Urteil des LAG Hessen vom 19.10.2007

LAG Frankfurt: treu und glauben, vergütung, kommission, allgemeine geschäftsbedingungen, hessen, pacta sunt servanda, verkürzung der arbeitszeit, mittel des arbeitskampfes, tarifvertrag, arbeitsrecht

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Sa 912/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, § 4 Abs 5 TVG,
KDAVO HE, § 611 Abs 1 BGB,
§ 133 BGB
Zur Auslegung der Arbeitsvertragsordnungen des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau -
Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle - Vergütungssystem
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt
am Main vom 18. Dezember 2006 – 15/22 Ca 4729/06 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über zusätzliches Urlaubsgeld,
die restliche Zuwendung jeweils für das Jahr 2005, eine Entgeltreduzierung durch
Umgruppierung und die Feststellung, ob auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die
kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005 Anwendung findet
und die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über den 30. September 2005
hinaus, eine Vergütung nach dem BMT-G II / HLT zu zahlen.
Die Beklagtenseite ist eine kirchlich-diakonische Einrichtung und Mitglied im
Diakonischen Werk in Hessen und Nassau. Die zuständige Evangelische Kirche für
Hessen und Nassau (EKHN) hat in Artikel 71 ihrer Kirchenordnung folgendes
geregelt:
(1) Die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau können im
Rahmen des kirchlichen Auftrages unter partnerschaftlicher paritätischer
Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst verbindlich für alle Anstellungsträger
geregelt werden.
(2) Das Nähere bestimmt ein Kirchengesetz, dem mehr als die Hälfte der
gewählten und berufenen Mitglieder der Kirchensynode zustimmen muss.
Auf dieser Grundlage hat die EKHN am 29. November 1979 das Kirchengesetz
über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst
(Arbeitsrecht-Regelungsgesetz- ARRG) beschlossen:
§ 4 ARRG lautet:
(1) Die durch die arbeitsrechtliche Kommission oder den
Schlichtungsausschuss nach Maßgabe dieses Kirchengesetzes
beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen sind für alle
Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich dieses Kirchengesetzes
verbindlich.
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(2) Es dürfen nur Arbeitsverträge geschlossen werden, die den in Absatz 1
genannten Regelungen entsprechen.
Für die von der arbeitsrechtlichen Kommission (ArK) beschlossene
Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Werk in Hessen
und Nassau in der Fassung vom 01. Dezember 1982 zuletzt geändert am 17. Mai
2005 galten unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Abs. 1
Auf das Arbeitsverhältnis der im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakomischen
Werkes in Hessen und Nassau (DWHN) als Angestellte beschäftigten Mitarbeiter
findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 sowie die
für BAT-Angestellte zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der für das Land
Hessen am 30.06.2004 geltenden Fassung Anwendung, soweit im Folgenden
nichts anderes bestimmt ist.
Am 17. Mai 2005 hat die arbeitsrechtliche Kommission folgenden Beschluss
gefasst:
§ 31
Zum Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte
Der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 findet
keine Anwendung. Urlaubsgeld wird nicht gezahlt.
Die Regelung ist gemäß Artikel 6 des Beschlusses vom 17. Mai 2005 am 01. Juni
2005 in Kraft getreten.
In der Arbeitsrechtsregelung zur Einführung der kirchlich-diakonischen
Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005 hat die arbeitsrechtliche Kommission u.
a. beschlossen:
Artikel 5 Neufassung der Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-
diakonischen Dienst des DWHN.
§ 2
Anwendung der KDAVO
Auf die Arbeitsverhältnisse finden ab dem 01. Oktober 2005 die Bestimmungen
der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) in der jeweils
geltenden Fassung entsprechende Anwendung, soweit im Folgenden nichts
anderes bestimmt ist.
§ 10
Sonderzahlung 2005
Abweichend von § 37 Abs. 4 KDAVO ist die Bemessungsgrundlage für die
Sonderzahlung im Jahre 2005 die Summe aus dem Arbeitsentgelt (§ 30 KDAVO),
der Leistungszulage (§ 29 KDAVO), der Vergütung für Mehrarbeit (§ 31 KDAVO),
dem Überstundenzuschlag (§ 32 KDAVO) und 65 % der Besitzstandszulage (§ 8
KDAVO) für den Monat Oktober.
Artikel 1 Kirchlich-Diakonische Arbeitsvertragsordnung (KDAVO)
§ 13
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters in
Vollzeitbeschäftigung beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40
Stunden wöchentlich.
Die am 25. Juni 1945 geborene Klägerseite wurde auf der Grundlage des am 24.
Mai 1991 geschlossenen und am 05. August 1992 ergänzten Arbeitsvertrag bei
der Rechtsvorgängerin der Beklagtenseite – dem Alten- und Pflegeheim der H-
gemeinde e.V. – beschäftigt. Wegen des Inhalts der Arbeitsverträge wird auf die
Kopien Bl. 18, 19 Bezug genommen. In § 2 des Ergänzungsvertrages vom
05.08.1992 ist folgende Bezugnahmeklausel vereinbart:
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(1) Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den jeweiligen, für Angestellte geltenden
Bestimmungen des Dienstvertragsrechts des Diakonischen Werkes in Hessen und
Nassau (DVR/DWHN). Hierbei handelt es sich insbesondere um den
Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und diesen ändernde,
ergänzende oder ersetzende Tarifverträge in der Fassung der
Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (BAT/DW).
Das Arbeitsverhältnis der Klägerseite ging im Jahr 1999 auf das St. M Krankenhaus
über. Mit Scheiben vom 22. Juli 2002 wurde die Klägerseite, die zuvor als Köchin
und stellvertretende Küchenleiterin und nach dem Übergang ihres
Arbeitsverhältnisses als Küchenhilfe beschäftigt wurde, über die Änderung der
Vergütungsvereinbarungen wie folgt unterrichtet:
"Wie in dem persönlichen Gespräch mit Frau L erläutert, werden Sie ab 01. Oktober
2002 nach BMTG II/HLT, Lohngruppe 3 vergütet. Sie erhalten ab 01. Oktober 2002
eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages von Vergütungsgruppe V c / L zur
Vergütungsgruppe BMTG II/HLT, Lohngruppe III. Diese Zulage vermindert sich bei
Erhöhung Ihrer Vergütung um 50 % des entsprechenden Erhöhungsbetrages (z.
B.: Tariferhöhung). Des Weiteren wird vereinbart, dass Sie mit Vollendung des 60.
Lebensjahres ausscheiden und Rente beantragen werden."
Mit Wirkung zum 01. Januar 2004 ging das Arbeitsverhältnis aufgrund eines
Betriebsübergangs auf die Beklagtenseite über. Seit Oktober 2005 arbeitete die
Klägerseite statt wie bislang 38,5 Stunden pro Woche ohne einen finanziellen
Ausgleich 40 Stunden pro Woche. Gemäß den Beschlüssen der arbeitsrechtlichen
Kommission zahlte die Beklagtenseite für das Jahr 2005 kein Urlaubsgeld,
reduzierte die Zuwendung um 584,21 € und zahlte nach Umgruppierung in die
Entgeltgruppe E1 gem. Anlage 2 zur KDVO ab dem 01. Oktober 2005 eine
Bruttovergütung (ohne Zulagen) in Höhe von 1.947,25 € anstatt bisher 1.834,45 €.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 wandte sich die Klägerseite gegen die
erfolgten Kürzungen. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf die
Kopie – Bl. 13 d. A. – Bezug genommen.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 05. Juli 2006 eingegangenen und der
Beklagtenseite am 28. Juli 2006 zugestellten Klage macht die Klägerseite – soweit
noch von Interesse – eine Entgeltnachzahlung in Höhe von 1.014,39 € brutto, die
restliche Zuwendung in Höhe von 584,21 € brutto, restliches Urlaubsgeld in Höhe
von 284,86 € brutto sowie die Feststellung geltend, dass die Beklagtenseite
verpflichtet ist, ihr über den 30. September 2005 hinaus eine Vergütung nach
BMT-G II/HLT Lohngruppe 3, Stufe 8 auf der Basis von anteilig 38,5 Stunden
wöchentlich zu zahlen.
Die Klägerseite hat die Rechtsansicht vertreten, dass durch die arbeitsvertragliche
Bezugnahme der BMT-G die maßgebliche Basis der Arbeitsvertragsbedingungen
bleiben müsse. Die kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005
können nicht bloß als Abwandlung des Tarifvertrages betrachtet werden, sondern
sei eine neue, eigenständige Vertragsordnung, die in vielerlei Hinsicht vom BMT-G
abweiche. Für den Fall, das die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel als
dynamische Verweisungsklausel zu verstehen sei, die die Veränderungen der
Arbeitsvertragsordnung erfasse, sei sie gemäß § 307 in Verbindung mit § 308
Ziffer 4 BGB analog unwirksam. Angesichts der massiven Absenkung der
Vergütung seien die Änderungen als unbillig einzustufen und nicht mit dem Schutz
vor Outsourcing zu rechtfertigen. Die Klägerseite hat – soweit noch von Interesse –
beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 284,86 € brutto Urlaubsgeld zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. August
2005 zu zahlen;
2. die Beklagtenseite zu verurteilen, an sie 584,21 € brutto Zuwendung
zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.
Dezember 2005 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.014,39 € brutto (Reduzierung des
Monatslohns) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem
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Monatslohns) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem
Basiszinssatz aus je 112,71 € brutto seit 01. November 2005, 01.
Dezember 2005, 01. Januar 2006, 01. Februar 2006, 01. März 2006, 01.
April 2006, 01. Mai 2006, 01. Juni 2006 und 01. Juli 2006 zu zahlen;
4. festzustellen, dass die Beklagtenseite verpflichtet ist, ihr über den 30.
September 2005 hinaus Vergütung nach BMT-G II/HLT Lohngruppe 3, Stufe
8 auf der Basis von anteilig 38,7 Stunden wöchentlich zu zahlen.
Die Beklagtenseite hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsansicht vertreten, dass die geltend gemachten Leistungen der
Klägerseite nicht zustünden. Durch die arbeitsrechtliche Kommission sei die
Arbeitsvertragsordnung wirksam geändert worden und die Änderungen fänden auf
das Arbeitsverhältnis der Klägerseite Anwendung. Ferner – so die Beklagtenseite
weiter -komme der von der paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommission
geschaffenen Arbeitsvertragsordnung quasi – tariflicher Charakter zu, so dass die
Inbezugnahme der arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Diakonischen Werkes
nicht der Inhaltskontrolle, sondern allenfalls einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle
unterlägen. Die Änderungen seien jedoch unter Berücksichtigung der den
Mitarbeitern der Entgeltgruppen E 1 und E 2 eingeräumten Arbeitsplatzgarantien
bis 30. September 2006 nicht unbillig. Diese Bereiche seien vor der Vereinbarung
der KDAVO von Outsourcing und Schließungsabsichten bedroht gewesen, weil die
Dienstleistungen – insbesondere von Reinigungskräften, Küchenmitarbeitern und
Boten –, die nicht zum Kernbereich diakonischer sozialer Dienste zählten, auf dem
privaten Markt billiger eingekauft werden konnten und noch können. Die KDAVO
nehme nunmehr eine Anpassung an normale Marktpreise vor, wodurch diese
Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz sichern könnten.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 18. Dezember 2006 die
Klage – soweit hier von Interesse – abgewiesen. Wegen der Begründung im
Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe S. 8 bis S. 14 – Bl. 112 bis Bl. 118 d. A.
– Bezug genommen. Gegen dieses am 21. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die
Klägerseite am 21. Juni 2007 Berufung eingelegt und diese mit dem bei Gericht am
18. Juli 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerseite verfolgt ihr Klagebegehren unter Wiederholung und Ergänzung
ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Die Argumentation der Beklagtenseite
– so die Klägerseite – zeige, dass es bei den Änderungen der
Arbeitsvertragsordnung nicht darum gehe, den Verbleib der Arbeitsplätze in der
Diakonie zu sichern. Vielmehr seien rein wirtschaftliche Erwägungen – wie in jedem
anderen Betrieb auch – ausschlaggebend. Damit nehme die Beklagtenseite für
sich säkulare Gestaltungsfreiheiten in Anspruch, die dem kirchlichen Auftrag, den
Präambeln der ArbVO und dem ARRG klar widersprächen. Entgegen der
Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Absenkung der Vergütung offensichtlich
unbillig. Im Falle der Klägerin bewegten sich die Lohnabsenkungen nicht in dem
vom Bundesarbeitsgericht tolerierten Bereiche von 25 % bis 30 %. Vielmehr liege
eine Unterschreitung des Tariflohns von 50 % vor. Zudem sei ein Verstoß gegen
den Gleichbehandlungsgrundsatz anzunehmen. Es sei sachwidrig, wenn die
Vergütung für Tätigkeiten mit Hilfsfunktionen – wie Reinigungs- und Küchendienst –
derart drastisch gesenkt würden, während das Einkommen in anderen
Berufsgruppen, die gleichermaßen von Outsourcing betroffen seien maßvoll um
insgesamt 20 % gesenkt würden. Ferner erhielten diese Berufsgruppen eine
Besitzstandszulage, die sich bei allgemeinen Entgelterhöhungen um die Hälfte des
Erhöhungsbetrages vermindere, während die Vergütungsgruppen E 1 und E 2 eine
Besitzstandszulage erhielten, die in vier Stufen um jeweils 25 % jährlich unter
Anrechnung der allgemeinen Erhöhung vermindert würden.
Aber auch dann wenn die KDAVO wirksam eingeführt werden könne, würde sich die
Vergütung der Klägerin gleichwohl weiterhin nach der Lohngruppe 3 Stufe 8 des
BMT-G II/HLT richten. Von den Parteien sei am 22.07.2002 eine wirksame
Nebenabrede getroffen worden, wonach sich die Vergütung in Abweichung vom
Arbeitsvertrag vom 05. August 1992 nunmehr nach der Lohngruppe 3 Stufe 8
BMT-G II/HLT richten solle. Mit dieser Regelung sei nicht auf die ArbVO und die
Anlage I zur ArbVO mit dem Lohngruppenverzeichnis verwiesen worden, sondern
auf den BMT-G II/HLT in seiner Reinform. Damit sei eine vom BMT-G II/DW bzw. der
ArbVO abweichende Vereinbarung getroffen worden. Die Klägerin habe zu keinen
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ArbVO abweichende Vereinbarung getroffen worden. Die Klägerin habe zu keinen
Zeitpunkt eine der Lohngruppe 3 entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Wegen des
weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 16. Juli 2007 – Bl. 130 bis Bl.
155 d. A. – Bezug genommen.
In die mit Schriftsatz vom 16. Juli 2007 vorgenommene Klageänderung hat die
Beklagtenseite eingewilligt.
Die Klägerseite beantragt zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2006 –
15/22 Ca 4729/06 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 1.930,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem
Basiszinssatz aus 331,84 € brutto seit dem 01. August 2005, aus 584,21 € brutto
seit dem 01. Dezember 2005 und aus jeweils 112,71 € brutto seit dem 01.
November 2005, 01. Dezember 2005, 01. Januar 2006, 01. Februar 2006, 01. März
2006, 01. April 2006, 01. Mai 2006, 01. Juni 2006 und 01. Juli 2006 zu zahlen
und
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die kirchlich-
diakonische Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005 keine Anwendung findet und
die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über den 30. September 2005 hinaus
eine Vergütung nach dem BMT-G II/HLT, Lohngruppe 3, Stufe 8 auf der Basis von
38,5 Stunden wöchentlich zu zahlen.
Die Beklagtenseite beantragt,
die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens und ergänzt es durch eingehende
Rechtsausführungen. Insbesondere meint sie, dass die Vergütungsabsenkungen
nicht offenbar unbillig seien. Im Falle der Klägerin erreichten sie bei weitem nicht
die Grenze von 20 %. Ferner sei im Niedriglohnsektor das Bedürfnis zur Anpassung
an das Marktgefüge zu beachten. Im Übrigen werde die arbeitsrechtliche
Kommission für die Entgeltgruppen E1 und E2 eine Härtefallregelung beschließen,
wonach diesen Lohngruppen eine weitere Verlängerung der Arbeitsplatzgarantie
um 2 Jahre (bis 2010) zukomme, zukünftige Abschmelzungen der Besitzstände auf
höchstens 150 € begrenzt würden und über die Berücksichtigung von
Kinderkomponenten weitere Einschränkungen eingreifen würden. Wegen des
weiteren Vorbringens der Beklagtenseite wird auf den Schriftsatz vom 17.09.2007
– Bl. 170 bis Bl. 190 d. A. – Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft
und von der Klägerseite gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520
ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß
begründet worden.
B.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die
Klage – soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse – abgewiesen. Die
Klägerseite hat keinen Anspruch auf die begehrten Zahlungen und die
beantragten Feststellungen kann sie ebenfalls nicht verlangen. Durch die
arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel sind anstelle des BAT in der Fassung des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau nach dessen Änderung durch
Beschluss der arbeitsrechtlichen Kommission vom 17.05.2005, die Bestimmungen
der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) vom 01. Oktober 2005
in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden. Sie erstrecken sich auch auf die
Vergütungsvereinbarung vom 22. Juli 2002. Die arbeitsvertragliche Inbezugnahme
der Arbeitsvertragsordnung in der Fassung vom 17.05.2005 und der Neufassung
vom 20.07.2005 hält einer Kontrolle nach §§ 305 ff BGB stand.
I.
Der im Berufungsverfahren – erweitert – gestellte Feststellungsantrag führt zu
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Der im Berufungsverfahren – erweitert – gestellte Feststellungsantrag führt zu
einer Klagehäufung, die nach § 533 ZPO zulässig ist, da die Beklagtenseite
eingewilligt hat und die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die
der Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen sind.
Die Feststellungsklage genügt in vollem Umfang auch den Anforderungen des §
256 Abs. 1 ZPO. Das Feststellungsinteresse besteht deshalb, weil mit der
Feststellungsklage geklärt werden kann, ob und in welchem Umfang sich das
Arbeitsverhältnis zukünftig nach den Regelungen der Arbeitsvertragsordnung vom
20. Juli 2005 richtet. Dies ist für zahlreiche Rechtsansprüche bedeutsam,
insbesondere auch für die gesondert angesprochene Frage der Vergütung (vgl.
dazu BAG 13. September 2006 – 4 AZR 803/05 – Randnr. 10 zit. nach Juris; BAG
30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – NZA 1993, 324). Damit ist die Feststellungsklage
auch zulässig, soweit sie inzwischen vergangene Zeiträume betrifft. Der teilweise
Übergang zu einer Leistungsklage würde nichts daran ändern, dass eine
Feststellung für die Zukunft begehrt werden muss (vgl. BAG 19. November 2005 –
5 AZR 145/05 – Randnr. 13 zit. nach Juris).
Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel sind anstelle des BAT in Fassung
des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau nach dessen Änderung durch
Beschluss der arbeitsrechtlichen Kommission vom 17.05.2005, die Bestimmungen
der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) vom 01. Oktober 2005
in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden.
II.
Der BAT nebst Änderungen und zusätzlichen Regelungen in der Fassung des
Diakonischen Werkes ist ein aufgrund kirchlichen Rechts geschaffenes Regelwerk,
das lediglich auf den Bestimmungen und der Systematik des BAT aufbaut. Auf das
Arbeitsverhältnis finden demgemäß kirchenrechtliche Regelungen, nicht aber der
BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung (vgl. BAG 06. November
1996 – 10 AZR 287/96 – NZA 1996, 659 (660)). Kirchlich- Diakonische
Einrichtungen fallen nicht einmal unter den Geltungsbereich des BAT.
Die Arbeitsvertragsordnung vom 01.12.1982 in der Fassung vom 17.05.2005 lässt
kirchenrechtlich die Streichung des Urlaubsgeldes zu. Sie erklärt in § 1 Abs. 1 die
Bestimmungen des BAT sowie die zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der
jeweils geltenden Fassung für anwendbar. Damit wird der Tarifvertrag über ein
Urlaubsgeld für Angestellte erfasst, weil es sich bei diesem um einen den BAT
ergänzenden Tarifvertrag handelt (vgl. BAT 17.04.1996 – 10 AZR 558/95 – NZA
1997, 55 (56)). In § 1 Abs. 1 der Arbeitsvertragsordnung ist allerdings den
zuständigen Gremien des DWHN die Befugnis vorbehalten, von den in Bezug
genommenen Tarifverträgen abzuweichen. Daraus ergibt sich, dass durch die
Arbeitsvertragsordnung weder eine statische noch eine dynamische Verweisung
auf die in ihr genannten Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes erfolgt. Vielmehr
sieht § 1 Abs. 1 eine subsidiäre Bezugnahme auf die Tarifverträge vor, soweit die
Arbeitsvertragsordnung selbst keine anderweitigen Regelungen enthält. Der durch
die arbeitsvertragliche Kommission eingefügte § 31 stellt eine derartige
Abweichung von dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte dar.
Das Regelwerk ist in der Folgezeit durch die kirchlich-diakonische
Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) abgelöst worden. Nach § 1 des Artikel 5 der
Arbeitsregelung zur Einführung der kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung
gilt die arbeitsrechtliche Regelung, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 01.
Oktober 2005 begonnen hat (Nr. 1) und im Arbeitsvertrag bestimmt wurde, dass
die Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des
Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (AngAVO/DW) in der jeweils geltenden
Fassung Anwendung findet (Nr. 2). In § 2 des Artikels 5 ist als Zeitpunkt für die
Anwendung der 01. Oktober 2005 bestimmt.
2.
Durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel wird sowohl die Ergänzung der
Arbeitsvertragsordnung in der Fassung vom 17.05.2005 als auch die Neufassung
der Arbeitsvertragsordnung vom 20.07.2005 in das Arbeitsverhältnis transformiert.
a) Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 05. August 1992 richtet sich das
Arbeitsverhältnis nach den jeweiligen für Angestellte geltenden Bestimmungen des
Dienstvertragsrechts des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (DVR/
DWHN). Damit wird auf die von der arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen
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DWHN). Damit wird auf die von der arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen
Vertragsordnungen zeit- und inhaltdynamisch Bezug genommen. Dies ergibt eine
Auslegung des Arbeitsvertrages.
aa) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aus der Sicht des Empfängers zu
bestimmen. Ausgehend vom Wortlaut der Klausel ist der objektive
Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln, wobei der allgemeine
Sprachgebraucht unter Berücksichtigung des vertraglichen
Regelungszusammenhangs maßgebend ist. In die Auslegung einzubeziehen sind
auch die den Parteien erkennbaren Begleitumstände der Erklärung, soweit sie
einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die tatsächliche
Handhabung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht ebenfalls Rückschlüsse auf
dessen Inhalt. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch
die Entstehungsgeschichte, der von den Vertragsparteien verfolgte
Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG 24. September
2003 – 10 AZR 34/03 – Rn. 38 zit. nach Juris; BAG 20. April 2005 – 4 AZR 292/04 –
Rn. 18 zit. nach Juris). Nach diesen Maßstäben vermag sich die Kammer nicht der
Auslegung der Klägerseite anzuschließen.
b) Durch die Bezugnahmeklausel sollen erkennbar die Regelwerke der
arbeitsvertraglichen Kommission erfasst werden, die die Arbeits- und
Entgeltbedingungen der Arbeitsverhältnisse festlegen. Der Wortlaut der Klausel ist
durch den Begriff "Dienstvertragsrecht des Diakonischen Werkes" weit gefasst und
erstreckt sich nach dem Sprachgebrauch auf alle Regelungen, die sich mit dem
Abschluss, der Einhaltung und der Beendigung des Arbeitsvertrages sowie seiner
inhaltlichen Ausgestaltung befassen und auf der Grundlage des Kirchenrechts
zustande gekommen sind. Da die Regelung einschränkungslos formuliert ist – es
sollen die "jeweiligen für Angestellte geltenden Bestimmungen" erfasst werden,
handelt es sich um eine zeit- und inhaltsdynamisch ausgestaltete
Verweisungsklausel. Es soll nicht nur die übliche Tarifentwicklung des ursprünglich
zugrunde gelegten BAT und der ihn ergänzenden Tarifverträge mit vollzogen
werden. Auch ein "Tarifwechsel" ist möglich, so dass die Abkopplung der
Arbeitsvertragsordnung von den Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes auf das
Arbeitsverhältnis durchschlägt.
Inhaltliche Einschränkungen lassen sich nicht – wie die Klägerseite meint – aus
Satz 2 der Bezugnahmeklausel herleiten. Die Regelung gibt nur Auskunft darüber,
welche Bestimmungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages
maßgebend waren und seinerzeit Geltung beansprucht haben. Dies folgt zwanglos
aus dem Zusammenspiel von Satz 1 und Satz 2 der Regelung. Satz 1 enthält den
Geltungsbefehl und verweist diesbezüglich auf die kirchenrechtlichen
Bestimmungen. Durch sie wird festgelegt, welches Regelungswerk Geltung
beanspruchen kann. Demgegenüber teilt der beschreibend formulierte Satz 2 nur
die seinerzeit geltende Rechtslage mit.
Soweit die Klägerseite meint, der Zweck der Regelung bestehe darin, den
kirchlichen Arbeitnehmern die Teilhabe an den Errungenschaften der Tarifverträge
des Öffentlichen Dienstes zu sichern, vermag sich dem die Kammer nicht
anzuschließen. Die Auffassung fußt auf einer isolierten Betrachtung des Satzes 2
und lässt den Regelungszusammenhang mit Satz 1 des § 2 des Arbeitsvertrages
außer Acht. Er zeigt, dass nach Sinn und Zweck der Bezugnahmeklausel die
Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Regelungen des kirchlich-diakonischen
Dienstes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sichergestellt werden soll.
bb) Damit ist die bislang geltende und ihrem materiellen Gehalt nach dem BAT
entsprechende Arbeitsvertragsordnung durch die Neufassung abgelöst. Eine
Nachwirkung vergleichbar dem § 4 Abs. 5 TVG ist im Streitfalle nicht vorgesehen.
Die Neufassung der Arbeitsvertragsordnung hat ab dem 01. August 2005 ihre
Vorgängerregelung aufgehoben. Bei ihr handelt es sich seitdem nicht mehr um
"geltende Bestimmungen des Dienstvertragsrechts" im Sinne des § 2 des
Arbeitsvertrages.
III.
Sowohl die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel selbst, als auch die in Bezug
genommene Arbeitsvertragsordnung in der Fassung vom 17. Mai 2005 und die
Neufassung vom 20. Juli 2005 halten einer Kontrolle nach §§ 305 ff BGB stand.
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Es handelt sich bei § 2 des Arbeitsvertrages um allgemeine Geschäftsbedingungen
im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagtenseite vorformulierten
Bedingungen waren zur mehrfachen Verwendung bestimmt. Das ist zwischen den
Parteien unstreitig.
a) Eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die
arbeitsvertragliche Verweisung auf Arbeitsvertragsordnungen des Diakonischen
Werkes sind im kirchlich-diakonischen Bereich üblich und liegen grundsätzlich im
Rahmen dessen, was nach den Umständen in Arbeitsverträgen mit Arbeitgebern
des diakonischen Werkes erwartet werden muss. Bei den von der
arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Arbeitsvertragsordnungen handelt
es sich ferner um das für den Betrieb fachlich und örtlich einschlägige
Regelungswerk. Üblich sind auch dynamische Verweisungen (zu den Kriterien:
Däubler, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, § 305 c Rn. 22 m. w. N.).
b) Die Bezugnahmeklausel verstößt ferner nicht gegen die Unklarheitsregel des §
305 c Abs. 2 BGB. Diese hat die Funktion, bei objektiv mehrdeutigen Klauseln eine
Auslegungshilfe zu geben und führt zu einer Auslegung zu Lasten des Verwenders.
Unklar ist jede Verweisungsklausel, bei der nach Ausschöpfung der anerkannten
Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel bleiben (vgl. BAG 09. November
2005 – 5 AZR 145/05 – Rn. 25 zit. nach Juris; BAG 17. Januar 2006 – 9 AZR 417/05
– Rn. 37 zit. nach Juris). An einem derartigen Mangel leidet die Bezugnahmeklausel
nicht.
c) Die Verweilungsklausel als solche ist einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle
zugänglich. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Bestimmungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, wenn
durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen
vereinbar werden. Andere Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
durch die nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird, sind gemäß § 307 Abs. 3
Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB bei einem Verstoß gegen das
Transparenzgebot unwirksam. Dieser uneingeschränkten Kontrolle unterliegen
insbesondere Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten
Vertragsleistungen festlegen (vgl. BAG 14. 03.2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 24 zit.
nach Juris).
Auch wenn danach Entgeltvereinbarungen nicht der Inhaltskontrolle unterliegen,
bedeutete dies nicht, dass jede Klausel, die sich auf die Hauptleistungspflichten
bezieht, von einer Inhaltskontrolle freigestellt wäre. So unterliegen einseitige
Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die
Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu
modifizieren, der gerichtlichen Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff BGB (z.B. BAG
11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – Rn. 18 zit. nach Juris).
Dementsprechend sind die Bezugnahmeklauseln kontrollfähig, auch wenn durch
sie Auswirkungen auf die Hauptleistungspflichten herbeigeführt werden können.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Verweisungsklausel im Streitfalle als
Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 317 ff BGB zu qualifizieren ist (BAG 17. April
1996 – 10 AZR 558/95 – NZA 1997, 55 (56); Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 242; a. A.
Thüsing, kirchl. Arbeitsrecht, S. 134 ff; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rn.
48). In jedem Fall ist die Interessenlage mit der in den §§ 317 ff BGB geregelten
insofern vergleichbar, als sich beide Partner des Arbeitsvertrages der Herrschaft
über die Ausfüllung des vertraglich gesetzten Rahmens begeben haben.
Dynamische Verweisungsklauseln laufen faktisch auf die Einräumung eines
einseitigen Bestimmungsrechts desjenigen hinaus, der die Rechtsmacht innehat,
das Verweisungsobjekt zu ändern. Wegen der Wirkungsähnlichkeit dynamischer
Verweisungsklauseln liegt es nahe, sie wie Leistungsbestimmungsrechte einer
Inhaltskontrolle zu unterziehen (vgl. Oetker JZ 2002, 337 (341)). Unmittelbarer
Regelungsgegenstand ist nicht die Hauptleistung, sondern eine das eigentliche
Hauptleistungsversprechen modifizierende Nebenabrede.
aa) Die Verweisungsklausel stellt eine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften
dar. Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur
Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot
entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, d. h. auch alle
ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die
aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB aus der Natur des
jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (vgl. BAG
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jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (vgl. BAG
25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – Rn. 16 zit. nach Juris). Dazu gehört auch der
allgemeine Grundsatz, dass Verträge und die sich aus ihnen ergebenden Pflichten
für jede Seite bindend sind (pacta sunt servanda; vgl. BAG 25. April 2007 – 5 AZR
627/06 – Rn. 17 zit. nach Juris).
Die dynamische Verweisungsklausel schließt zwangsläufig ein, dass der
Arbeitnehmer nachträgliche für ihn nachteilige Änderungen der kirchlich-
diakonischen Arbeitsvertragsordnungen ohne jede Einflussmöglichkeit
automatisch gegen sich gelten lassen muss. Eine solche automatische Änderung
vertraglicher Leistungspflichten oder sonstiger vertraglicher Bestimmungen laufen
dem Grundsatz zuwider, das Verträge zu halten sind und dass Vertragsinhalte in
der Regel nur im Einvernehmen der Vertragsparteien verändert werden können
(vgl. § 311 Abs. 1 BGB, dazu auch BGH 08. November 2001 – III ZR 14/01 – Rn. 14
zit. nach Juris).
bb) Allerdings findet die Vorschrift des § 308 Nr. 4 BGB auf die vorliegende
Fallgestaltung keine Anwendung. Während von dieser Vorschrift das Recht des
Verwenders erfasst wird, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr
abzuweichen, geht es hier um die Einfügung einer vertraglichen Änderung, die
nicht im alleinigen Belieben des Verwenders steht, sondern auf eine Änderung der
kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsordnung beruht, die der Verwender ebenfalls
hinzunehmen hat (auch BAG 26. Januar 2005 – 4 AZR 509/03 – Rn. 38 zit. nach
Juris).
cc) Maßgebend ist § 307 BGB. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die
im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Zu
berücksichtigen sind nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche
Besonderheiten des Arbeitslebens, denn es geht um die Beachtung der dem
Arbeitsverhältnis inne wohnenden Besonderheiten (vgl. BAG 25.05.2005, 5 AZR
572/04 – Rn. 21 zit. nach Juris). Dazu gehört auch, dass kirchliche Arbeitsrecht (vgl.
BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 17 zit. nach Juris). Die Frage, ob
eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners des Verwenders gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt, ist auf
der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu
beantworten. Dabei ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (vgl. BAG
25. April 2007 – 5 AZR 627/06 – Rn. 19 zit. nach Juris).
Danach erweist sich die dynamische Bezugnahmeklausel unter Berücksichtigung
der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil nicht als
unangemessene Benachteiligung. Es ist anzuerkennen, das wegen der
Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der
allgemeinen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse der
Arbeitgeberseite daran besteht, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses flexibel
auszugestalten. Der Arbeitsvertrag als Dauerschuldverhältnis bedarf ständiger
Anpassung, die auch nicht bei Vertragsschluss vorweg genommen werden kann.
Das Interesse an einer Flexibilisierung kann schon aus praktischen Gründen nicht
durch Individualvereinbarung befriedigt werden. Abgesehen davon, dass eine
einvernehmliche Anpassung nicht immer gelingen wird, geht es im kirchlich-
diakonischen Dienst um eine große Anzahl an Arbeitsverträgen.
Andererseits besteht aufgrund der Verweisungsklausel die Möglichkeit, den Inhalt
des Arbeitsverhältnisses praktisch vollständig zu ändern, ohne dass Anlass und
Grenzen des Gestaltungsspielraums aufgezeigt werden. Gleichwohl liegt keine
unangemessene Benachteiligung vor, weil das Verweisungsobjekt – die
Arbeitsvertragsordnung – aufgrund ihres Entstehungsprozesses und ihrer Funktion
nicht mit der Gefahr verbunden ist, dass der Verwender mittels der dynamischen
Verweisung seine Interessen einseitig durchsetzen kann (vgl. dazu Oetker, JZ
2002, 337 (342)). Es ist eine zu berücksichtigende kirchenrechtliche Besonderheit,
dass eine Verfahrensabsicherung vor einer parteilichen Nutzung des
Entscheidungsspielraums durch die arbeitsrechtliche Kommission zugunsten der
Arbeitgeberseite besteht. Ob aufgrund dessen den Beschlüssen der
arbeitsrechtlichen Kommission auch eine Richtigkeitsvermutung beizumessen ist,
wie sie bei einem Tarifvertrag angenommen wird, ist für die Prüfung der
Verweisungsklausel nicht klärungsbedürftig, weil die konkrete
Arbeitsvertragsordnung gegebenenfalls einer Inhaltskontrolle unterliegt. In jedem
Fall wird durch die einschlägigen Verfahrensregeln die erforderliche Neutralität der
arbeitsrechtlichen Kommission gewährleistet mit der Folge, dass ihren
Entscheidungen jedenfalls eine größere Richtigkeitsgewähr beizumessen ist, als
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Entscheidungen jedenfalls eine größere Richtigkeitsgewähr beizumessen ist, als
einer Arbeitsvertragspartei. Die arbeitsrechtliche Kommission ist von der
Kirchenleitung unabhängig und paritätisch mit gewählten Repräsentanten der
Arbeitnehmer und der Arbeitgeber besetzt. Die Kommissionsmitglieder
unterliegen keinen Weisungen und haben eine gleichermaßen unabhängige
Stellung wie die Angehörigen der Mitarbeitervertretung der Kirchen (vgl. §§ 6, 10
ARRG). In dieser Ausgestaltung bietet die arbeitsrechtliche Kommission generell
eine Gewähr dafür, dass die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt und diese
nicht unangemessen belastet werden.
dd) Auch aus dem Transparenzgebot lassen sich gegen die Bezugnahmeklausel
keine Einwendungen herleiten. Ein Verstoß gegen des Transparenzgebot nach §
307 Abs. 1 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur
eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Sinn des
Transparenzgebotes ist es der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von
der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass
der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbestimmungen
seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im
Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vor (vgl. BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 27
zit. nach Juris). Gemessen daran ist die Verweisungsklausel klar und verständlich.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus ihrer dynamischen Ausgestaltung
herleiten. Auch dynamische Bezugnahmeklauseln entsprechen einer üblichen
Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus
der Zukunftsgerichtetheit von Arbeitsverhältnissen. Die im Zeitpunkt der jeweiligen
Anwendung in Bezug genommenen Regelungen sind bestimmbar. Das ist
ausreichend (vgl. BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 29 zit. nach Juris).
2.
Bei der Arbeitsvertragsordnung vom 17. Mai 2005 und bei der Neufassung vom
20. Juli 2005 handelt es sich ebenfalls um allgemeine Geschäftsbedingungen im
Sinne der §§ 305 ff BGB. Die Arbeitsvertragsordnung enthält für eine Vielzahl von
Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, welche die dem Diakonischen
Werk angeschlossenen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern stellen.
a) Eine Anwendung der §§ 305 ff BGB steht § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht
entgegen. Eine Inhaltskontrolle von Vertragsbestimmungen nach §§ 305 ff BGB
unterbleibt nach dieser Vorschrift nur bei Verträgen auf dem Gebiet des Familien-
oder Gesellschaftsrechts sowie bei Tarifverträgen, Betriebs- oder
Dienstvereinbarungen. Der Gesetzgeber hat kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Rechtsqualität
solcher Vertragsbedingungen nicht in den Gesetzestext aufgenommen und damit
zu erkennen gegeben, dass kirchliche Arbeitsvertragsregelungen grundsätzlich
einer Überprüfung anhand der §§ 305 ff BGB unterliegen sollen (vgl. BAG 17.
November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 16 zit. nach Juris, in diese Richtung weisend
bereits BAG 08. Juni 2005 – 4 AZR 417/04 – Rn. 69; auch BAG 26. Januar 2005 – 4
AZR 509/03 – Rn. 53 zit. nach Juris). Durch die Forderung nach der angemessenen
Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz
2 BGB hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit eröffnet, dass verfassungsrechtlich
garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bei der Anwendung der §§ 305 ff
BGB zu gewährleisten (vgl. BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 18 zit.
nach Juris).
b) Die Arbeitsvertragsordnungen sind wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen.
Eine unzureichende Kenntnisnahmemöglichkeit des Arbeitnehmers steht dem
nicht entgegen. § 305 Abs. 2 BGB findet nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 BGB
im Arbeitsrecht eine Anwendung und eine Analogie scheidet ebenfalls aus (vgl.
BAG 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – Rn. 21 zit. nach Juris).
c) Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt nicht vor.
aa) Der Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 des § 307 BGB ist für die Prüfung
nicht gemäß § 307 Abs. 3 i.V.m. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB eingeschränkt, da die
Arbeitsvertragsordnung weder einen Tarifvertrag darstellt noch ausdrücklich auf
einen Tarifvertrag Bezug nimmt (BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn.
19).
bb) Die Bestimmungen der Arbeitsvertragsordnung halten unter Beachtung der
Besonderheiten des Arbeitsrechts einer Inhaltskontrolle nach § 307 stand. Die
unterschiedliche Entstehung von Arbeitsvertragsordnungen und Tarifverträgen
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unterschiedliche Entstehung von Arbeitsvertragsordnungen und Tarifverträgen
rechtfertigen es jedenfalls dann nicht, die kirchlichen Arbeitsvertragsordnungen
einer anderen Inhaltskontrolle zu unterziehen als sie bei Tarifverträgen
vorzunehmen wären, wenn sie einschlägige tarifvertragliche Regelungen ganz oder
mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernehmen. Die materielle
Richtigkeitsgewähr tarifvertraglicher Regelungen beruht nicht primär darauf, dass
den Tarifvertragsparteien das Mittel des Arbeitskampfes zur Verfügung steht,
sondern darauf, dass sie als gleichgewichtig durchsetzungsfähig angesehen
werden (vgl. BAG 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 – Rn. 24 zit. nach Juris).
Inwieweit kirchliche Arbeitsvertragsordnungen und Tarifverträge hinsichtlich der
Richtigkeitsgewähr auf eine Stufe zu stellen sind, wenn in den
Arbeitsvertragsordnungen tarifvertragliche Regelungen – wie im Streitfall – nicht
übernommen werden, ist bislang noch nicht abschließend geklärt (offen gelassen
auch in BAG 26. Januar 2005 – 4 AZR 509/03 – Rn. 46 zit. nach Juris; BAG 08. Juni
2005 – 4 AZR 417/04 – Rn. 57 zit. nach Juris). Die Frage ist auch im Streitfall nicht
entscheidungserheblich. Bei angemessener Berücksichtigung der durch
Verfahrensregeln gesicherten Neutralität der arbeitsrechtlichen Kommission sind
im Rahmen der § 307 BGB bei der Angemessenheitskontrolle keine strengen
Kontrollmaßstäbe anzulegen, weil ihren Regelungen jedenfalls eine größere
Richtigkeitsgewähr zukommt, als den Entscheidungen einer Arbeitsvertragspartei.
Es genügen willkürfreie, sachlich nachvollziehbare Erwägungen, auch wenn wie im
Streitfall aufgrund der Verlängerung der Arbeitszeit ohne entsprechenden
Lohnausgleich das Äquivalenzverhältnis der Hauptleistungspflichten betroffen ist.
Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrages sind allerdings nach den
Wertungen des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig (vgl. BAG 11. Oktober 2006 – 5
AZR 721/05 – Rn. 22). Geht es um einen verhältnismäßig kleinen Teil der
Gesamtvergütung bleibt der Kernbereich allerdings unangetastet. Das
Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wird dann nicht grundlegend
gestört. Nach diesen Maßstäben bestehen gegen die Arbeitsvertragsordnungen
keine durchgreifenden Bedenken.
cc) Die Arbeitsvertragsordnung greift in den Kernbereich des Arbeitsvertrages der
Parteien nicht ein. Die Reduzierung der Gesamtvergütung der Klägerin liegt unter
20 %.
(1) Es kann dahinstehen, ob die Absenkung des Entgelts im Niedriglohnbereich der
Vergütungsgruppen E1 und E 2 tatsächlich den von der Klägerin behaupteten
Umfang erreicht. Maßgebend für die Bemessung des Umfangs der
Vergütungskürzung ist nicht die vertragswidrig tatsächlich gezahlte, sondern die
arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung. Maßstab ist demnach nicht die
Vergütungsgruppe E1, sondern die Vergütungsgruppe E3. Eine Umgruppierung im
Sinne von § 6 Abs. 2 AngAVO/DW in die E1 ist nicht berechtigt, da die Klägerin
nicht niedriger einzugruppieren ist, als es der Umklappkatalog der HTL-
Lohngruppen (Anlage zur KDO/AngAVO) vorsieht. Nach § 6 Abs. 1 AngAVO/DW
erfolgt die Eingruppierung auf der Grundlage der bisherigen Eingruppierung gemäß
der Überleitungstabelle. Danach steht der Klägerin eine Vergütung nach der
Vergütungsgruppe E3 zu. Dies gilt im Streitfall unabhängig davon, ob die
Eingruppierungsvoraussetzungen der Vergütungsgruppe E3 tatsächlich vorliegen.
Die mündliche Vereinbarung der Lohngruppe 3 Stufe 8 BMT-G II/HLT vom 22. Juli
2002 hat nämlich nicht nur deklaratorische, sondern insoweit konstitutive
Bedeutung als durch sie verbindliche eine Vergütung vereinbart werden sollte,
deren Wertigkeit der Lohngruppe 3 BMTG-II/HLT entspricht. Dies ergibt eine
Auslegung des Arbeitsvertrages nach §§ 133, 157 BGB.
Grundsätzlich kann die Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag nicht so
verstanden werden, dass dem Angestellten ein eigenständiger von den tariflichen
Eingruppierungsvoraussetzungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf
eine bestimmte Vergütung zustehen soll. Wird umfassend auf ein Tarifwerk
verwiesen, soll durch die Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag nur
wiedergegeben werden, welche Vergütungsgruppe der Arbeitgeber nach dem
Grundsatz der Tarifautomatik als zutreffend angesehen hat (vgl. BAG 16.04.1997 –
4 AZR 463/95 – Rn. 15 zitiert nach Juris; BAG 16.02.2000 – 4 AZR 62/99 – Rn.47
zitiert nach Juris). In § 4 des Arbeitsvertrages vom 05. August 1992 haben die
Arbeitsvertragsparteien durch den Verweis auf § 22 BAT/DW in Verbindung mit den
Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 a zur Arbeitsvertragsordnung für Angestellte
zwar ausdrücklich die Grundsätze der Tarifautomatik, wonach die Arbeitnehmer
ihrer auszuübenden Tätigkeit entsprechend ohne weiteren gestaltenden Akt der
Arbeitgeberin in die zutreffende Tarifgruppe des maßgeblichen Tarifwerks
eingruppiert sind, arbeitsvertraglich übernommen. Im Streitfall sind aber
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eingruppiert sind, arbeitsvertraglich übernommen. Im Streitfall sind aber
Besonderheiten zu berücksichtigen, die für eine konstitutive
Vergütungsvereinbarung sprechen. Die Tarifautomatik gilt nicht
tarifwerksübergreifend, sondern nur im Rahmen des Tarifwerks für welches sie
vereinbart ist. Nach dem Arbeitsvertrag vom 05. August 1992 erstreckt sich mithin
die Tarifautomatik nur auf die Vergütungsgruppen, die für Angestellte vorgesehen
sind. Das Vergütungssystem für Arbeiter hat die arbeitsvertraglich vereinbarte
Tarifautomatik nicht umfasst. Für die gegenteilige Annahme gibt es im
Arbeitsvertrag keine Grundlage, da die Arbeitsvertragsparteien in § 2 des
Ergänzungsvertrages vom 05.08.1992 gerade nicht auf den BMT-G II und das
dazugehörende Lohngruppenverzeichnis HLT in der Fassung des Diakonischen
Werks Bezug genommen haben. Die mündliche Vereinbarung der Lohngruppe 3
BMTG II/HLT genügt in diesem Zusammenhang nicht, weil darüber hinaus eine
umfassende Bezugnahme auf den Tarifvertrag hinzukommen muss (vgl. BAG
16.04.1997 – 4 AZR 463/95 – Rn. zitiert nach Juris).
Gestützt wird das Auslegungsergebnis durch den für die Parteien offensichtlichen
Umstand, dass die Tätigkeit einer Küchenhilfe die Einreihung in die Lohngruppe 3
HLT nicht rechtfertigt. Küchenhilfen werden nach den Tätigkeitsbeispielen der
Lohngruppe 1 Fallgruppe 1 HLT erfasst. Demgegenüber fallen unter die
Lohngruppe 3 Arbeiter bzw. Arbeiterinnen mit erfolgreich abgeschlossener
Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer
von weniger als zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten
Beruf beschäftigt werden bzw. Arbeiter und Arbeiterinnen, die nach einer
mindestens zweijährigen ununterbrochenen Beschäftigung mit Tätigkeiten, die
eine abgeschlossene Ausbildung im Sinne der Fallgruppe 1 erfordern, eine
verwaltungs- bzw. betriebseigene Prüfung nach den Richtlinien der Anlage 6
erfolgreich abgeschlossen haben und eine entsprechende Tätigkeit ausüben. Nach
dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Klägerseite hat sie keine unter
die Lohngruppe 3 fallenden Tätigkeiten ausgeübt.
Da es sich um eine konstitutive Vergütungsvereinbarung handelt, vermag an dem
Auslegungsergebnis der Umstand nichts zu ändern, dass die Unterscheidung
zwischen Arbeiter und Angestellten in der neuen Arbeitsvertragsordnung entfallen
ist. Der Wirksamkeit der mündlichen Vergütungsvereinbarung steht auch nicht § 4
Abs. 2 BAT entgegen. Die Vorschrift betrifft keine Abreden, die sich auf
Arbeitsentgelt und Arbeitsleistung erstrecken.
(2) Gemessen an der Vergütungsgruppe E3 bewegt sich die Absenkung der
Gesamtvergütung deutlich unter 20 %. Dies steht zwischen den Parteien außer
Streit. Die verbleibende Entgeltreduzierung bewegt sich mithin im Rahmen dessen,
was Arbeitnehmer bei einer Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit (vgl. BAG
07. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423 (428)) und bei einem
ausdrücklich vereinbarten Widerrufsvorbehalt für eine freiwillige Leistung
hinnehmen müssen (z.B. BAG 13. Mai 1987 AP Nr. 4 zu § 305 BGB
Billigkeitskontrolle). Die Entgeltabsenkung ist ferner durch willkürfreie, sachliche
Gründe gerechtfertigt. Daran gemessen sind die von der Klägerseite selbst
eingeräumten "wirtschaftliche Gründe" ausreichend.
dd) Die Bestimmungen der Arbeitsvertragsordnung selbst sind im Sinne von § 307
Abs. 1 Satz 2 BGB klar und verständlich. Dies wird auch von der Klägerseite nicht
in Abrede gestellt.
d) Inwieweit bei dynamischen Bezugnahmeklauseln auch bei jeder Änderung des
Regelwerks zu fragen ist, ob eine unzulässige Überraschung vorliegt, bedarf im
Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Aufgrund der dynamischen
Ausgestaltung der Klausel musste die Klägerseite insbesondere auch mit einer
Neugestaltung der Arbeitsvertragsordnung rechnen, die mit einer Abkopplung von
den Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes verbunden ist. Die weitgehende
Orientierung an Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes bedeutet, dass im
kirchlich-diakonischen Werk Regelungen übernommen werden, an deren
Aushandlung das Diakonische Werk nicht beteiligt ist und die keine
kirchenspezifischen Regelungen enthalten. Dieser Umstand steht in einem
Spannungsverhältnis zum Konzept des sogenannten Dritten Weges, welcher das
staatliche Tarifvertragssystem für den kirchlichen Bereich als ungeeignet für die
Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter ablehnt (vgl. dazu Richardi,
Arbeitsrecht in der Kirche, § 10 Rn. 30). Infolgedessen ist es nicht überraschend,
wenn dieser Zustand beendet wird und Regelungen zur Geltung gebracht werden,
die auf die Besonderheiten des Dienstes im diakonischen Werk zugeschnitten sind.
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Ebenfalls offenbleiben kann, ob unter Beachtung der Besonderheiten des
Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) ein nicht hinnehmbarer
Überraschungseffekt möglicherweise vorliegen könnte, wenn eine Modifizierung
der Arbeitsbedingungen eintritt, die zu einer Verringerung der Vergütung um mehr
als ein Viertel oder eine Verkürzung der Arbeitszeit, die mit einer entsprechenden
Gehaltskürzung einhergeht, vorliegt (so Thüsing/Lambrich NZA 2002, 1361 (1365);
zustimmend Däubler, AGB- Kontrolle im Arbeitsrecht § 305 c Rn. 22). Eine
Reduzierung des Entgelts in diesem Umfang ist mit der Änderung der
Arbeitsvertragsordnung nicht verbunden.
3.
Für eine Billigkeitskontrolle im Sinne einer allgemeinen, nicht auf die
Besonderheiten des Falles bezogenen Angemessenheitsprüfung ist neben der
Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB kein Raum. Sie stellen eine abschließende
Konkretisierung von Treu und Glauben hinsichtlich einer allgemeinen, allein den
Inhalt einer Regelung überprüfenden Angemessenheitskontrolle dar (vgl. BAG 25.
Mai 2005 – AZR 572/04 – Rn. 51 zit. nach Juris). Entsprechendes gilt, wenn man die
Billigkeitskontrolle auf § 319 BGB stützt.
IV.
Die begehrten Zahlungen und Feststellungen kann die Klägerin nicht verlangen.
1.
Die Klägerin hat nach dem Beschluss der arbeitsrechtlichen Kommission zum
Wegfall des Urlaubsgeldes vom 17. Mai 2005 keinen Anspruch auf Zahlung von
Urlaubsgeld für das Jahr 2005 gemäß dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für
Angestellte (§§ 1, 2 TV-Urlaubsgeld). Ferner steht ihr nach der Einführung der
KDAVO für das Jahr 2005 keine weitere Zahlung als Sonderzuwendung gemäß dem
Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (§§ 1, 2 TV-Zuwendung) zu und
eine Nachzahlung der restlichen Vergütung gemäß Lohngruppe 3 HLT kann die
Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen. Entgegen der von ihr vertretenen
Auffassung richtet sich die Höhe der Vergütung nicht unmittelbar nach dem BMT-G
II und dem dazugehörenden Lohngruppenverzeichnis HLT. Die seinerzeit
getroffene Vergütungsvereinbarung muss aus systematischen Gründen vor dem
Hintergrund der gesamten Vertragslage der Parteien gesehen werden. Danach
verweist die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel gerade nicht unmittelbar auf
tarifvertragliche Arbeitsbedingungen. Es hätte in Anbetracht dessen deutlicher –
im Streitfall nicht gegebener – Anhaltspunkte für die Annahme bedurft, dass die
Arbeitsvertragsparteien im Gegensatz zu allen übrigen Arbeitsbedingungen nur
hinsichtlich der Vergütung eine unmittelbare Bezugnahme auf Tarifverträge des
Öffentlichen Dienstes gewollt hätten. Im Ausgangspunkt richtet sich auch im Falle
der Klägerin die Vergütung infolge der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen
Arbeitsvertragsordnung nach den Entgeltgruppen der KDAVO. Allerdings muss ihr
die Beklagte auf dieser Grundlage eine Vergütung gewähren, deren Wertigkeit der
Lohngruppe 3 BMTG II/HLT entspricht, da es sich in dieser Hinsicht um eine
konstitutive Vergütungsvereinbarung handelt.
Damit schuldet die Beklagte der Klägerin zwar den Differenzbetrag zwischen den
Vergütungsgruppen E1 und E3. Dem Gericht ist es aber verwehrt, die begehrte
Zahlung auf der Grundlage der Arbeitsvertragsordnung zuzusprechen. Dem steht
§ 308 Abs. 1 ZPO entgegen, wonach das Gericht nicht befugt ist, einer Partei
etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das Gericht kann eine begehrte
Leistung auf eine andere Anspruchsgrundlage stützen, also unter einem anderen
rechtlichen Gesichtspunkt das Beantragte zusprechen (vgl. BAG 18.10.1990 – 2
AZR 172/90 – Rn. 27). Bei der Frage, inwieweit sich die Vergütung nach dem
Lohntarif für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe im
Lande Hessen bzw. nach den Entgeltgruppen der KDAVO richtet, handelt es sich
jedoch nicht bloß um "rechtliche Gesichtspunkte", sondern um eigenständige
Klagegründe (vgl. dazu Zöller-Vollkommer, ZPO, Einleitung Rn. 84). Die Vergütung
nach den jeweiligen Vergütungssystemen stellen sich im Verhältnis zueinander
nicht als ein "minus", sondern als ein "aliud" dar.
2.
Nach der Einführung der KDAVO kann die Klägerin die begehrten Feststellungen
ebenfalls nicht verlangen.
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99
V.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu
tragen, da sie ihr Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG
zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.