht dahin vorgenommen werden, dass die Arbeitsvertragsparteien
eine Änderung oder Ergänzung der Tarifregelung durch eine BV vereinbart hätten,
wenn sie von der Unwirksamkeit der Jeweiligkeitsklausel gewusst hätten. Der Kläger
meint weiter, auch aufgrund der sog. Rechtsstandswahrungen habe er mit keiner
Änderung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung rechnen müssen. Das
Arbeitsgericht gehe auch nur kurz auf diese Rechtsstandswahrungen ein, obwohl
gerade diese Hauptbestandteil des Vertrauensschutzes des Klägers seien. Der
Kläger meint schließlich, die vom Arbeitsgericht herangezogene Rechtsprechung,
wonach vertragliche Einheitsregelungen, die unter Mitwirkung des Betriebsrates
zustande gekommen sind, durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen abgelöst
werden können, hätte nur Regelungsgegenstände mitbestimmungspflichtiger
Sozialleistungen betroffen. Bei der Beihilfeleistung der DPG handele es sich aber
um eine direkte Vergütungsregelung und um keine Sozialleistung. Der Kläger
wendet sich auch gegen die Annahme, dass die vertraglichen Einheitsregelungen
der DPG betriebsvereinbarungsoffen gewesen seien. Der Kläger betont, dass der
Hauptvorstand frei darin gewesen sei, die in der Personalkommission erarbeiteten
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Hauptvorstand frei darin gewesen sei, die in der Personalkommission erarbeiteten
Entwürfe zu übernehmen. Der Kläger meint, deshalb sei auch der Schluss verfehlt,
dass die Belegschaft aufgrund der Beteiligung eines Vertreters des
Gesamtbetriebsrates an der Erstellung der sog. Tarifregeln hätte schließen
können, dass der Gesamtbetriebsrat Änderungen dieser Tarifregelungen
herbeiführen kann. Natürlich habe man gemäß Zielrichtung der DPG eine "Art von
Mitbestimmung" walten lassen. Die Personalkommission sei aber nicht paritätisch
besetzt gewesen, wie dies bei Tarifverhandlungen der Fall sei.
Der Kläger beantragt,
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2009 – 22 Ca
5222/08 – wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 1. Januar 2009 hinaus als
Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Beihilfe und Unterstützung
nach den im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften und
Unterstützungsgrundsätzen gemäß der vormals bestehenden Regelung nach § 17
der Anstellungsbedingungen der DPG vom 20. Juni 2000 zu gewähren.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 2.)
3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger über den 1. Januar 2009 hinaus alle
Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge zu erstatten, die über
eine monatliche Eigenbelastung des Klägers in Höhe der Hälfte der
Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungskosten einer Beihilfe-
Ergänzungsversicherung nach Beitragsgruppe B1 der Postbeamtenkrankenkasse
für Beamte mit Beihilfeberechtigung nach den in öffentlichen Dienst geltenden
Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen hinausgehen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger im November 2008 und November
2009 jeweils € 122, 71 brutto an kinderbezogenem Sonderbeitrag zusätzlich u
seinem Lohnanspruch zu bezahlen, soweit dem Kläger für seine beiden Kinder A A,
geb. 20.03.1985 und B B, geb. 06.10.1987, Kindergeld nach dem BKGG im
Auszahlungszeitpunkt gezahlt wird nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz aus € 122,71 ab dem 01. Dezember 2008 bzw. aus
weiteren € 122,71 seit dem 01. Dezember 2009.
5. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger über Zeitpunkt des Renteneintritts
hinaus Beihilfe und Unterstützung nach den im öffentlichen Dienst geltenden
Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen gemäß der vormals
bestehenden Regelung nach § 17 des Anhanges II der Tarifregelung der DPG vom
20. Juni 2000 zu gewähren.
Höchst hilfsweise,
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im
Krankheitsfall weiterhin Beihilfe und Unterstützung nach den im öffentlichen Dienst
geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen gemäß der vormals
bestehenden Regelung nach § 17 des Anhangs II der Tarifregelung der DPG vom
20. Juni 2000 über den 01. Januar 2009 hinaus als Arbeitnehmer und als Rentner
zu gewähren.
7. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiterhin den
kinderbezogenen Sonderbetrag von € 122,71 brutto jährlich, fällig im November
eines jeden Jahres gemäß den vormals bestehenden Regelungen nach § 9 des
Anhanges II der Tarifregelung der DPG vom 20. Juni 2000 für die Jahre 2008 und
2009 zu gewähren, wenn dem Kläger zum Auszahlungszeitpunkt für seine beiden
Kinder A A, geb. 20.03.1985 und B B, geb. 06.10.1987 Kindergeld nach dem BKGG
gewährt wird.
Höchst hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag 3.)
8. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab
dem 01. Januar 2009 alle Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu erstatten,
die über den hälftigen Eigenanteil einer Krankenversicherung und
Pflegeversicherung auf der Basis einer Beihilfe-Ergänzungsversicherung nach
Beitragsgruppe B1 der Postbeamtenkrankenkasse für Beamte mit Anspruch auf
Beihilfe und Unterstützung nach den im öffentlichen Dienst geltenden
Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen hinausgehen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 24.
November 2010 die Berufung hinsichtlich des Streitgegenstandes des
kinderbezogenen Sonderbeitrags gemäß § 9 des Anhangs II der Tarifregelung der
DPG (Berufungsanträge zu 4.) und 7.)) zurückgenommen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Beklagte meint, der Kläger
verkenne, dass für die Betriebsvereinbarungsoffenheit nicht entscheidend sei, ob
der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht habe, sondern ob er tatsächlich und für
die Arbeitnehmer erkennbar beteiligt wurde. In diesen Fällen sei es sachgerecht,
derartige Regelungen unter Mitwirkung des Betriebsrates auch wieder verändern
zu können. Dies gelte entgegen der Meinung des Klägers nicht nur für freiwillige
Sozialleistungen, sondern für alle Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, die einer
Regelung durch eine Betriebsvereinbarung zugänglich seien. Nicht entscheidend
sei auch, ob der Hauptvorstand an die Vorschläge der Personalkommission
gebunden sei und dieser in allen Fällen gefolgt sei. Die Beklagte meint, der Kläger
verkenne auch, dass eine Beteiligung des Gesamtbetriebsrates nicht zwingend zu
dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung führen müsse. Die Beklagte macht sich
weiter auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu der Jeweiligkeitsklausel zu
Eigen. Die Beklagte meint schließlich, die Ablösung des § 17 der Tarifregelung der
DPG sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Mehrbelastung des Klägers belaufe sich
allenfalls auf € 150,00 monatlich. Die Beklagte meint hierzu, dass die
Beitragsgruppe B2, die die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
umfasse, zugrunde zu legen sei und nicht die vom Kläger gewählte Beitragsgruppe
B3. Die Beklagte meint weiter, auch ein Vertrauensschutz auf Fortgeltung der bei
Einstellung geltenden Tarifregelung bestünde nicht. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2b ArbGG),
außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit
insgesamt zulässig (§§ 66 ArbGG, 517, 520 ZPO).
Auch in der Sache ist die Berufung des Klägers erfolgreich. Die Klage ist als
Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO zulässig und auch hinreichend bestimmt. Die
Hauptanträge des Klägers, die darauf lauten, die Beklagte zu verpflichten, dem
Kläger über den 01. Januar 2009 als Arbeitnehmer (so der Antrag zu 2.)) und als
Rentner (so der Antrag zu 5.)) Beihilfe und Unterstützung zu gewähren sind in der
Sache Feststellungsanträge. Dies ist klarstellend in der Tenorierung umgesetzt
worden. Über die für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2.) gestellten
Hilfsanträge, dem Antrag zu 3.), wie dem Antrag zu 8.) musste aufgrund
Stattgabe des Hauptantrages nicht mehr entschieden werden. Die Anträge zu 4.)
und 7.) hat der Kläger zurückgenommen. Der Hilfsantrag zu 6.) ist – wie
ausgeführt – nach Dafürhalten des Berufungsgerichtes identisch mit den Anträgen
zu 2.) und zu 5.). Die Feststellungsklage begegnet auch im Übrigen keinen
rechtlichen Bedenken. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte einer
rechtskräftigen Feststellung, wonach sie dem Kläger über den 01. Januar 2009
hinaus als Arbeitnehmer und als Rentner Beihilfeleistung und Unterstützung zu
gewähren hat, nachkommen wird.
Die Klage ist auch begründet. Dabei folgt das Berufungsgericht dem Arbeitsgericht
zunächst darin, dass die Tarifregelung der DPG als vertragliche Einheitsregelung
bzw. Gesamtzusage einer Ablösung durch eine nachfolgende
Betriebsvereinbarung zugänglich ist. Auch das Berufungsgericht geht davon aus,
dass die sog. Tarifregelung der DPG betriebsvereinbarungsoffen war. Zur
Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG
insoweit voll und ganz auf die zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts im
angegriffenen Urteil verwiesen. Der Hinweis des Klägers, dass die Rechtsprechung
zur Ablösung vertraglicher Einheitsregelungen durch Betriebsvereinbarungen bei
entsprechender Beteiligung des Betriebsrates nur zu Regelungen ergangen sei,
die Sozialleistungen betrafen und dass vorliegend die Beihilfeleistung des
Arbeitgebers keine Sozialleistung sei, überzeugt nicht. Fraglich ist dabei schon die
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Arbeitgebers keine Sozialleistung sei, überzeugt nicht. Fraglich ist dabei schon die
Annahme des Klägers, die Beihilfeleistung sei Arbeitsentgelt, das im Synallagma
zur Arbeitsleistung stehe. Jedenfalls aber ist vorliegend zu berücksichtigen, dass
die Beklagte als Gewerkschaft allgemeine Arbeitsbedingungen in Form einer
Gesamtbetriebsvereinbarung regeln kann (
). Demgemäß ist für den
vorliegenden Fall die Rechtsprechung zur Ablösung vertraglicher
Einheitsregelungen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen bei
entsprechender Beteiligung des Betriebsrates am Zustandekommen der
vertraglichen Einheitsregelung anwendbar. Weiter überzeugt der Einwand des
Klägers nicht, dass der Personalausschuss nicht paritätisch besetzt war und
letztlich der Hauptvorstand der DPG eine Entscheidung auch abweichend vom
Vorschlag des Personalausschusses treffen konnte. Die Rechtsprechung zur
Betriebsvereinbarungsoffenheit einer Einheitsregel stellt keine besonderen
Anforderungen an die Mitwirkung des Betriebsrates (
). Weiter überzeugt auch der Einwand des Klägers nicht, das
Bundesarbeitsgericht habe in der Entscheidung vom 20. November 1990 (
) einen mit dem vorliegenden Streitfall
vergleichbaren Sachverhalt anders entschieden. Dem vom Bundesarbeitsgericht
in der angeführten Entscheidung entschiedenen Fall lag eine Ruhegeldordnung
zugrunde, die der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrates erlassen hatte.
Die Beteiligung des Betriebesrates erfolgte nur in einem Einspruchsausschuss der
über Einsprüche der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rentenbescheide
Entscheidungen traf. Die vom Arbeitgeber erlassene Ruhegeldordnung sah in
diesem Fall einen Schlichtungsausschuss vor, der sich aus Mitgliedern
zusammensetzte, die auch dem Betriebsrat angehörten. Dieser Sachverhalt ist
mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Weiter überzeugt der Einwand
des Klägers nicht, mit dem er darauf verweist, dass die Tarifregelung keine
Betriebsvereinbarung sei. Es bedürfe der Rechtsprechung zur
Betriebsvereinbarungsoffenheit nämlich gar nicht, wenn diese nur bei Vorliegen
einer Betriebsvereinbarung greifen würde. Regeln zwei gleichrangige Normen
denselben Gegenstand und ist der Adressatenkreis der gleiche, so gilt die
Zeitkollisionsregel. Die jüngere Norm löst die ältere ab; nur die jüngere kommt für
die Zukunft zur Geltung. Diese Regel findet nicht nur im Verhältnis von Gesetzen
und Tarifverträgen untereinander, sondern auch im Verhältnis von zwei
aufeinanderfolgenden Betriebsvereinbarungen Anwendung. Die jüngere Norm gilt
regelmäßig auch dann, wenn die bisherige Norm für den Arbeitnehmer günstiger
war. Gesetzgeber, Tarifvertragsparteien und Betriebsparteien sind nämlich nicht
gehindert, Leistungsansprüche von Arbeitnehmern für die Zukunft verschlechtern
().
Das Berufungsgericht ist weiter mit dem Arbeitsgericht der Ansicht, dass dem
Kläger die Beteiligung des Gesamtbetriebsrates an der Entstehung der Tarifregel
durch Kenntnis von der Beteiligung eines Mitglieds des Gesamtbetriebsrates im
Personalausschuss bekannt war. Dies legte für den Kläger die Folgerung nahe,
dass die Tarifregelung durch Mitwirkung des Gesamtbetriebsrates umgestaltet
werden konnte. Dies gilt aufgrund des Übergangs des Arbeitsverhältnisses zur
Beklagten auch für den bei der Beklagten gebildeten Gesamtbetriebsrat.
Anders als das Arbeitsgericht geht aber das Berufungsgericht davon aus, dass die
Gesamtbetriebsvereinbarung Ablösung hinsichtlich der Aufhebung des § 17
Anhang II der Tarifregelung der DPG einer Billigkeitskontrolle, die nach der
Rechtsprechung vorzunehmen ist, nicht standhält. Die Billigkeitskontrolle erfordert,
dass Eingriffe in Besitzstände der Arbeitnehmer den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit wahren. Sie müssen – am Zweck der Maßnahme gemessen –
geeignet, erforderlich und proportional sein. Richtig ist allerdings, dass die
Überprüfung einer Betriebsvereinbarung andere Maßstäbe erfordert, als die
Beurteilung einer einzelvertraglichen Regelung. Die generellen und abstrakten
Normen einer Betriebsvereinbarung gelten für eine unbestimmte Zahl von
Arbeitnehmern und müssen deshalb zunächst an einem verallgemeinernden
Maßstab gemessen werden (
). Dieser abstrakten
Billigkeitskontrolle hat unter Umständen eine konkrete Billigkeitskontrolle zu
folgen, wenn die Neuregelung zwar insgesamt nicht zu beanstanden ist, jedoch im
Einzelfall Wirkungen entfaltet, die nach dem Regelungsplan nicht beabsichtigt sein
können und unbillig erscheinen. Eine solche konkrete Billigkeitskontrolle ändert
nichts am Inhalt und der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung; sie fügt ihr nur
gleichsam eine Härteklausel hinzu (
). Danach hätte eine Besitzstandsregelung für rentennahe Jahrgänge
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). Danach hätte eine Besitzstandsregelung für rentennahe Jahrgänge
gefasst werden müssen. Die Härtefallregelung in der GBV Umstellung ist nicht
ausreichend.
Gemäß der unstreitigen Einlassungen der Parteien und der eingereichten
Unterlagen der PBeaKK (vgl. Anlage K31 zum Schriftsatz des Klägers vom
27.08.2010 Bl. 481, 482 d.A.) hatte der Kläger nach Inkrafttreten der GBV
Ablösung eine monatliche Mehrbelastung von ca. € 200,00 zu tragen. Der Kläger
musste für den 50%igen Krankenversicherungsschutz vor Inkrafttreten der GBV
Ablösung € 105,94 zahlen. Bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses musste
er hierfür € 300,00 aufwenden und den von der Beklagten gemäß GBV Umstellung
gezahlten Zuschuss versteuern. Ab dem 01. Januar 2010 würde der Kläger für
einen 50%igen Krankenversicherungsschutz mit einem bzw. zwei mitversicherten
Angehörigen € 119,72 aufwenden müssen (Grundsicherung + Verwaltungskosten
in der Beitragsgruppe B1 der PBeaKK in Höhe von € 241,92 abzüglich Zuschuss
des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers in Höhe von € 122,20).
Demgegenüber beträgt der Beitrag zu einer 100%igen Krankenversicherung in der
PBeaKK in der Beitragsgruppe B3 bei zwei mitversicherten Angehörigen € 678,40
(Grundsicherung + Verwaltungskosten) abzüglich € 122,20 Zuschuss der
Rentenversicherung zahlt der Kläger € 556,20. In der Beitragsgruppe B2 beträgt
der Versicherungsbeitrag für einen 100%igen Versicherungsschutz bei zwei
mitversicherten Angehörigen € 619,39 (Grundsicherung + Verwaltungskosten), so
dass abzüglich des Beitrages des Rentenversicherungsträgers der Kläger für den
Versicherungsschutz gemäß dieser Beitragsgruppe € 497,19 aufwenden müsste.
Der Kläger muss daher € 430,00 bzw. € 370,00 mehr aufwenden, um einen
100%igen Krankenversicherungsschutz für sich und seine mitversicherten
Angehörigen zu erreichen, als vor der Ablösung der Tarifregelung der DPG. Auch
ohne mitversicherte Angehörige hat der Kläger eine Mehrbelastung von ca. €
220,00 zu tragen. Der 50%ige Versicherungsbeitrag (Grundsicherung +
Verwaltungskosten) in der Beitragsgruppe B1 der PBeaKK würde in diesem Fall €
184,78 betragen, so daß der Kläger abzüglich des Zuschusses des
Rentenversicherungsträgers für seinen Krankenversicherungsschutz auf 50%iger
Basis € 62,48 aufzuwenden hätte. Der 100%ige Versicherungsschutz in der
Beitragsgruppe B3 (Grundsicherung + Verwaltungskosten) beträgt € 412,10, so
daß der Kläger abzüglich des Zuschusses des Rentenversicherungsträgers
demgegenüber € 289,90 zu tragen hätte, was eine Mehrbelastung von € 227,42
bedeutet. Es ist dabei auch nicht ersichtlich, warum die Billigkeitskontrolle unter
Zugrundelegung der Beitragsgruppe B2 zu erfolgen hätte. Der Besitzstand des
Klägers vor der Ablösung der Tarifregelung der DPG bestand darin, daß der Kläger
auf der Grundlage der Standards einer privaten Krankenversicherung Leistungen
von seinem Arbeitgeber erhielt. Die Mehrbelastungen des Klägers gehen auch
erheblich über die Belastungen hinaus, die das Bundesarbeitsgericht in seiner
Entscheidung vom 15. November 2000 (
) als keine überproportionale Belastung der dort klagenden Partei
ansah. Hier ging es um eine monatliche Mehrbelastung der klagenden Partei von
DM 100,00, an der die Beklagte sich gemäß § 257 Abs. 2 SGB V zur Hälfte zu
beteiligen hatte. Diese überproportionale Belastung des Klägers wird auch durch
die Härtefallregelung in der GBV Umstellung nicht ausreichend abgemildert.
Überdies gilt die GBV Umstellung – so die Einlassung der Beklagten – nur für
Arbeitnehmer und nicht für Rentner.
Das Berufungsgericht ist weiter der Ansicht, dass auch unter
Vertrauensgesichtspunkten der Anspruch des Klägers auf Fortführung des § 17
Anhang II Tarifregelung DPG besteht. Trotz Inbezugnahme von allgemeinen
Arbeitsbedingungen in ihrer jeweilig geltenden Fassung im Arbeitsvertrag, kann der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch für die Zukunft feste Vertragszusagen
machen. Die sog. Rechtsstandswahrungen der DPG, die nach Einlassung beider
Parteien nicht erst mit der Neufassung der Tarifregelung im Juni 2000 galten,
könnten als eine solche auch für die Zukunft verbindliche Zusage auszulegen sein
(§§ 133, 157 BGB). Es spricht viel für diese Annahme. Hätte die DPG nämlich nur
regeln wollen, dass nach dem Stichtag (31.08.1995) eingestellte Arbeitnehmer
keinen Anspruch auf Beihilfeberechtigung haben sollen, so hätte sie dies genauso
formulieren können und überdies die Regelung nicht als Rechtsstandswahrung
überschreiben müssen. Gerade mit dem Begriff Rechtsstandswahrung wird aber
beim Erklärungsempfänger der Eindruck erweckt, dass seine Ansprüche ihm auch
für die Zukunft erhalten bleiben sollen. Trifft der Arbeitgeber die Entscheidung,
Leistungen für die Zukunft nicht mehr erbringen zu wollen und regelt dann, dass
die Leistung aber für die vor dem Stichtag eingestellten Arbeitnehmer weiter
gelten solle, so kommt hierin zum Ausdruck, dass er diesen Arbeitnehmern einen
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gelten solle, so kommt hierin zum Ausdruck, dass er diesen Arbeitnehmern einen
Besitzstand sichern will, und zwar verbindlich für die Zukunft.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Zuvielforderung des
Klägers war verhältnismäßig gering und hat keine Kosten verursacht (§ 92 Abs. 2
Ziff. 1 ZPO).
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.