Urteil des LAG Hessen vom 02.08.2010

LAG Frankfurt: geschäftsführung ohne auftrag, arbeitsgericht, meldung, wiedergabe, form, luftfahrt, patent, kritik, produktion, vorfrage

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Ta 203/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 17a GVG, § 39 Abs 1
ArbnErfG
(Arbeitnehmererfindung - Rechtsstreitigkeit über Erfindung
- Rechtsweg)
Orientierungssatz
Für einen Rechtsstreit, in dem ein Arbeitnehmer seinen früheren Arbeitgeber auf
Schadensersatzleistungen in Anspruch nimmt, weil er ihm vorwirft nach der Meldung
einer Erfindung des Arbeitnehmers diese zwar zum Patent angemeldet, die Meldung
aber nicht weiter betrieben zu haben, ist gemäß § 39 ArbNErfG der Rechtsweg vor die
Arbeitsgerichte nicht eröffnet. Vielmehr ist dafür das für Patentstreitigkeiten zuständige
Gericht ausschließlich zuständig.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main vom 28. April 2010 - 7 Ca 41/10 - wird auf dessen Kosten
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren um die Zulässigkeit des Rechtswegs
vor die Arbeitsgerichte.
Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Arbeitsgericht
Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen 7 Ca 41/10 ist ein Feststellungsantrag
bezüglich einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen der
„Nichtweiterverfolgung“ von drei Patentanmeldungen. In diesem Verfahren hat die
Beklagte die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in Zweifel gezogen.
Der Kläger war bei der Beklagten, die IT-Lösungen für die Luftfahrt anbietet, bis
Ende September 2005 im Bereich Business Support Solutions tätig.
Während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses informierte der Kläger die
Beklagte über drei technische Erfindungen, die die Beklagte im Zeitraum zwischen
September 2004 und April 2005 als europäische Patente zur Erlangung eines
weltweiten Schutzes anmeldete, diese Anmeldungen aber in der Folge nicht
weiterverfolgte.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünden deswegen Schadensersatzansprüche zu,
deren Höhe er allerdings noch nicht beziffern könne. Bei den angemeldeten
technischen Neuerungen handele es sich um schutzfähige Erfindungen. Das
Verhalten der Beklagten sei nicht nachvollziehbar und begründe die
Schadensersatzforderung auf der Basis allgemeiner arbeitsrechtlicher
Verpflichtung der Beklagten. Daher sei auch der Rechtsweg vor die Arbeitsgerichte
eröffnet.
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Die Beklagte hält demgegenüber den Rechtsweg vor die Arbeitsgerichte nicht für
eröffnet. In der Sache behauptet sie, dass die technischen Neuerungen nicht
schutzfähig seien.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 28. April 2010, wegen dessen Inhalt
im Einzelnen auf Bl. 137 - 143 d.A. verwiesen wird, den Rechtsweg zu den
Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das
örtlich zuständige Landgericht Frankfurt am Main - Patentstreitkammer -
verwiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass es sich vorliegend
um eine „Rechtsstreitigkeit über Erfindungen“ handele, für die gem. § 39 Abs. 1
ArbNErfG die ausschließliche Zuständigkeit der für Patentstreitsachen zuständige
Gerichte gilt.
Gegen diesen, seinen Prozessbevollmächtigten am 11. Mai 2010 zugestellten
Beschluss richtet sich die am 19. Mai 2010 per Telefax beim Arbeitsgericht
eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers, die er damit begründet, dass es
sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit über Erfindungen i.S.d. § 39 Abs. 1 ArbNErfG
handele, sondern der Kläger allgemeine Ansprüche nach den Vorschriften der
Geschäftsführung ohne Auftrag und schuldrechtliche Schadensersatzansprüche
aus dem Arbeitsverhältnis geltend mache.
Mit weiterem Beschluss vom 18. Juni 2010 (Bl. 176 d.A.) hat das Arbeitsgericht der
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
Wegen der Begründung der Beschwerde im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom
19. Mai 2010 (Bl. 153 - 158 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten, indem sie den Beschluss des
Arbeitsgerichts verteidigt hat (Bl. 178 - 182 d.A.).
II.
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG i.V.m. § 46 Abs. 1 ArbGG statthafte sofortige
Beschwerde ist form- und fristgerecht i.S.d. § 569 ZPO i.V.m. § 78 ArbGG eingelegt
worden und daher insgesamt zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die von den Parteien vorgetragenen
Tatsachen völlig zutreffend gewürdigt und ist zu Recht zu dem Ergebnis
gekommen, dass für die vorliegende Streitigkeit der Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten ausgeschlossen ist, da es sich um eine Rechtsstreitigkeit über
Erfindungen i.S.d. § 39 Abs. 1 ArbNErfG handelt.
Dabei hat das Arbeitsgericht sowohl auf die einhellige Kommentierung der
genannten Vorschrift Bezug genommen als auch die einschlägige Rechtsprechung
- hier insbesondere den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 09. Juli 1997 (-
) berücksichtigt und seine Entscheidung
ausführlich begründet. Auf eine erneute Wiedergabe kann daher verzichtet,
stattdessen auf den angefochtenen Beschluss verwiesen werden.
Im Hinblick auf die sofortige Beschwerde der Beklagten und ihre Kritik am
Beschluss des Arbeitsgerichts ist lediglich Folgendes zu ergänzen:
Zwar trifft es zu, dass der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit einen
Schadensersatzanspruch geltend macht und diesen auf die Vorschriften der
Geschäftsführung ohne Auftrag sowie die allgemeinen Anspruchsgrundlagen für
einen Schadensersatz (§§ 280 ff, 823 Abs. 1 BGB) stützt. Dies ändert jedoch nichts
an der Tatsache, dass hier die Zuständigkeitsnorm des § 39 ArbNErfG einschlägig
ist.
Denn unter Rechtsstreitigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind auch gerichtliche
Verfahren zwischen ausgeschiedenem Arbeitnehmer und früherem Arbeitgeber zu
verstehen, sofern Gegenstand des Verfahrens Rechtsverhältnisse sind, die mit
freien oder gebundenen Arbeitnehmererfindungen verknüpft sind (so
).
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Das BAG hat diese notwendige Verknüpfung in einem Fall angenommen, in dem
ein früherer Arbeitnehmer gegenüber seinem früheren Arbeitgeber die
Unterlassung der Produktion, Vermarktung und Patentanmeldung mit der
Begründung geltend gemacht hatte, er sei der Erfinder der zu Grunde liegenden
technischen Neuerung. Im Kern hat es dies damit begründet, dass der Anspruch
des dortigen Klägers nicht aus den arbeitsvertraglichen Rechten und Pflichten
entspringt, sondern allein mit dem allgemeinen Erfinderpersönlichkeitsrecht des
Klägers begründet werden kann, dem das Erfinderpersönlichkeitsrecht der
Beklagten gegenüberstehe. Es hat den Fall damit von dem Sachverhalt des Urteils
vom 16. März 1982 ( )
abgegrenzt, in dem es um die Tragweite des besonderen arbeitsrechtlichen
Geheimhaltungsanspruchs ging.
Der vorliegende Fall ist - worauf das Arbeitsgericht zu Recht verwiesen hat - mit
dem vom Bundesarbeitsgericht am 09. Juli 1997 entschiedenen vergleichbar, denn
auch hier kann der Schadensersatzanspruch des Klägers allein mit seinem Recht
als Urheber einer Erfindung i.S.d. § 2 ArbNErfG begründet werden, und inhaltlich
streiten die Parteien auch in der Tat um die Frage, ob es sich bei den vom Kläger
i.S.d. § 5 ArbNErfG gemeldeten technischen Neuerungen um schutzfähige
Erfindungen handelt. Dies prägt allein den Charakter des mit der Klage geltend
gemachten Anspruchs und ist hier nicht etwa - wie der Kläger in seiner
Beschwerdebegründung meint - eine notwendige Vorfrage für die eigentliche
Entscheidung über einen arbeitsvertraglichen Schadensersatzanspruch (zur
Abgrenzung: ). Damit ist eine Frage aus dem
Sachgebiet der Arbeitnehmererfindungen mit dem geltend gemachten
Schadensersatzanspruch so untrennbar verknüpft, dass dies im Sinne der oben
referierten Rechtsprechung die ausschließliche Zuständigkeit der für
Patentstreitsachen zuständigen Gerichte begründet.
Daher hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zu Recht an das örtlich zuständige
Landgericht Frankfurt am Main - Patentstreitkammer - verwiesen
III.
Die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels hat der Kläger gemäß § 97
ZPO zu tragen.
Gegen diesen Beschluss findet gemäß § 78 Abs. 2 ArbGG, § 17 a Abs. 4 Satz 4
GVG keine weitere sofortige Beschwerde statt. Gründe für eine
Beschwerdezulassung im Sinne des § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG sind nicht
ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.