Urteil des LAG Hessen vom 07.09.2010

LAG Frankfurt: gemeinsame einrichtung, verfügung, materialien, baustelle, transport, entschädigung, subunternehmer, bauschutt, auskunftserteilung, ausführung

Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
12. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 Sa 1679/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 21 Abs 1 VTV-Bau, § 1 Abs
2 Abschn II VTV-Bau
Auskunftsanspruch im Sozialkassenverfahren des
Baugewerbes - Hilfstätigkeiten als bauliche Leistungen
i.S.d. § 1 Abs 2 Abschn II VTV-Bau
Leitsatz
Zu den baulichen Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV gehören auch
Hilfstätigkeiten, die den baulichen Zweck unterstützen und begleiten. Zu diesen zählen
auf jeden Fall Tätigkeiten im Berich des Fahr- und Transportdienstes, der
Materialtransporte, des Vertragens von Materialien auf Baustellen, Aufräumen und
Reinigen der Baustellen, Hilfeleistungen bei den Bauarbeiten selbst, sowie der
Einrichtung von Baustellen für Subunternehmer des eigenen Arbeitgebers (Hess LAG
14.07.2008 - 16 Sa 211/08)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Wiesbaden vom 20.08.2009
– 5 Ca 3821/08 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf dem von ihr zur
Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1. wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche
Rentenversicherung – SGB VI versicherungspflichtige Tätigkeit
ausübten in den Monaten Juni 2006 bis April 2009, in dem Betrieb der
Beklagten beschäftigt wurden und welche Bruttolohnsumme und
welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den
jeweils genannten Monaten angefallen sind.
2. wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten in den Monaten Januar 2007
bis April 2009, in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und
welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten
angefallen sind.
Für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht
innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt
wird, an sie folgende Entschädigung zu zahlen:
Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 ZPO
die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung von
Auskünften im Rahmen des Sozialkassenverfahrens des Baugewerbes.
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes und nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das
Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) zum Einzug der Beiträge zu den
Sozialkassen im Baugewerbe verpflichtet. Die Beklagte unterhält einen Betrieb,
der im Handelsregister A mit den nachfolgenden Tätigkeiten eingetragen ist:
Betrieb und Errichtung von Hotels und sämtlichen damit in Zusammenhang
stehenden Tätigkeiten, Immobilienverwaltung und Immobilienhandel,
Bauträgertätigkeit, Im- und Export von Waren, Betrieb einer Boutique, Handel mit
Baustoffen sowie Erbringung von Dienstleistungen in den vorgenannten Bereichen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die nicht Mitglied eines der
tarifvertragschließenden Verbände des Baugewerbes ist, zur Vorbereitung von
Beitragszahlungen auf Erteilung von Auskünften über die Anzahl der bei ihr
beschäftigten Arbeitnehmer sowie die Höhe der Bruttolohnsummen in Anspruch,
und zwar hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Juni 2006
bis April 2009 und hinsichtlich der Angestellten für den Zeitraum Januar 2007 bis
April 2009 in Anspruch.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb der Beklagten dem
Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifvertrags unterfalle. Sie
hat behauptet, die gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten hätten in den
Kalenderjahren 2006 bis 2009 zu mehr als 50 % ihrer jeweiligen Arbeitszeit, die
zusammengerechnet auch mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit des Betriebes
ausmache, Bauhilfsarbeiten wie das Transportieren von Baumaterial, Anrühren des
Mörtels, Verteilen von Steinen, Entsorgen von Bauschutt sowie das Aufräumen
und Reinigen von Baustellen verrichtet. Diese Bauhilfstätigkeiten seien sämtlich
auf eigenen Baustellen der Beklagten angefallen. Die baulichen Tätigkeiten seien
dabei bis Juli 2007 von verschiedenen Subunternehmern, ab August 2007 von der
B ausgeführt worden. Die Feststellungen zur betrieblichen Tätigkeit habe die
Klägerin auf der Grundlage eines Betriebsbesuchs einer ihrer Betriebsberaterinnen
am 13.08.2008 sowie einer Baustellenüberprüfung des Hauptzollamts C am
16.04.2007 und 11.06.2007 treffen können. Die Beklagte kaufe Grundstücke,
bebaue sie und verkaufe sie anschließend wieder. Sie beschäftige 11 gewerbliche
Arbeitnehmer und drei Angestellte.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihr auf dem zur Verfügung gestellten Formular
Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach
den Vorschriften des sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche
Rentenversicherung – versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten
Juni 2006 bis April 2009 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche
Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese
Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr auf dem zur Verfügung gestellten Formular
Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften
des sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung –
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind nur geringfügig
beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch -, in den
Monaten Januar 2007 bis April 2009 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt
wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge für diese Arbeitnehmer in den
jeweils genannten Monaten angefallen sind;
3. die Beklagte zu verurteilen, für den Fall, dass die Verpflichtung zur
Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach
Urteilszustellung erfüllt wird, an sie folgende Entschädigung zu zahlen: zu Ziff. 1 : €
137.310,00, zu Ziff. 2 : € 2.875,00,
insgesamt € 140.185,00.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe ein Lager unterhalten. Die dort beschäftigten
Arbeitnehmer hätten Materialien zu den eigenen Baustellen, auf denen
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Arbeitnehmer hätten Materialien zu den eigenen Baustellen, auf denen
Subunternehmer die baulichen Tätigkeiten verrichteten, transportiert.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 20.08.2009 – 5 Ca 3821/08 - die
Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass
die Klägerin eine überwiegend bauliche Tätigkeit im Betrieb der Beklagten nicht
schlüssig dargelegt habe. Die von ihr angeführten Hilfstätigkeiten seien für sich
selbst nicht als baulich anzusehen, sondern als an sich neutrale
Zusammenhangstätigkeiten zu qualifizieren, die zu baulichen erst dann werden,
wenn auch die Haupttätigkeit baulicher Natur und dem Arbeitgeber zuzurechnen
sei. An letzterem fehle es jedoch, wenn sich der Arbeitgeber zur Ausführung der
baulichen Haupttätigkeit eines Subunternehmers bediene. Für die Einzelheiten der
Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug
genommen (Bl. 22 - 24 d.A.).
Die Klägerin hat gegen das ihr am 7.09.2009 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil
am 7.10.2009 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am
Montag, den 9.11.2009 begründet.
Die Klägerin wiederholt ihre Behauptungen zur überwiegenden betrieblichen
Tätigkeit und vertritt dazu die Auffassung, dass es sich bei diesen um bauliche
Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 VTV handele. Diese Qualität komme auch solchen
Arbeiten zu, die als Neben- oder Hilfsarbeiten zur sach- und fachgerechten
Ausführung der baulichen Tätigkeiten notwendig seien und daher üblicherweise von
Betrieben des Baugewerbes mit erledigt werden. Wenn der Tarifvertrag in § 1
Abschnitt I bis III auf die bauliche Zweckbestimmung der Arbeiten abstelle, gäben
sie damit zu erkennen, dass zu den baulichen Leistungen eben auch solche
gehörten, die den baulichen Zweck unterstützen bzw. begleiten. Zusätzlich
behauptet die Klägerin, dass bei den Überprüfungen einer Baustelle der Beklagten
am 16.04.2007 und 11.06.2007 die Beamten des Hauptzollamts C feststellten,
dass 6 von 8 Arbeitnehmern der Beklagten bauliche Tätigkeiten verrichteten, und
zwar als Vorarbeiter, Verputzer, Bauarbeiter und Bauhelfer.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20.08.2009 – 5
Ca 3821/08 – die Beklagte zu verurteilen,
1. ihr auf dem zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie
viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des sechsten
Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung –
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juni 2006 bis April 2009
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und
welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils
genannten Monaten angefallen sind;
2. ihr auf dem zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie
viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des sechsten Buches
Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – versicherungspflichtige
Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind nur geringfügig beschäftigte im Sinne
des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch -, in den Monaten Januar 2007 bis
April 2009 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und welche
Zusatzversorgungsbeiträge für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten
Monaten angefallen sind;
3. für den Fall, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer
Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an sie folgende
Entschädigung zu zahlen: zu Ziff. 1 : € 137.310,00, zu Ziff. 2 : € 2.875,00,
insgesamt € 140.185,00.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie behauptet, die betriebliche
Tätigkeit habe sich nach der Gesellschaftsgründung im Jahre 2006 dahin
entwickelt, dass die Beklagte sich auf die Verwaltung eigener Immobilien und den
Handel mit Baustoffen fokussiert habe. Sie habe dafür ein Lager unterhalten und
auch Büromitarbeiter beschäftigt. Die Haupttätigkeit der Arbeitnehmer habe im
Entladen der angelieferten Baustoffe, dem Fertigmachen von Lieferungen und
dem Transport zu Käufern oder Baustellen bestanden. Teilweise sei es auch dazu
gekommen, dass einzelne Mitarbeiter neben dem Einsammeln von unbrauchbaren
Materialien Baustellen aufgeräumt und gereinigt haben, Baumaterialien auf
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Materialien Baustellen aufgeräumt und gereinigt haben, Baumaterialien auf
Baustellen verteilt und sonstige Hilfe auf den Baustellen geleistet haben. Dies
habe jedoch nicht zu ihrer Hauptbeschäftigung gehört.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf
den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist
gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß
begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 u. 3 ZPO).
Die Berufung ist auch in der Sache erfolgreich, weil sie begründet ist. Die Beklagte
ist gemäß § 21 Abs. 1 VTV verpflichtet, der Klägerin die begehrten Auskünfte für
den Zeitraum Juni 2006 (für Angestellte ab Januar 2007) bis April 2009 zu erteilen
und im Falle der Nichterteilung an die Klägerin eine Entschädigung gemäß § 61
Abs. 2 ArbGG in Höhe von € 140.185,00 zu zahlen. Der VTV fand kraft seiner
Allgemeinverbindlichkeit während des gesamten Klagezeitraums auf den Betrieb
der Beklagten Anwendung.
Der VTV fand kraft seiner Allgemeinverbindlichkeit während des gesamten
Klagezeitraums auf den Betrieb der Beklagten Anwendung. Die Beklagte unterhielt
im Klagezeitraum einen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des
VTV gefallen ist. Darunter fallen gemäß § 1 Abs. 2 VTV diejenigen Betriebe, in
denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannten
Beispielstätigkeiten oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der
Abschnitte I – IV ausgeführt werden. Ob überwiegend bauliche Leistungen erbracht
werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der
gewerblichen Arbeitnehmer auf derartige bauliche Leistungen entfällt (ständige
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 28.04.2004 AP Nr. 264 zu § 1
TVG Tarifverträge: Bau). Der Betrieb der Beklagten war im gesamten
Klagezeitraum und darüber hinaus in den gesamten Kalenderjahren 2006 bis 2009
ein baugewerblicher Betrieb gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV.
In die Prüfung des Vorliegens baulicher Leistungen sind Kraft
Sachzusammenhangs auch solche Tätigkeiten einzubeziehen, die zur
ordnungsgemäßen und sachgerechten Erbringung baulicher Leistungen
unabdingbar sind. § 1 Abs. 2 VTV erfasst nämlich nicht nur den eigentlichen
baugewerblichen Kern der in den tarifvertraglichen Bestimmungen genannten
Arbeiten, sondern darüber hinaus auch solche Tätigkeiten, die als Neben- oder
Hilfsarbeiten zur sach- und fachgerechten Ausübung der baulichen Tätigkeiten
notwendig sind und daher üblicherweise von Betrieben des Baugewerbes erledigt
werden. Sie sind daher den eigentlichen baulichen Leistungen zuzurechnen; denn
wenn die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 Abschnitt I – III VTV auf die bauliche
Zweckbestimmung der Arbeiten abstellen, geben sie damit zu erkennen, dass zu
den baulichen Leistungen auch solche Tätigkeiten gehören, die den baulichen
Zweck unterstützen und begleiten. Tätigkeiten im Bereich des Fahr- und
Transportdienstes, der Materialtransporte, des Vertragens von Materialien auf
Baustellen, sowie der Einrichtung von Baustellen für Subunternehmer des eigenen
Arbeitgebers sind bauliche Leistungen im Sinne der allgemeinen Bestimmungen
des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV; denn sie sind durchweg Arbeiten, die dazu
bestimmt sind, die sachgerechte Durchführung und Beendigung der von
Subunternehmern auf den Baustellen unstreitig durchgeführten Maurer- und
Hochbauarbeiten zu gewährleisten (HessLAG 14.07.2008 – 16 Sa 211/08).
Die Klägerin hat, den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
entsprechend (BAG 28.04.2004 – 10 AZR 370/03 AP Nr. 264 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Bau; 23.02.2005 – 10 AZR 413/04), schlüssig behauptet, dass die
Beklagte während des gesamten Klagezeitraums einen baugewerblichen Betrieb
unterhielt. Sie hat dazu ausgeführt, dass die Beklagte mit der überwiegenden
Arbeitszeit ihrer gewerblichen Arbeitnehmer auf eigenen Baustellen
Bauhilfsarbeiten wie Transport von Material, Mörtel anrühren, Steine verteilen,
Entsorgung von Bauschutt und Reinigung und Aufräumen der Baustellen
ausgeführt habe. Die baulichen Kerntätigkeiten zur Errichtung oder Sanierung von
Häusern (zumindest Hochbau, Maurerarbeiten) auf den von der Beklagten zuvor
erworbenen Grundstücken seien von Subunternehmen ausgeführt worden. Die
Beklagte ist nicht gehalten, jede Einzelheit der im Kalenderjahr als geleistet
behaupteten Tätigkeiten vorzutragen. Eine Partei, die - wie die Klägerin - keine
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behaupteten Tätigkeiten vorzutragen. Eine Partei, die - wie die Klägerin - keine
näheren Einblicke in dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat und deren
Darlegung deshalb erschwert ist, kann auch von ihr nur vermutete Tatsachen
behaupten und unter Beweis stellen. Unzulässig ist ein derartiges prozessuales
Vorgehen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das
Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „ins Blaue
hinein“ aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält. Dies kann in der
Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden
(BAG a.a.O.). Hier hat sich die Klägerin zum einen auf die Eintragungen im
Handelsregister A gestützt (Bl. 59 d.A.) Danach zählt zu den Gegenständen der
Gesellschaft u.a. die Errichtung von Hotels und sämtliche damit verbundenen
Tätigkeiten und die Bauträgertätigkeit. Zum anderen stützt sie sich auf die
Feststellungen des Hauptzollamts C anlässlich einer Überprüfung der Baustelle S.
in . Laut Prüfbericht und Mitteilung vom 20.07.2007 (Bl. 58 d.A.) waren auf der
Baustelle sechs der acht gemeldeten gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten
mit baulichen Tätigkeiten als Vorarbeiter, Bauarbeiter, Bauhelfer, Estrichleger und
Verputzer beschäftigt. Die Klägerin hat ihre Behauptungen damit nicht nur ins
Blaue hinein aufgestellt.
Diesen schlüssigen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte nicht in erheblicher Weise
zu bestreiten vermocht (§ 138 Abs. 2 ZPO). Im Ergebnis war daher der Vortrag der
Klägerin zur überwiegenden betrieblichen Tätigkeit der gewerblichen Arbeitnehmer
als unstreitig anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO) und der Entscheidung zugrunde zu
legen. Von der Beklagten als der über die betriebliche Tätigkeit und die
Betriebsabläufe informierten Partei wäre zu erwarten gewesen, dass sie zu den
von ihr genannten Tätigkeitsbereichen des Betriebs z. B. ausführt, wie viele der
beschäftigten Mitarbeiter den Bereichen Baustoffhandel, Bauträgertätigkeit,
Verwaltung von Immobilien und Transport zu den Baustellen sowie Mithilfe auf den
Baustellen jeweils zugeordnet sind und sie nach Angestellten und gewerblichen
Arbeitnehmern aufteilt. Damit wäre ein nachvollziehbarer und überprüfbarer
Anhaltspunkt für die Größenordnung der in den jeweiligen Bereichen anfallenden
Arbeitsstunden gegeben. Auch hat die Beklagte nicht ausgeführt, ob und zu
welchen Anteilen sie Baumaterialien außer auf eigene Baustellen auch zu Kunden
gefahren hat. In erster Instanz hat sie in diesem Kontext lediglich behauptet, die
Baustoffe von ihrem Lager zu eigenen Baustellen, auf denen von ihr bezahlte
Subunternehmer die baulichen Kernleistungen ausführten, gefahren zu haben.
Von einem Baustoffhandel, der andere Kunden belieferte, war da noch keine Rede.
Letztlich ist unverständlich geblieben, in welchem Zusammenhang Mitarbeiter die
Tätigkeit Einsammeln unbrauchbarer Materialien angefallen ist. Auch dabei kann
es sich um eine bauliche Tätigkeit gehandelt haben, wenn sie anlässlich von
Transporten zu und auf eigenen Baustellen der Beklagten stattfand. Ebenso wäre
die Beschaffung des Baumaterials für die eigenen Baustellen sowie alle damit im
Zusammenhang stehenden Tätigkeiten – auch im Lager – als bauliche Leistungen
anzusehen, wenn sie von der Beklagten den Subunternehmern auf der Baustelle
zur Verfügung gestellt wurden. Die Beklagte war auf Hinweis der Kammer in der
mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, ihren Vortrag zu diesen Punkten zu
ergänzen. So bleibt es dabei, dass nach den Einlassungen der Beklagten nicht
nachvollziehbar ist, ob die von ihr eingeräumten Bauhilfsarbeiten zu maximal 50 %
angefallen sind; denn es ist offen und unklar geblieben, in welchem Umfang
Transporte von Baumaterialien vom Lager zu den Baustellen der Beklagten
angefallen sind sowie, in welchem Umfang Hilfsarbeiten auf den Baustellen
geleistet wurden. Da die Grundlagen für das Bestreiten der Beklagten nicht
nachvollziehbar vorgetragen wurden, vermag allein der generelle Hinweis, die
Bauhilfstätigkeiten hätten weniger als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des
Betriebs ausgemacht, ein erhebliches Bestreiten nicht zu tragen.
Die damit im Ergebnis als überwiegende betriebliche Tätigkeiten angefallenen
Bauhilfsarbeiten wie der Transport von Baumaterial zu den eigenen Baustellen,
ihre Verteilung auf den Baustellen, Hilfeleistungen bei den Bauarbeiten, Entsorgen
von Bauschutt, Aufräumen und Reinigen der Baustellen sind nach der oben
angeführten Rechtsprechung der 16. Kammer des Hessischen
Landesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, als bauliche
Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV z qualifizieren.
Die Beklagte hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits
zu tragen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.