Urteil des LAG Hessen vom 28.08.2007

LAG Frankfurt: wechsel, vergütung, arbeitsgericht, tarifvertrag, fälligkeit, dienstplan, teilzeitbeschäftigung, meinung, gewerkschaft, ausschluss

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
1. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Sa 1872/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 24 Abs 1 S 3 TVöD, § 37
Abs 1 S 1 TVöD, § 8 Abs 5 S
1 TVöD, § 7 Abs 1 TVöD, § 48
Abs 2 TVöD BT-K
(Diskriminierung von Teilzeitkräften - Wechselschichtzulage
- Teilzeitbeschäftigung - öffentlicher Dienst)
Leitsatz
In Teilzeit beschäftigte Angestellte, auf deren Arbeitsverhältnis der TVöD anzuwenden
ist, erhalten die Wechselschichtzulage nur im Verhältnis ihres Beschäftigungsumfangs
zu dem der in Vollzeit beschäftigten (wie LAG Hamm Urteil vom 10.09.2007 - 17 Sa
1890/06 - Revision zugelassen [6 AZR 504/07]; entgegen LAG Schleswig-Holstein Urt. v.
30.05.2007 - 5 Sa 59/07).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Kassel vom
28.September 2006 – 3 Ca 191/06 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird in Höhe von € 110,46 (in Worten: Hundertzehn und 46/100 Euro)
für die Monate Oktober bis Dezember 2005 zugelassen, im Übrigen nicht
zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch um einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten
auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen der ihr nur nach ihrem
Beschäftigungsumfang anteilig gezahlten tariflichen Wechselschichtzulage und
einer solchen in ungekürzter Höhe für die Monate Oktober 2005 bis Januar 2006,
jeweils einschließlich.
Die am 16. Dezember 1967 geborene Klägerin ist seit dem 01. Oktober 1985 in
dem von dem Beklagten unterhaltenen Zentrum für soziale A (XXXXXXX) tätig,
aufgrund des Arbeitsvertrages (AV) vom 29. März 1989 seit dem 01. April 1989 als
Krankenschwester, zunächst in Vollzeit. § 2 AV lautet, soweit hier von Bedeutung,
wie folgt:
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(1) Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des
Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) …
(2) Änderungen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Bestimmungen, an
ihre Stelle tretende oder zusätzlich vereinbarte Vorschriften gelten in ihrer
jeweiligen Fassung vom Tage des Inkrafttretens an auch für das vorliegende
Arbeitsverhältnis.“
(Bl. 5 u. 6 d. A.)
Durch den Änderungsvertrag vom 01. August 1996 vereinbarten die Parteien
einen Beschäftigungsumfang von 25 Stunden regelmäßiger wöchentlicher
Arbeitszeit (Bl. 7 u. 8 d. A.). Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, der
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Arbeitszeit (Bl. 7 u. 8 d. A.). Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, der
Beklagte des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Hessen e.V., der seinerseits
Mitglied in der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) ist. Bis
zum 31. Januar 2006 war die Klägerin ständig in Wechselschicht eingesetzt und
erhielt bis zum 30. September 2005 eine Wechselschichtzulage gem. § 33 a Abs. 1
Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in Höhe von zuletzt € 102,26 monatlich
(Abrechnungen für die Monate August, Oktober und November 2005 Bl. 110 - 112
d. A.). Im Februar und März 2006 war sie nur noch im Schichtdienst eingesetzt. Die
Gewerkschaft und die VkA schlossen am 13. September 2005 den „Tarifvertrag für
den öffentlichen Dienst (TVöD)“, der am 01. Oktober 2005 in Kraft trat. Dieser
Tarifvertrag lautet in seinem allgemeinen Teil (TVöD-AT) in seinen hier
maßgeblichen Bestimmungen wie folgt:
„§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) die Regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für …
b) die beschäftigten Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der VKA im Tarifgebiet
West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich …
§ 7 Sonderformen der Arbeit
(1) Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen
regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei
denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut
zur Nachtsicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde
Arbeitsschichten, in denen unterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags
und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die
mindestens 2 Stunden Nachtarbeit umfassen …
§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit
(5) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine
Wechselschichtzulage von 105,00 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig
Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro
pro Stunde.
§ 24 Berechnung und Auszahlung des Entgelts…
(2) Soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist,
erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt (§ 15) und alle sonstigen
Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten
durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer
Vollzeitbeschäftigter entspricht.
§ 37 Ausschlussfrist
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb
einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem
Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für
denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch
für später fällige Leistungen aus.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Ansprüche aus einem Sozialplan.“
§ 48 Abs. 2 TVöD - Besonderer Teil Krankenhäuser - (BT-K) - hat folgenden
Wortlaut:
„§ 48 Wechselschichtarbeit…
(2) Abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach
einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen
Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens
nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten
herangezogen wird.“
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Demgegenüber bestimmte § 15 Abs. 8 BAT:
„… Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan),
der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten
vorsieht, bei denen der Angestellte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines
Monats erneut zur Nachtschicht (Nachtschichtfolge) herangezogen wird.
Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei
Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird …“
und § 33 a Abs. 1 BAT:
„Der Angestellte, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt
ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten
(§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2) vorsieht, und der dabei in je 5 Wochen
durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder
betriebsüblichen Nachtschicht leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 102,26
Euro monatlich …“
Der Beklagte zahlte an die Klägerin für die Monate Oktober 2005 bis Januar 2006
am letzten Tag des übernächsten Monats mit der Vergütung für diesen die
Wechselschichtzulage nur noch im Verhältnis ihres Beschäftigungsumfangs zu
einer Vollzeitbeschäftigung, also im Umfang von 25/38,5 der Wechselschichtzulage
gem. §§ 6 Abs. 1 lit. b, 7 Abs. 1, 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT von € 105,00,00, d. h. in
Höhe von € 68,18 brutto (Abrechnungen für die Monate Dezember 2005 und
Januar bis März 2006, Bl. 113 - 116 d. A.). Die Teilzeitbeschäftigten im Zentrum für
soziale Psychiatrie B (XXXXXXX) werden im Verhältnis zu vollzeitbeschäftigten
Kolleginnen und Kollegen an weniger Tagen im Früh-, Mittel- oder Spätdienst
eingesetzt. Zwischen ihren Arbeitseinsätzen liegen im Vergleich zu den
Vollzeitkräften längere Arbeitsunterbrechungen und damit längere
Regenerationszeiten. Die volle Wechselschichtzulage von € 105,00 brutto
monatlich hat sie für die Zeit ab 01. Oktober 2005 mit Schreiben vom 16. März
2006 dem Beklagten gegenüber geltend gemacht (Bl. 19 d. A.). Nachdem der
Beklagte das Begehren der Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 2006 (Bl. 18 d. A.)
abgelehnt hat, verfolgt die Klägerin den Unterschiedsbetrag von € 36,82 brutto
monatlich, zuletzt im Berufungsverfahren für die Monate Oktober 2005 bis Januar
2006, jeweils einschließlich, in Höhe von insgesamt € 147,28 brutto nebst Zinsen
mit der Klage weiter.
Die Klägerin hat in der nur anteiligen Gewährung der Wechselschichtzulage ab dem
01. Oktober 2005 eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung gegenüber in
Vollzeit beschäftigten Angestellten wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung gesehen. Sie
hat mit der dem Beklagten am 23. Mai 2006 zugestellten und später um den
Klageantrag zu 2. erweiterten Klage beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie € 220,92 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 36,82 seit dem 01.
Dezember 2005, 01. Januar, 01. Februar, 01. März und 01. April 2006 zu zahlen;
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an sie eine monatliche
Wechselschichtzulage in der in § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD genannten Höhe zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen, weil für die Wechselschichtzulage nicht gem. § 24 Abs. 2
TVöD-AT ausdrücklich bestimmt sei, dass sie an Teilzeitbeschäftigte in vollem
Umfang zu zahlen sei.
Das Arbeitsgericht Kassel hat mit einem am 28. September 2006 verkündeten,
der Klägerin am 09. Oktober 2006 zugestellten Urteil - 3 Ca 191/06 (Bl. 44 - 49 d.
A.) - die Klage abgewiesen und in der Urteilsformel die Berufung ausdrücklich
zugelassen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 03. November 2006 Berufung
eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
25. Januar 2007 an diesem Tag begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, die
Tarifvertragsparteien hätten nur danach differenziert, ob ständig oder nicht ständig
in Wechselschicht gearbeitet werde, nicht aber nach dem Umfang der
Beschäftigung. Sie behauptet, der ständige regelmäßige Wechsel der täglichen
Arbeitszeit belaste sie trotz ihrer Teilzeitarbeit psychisch und physisch genauso
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Arbeitszeit belaste sie trotz ihrer Teilzeitarbeit psychisch und physisch genauso
sehr wie wenn sie diese Tätigkeit in Vollzeit ausüben würde (Bl. 67 - 72 u. 106 - 109
d. A.). Nachdem sie zunächst beantragt hat,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. September 2006 aufzuheben
und den Beklagten zu verurteilen, an sie € 220,92 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 36,82 seit dem 01.
Dezember 2005, 01. Januar, 01. Februar, 01. März und 01. April 2006 zu zahlen;
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an sie eine monatliche
Wechselschichtzulage in der in § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD genannten Höhe zu zahlen,
hat sie nach Erörterung im Verhandlungstermin vom 03. Juli 2007 zuletzt
beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. September 2006 - 3 Ca 191/06 -
teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie € 147,28 brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils €
36,82 seit dem 01. Januar, 01. Februar, 01. März und 01. April 2006 zu zahlen,
und im Übrigen die Berufung zurückgenommen.
Der Beklagte bittet darum, die Berufung zurückzuweisen, indem er das
angefochtene Urteil, im Ergebnis, insbesondere unter Hinweis auf § 24 Abs. 2 Satz
1 TVöD und auf die von § 33 a Abs. 1 BAT abweichende Regelung in § 8 Abs. 5
TVöD verteidigt (Bl. 76 - 83 d. A.).
Zum Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen
und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28.
September 2006 - 3 Ca 191/06 - ist gem. §§ 8 Abs. 1, 64 Abs. 2 lit. a ArbGG
statthaft, da das Arbeitsgericht sie in dem verkündeten Tenor seines Urteils
zugelassen hat, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 2,
3 und 5 ZPO.
II.
In der Sache kann die Berufung der Klägerin, soweit über sie nach der teilweisen
Rücknahme noch zu entscheiden ist, keinen Erfolg haben. Jedenfalls im Ergebnis
zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage insoweit als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen der
ihr von dem Beklagten gewährten Wechselschichtzulage in Höhe von € 68,18
brutto monatlich für die Monate Oktober bis Januar 2006, jeweils einschließlich, zur
vollen Wechselschichtzulage in Höhe von € 105,00 brutto monatlich in Höhe von €
38,82 brutto, zusammen von € 147,28 brutto. Mit dem Hauptanspruch entfällt
auch ein Anspruch auf die begehrten Zinsen.
1.Die Klägerin verlangt zu Unrecht die Zahlung eines weiteren Teilbetrags der
Wechselschichtzulage für den Monat Januar 2006 in Höhe von € 36,82 brutto.
Dabei kann dahinstehen, ob ihr ein solcher Anspruch überhaupt zugestanden hat.
Auch dann ist er nämlich verfallen, weil die Klägerin ihn nicht gem. §§ 24 Abs. 1
Satz 3, 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT rechtzeitig schriftlich geltend gemacht hat.
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst findet auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien unabhängig von der Regelung in § 2 AV kraft Tarifbindung Anwendung. Die
Parteien sind jeweils Mitglied einer der Parteien, die den Tarifvertrag geschlossen
haben, § 3 Abs. 1 TVG, und ihr Arbeitsverhältnis fällt unter den Geltungsbereich
des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, §§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, 1 TVöD-AT,
§ 40 TVöD-BT-K. Zwar hat die Klägerin mit dem Schreiben vom 16. März 2006,
dessen alsbaldiger Zugang noch vor dem 31. März 2006 bei dem Beklagten
zwischen den Parteien nicht streitig ist, die volle Wechselschichtzulage von €
105,00 brutto „rückwirkend zum 01. Oktober 2005 und für zukünftig zu leistende
Wechselschichten geltend“ gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war aber die
Wechselschichtzulage für den Monat Januar 2006 noch nicht fällig, sondern gem. §
24 Abs. 1 TVöD-AT erst am 31. März 2006. Eine wirksame Geltendmachung eines
Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis, abgesehen von den hier nicht gegebenen
Fällen von Leistungen aus demselben Anspruch und aus einem Sozialplan, § 27
Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 TVöD-AT, ist erst nach Fälligkeit gem. § 27 Abs. 1 TVöD-AT
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Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 TVöD-AT, ist erst nach Fälligkeit gem. § 27 Abs. 1 TVöD-AT
möglich (BAG, Urteil vom 20.09.1989 - 6 AZR 774/87 - ZTR 1990, 155, 156 - zu §
70 BAT -; vom 10.07.2003 - 6 AZR 283/02 - ZTR 2003, 625, 626 - zu § 63
Unterabs. 1 BMT-G II -: nach Entstehen, bezüglich der Fälligkeit offen gelassen).
Allerdings handelte es sich bei der Wechselschichtzulage gem. § 8 Abs. 5 Satz 1
TVöD-AT um einen in einem Monatsbetrag festgelegten Entgeltbestandteil, doch
steht gem. §§ 7 Abs. 1 TVöD-AT, 48 Abs. 2 TVöD-BT-K erst im übernächsten Monat
fest, ob im vorvorigen Monat ein Anspruch auf eine Wechselschichtzulage
entstanden ist.
Eine spätere schriftliche Geltendmachung ist nicht wirksam erfolgt. Die Klägerin
hat zwar mit der dem Beklagten am 23. Mai 2006 zugestellten Klageschrift
Ansprüche auf Wechselschichtzulage verfolgt. Angesichts der Unklarheit,
Wechselschichtzulage für welche Monate die Klage betreffen sollte (nach der
Klageforderung ein Differenzbetrag für 6 Monate, nach der Begründung für 5
Monate), zumal die Klägerin in den Monaten Februar und März 2006 keine
Wechselschicht geleistet hat, war für den Beklagten nicht erkennbar, dass mit der
Geltendmachung auch der Differenzbetrag der Wechselschichtzulage für den
Monat Januar 2006 beansprucht werden sollte.
2.Die Unterschiedsbeträge für die Monate Oktober bis Dezember 2005 von 3 x €
36,82 brutto, zusammen € 110,46 brutto, hat die Klägerin zwar tarifgerecht gem. §
37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT gegenüber dem Beklagten angemeldet. Jedoch steht
der Klägerin ein Anspruch auf weitere 13,5/38,5 der Wechselschichtzulage für diese
3 Monate nicht zu, obwohl sie in dieser Zeit unstreitig die Voraussetzungen für die
Gewährung einer Wechselschichtzulage für ständige Arbeit in Wechselschicht gem.
§§ 7 Abs. 1 TVöD-AT, 48 Abs. 2 TVöD-BT-K erfüllt hat. Gemäß § 24 Abs. 2 TVöD-AT,
der die allgemeine Vorschrift für die Berechnung der Vergütung von
Teilzeitbeschäftigten enthält, nach der Teilzeitbeschäftigte auch sonstige
Entgeltbestandteile neben dem Tabellenentgelt nur „pro rata temporis“ erhalten,
betrifft auch die Wechselschichtzulage, weil für diese, anders als z. B. bei dem
Jubiläumsgeld gem. § 23 Abs. 2 TVöD-AT - entsprechend der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 22.05.1996 - 10 AZR 618/95 - AP Nr. 1 zu
§ 39 BAT, unter II.) -, nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt haben.
Diese Regelung ist nicht unwirksam, weil durch sie die Klägerin entgegen § 4 Abs. 1
Satz 1 TzBfG als Teilzeitbeschäftigte ohne sachlichen Grund gegenüber
vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern schlechter behandelt würde
(LAG Hamm, Urteil vom 10.05.2007 - 17 Sa 1890/06 - n. v., Revision unter 6 AZR
504/07 BAG eingelegt; vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 8 Rn
53; Sponer/Steinherr, TVöD, § 8 Rn 124; Clemens/Scheu¬ring/Steingen/Wiese,
TVöD, § 8 Rn 71).
Der abweichenden Meinung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein kann
nicht gefolgt werden. Auf die umfangreichen Ausführungen des
Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, ob sich aus der Auslegung des § 8 Abs.
5 TVöD-AT ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung ergäbe (LAG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. Mai 2007 - 5 Sa 59/07 - n. v., Revision
zugelassen), kommt es nicht an. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
lässt bei seinen Erwägungen völlig außer Acht, dass es bereits zu § 2 Abs. 1
BeschFG 1985 und 1996 ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war,
dass Geldleistungen des Arbeitgebers, die eine unmittelbare Vergütung für die von
dem Arbeitnehmer geleistete Arbeit darstellten, im Verhältnis des bei einem
Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu einem Vollzeitbeschäftigten geringeren
Arbeitsumfangs, also „pro rata temporis“, gekürzt werden durften (BAG, Urteil
vom 10.11.1994 - 6 AZR 486/94 - AP Nr. 11 zu § 63 BAT - Übergangsgeld -; vom
17.04.1996 - 10 AZR 617/95 - AP Nr. 18 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen -
Funktionszulage für Textverarbeitung -; vom 11.06.1997 - 10 AZR 784/96 - AP Nr.
2 zu § 24 BMT-G II - Schichtlohnzuschlag -; vom 10.02.1999 - 10 AZR 11/97 - AP
Nr. 5 zu § 34 BAT - Pflegezulage -; vom 15.04.2003 - 9 AZR 548/01 - AP Nr. 1 zu §
4 TVG Tarifverträge: Urlaubsgeld - Urlaubsgeld -). Das Bundesarbeitsgericht hat
lediglich den vollständigen Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von bestimmten
Leistungen als - im konkreten Fall sachlich nicht gerechtfertigte -
Ungleichbehandlung angesehen (BAG, Urteil vom 27.07.1994 - 10 AZR 538/93 -
AP Nr. 37 zu § 2 BeschFG 1985 - Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von der
Einräumung von Sonderkonditionen bei der Gewährung von Darlehen für
Immobilienerwerb -), ferner, wenn die gewährte Leistung nicht an den
Arbeitsumfang anknüpfte (BAG, Urteil vom 22.05.1996, a. a. O., Jubiläumsgeld)
oder eine sich aus dem minderen Arbeitsumfang ergebende geringere Belastung
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oder eine sich aus dem minderen Arbeitsumfang ergebende geringere Belastung
nicht in der Tarifnorm selbst zum Ausdruck kam (BAG, Urteil vom 23.06.1993 - 10
AZR 127/92 - AP Nr. 1 zu § 34 BAT, unter 4. - Wechselschichtzulage -).
Zwar gilt § 4 Abs. 1 TzBfG auch für Tarifverträge, wie aus § 22 Abs. 1 TzBfG folgt. §
4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG konkretisiert das Diskriminierungsverbot für
Teilzeitbeschäftigte, in dem diesen bestimmte Vergütungsbestandteile nicht ohne
sachlichen Grund versagt werden dürfen (BAG, Urteil vom m05.11.2003 - 5 AZR
8/03 - NZA 2005, 222, 223). Darüber hinaus lässt das Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein aber völlig außer Acht, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz
2 TzBfG bei Arbeitsentgelt oder anderen teilbaren geldwerten Leistungen
ausdrücklich eine zeitratierliche Vergütung von Teilzeitkräften zugelassen hat.
Darin liegt keine Ungleichbehandlung (vgl. ErfK/Preis, 7. Aufl., § 4 Rn 32), sondern
im Gegenteil eine proportionale Gleichbehandlung (vgl. Annuß/ Thüsing, TzBfG, 2.
Aufl., § 4 Rn 31), die insbesondere auch bei der Gewährung von Zuschlägen und
Zulagen gilt (Annuß/Thüsing, a. a. O., Rn 35). Das Bundesarbeitsgericht sieht die
Gewährung von geldwerten Leistungen an Teilzeitbeschäftigte „pro rata temporis“
gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG als selbstverständlichen Normalfall der ratierlichen
Gleichbehandlung an (BAG, Urteil vom 13.02.2007 - 9 AZR 728/05 - NZA 2007,
860, 861 - für eine vertragliche Abfindung -; vom 14.03.2007 - 5 AZR 420/06 - NZA
2007, 863, 865).
Auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni 1993 (a. a. O.) kann
eine gegenteilige Auffassung nicht mehr gestützt werden. Diese Entscheidung ist,
wenn sie das Bundesarbeitsgericht nicht schon mit dem Urteil vom 11. Juni 1997
(a. a. O.) entgegen dem Wortlaut der Entscheidung in der Sache aufgegeben hat,
durch das Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 TzBfG überholt. Selbst wenn
man insoweit anderer Meinung sein wollte, handelte es sich bei § 8 Abs. 5 Satz 1
TVöD-AT um eine abweichende Regelung, aus der sich unmittelbar der bei § 33 a
Abs. 1 BAT vermisste Zweck des Belastungsausgleichs ergibt, wie das
Arbeitsgericht anhand der Bestimmung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD-AT zutreffend
ausgeführt hat.
III.
Die einheitliche Kostenentscheidung folgt, soweit die Klägerin die Berufung
zurückgenommen hat, aus § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, im Übrigen, soweit die
Berufung zurückgewiesen worden ist, aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bezüglich
der Unterschiedsbeträge für die Monate Oktober bis Dezember 2005 zuzulassen,
weil eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen über die Grenze des Hessischen
Landesarbeitsgerichts hinaus betroffen ist, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, darüber
hinaus nicht zuzulassen, weil die Sache wegen des tariflichen Verfalls des
Anspruchs auf einen Differenzbetrag für den Monat Januar 2006 keine
grundsätzliche Bedeutung hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.