Urteil des LAG Hessen vom 06.11.2008

LAG Frankfurt: nachtarbeit, ausnahme, arbeitsgericht, abrechnung, begriff, freizeit, beendigung, kundschaft, betriebsrat, erlöschen

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 Sa 1069/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Anspruch auf Nachtarbeitszuschläge nach MTV Hessischer
Einzelhandel für die Zeit von 19.30 Uhr bis 20 Uhr
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt
am Main vom 25. April 2008 – 8 Ca 1563/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungszuschläge.
Die Beklagte, die in A ein Warenhaus betreibt, ist Mitglied des B e. V., der
Tarifvertragspartei des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen im
Hessischen Einzelhandel, gültig ab 1. Jan. 2006 (MTV) ist. Die Beklagte wendet
diesen Tarifvertrag auf das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis an. Die
Klägerin ist bei der Beklagten seit 1. Jan. 2000 als Verkäuferin beschäftigt. Ihr
wöchentliches Stundenvolumen beläuft sich auf 37,5. Das regelmäßige monatliche
Entgelt beträgt EUR 2.006,–. Die Klägerin hat für das Jahr 2007 Zuschläge für
Nachtarbeit nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages in Höhe von 55 %
für die Zeit ab 19.30 Uhr geltend gemacht. Der MTV lautet auszugsweise:
§ 2 Ziff. 7
Dringende Vor- und Abschlussarbeiten, Zu-Ende-Bedienen der Kundschaft,
Aufräumungsarbeiten und dergleichen sind von dem hierfür erforderlichen
Personal als Ausnahme über die in Ziff. 1 festgelegte Arbeitszeit hinaus zu leisten
und zu vergüten. Die hierfür erforderliche Zeit darf 10 Minuten am Tag nicht
überschreiten. Ein Mehrarbeitszuschlag ist für diese Zeit zu zahlen.
§ 2 a Spätöffnungs- und Samstagsarbeit
1. Spätöffnungsarbeit ist Arbeit in Verkaufsstellen, die in der Zeit von 18.30
Uhr bis 20.00 Uhr, an Samstagen in der Zeit von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr geleistet
wird.
...
§ 4 Zuschläge
1. Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit kann zwischen Betriebsleitung und
Betriebsrat vereinbart werden,... Sie wird je Stunde mit 1/163 des Monatsentgeltes
zuzüglich der nachstehenden Zuschläge bezahlt:
(ausgenommen regelmäßige Nachtschichtarbeit und Arbeit während der
Spätöffnungszeiten sowie spätöffnungsbedingte Arbeit gemäß § 2 Ziff. 7 nach
19.30 Uhr)
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2. Spätöffnungsarbeit
Arbeitnehmer/innen erhalten für spätöffnungsbedingt geleistete Arbeitszeit
von Montag-Freitag ab 18.30 Uhr und
samstags ab 14.30 Uhr
Arbeit gemäß § 2 Ziff. 7 nach 20.00 Uhr (montags – samstags) 40 %
...
Die Zuschläge sind grundsätzlich in Freizeit zu gewähren. Die Freizeit ist
zusammenzufassen und in Arbeitszeitsysteme einzugliedern... Auf Wunsch der
Beschäftigten kann der Zuschlag im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber
abgegolten werden.
3. Treffen mehrere der in §§ 3 und 4 genannten Voraussetzungen zu, so ist nur
der höhere Zuschlag zu zahlen.
Nach § 18 Ziff. 1 b) MTV sind nicht erfüllte Ansprüche auf Zuschläge aller Art
innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Gehalts- bzw. Zahltag, an welchem
dem Arbeitnehmer die Abrechnung für den betreffenden Abrechnungszeitraum
ausgehändigt wurde, schriftlich geltend zu machen, anderenfalls erlöschen sie
nach § 18 Ziff. 2 MTV.
Die Beklagte gewährte der Klägerin den Nachtzuschlag bei einer Arbeitszeit bis
21.00 Uhr oder 22.00 Uhr erst für die Zeit ab 20.00 Uhr. Für die Zeit von 19.30 Uhr
bis 20.00 Uhr gewährte sie einen Zuschlag von 20 % wegen spätöffnungsbedingt
geleisteter Arbeitszeit. Die Beklagte behauptet zweitinstanzlich unwidersprochen,
bei Arbeitszeitende um 21.00 Uhr oder 22.00 Uhr sei für die Zeit nach 20.00 Uhr
keine spätöffnungsbedingte Arbeit nach § 2 Ziff. 7 MTV mit einem Zuschlag von 40
% angefallen, sondern allenfalls ab 21.00 Uhr bzw. 22 Uhr. Die Klägerin erhielt für
das Jahr 2007 monatlich ihre reguläre Vergütung ohne Zuschläge abgerechnet.
Die Beklagte führt ein laufendes Arbeitszeitkonto, in welchem die geleistete Arbeit
und zu berechnende Zuschläge fortlaufend saldiert sind. Die Zeitnachweise
schließen jeweils mit einem als "AZ-Saldo" gekennzeichneten monatlich
aktualisierten Arbeitszeitsaldo. Auf die Zeitnachweise für Januar bis Dezember
2007 wird Bezug genommen (Bl. 85 ff. d. A.).
Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, die einschlägigen Vorschriften des MTV
seien dahingehend auszulegen, dass ihr auch für die Zeit ab 19.30 Uhr ein
Zuschlag in Höhe von 55 % für geleistete Nachtarbeit zustehe. Spätöffnungsarbeit
sei nur die Arbeit in Verkaufsstellen in der Zeit von 18.30 Uhr bis 20.00 Uhr. Arbeit,
die von vornherein über den Zeitkorridor von 19.30 Uhr bis 20.00 Uhr
hinausreiche, sei nicht mehr als Spätöffnungszeit, sondern in vollem Umfang als
Nachtarbeit im Sinne von § 4 Nr. 1 Unterabs. 2 MTV zu werten. Zu ihren Gunsten
ergebe sich eine Zeitdifferenz von 552 Minuten oder umgerechnet EUR 113,16
brutto. Auf die von der Klägerin zur Akte gereichte Tabelle (Bl. 20, 21 d. A.) wird
insoweit verwiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr über die für das Jahr 2007 auf ihrem bei der
Beklagten geführten Arbeitszeitkonto aufgezeichneten Arbeitszeitguthaben hinaus
weitere neun Stunden und zwölf Minuten (Differenz zwischen Spätöffnungs- und
Nachtarbeitszuschlag gemäß §§ 2 a Ziff. 1 und 4, Ziff. 2 MTV für den Hessischen
Einzelhandel) gutzuschreiben,
hilfsweise,
an sie EUR 113,– brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, die Forderungen der Klägerin seien
gemäß § 18 MTV ausgeschlossen. Ein Anspruch bestünde aber auch dem Grunde
nach nicht. Für die Spätöffnungsarbeit von 18.30 Uhr bis 20.00 sei gemäß §§ 2 a
Nr. 1, 4 Nr. 2 MTV ein Zuschlag von 20 % und – bei Arbeit gemäß § 2 Ziff. 7 MTV
für die Zeit bis 20.10 Uhr – ein Zuschlag gemäß § 4 Ziff. 2 MTV in Höhe von 40 %
zu gewähren. Erst für die darüber hinausgehende Arbeitszeit sei ein Zuschlag für
Nachtarbeit zu zahlen. Die Ausnahme vom Anspruch auf Zahlung von
Nachtarbeitszuschlägen sei explizit durch den Klammerzusatz in § 4 Ziff. 1 MTV
hervorgehoben. Es läge auch kein Zusammentreffen mehrerer Ansprüche im
Sinne des § 4 Ziff. 3 MTV vor.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht
festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Urteil vom 25. April 2008
– 8 Ca 1563/08 – abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei
Spätöffnungsarbeit sei ein Nachtzuschlag erst ab 20.00 Uhr zu zahlen, dies bringe
der Klammerzusatz in § 4 Ziff. 1 MTV deutlich zum Ausdruck. Wegen der
Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen
Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das ihr am 12. Juni 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den
14. Juli 2008 per Telefax Berufung eingelegt und diese am 12. Aug. 2008
begründet.
Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe § 4 MTV unzutreffend ausgelegt. Für den
Zeitkorridor zwischen 19.30 Uhr und 20.10. Uhr bestehe eine Teilidentität des
Regelungsbereichs der Zuschlagsregelungen über Nacht- und Spätöffnungsarbeit.
Durch den Klammerzusatz in § 4 Ziff. 1 Unterabs. 2 MTV sei nur die Phase
zwischen 19.30 Uhr und 19.40 Uhr aus dem Begriff der Nachtarbeiten
ausgenommen. Handele es sich um planbare Arbeit nach 19.30 Uhr, beginne
damit auch die zuschlagspflichtige Nachtarbeit.
Die Klägerin beantragt, in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am
Main vom 25. April 2008 – 8 Ca 1563/08 – die Beklagte zu verurteilen,
ihr über die für das Jahr 2007 auf ihrem bei der Beklagten geführten
Arbeitszeitkonto aufgezeichneten Arbeitszeitguthaben hinaus weitere neun
Stunden und zwölf Minuten (Differenz zwischen Spätöffnungs- und
Nachtarbeitszuschlag gemäß §§ 2 a Ziff. 1 und 4, Ziff. 2 MTV für den Hessischen
Einzelhandel) gutzuschreiben,
hilfsweise,
an sie EUR 113,16 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens das Urteil des Arbeitsgerichts und ist weiterhin der Auffassung, der
Nachtarbeitszuschlag müsse nur dann gezahlt werden, wenn keine Ausnahme
nach § 4 Ziff. 1 Unterabs. 2 MTV greife. Durch das Exklusivitätsverhältnis des
Klammerzusatzes ergäbe sich keine Zuschlagskumulation im Sinne des § 4 Ziff. 3
MTV. Die Zeitnachweise seien Berechnungsgrundlage für die Zuschläge und somit
als Abrechnungen im Sinne von § 18 Ziff. 1 a) MTV anzusehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 6. Nov. 2008 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO, 64 Abs. 1 ArbGG und
begegnet wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken, § 64
Abs. 2 b ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und
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Abs. 2 b ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und
ordnungsgemäß begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, und damit
insgesamt zulässig.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt einen
Anspruch auf Zahlung des begehrten Zuschlages für Nachtarbeit nach § 4 Ziff. 1
MTV. Die Beklagte, die tarifgebunden ist, wendet den Manteltarifvertrag auf das
Arbeitsverhältnis mit der Klägerin an, die zu einer Gewerkschaftszugehörigkeit
nichts vorträgt, aber Ansprüche hieraus geltend macht, so dass die fraglichen
Bestimmungen des MTV jedenfalls kraft einvernehmlicher arbeitsvertraglicher
Einbeziehung in das Arbeitsverhältnis gelten.
Ansprüche der Klägerin sind nicht schon nach § 18 Ziff. 2 MTV erloschen. Die
dreimonatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung begann nicht zu laufen, weil
die Klägerin keine Abrechnungen über die Nachtarbeitszuschläge erhielt. Denn
eine Abrechnung der Zuschläge ist vorliegend gerade nicht erfolgt. Vielmehr sind
die Zuschläge durch das Zeiterfassungssystem der Beklagten kontinuierlich
aufsaldiert worden und auf den Folgemonat übertragen worden. Werden
Zeitzuschläge nicht abgerechnet, weil sie permanent aufsaldiert werden, greift
schon nach dem Wortlaut der Ausschlussklausel die Ausschlussfrist des § 18 Ziff. 2
in Verb. mit Ziff. 1 a) MTV nicht (ebenso LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 28. Jan.
2002 – 7 Sa 1155/01 – Juris). Die monatlichen Ausweisungen ergeben kein
endgültiges Ergebnis wieder. Ob sich aus der Kontoführung Ansprüche des
Arbeitnehmers ergeben, kann regelmäßig erst mit Beendigung des
Ausgleichszeitraumes beurteilt werden (BAG Urteil vom 5. Sept. 2002 – 9 AZR
244/01 – EzA § 1 BurlG Nr. 24 = NZA 2003, 726). Bedingt durch die permanente
Aufsaldierung ist der Anspruch auf Zuschläge nach § 18 Ziff. 1 b) binnen zwei
Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Zuschlagsdifferenz von 15 % für die Zeit
von 20.00 bis 20.10 Uhr. Die Beklagte hat bei Arbeitsende um 21.00 Uhr oder
22.00 Uhr in der Zeit von 20.00 Uhr bis 20.10 Uhr keine Arbeiten gemäß § 2 Ziff. 7
MTV mit einem Zuschlag von 40 % berechnet, sondern ab 20.00 Uhr
Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 55 %. Dies ergibt sich aus ihrer Darstellung im
Schreiben vom 30. Juli 2007 (Bl. 10 d. A.) sowie aus den Abrechnungen, die die
Kammer in der Berufungsverhandlung stichprobenartig überprüft hat. Die Klägerin
wollte dazu keine Stellungnahme abgeben, so dass der Abrechnungsmodus als
unstreitig anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Spalten 6 bis 8 in den Tabellen
der Klägerin zur Klageschrift sind damit gegenstandslos.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Zuschlägen für
Nachtarbeit für die Zeit von 19.30 Uhr bis 20.00 Uhr. Dass die Beklagte
Nachtarbeitszuschläge nach § 4 Ziff. 1 MTV erst ab 20.00 Uhr gewährt hat,
entspricht der tarifvertraglichen Regelung. Dies ergibt die Auslegung von §§ 2, 3
und 4 MTV. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. BAG Urteil vom 20.
Febr. 2008 – 10 AZR 597/06 – Juris; BAG Urteil vom 19. Januar 2000 – 4 AZR
814/98 – BAGE 93, 229, zu 3 a der Gründe) den für die Auslegung von Gesetzen
geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der
maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften.
Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen
seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen
Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der
Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm
zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse
nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge
weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die
praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer
Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen
Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten,
zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
Der Tarifwortlaut des § 4 Ziff. 1 Unterabsätze 1 und 2 MTV ergibt als maßgeblichen
Sinn der Tarifnorm, dass im Zeitraum ab 19.30 Uhr Nachtarbeit anfällt, für die ein
Zuschlag in Höhe von 55 % zu gewähren ist, dass es hiervon jedoch Ausnahmen
gibt. Dies ergibt sich aus dem Klammerzusatz "(ausgenommen...)". Der Begriff
"ausgenommen" bedeutet eine Ausnahme von der vorstehenden Regel.
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"ausgenommen" bedeutet eine Ausnahme von der vorstehenden Regel.
Ausgenommen von der Nachtarbeit sind regelmäßige Nachtarbeit und Arbeit
während der Spätöffnungszeiten sowie spätöffnungsbedingte Arbeit gemäß § 2
Ziff. 7 MTV nach 19.30 Uhr. Da die Beklagte wie ausgeführt bei Spätöffnungszeiten
bis 21.00 Uhr oder 22.00 Uhr keine spätöffnungsbedingte Arbeit gemäß § 2 Ziff. 7
MTV mit 40 % bezuschlagt hat, sondern ab 20.00 Uhr Nachtarbeit mit 55 %, geht
es hier allein um die Zeit zwischen 19.30 Uhr und 20.00 Uhr. Dies ist
Spätöffnungsarbeit, die in § 2 a Ziff. 1 MTV definiert ist. Danach ist
Spätöffnungsarbeit Arbeit in Verkaufsstellen, die in der Zeit von 18.30 Uhr bis
20.00 Uhr geleistet wird. Da diese in § 4 Ziff. 1 von der Nachtarbeit ausgenommen
ist, kann bei Spätöffnungsarbeit bis 20.00 Uhr keine Nachtarbeit anfallen. Nach § 4
Ziff. 2 erhalten Arbeitnehmer für spätöffnungsbedingte Arbeit, die keine Arbeit
gemäß § 2 Ziff. 7 MTV nach 20.00 Uhr ist, einen Zuschlag von 20 %. Darauf, ob die
sich an die Spätöffnungsarbeit anschließende Nachtarbeit planbar ist, kommt es
nicht an, denn nach § 4 Ziff. 1 MTV ist die Arbeit während der Spätöffnungszeiten,
also bis 20.00 Uhr, einschränkungslos von der Nachtarbeit ausgenommen. Ein
entgegenstehender Wille der Tarifvertragsparteien hat in den tariflichen Normen
keinen Niederschlag gefunden. Der tarifliche Gesamtzusammenhang lässt nur den
Sinn und der Zweck der Tarifnormen erkennen, Spätöffnungsarbeit für den
Arbeitgeber gegenüber der Nachtarbeit billiger zu machen und in der Zeit von
19.30 Uhr bis 20.00 Uhr nicht mit dem Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 55 %
zu belasten. § 4 Ziff. 3 MTV kommt hier nicht zur Anwendung, da nicht mehrere
der in §§ 3 und 4 MTV genannten Voraussetzungen zutreffen, sondern ein
Zuschlag für Nachtarbeit während der Spätöffnungsarbeit von 19.30 Uhr bis 20.00
Uhr ausdrücklich ausgenommen ist, so dass ein Konkurrenzverhältnis nicht
entstehen kann.
Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung trägt die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, §
72 Abs. 2 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.