Urteil des LAG Hessen vom 31.07.2008

LAG Frankfurt: fristlose kündigung, wichtiger grund, ordentliche kündigung, beweisvereitelung, umkehr der beweislast, unterzeichnung, arbeitsgericht, persönliches interesse, verein, vergütung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
20. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20/11 Sa 971/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 286 ZPO, § 427 ZPO, § 444
ZPO
(Beweisvereitelung über geleistete Arbeitsstunden)
Leitsatz
1. Weigert sich ein Arbeitgeber, vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitsstunden
abzuzeichnen, kann hierin insbesondere dann eine Beweisvereitelung analog den
§§ 427, 444 ZPO gesehen werden, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen von
Pflegeleistungen allein für den Arbeitgeber tätig wird, vertraglich keine
Mindestarbeitszeit vereinbart ist und der Arbeitgeber jegliche Arbeitsleistung bestritten
hat.
2. Liegen die Voraussetzungen der Beweisvereitelung vor, kann dies im Rahmen des
§ 286 ZPO dazu führen, dass in freier Beweiswürdigung auf die Wahrheit des
Vorbringens der beweisbelasteten Partei zu schließen und die Leistung aller
substantiiert vorgetragenen Arbeitsstunden deshalb zu unterstellen ist.
3. Sind sowohl die substantiiert vorgetragen Umstände der Beweisvereitelung –
Weigerung, geleistete Arbeitsstunden abzuzeichnen – als auch die Ableistung der
substantiiert vorgetragenen Arbeitsstunden streitig, ist zunächst Beweis über die die
Annahme der Beweisvereitelung rechtfertigenden Umstände zu erheben. Das im
Verhältnis zwischen Hilfstatsache und Haupttatsache bestehende Verbot, zunächst
über die Hilfstatsache Beweis zu erheben, greift hier nicht ein, weil die beweisbelastete
Partei gerade von dem Risiko der erschwerten Beweisführung entlastet werden soll.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am
Main vom 02. Mai 2007 – 2 Ca 7607/06 – wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und
um Vergütungsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin und die Beklagte - ein schwerbehinderter Mensch, der einer
24stündigen Betreuung durch Pflegekräfte bedarf – schlossen unter dem Datum
des 18. August 2006 einen Arbeitsvertrag. Hiernach sollte die Klägerin der
Beklagten persönliche Hilfestellungen in allen Dingen des täglichen Lebens leisten
und praktische Pflegeleistungen erbringen, wobei nicht lesbar ist, ob in § 1 des
Vertrags der 16. oder der 17. August als Tag der Arbeitsaufnahme angegeben ist.
§ 2 des Vertrages lautet: „(1) Für die Tätigkeit wird ein Stundenlohn 10, 25 EUR
brutto vereinbart. Die Parteien gehen von einer unregelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit von ca. 40 Stunden (auf Stundenlohnbasis/keine Garantiestunden) aus.
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(2) Die Auszahlung des Arbeitslohnes erfolgt nachträglich monatlich bis zum 15.
des Folgemonats durch Überweisung auf ein dem Arbeitgeber bekannt zu
gebendes Girokonto, wenn bis spätestens zum 2. des Folgemonats die im
vorausgegangenen Monat erbrachten Stunden ordnungsgemäß belegt worden
sind.
(3) Die Gehaltsabrechnung erfolgt über den Verein „D e.V.“
§ 3 des Vertrages regelt, dass die Lage der Arbeitszeit und deren Verteilung auf
die Wochentage vom Arbeitgeber bestimmt werden und sich so gestalten, dass
die von dem Arbeitgeber benötigten Hilfestellungen gesichert sind. § 8 enthält die
Vereinbarung einer dreimonatigen Probezeit, innerhalb derer die Kündigungsfrist
zwei Wochen betragen soll. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrags im Übrigen
wird auf die zur Akte gereichte Abschrift (Bl. 3 d.A.) verwiesen.
Jedenfalls im September 2006 arbeiteten die Zeuginnen A und B als Pflegekräfte
bei der Beklagten. Die Pflegetätigkeit bei der Beklagten wird im Schichtdienst
geleistet, die Pflegekräfte lösen einander ab. Die Lohnabrechnung der bei der
Beklagten beschäftigten Arbeitnehmerinnen erfolgt über den Verein „D e.V.“,
einen gemeinnützigen Verein der Behindertenhilfe, der hierfür die Stundenzettel
der Arbeitnehmerinnen benötigt.
Die Beklagte unterzeichnete keine Stundenzettel der Klägerin. Diese erhielt weder
von der Beklagten noch von dem Verein „D e.V.“ Vergütungszahlungen. Auch
wegen der Vergütungsansprüche der Zeuginnen B und A waren vor dem
Arbeitsgericht Frankfurt am Main Verfahren anhängig (Az: 2/9 Ca 7996/06 und Az:
2/9 Ca 7997/06), die durch Versäumnisurteil zu Gunsten der Zeuginnen
rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Im Zusammenhang mit der
unterlassenen Vergütungszahlung wurde gegen die Beklagte von der
Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Wie in der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2008 unstreitig gestellt wurde, kam
es im September 2006 zu einem Treffen der Klägerin und der Beklagten in einem
Café im Nordwestzentrum in Frankfurt am Main, zu dem die Zeugin B die Beklagte
begleitete. Grund dieses Treffens waren Uneinigkeiten zwischen der Klägerin und
der Beklagten hinsichtlich der Unterzeichnung von Stundenzetteln der Klägerin
durch die Beklagte. Das Treffen endete mit der Zusage der Beklagten, den bei
diesem Gespräch übergebenen Stundenzettel der Klägerin zu unterzeichnen.
Mit Schreiben vom 23. September 2006 (Bl. 11. d.A.), der Klägerin zugegangen
am 05. Oktober 2006, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien
fristlos und begründete dies damit, dass die Klägerin der Arbeit unerlaubt
ferngeblieben sei und bereits drei Abmahnungen erhalten habe.
Die Klägerin hat die Kündigung vom 23. September 2006 mangels
Kündigungsgrund für unwirksam gehalten und die Meinung vertreten, diese sei
sittenwidrig. Außerdem hat sie Vergütungsansprüche in Höhe von 1952,62 EUR
brutto für den Zeitraum vom 16. August 2006 bis einschließlich 25. September
2006 geltend gemacht und hierzu behauptet, sie habe aufgrund des
geschlossenen Arbeitsvertrags im August 2006 80,5 Stunden und im September
2006 110 Stunden für die Beklagte gearbeitet. Insoweit hat sie im Einzelnen
dargelegt, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie Arbeitsleistungen
erbracht hat. Auf die Auflistung im Schriftsatz vom 19. Februar 2007 (Bl. 46 d.A.)
und die dortigen Beweisangebote wird Bezug genommen. Die Klägerin hat
behauptet, die Beklagte habe die Unterzeichnung ihrer Stundenzettel böswillig
verweigert und vorgetragen, ihrer Kenntnis nach habe die Beklagte die
Pflegeleistungen zugunsten ihres Neffen, des geladenen Zeugen C abgerechnet.
Sie hat gegen die Kündigung der Beklagten am 26. Oktober 2006
Kündigungsschutzklage eingereicht, die der Beklagten am 2. November 2006
zugestellt worden ist. Außerdem hat sie zunächst Vergütungsklage auf Zahlung
von 1952,62 EUR brutto erhoben und im Wege der Stufenklage beantragt, die
Beklagte zu verurteilen, Abrechnung über diesen Bruttobetrag zu erteilen und
Zinsen auf den sich hiernach ergebenden Nettobetrag zu zahlen. Die Stufenklage
hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 05. Januar 2007 (Bl. 40 d.A.) zurücknehmen
lassen. Im Kammertermin vom 02. Mai 2007 hat sie erklärt, sie wende sich nur
gegen die fristlose Kündigung und akzeptiere eine im Wege der Umdeutung zu
gewinnende fristgemäße Kündigung.
Die Klägerin hat zuletzt unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose
Kündigung der Beklagten vom 23. September 2006 beendet worden ist;
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1952,62 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. November 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam und der
Klägerin stehe kein Vergütungsanspruch zu. Hierzu hat sie behauptet, es sei zu
keinem Zeitpunkt zu einem tatsächlichen Einsatz der Klägerin gekommen. Die
Klägerin habe immer, wenn sie zur Arbeit vorgesehen gewesen sei, telefonisch
oder persönlich mitgeteilt, sie könne wegen ihrer Kinder nicht arbeiten.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit seinem am 02. Mai 2007
verkündeten Urteil – 2 Ca 7607/06 (Bl. 56. – 63 d.A.) - festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.
September 2006 nicht beendet worden ist und die Beklagte verurteilt, an die
Klägerin 1952,62 EUR brutto nebst Zinsen seit dem 02. November 2006 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat es der Beklagten 93 % und der Klägerin 7 %
auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe
nicht substantiiert vorgetragen, dass ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB die
Kündigung rechtfertige, sondern nur pauschal behauptet, die Klägerin sei der
Arbeit unerlaubt ferngeblieben. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch stehe
der Klägerin zu, weil die Beklagte die von der Klägerin substantiiert dargelegten
Arbeitsstunden nur pauschal bestritten habe. Sie sei aber gehalten gewesen,
darzulegen, an welchen Arbeitstagen die Klägerin die von ihr geforderte
Arbeitsleistung nicht erbracht habe und wer an den von der Klägerin behaupteten
Arbeitstagen ihre Pflege übernommen habe. Den Gebührenstreitwert nach § 63
Abs. 2 GKG hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 21. Mai 2007 auf 2933, 67
EUR festgesetzt.
Gegen das ihr am 24. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Juni
2007, einem Montag, per Telefax Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig
beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. August
2007 an diesem Tag begründet.
Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Vorlage der
Stundenzettel anspruchsbegründende Tatsache sei, solche aber unstreitig nicht
vorlägen. Zu der von ihr bereits erstinstanzlich bestrittenen Behauptung der
Klägerin, sie, die Beklagte, habe sich geweigert, die Stundenzettel zu
unterzeichnen, fehle substantiierter Vortrag der Klägerin, wann, wie und weshalb
sie sich geweigert haben solle, die Stundenzettel zu unterzeichnen. Das
Arbeitsgericht habe jedenfalls nicht darauf verzichten dürfen, den Zeugen C zu
ihrer Behauptung zu hören, dass sie nie Abrechnungen manipuliert hätte. Stehe
fest, dass die Klägerin mangels Arbeitsleistung keine Vergütung zu beanspruchen
habe, ergebe sich hieraus auch, dass die Kündigung wirksam sei. In der
Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2008 (Sitzungsniederschrift Bl. 111 ff d.A.)
erklärte die Beklagte, sie habe nie bestritten, dass die Klägerin bei ihr gearbeitet
habe und behauptet nunmehr, die Klägerin habe an zwei Tagen zur Probe bei ihr
gearbeitet, es sei aber vereinbart gewesen, dass sie hierfür kein Geld erhält. Die
Probearbeitstage hätten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der
Unterzeichnung des Arbeitsvertrags stattgefunden, vermutlich einen Tag vor und
einen Tag nach dem Vertragsschluss. Bei dem Gespräch mit der Klägerin im Café
im Nordwestzentrum sei es um Stundenzettel gegangen, die diese beiden
Probetage betroffen hätten. Die Beklagte behauptete in der
Berufungsverhandlung, die bei ihr beschäftigten Pflegekräfte erhielten die
Vergütung nie von ihr direkt, sondern über den Verein “D e. V.“ von der
Kostenübernahmestelle der Stadt Frankfurt am Main.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02.
Mai 2007 – 2 Ca 7607/06 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und
Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie behauptet zunächst unter
Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Beweisangebot auf Vernehmung der
Zeuginnen A und B, die Vorlage der Stundenzettel sei nicht möglich gewesen, weil
die Beklagte sich tagtäglich geweigert habe, die Stundenzettel zu unterschreiben.
In der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2008 (Sitzungsniederschrift Bl. 111 ff
d.A.) präzisierte die Klägerin diesen Vortrag dahingehend, sie habe die Beklagte an
den in ihrer Auflistung aufgeführten Arbeitstagen aufgefordert, die Stundenzettel
zu unterschreiben oder nachgefragt, wann diese unterschrieben würden.
Außerdem behauptet die Klägerin, die Beklagte habe sich auch geweigert, die
Stundenzettel der Zeuginnen B und A zu unterzeichnen. Sie vertritt die Ansicht,
aus diesem Sachverhalt ergebe sich die Umkehr der Beweislast hinsichtlich der
von ihr geleisteten Arbeitsstunden. Einer genaueren Darlegung der Weigerung der
Beklagten bedürfe es nicht, zumal diese immer nach dem gleichen Muster
verfahren sei und sie ebenso wie die beiden Zeuginnen auf einen späteren
Zeitpunkt vertröstet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 31. Juli 2008 (Bl. 111 d.A.) verwiesen. Das
Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen A und B.
Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird ebenfalls auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 31.
Juli 2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG, 511
ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1
und 3 ZPO.
II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist in ihrer letzten
Fassung - wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat - begründet.
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der
Beklagten vom 23. September 2006 nicht aufgelöst worden, sondern hat bis zum
19. Oktober 2006 fortbestanden. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam,
da der Beklagten kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zur Seite
steht. Gem. § 626 Abs. 1 BGB berechtigt ein Sachverhalt nur dann zum Ausspruch
einer außerordentlichen Kündigung, wenn es dem Kündigenden danach
unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist fortzusetzen. Insofern kann offen bleiben, ob die Prüfung des § 626
Abs. 1 BGB dreistufig (HK-ArbR- Griebeling, § 626 BGB Rz. 49 ff; für den
dreistufigen Prüfungsaufbau bei der verhaltensbedingten Kündigung; KR-
Griebeling, 1 KSchG Rz. 404 ff; APS/Dörner, § 1 KSchG Rz. 272; HaKo-Fiebig; § 1
KSchG, Rz. 202; HK-Dorndorf § 1 Rz. 495; Bader/Bram/Dörner/Kriebel, KSchG, § 1
Rz. 161 ff, wohl auch BAG, Urt. v. 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – juris; BAG, Urt. v.
24.06.2004 – 2 AZR 63/03 – EzA § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65;
für § 626 BGB offen Bader/Bram/Dörner/Kriebel, KSchG, § 626 BGB Rz. 24) oder
zweistufig (KR-Fischermeier, § 626 BGB Rz. 84 ff.; ErfK-Müller-Glöge, § 626 BGB Rz.
15; BAG, Urt. v. 27.04.2006 – 2AZR 415/05 – EzA § 626 BGB 2002 Nr. 17; LAG
Rheinland Pfalz, Urt. v. 18.02.2008 – 5 Sa 658/08 – juris) zu erfolgen hat. Sowohl
bei zwei – als auch bei dreistufiger Prüfung setzt das Vorliegen eines wichtigen
Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB auf der ersten Stufe die Feststellung voraus,
dass der Arbeitnehmer – i. d. R. schuldhaft - arbeitsvertragliche Pflichten verletzt
hat oder anderweitig eine objektive Belastung des Arbeitsverhältnisses besteht
(vgl. nur BAG, Urt. v. 02.03.2006 – 2 AZR 53/05 – juris; LAG Rheinland Pfalz, Urt. v.
18.02.2008 – 5 Sa 658/07 – juris; ArbR- Griebeling, § 626 BGB Rz. 49 ff). Der
wesentliche Unterschied zwischen zwei- und dreistufigem Prüfungsaufbau besteht
darin, dass bei dreistufiger Prüfung auf der zweiten Stufe das Vorliegen der
Negativprognose zu prüfen ist (HK-Dorndorf § 1 Rz. 553;
Bader/Bram/Dörner/Kriebel, KSchG, § 1 Rz. 68) und erst auf der dritten Stufe im
Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen ist, ob dem Arbeitgeber nach
allen Umständen des Einzelfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann.
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Hier hat die Beklagte jedoch bereits nicht in einer den Anforderungen des § 138
Abs. 1, 3 ZPO genügenden Weise dargelegt, dass die Klägerin ihre das
Arbeitsverhältnis betreffenden Pflichten schuldhaft verletzt hat oder eine
anderweitige objektive Störung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Entgegen der
Auffassung der Beklagten fehlte es an der auf der ersten Prüfungsstufe
festzustellenden objektiven Pflichtverletzung selbst dann, wenn die Klägerin die
Arbeit bei der Beklagten tatsächlich nicht aufgenommen hätte. Die Parteien haben
im Arbeitsvertrag weder eine verbindliche Wochenarbeitszeit noch die Verteilung
der Arbeitszeit auf die Wochentage geregelt, sondern nur vereinbart, dass die
Lage der Arbeitszeit und deren Verteilung auf die Wochentage vom Arbeitgeber
bestimmt werden soll und sich so gestaltet, dass die von dem Arbeitgeber
benötigten Hilfestellungen gesichert sind. Da die Beklagte unstreitig einer
24stündigen Pflege bedarf, die Klägerin aber nach dem Vertrag nur ca. 40 Stunden
wöchentlich für sie tätig werden sollte, oblag es der Beklagten, die Lage der
Arbeitszeit im Rahmen ihres Direktionsrecht gem. § 106 GewO festzulegen und die
Klägerin zur Arbeit aufzufordern oder ihr Dienstpläne zukommen zu lassen. Erst
durch eine solche Konkretisierung wäre die Verpflichtung der Klägerin zur
Arbeitsleistung aktualisiert worden. Obgleich das arbeitsgerichtliche Urteil bereits
feststellt, dass die Beklagte hätte darlegen müssen, wann sie die Klägerin zur
Arbeit aufgefordert hat, ist hierzu auch zweitinstanzlich kein nachvollziehbarer
Vortrag seitens der Beklagten erfolgt.
2. Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der
Beklagten zur Zahlung von 1952,62 EUR brutto nebst Zinsen seit dem 02.
November 2006 richtet.
a) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung von 80,5 im Monat August 2006
geleisteten Arbeitsstunden und von 110 im Monat September 2006 geleisteten
Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn von 10,25 EUR brutto aus § 611 BGB
i.V.m. dem Arbeitsvertrag zu.
aa) Zwar kann die Leistung der von der Klägerin angegebenen Arbeitsstunden
nicht, wie das Arbeitsgericht meint, schon deshalb angenommen werden, weil die
Beklagte diese nicht substantiiert bestritten hat. Die Beklagte hat erstinstanzlich
behauptet, die Klägerin habe die Arbeit bei ihr nie aufgenommen und sodann in
der Berufungsverhandlung erklärt, die Klägerin habe an zwei Tagen Mitte August
zur Probe gearbeitet, wobei ausdrücklich vereinbart worden sei, dass hierfür keine
Vergütung gezahlt werde. Dieser Vortrag stellt ein substantiiertes, nämlich
konkretes Bestreiten der von der Klägerin angegeben Arbeitsstunden dar. Die
Beklagte war auch hinsichtlich ihrer Verteidigung gegen die Klage auf
Vergütungszahlung für tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden nicht gehalten,
darzulegen, wann sie die Klägerin zur Arbeitsleistung aufgefordert hat oder wer die
Pflegetätigkeit in den von der Klägerin angegeben Zeiten durchgeführt hat. Eine
derartige Verpflichtung lässt sich aus § 138 Abs. 3 ZPO nicht ableiten.
bb) Dass die Klägerin für die Beklagte Arbeitsleistungen im genannten Umfang
erbracht hat, erachtet die Kammer jedoch nach Durchführung der
Beweisaufnahme i.S.d. des § 286 ZPO als wahr. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das
Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob
eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Grundlage
der Würdigung ist dabei der gesamte Inhalt der Verhandlung, die Art, der
Zusammenhang und der Zeitpunkt des Vorbringens, Handlungen,
Unterlassungen, ggfs. eine Verletzung der Wahrheitspflicht, eine ggfs. vorliegende
Beweisvereitelung, der persönliche Eindruck von den Prozessbeteiligten
einschließlich einer Beweisaufnahme, all dies auch unter Einbeziehung von
Erfahrungssätzen (vgl. Thomas-Putzo-Reichold, 27. Aufl. § 286 ZPO Rn 6; Zöller-
Greger, 26.Aufl. § 286 ZPO Rn 14). Bei Vorliegen einer Beweisvereitelung kann das
Gericht nach dem Rechtsgedanken der §§ 427, 444 ZPO in freier Beweiswürdigung
auf die Wahrheit des Vorbringens der beweisbelasteten Partei schließen (Zöller-
Greger/Geimer, 26. Aufl. § 444 Rz. 1).
Hier hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Voraussetzungen der
Beweisvereitelung durch die Beklagte im Hinblick auf von der Klägerin geleistete
Arbeitsstunden vorliegen (1). Dies und die Widerlegung der Behauptungen der
Beklagten führt in Gesamtschau mit dem Prozessverhalten der Parteien dazu,
dass die Kammer die von der Klägerin angegebenen Arbeitsstunden i.S.d. § 286
Abs. 1 ZPO als wahr erachtet (2). Einer Vernehmung der benannten Zeugen zu
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Abs. 1 ZPO als wahr erachtet (2). Einer Vernehmung der benannten Zeugen zu
den einzelnen von der Klägerin behaupteten Arbeitsstunden bedurfte es daher zur
Überzeugungsbildung des Gerichts nicht (3).
(1) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Vernehmung der
Zeuginnen A und B steht fest, dass die Beklagte im Zeitraum August/September
2006 Stundenzettel der Klägerin nicht unterzeichnet hat, obwohl die Klägerin
Arbeitsleistungen in erheblichem Umfang für sie erbrachte, die Beklagte zur
Abzeichnung aufforderte und diese hierzu arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen
wäre. Zwar vermochte weder die Zeugin A noch die Zeugin B das Beweisthema
vollständig zu bestätigen, dass die Beklagte an jedem der Tage die
Unterzeichnung der Stundenzettel abgelehnt hat, an dem die Klägerin ihrem
Vortrag nach bei der Beklagten tätig wurde. Die Kammer sieht es jedoch als
erwiesen an, dass die Beklagte sowohl der Zeugin A als auch der Zeugin B erzählt
hat, sie werde die Stundenzettel der Klägerin nicht unterzeichnen, dass sie mit der
Klägerin vor dem gemeinsamen Besuch der "Dippemess" in Frankfurt über die
Unterzeichnung ihrer Stundenzettel gestritten hat und dass wegen der nicht
unterzeichneten Stundezettel ein Treffen zwischen der Klägerin, der Beklagten und
der Zeugin B im Nordwestzentrum stattgefunden hat, bei dem die Beklagte erklärt
hat, sie werde die Stundenzettel unterschreiben, wenn sich die Klägerin benehme.
Die Zeugin A hat ausgesagt, die Beklagte habe ihr erzählt, dass sie die
Stundenzettel der Klägerin nicht unterschreibe, diese werde kein Geld von ihr
bekommen. Sie hat weiterhin ausgesagt, die Beklagte und die Klägerin hätten vor
dem Besuch der „Dippemess“ in Frankfurt über die Unterzeichnung von
Stundenzetteln der Klägerin gestritten. Diese Aussage ist glaubhaft. Sie wird durch
die Aussage der Zeugin B bestätigt, die Beklagte habe ihr nach dem Treffen im
Nordwestzentrum ebenfalls erklärt, wenn sich die Klägerin nicht benehme,
unterschreibe sie deren Stundenzettel nicht. Zudem hat die Beklagte bei der
Verhandlung zum Ergebnis der Beweisaufnahme eingeräumt, die Unterzeichnung
von Stundenzetteln der Klägerin bei dem Treffen mit dieser im Nordwestzentrum
von Bedingungen abhängig gemacht zu haben, wenn auch mit der Behauptung, es
habe sich um die Stundenzettel für angebliche Probetage gehandelt. Diese
Behauptung der Beklagten ist jedoch durch die Aussage der Zeugin B widerlegt.
Die Zeugin hat bereits vor der Konfrontation mit der Behauptung der Beklagten
erklärt, sie habe bei dem Treffen im Café den Stundenzettel der Klägerin sehen
können und nur nicht erkannt, auf welche Daten er sich bezöge. Sie hat
ausgesagt, da das Treffen im September stattgefunden hat, vermute sie, dass es
um Arbeitsstunden in der Zeit vom 15. August bis Ende August gegangen sei. Als
ihre Vernehmung auf die Behauptung der Beklagten im Rahmen der Verhandlung
zum vorläufigen Ergebnis der Beweisaufnahme – bei dieser war die Zeugin nicht
anwesend - fortgesetzt wurde, hat die Zeugin ausdrücklich ausgeschlossen, dass
es lediglich um die Stundenzettel für zwei Tage gegangen sei. Sie hat ausgesagt,
es müssten so um die 15 Tage gewesen sein, die auf dem Stundenzettel
aufgeführt waren und hat insofern erläutert, die Hälfte des Papiers sei beschrieben
gewesen. Dies deckt sich mit ihrer vorherigen Aussage, sie habe den Zettel sehen,
aber die Daten nicht erkennen können. Weiterhin hat die Zeugin B ausgesagt, bei
diesem Gespräch sei der Begriff Probetage oder ein ähnlicher Begriff nicht
gefallen. Es ist aber fern liegend, dass dieser Begriff weder von der Beklagten noch
von der Klägerin benutzt wird, wenn zuvor vereinbart war, dass ohne Vergütung auf
Probe gearbeitet wird und die Klägerin bei diesem Treffen dennoch die
Unterzeichnung der Stundenzettel forderte. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme ist im Übrigen widerlegt, dass die Klägerin nur an zwei Tagen für
die Beklagte Probe gearbeitet hat. Es steht vielmehr fest, dass sie im Zeitraum
August und September 2006 in erheblichem Umfang für die Beklagte tätig war.
Die Zeugin A hat ausgesagt, die Klägerin habe konkret an dem Tag im August bei
der Beklagten gearbeitet, an dem sie sich dort vorgestellt habe und an dem Tag,
an dem die Beklagte, die Zeugin A und die Klägerin gemeinsam die „Dippemess“
besuchten. Insoweit hat die Zeugin ausgesagt, die Klägerin sei auf 18.00 Uhr
„bestellt“ worden, was einen rein privaten Charakter des Besuchs ausschließt.
Weiterhin hat die Zeugin A ausgesagt, dass sie die Klägerin einmal vor ihrem
Schichtantritt im Aufzug bei der Beklagten getroffen habe und dass klar gewesen
sei, dass diese vorher gearbeitet hatte. Außerdem habe die Beklagte ihr während
ihrer eigenen Schicht gesagt, dass die Klägerin da war und was sie gemacht habe
und sie habe gesehen, wie die Klägerin im Auto weggefahren sei. Auch diese
Aussage ist glaubhaft. Es ist nahe liegend, dass einer Arbeitnehmerin, die einen
schwerbehinderten Menschen in Wechselschicht mit einer oder mehreren
Arbeitnehmerinnen pflegt, bei Schichtwechsel jeweils mitgeteilt wird, wer zuvor
welche Arbeiten verrichtet hat, weil diese Tätigkeiten dann eben nicht mehr
verrichtet werden müssen oder Folgetätigkeiten zu verrichten sind. Zwar liegt ein
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verrichtet werden müssen oder Folgetätigkeiten zu verrichten sind. Zwar liegt ein
gewisser Widerspruch darin, dass die Zeugin A zunächst ausgesagt hat, sie habe
die Klägerin öfter gesehen, nämlich immer bei der Wechselschicht, manchmal vor
der Tür und manchmal in der Wohnung, andererseits aber ausgesagt hat, einmal
sei sie sehr früh gewesen und da habe sie die Klägerin im Aufzug gesprochen.
Insoweit muss jedoch in die Würdigung einbezogen werden, dass die
Beweisaufnahme zwei Jahre zurückliegende Vorgänge betraf und dass sich die
Aussage der Zeugin auf einen Zeitraum von mehreren Wochen bezieht.
Unsicherheiten darüber, wie häufig die Zeugin die Klägerin bei Schichtwechsel an
der Tür, vor der Tür oder im Aufzug sah und wann sie lediglich wahrnahm, dass die
Klägerin wegfuhr, vermögen in diesem Zusammenhang keine Zweifel an der
Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin A zu begründen, zumal die Zeugin nach
ihren Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung von
Stundenzetteln befragt wurde, als sie aussagte, sie habe die Klägerin immer beim
Schichtwechsel gesehen. Der Schwerpunkt ihrer Aussage lag also gerade bei der
Mitteilung, nicht gleichzeitig mit der Klägerin tätig geworden zu sein und auf der
Arbeit keinen Austausch mit ihr gehabt zu haben. Zudem wird die Aussage der
Zeugin A, die Klägerin habe deutlich häufiger als nur an zwei Probetagen bei der
Beklagten gearbeitet, durch die Aussage der Zeugin B bestätigt. Diese hat, um die
Arbeitsleistungen bei der Beklagten in Wechselschicht darzustellen, ausgesagt, es
laufe so, dass die Klägerin z.B. Nachschicht habe, sie zur Frühschicht erscheine
und die Klägerin dann die Wohnung der Beklagten verlasse. Sie hat damit indirekt
bestätigt, dass die Klägerin in das Schichtsystem bei der Beklagten eingebunden
war. Außerdem hat sie deckungsgleich mit der Zeugin A ausgesagt, dass es bei
Schichtwechsel kaum zu Kontakt zwischen ihr und der Klägerin gab. Die Zeuginnen
A und B sind auch glaubwürdig. Ihr gesamtes Aussageverhalten war ruhig und
sicher. Keine der beiden Zeuginnen hat ein persönliches Interesse am Ausgang
des Rechtsstreits, nachdem die von ihnen gegen die Beklagte geführten Verfahren
vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu ihren Gunsten rechtskräftig
abgeschlossen sind. Es ist auch sonst kein Grund ersichtlich, warum sie zu
Gunsten der Klägerin falsch hätten aussagen sollen.
Die von den Zeuginnen bekundeten Umstände, deren Inhalt sich der
Klägervertreter im Rahmen der Verhandlung zu dem Beweisergebnis ergänzend zu
seinem Hauptvorbringen zu eigen gemacht hat, lassen den Schluss zu, dass die
Beklagte sich geweigert hat, Stundenzettel der Klägerin zu unterzeichnen, obgleich
die Klägerin die in diesen dokumentierte Arbeit geleistet hat. Es ist kein Grund
ersichtlich, warum die Beklagte beiden Zeuginnen unabhängig von einander erklärt
haben sollte, sie werde die Stundenzettel der Klägerin nicht unterschreiben, wenn
die Klägerin nie mit einem solchen Ansinnen an die Beklagte herangetreten ist und
nicht für sie gearbeitet hat. Auch der Streit vor dem gemeinsamen Besuch der
„Dippemess“ über die Unterzeichnung von Stundenzetteln der Klägerin ist nur
verständlich, wenn die Klägerin deren Unterzeichnung gefordert hat, die Beklagte
sich aber geweigert hat. Schließlich belegt das Treffen der Parteien im
Nordwestzentrum, bei dem die Beklagte an die Unterzeichnung unzulässigerweise
die Bedingung geknüpft hat, die Klägerin müsse sich „benehmen“, dass die
Beklagte sich zunächst geweigert hat, die Stundenzettel der Klägerin zu
unterzeichnen.
Der Zeuge C war nicht gegenbeweislich zu vernehmen, da er nur zu dem Beweis
der Tatsache benannt war, die Beklagte habe keine Abrechnungen manipuliert.
Diese Frage ist jedoch von der Weigerung, Stundenzettel der Klägerin zu
unterzeichnen, zu trennen und sagt hierüber nichts aus.
In der Weigerung, Stundenzettel betreffend geleistete Arbeit zu unterzeichnen,
liegt eine Beweisvereitelung, nämlich ein missbilligenswertes vorprozessuales
Verhalten, für das die Beklagte keine Gründe vorgebracht hat und das den Beweis
der geleisteten Arbeitsstunden für die Klägerin deutlich erschwert. Da zwischen
den Parteien keine Mindestarbeitszeit vereinbart war, war die Klägerin darauf
angewiesenen, dass ihr sämtliche geleisteten Stunden durch die Beklagte quittiert
werden, um Vergütungsansprüche nachweisen zu können. Dem Zeugenbeweis ist
die Ableistung von Arbeitsstunden nur schwer zugänglich, insbesondere wenn der
Arbeitnehmer wie hier – jedenfalls i.d.R. - allein für den Arbeitgeber tätig ist.
Andererseits war es der Klägerin wegen der Art der geschuldeten Arbeitsleistung
auch aus moralischen Gründen erschwert, ihre Arbeitsleistung nach § 273 BGB
zurückzuhalten, denn die Beklagte war dringend auf die Erbringung der
Pflegeleistungen angewiesen. Dass die Klägerin nicht den Beweis erbracht hat,
dass die Beklagte arbeitstäglich die Abzeichnung der Stundenzettel verweigert
hat, hindert die Annahme einer Beweisvereitelung nicht. Entscheidend für die
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hat, hindert die Annahme einer Beweisvereitelung nicht. Entscheidend für die
Annahme der Beweisvereitelung und deren Würdigung im Rahmen des § 286 ZPO
ist, dass die Beklagte der Klägerin den Nachweis tatsächlich geleisteter
Arbeitsstunden jedenfalls erheblich erschwert hat.
(2) Neben den damit bewiesenen Voraussetzungen für das Vorliegen einer
Beweisvereitelung würdigt das Gericht auch das übrige vorprozessuale und
prozessuale Verhalten der Beklagten zu deren Lasten. Die Beklagte hat selbst
nach ihrer eigenen Einlassung keine Stundenzettel der Klägerin unterzeichnet,
obwohl sie ihr dies unstreitig – für welche Tage auch immer – bei dem Treffen im
Café zu dieser Frage ausdrücklich zugesagt hat und den Zettel sogar zu diesem
Zweck an sich nahm. Im Prozess hat die Beklagte mehrfach falsch vortragen
lassen und erst unter dem Druck der bevorstehenden Beweisaufnahme oder
konkreter Aussagen der Zeuginnen ihren Vortrag gewechselt. So hat sie
erstinstanzlich mehrfach behauptet, die Klägerin habe nie bei ihr gearbeitet, um
dann erstmals in der Berufungsverhandlung vorzutragen, die Klägerin habe an
zwei Tagen bei ihr zur Probe gearbeitet. Insofern hat sie zunächst behauptet, es
sei vereinbart gewesen, dass diese Probetage nicht vergütet werden. Nachdem die
Zeugin B von dem Treffen der Beklagten und der Klägerin im Nordwestzentrum
berichtet hatte, hat die Beklagte erstmals zugestanden, dass es Diskussionen mit
der Klägerin über Stundenzettel gab, obgleich sie erst- und zweitinstanzlich
zunächst hat vortragen lassen, sie hätte sich niemals geweigert, Stundenzettel zu
unterzeichnen. Im Widerspruch zu ihrer Darstellung, die Probetage hätten nicht
vergütet werden sollen, behauptete die Beklagte im Rahmen der Verhandlung zum
vorläufigen Beweisergebnis, es sei bei den Stundenzetteln um die Probetage
gegangen.
(3) Der über die Ableistung der einzelnen behaupteten Arbeitsstunden
angebotene Zeugenbeweis der Klägerin war nicht zu erheben. Zwar ist es
unzulässig, Zeugen für den Beweis einer Hilfstatsache zu vernehmen, wenn auch
für die Haupttatsache Zeugenbeweis angeboten ist. Dieser Grundsatz lässt sich
jedoch nicht auf das Verhältnis zwischen einem den Tatbestand der
Beweisvereitelung ausfüllenden Sachverhalt und der Haupttatsache übertragen.
Hat die beweisbelastete Partei der beweispflichtigen Partei den Beweis unmöglich
gemacht oder deutlich erschwert, soll diese gerade nicht mit dem Risiko einer
Beweisführung belastet werden. Deshalb ist – wenn die die Annahme einer
Beweisvereitelung begründenden Umstände streitig sind - zunächst über diese
Beweis zu erheben. Der zur Haupttatsache angebotene Beweis ist nur dann zu
erheben, wenn es der beweispflichtigen Partei nicht gelingt, die tatsächlichen
Voraussetzungen für das Vorliegen einer Beweisvereitelung zu erbringen.
cc) Die Beklagte ist für den Anspruch der Klägerin auf Vergütung der von ihr
geleisteten 190,5 Arbeitsstunden gem. § 611 BGB i.V.m dem Arbeitsvertrag passiv
legitimiert. Sie ist Arbeitgeberin der Klägerin und als solche Gläubigerin der
Arbeitsleistung und Schuldnerin des Vergütungsanspruchs. Dass die Abrechnung
über den Verein „D e.V.“ erfolgt und der Erläuterung der Beklagten im Termin
zufolge die Kostenübernahmestelle der Stadt Frankfurt am Main über diesen
Verein direkt die Auszahlung an die Arbeitnehmer der Beklagten vornimmt, stellt
eine reine Abwicklungsmodalität dar, die auf die Passivlegitimation der Beklagten
ohne Einfluss ist. Der mit der Klägerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine
Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen in den Weisungsberechtigten einerseits und
den Gegenleistungsverpflichteten andererseits nicht vor, so dass die rechtliche
Möglichkeit einer solchen Konstruktion dahinstehen kann.
dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin auch
nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Vorlage der Stundenzettel
anspruchsbegründende Tatsache wäre. § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien
stellt lediglich eine Fälligkeitsregel dergestalt dar, dass die Auszahlung nur dann
bis zum 15. des Folgemonats erfolgen kann, wenn der Abrechnungsstelle die
Stundenbelege bis zum 2. des Folgemonats vorliegen. Ob es überhaupt zulässig
wäre, im Rahmen eines Arbeitsvertrags für den Vergütungsanspruch zusätzlich zu
der Erbringung der Arbeitsleistung andere Anspruchsvoraussetzungen zu
vereinbaren, kann daher dahinstehen, zumal der Beklagten nach dem
Rechtsgedanken der §§ 162, 242 BGB ohnehin verwehrt wäre, sich auf das von ihr
verschuldete Nichtvorliegen von Stundenzetteln zu berufen.
ee) Bei einem Stundenlohn von 10,25 EUR brutto errechnet sich für 190,5 Stunden
der Klagebetrag von 1952,62 EUR brutto.
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b) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 1 BGB. Auf eine
mangelnde Fälligkeit bei Klageerhebung wegen fehlender Vorlage der
Stundenzettel kann sich die Beklagte nach dem Rechtsgedanken der §§ 162, 242
BGB nicht berufen, da sie die die Fälligkeit auslösende Vorlage der Stundenzettel
bei der Abrechnungsstelle treuwidrig verhindert hat.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung der
Beklagten erfolglos ist. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils ist,
soweit sie sich auf solche Klagegegenstände bezieht, die nicht Gegenstand der
Berufung sind, hier nicht zu überprüfen. Zwar ergreift die Berufung gegen das
Urteil in der Hauptsache auch die Kosten(misch)entscheidung (Zöller-
Vollkommer, 26. Aufl., § 91 a Rz. 56), also die Kostenentscheidung, soweit sie auf §
91 a ZPO oder auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO beruht. Es spricht hier auch viel dafür,
dass es sich bei der im Kammertermin erster Instanz erklärten Beschränkung der
Kündigungsschutzklage auf die außerordentliche Kündigung der Beklagten um eine
teilweise Klagerücknahme handelt. Die Klägerin hat sich nämlich zunächst
ausdrücklich gegen die gesamte Kündigung – also auch gegen eine durch
Umdeutung zu gewinnende ordentliche Kündigung - gewendet und sich auf deren
Unwirksamkeit nach § 138 BGB berufen. Die Anträge im Kammertermin hat die
Klägerin „unter Klagerücknahme im Übrigen“ gestellt. Diese Klagerücknahme im
Übrigen kann sich nur auf die durch Umdeutung zu gewinnende ordentliche
Kündigung bezogen haben – die zunächst angekündigte Stufenklage hatte die
Klägerin bereits zuvor schriftsätzlich zurückgenommen. Voraussetzung der
Überprüfung der Kostenmischentscheidung erster Instanz bezogen auf in der
Berufung nicht angefallene Streitgegenstände ist aber, dass insoweit den
Voraussetzungen der § 567 Abs. 2, 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt ist (Zöller-
Vollkommer, 26. Aufl., § 91 a Rz. 56). Dies ist hier nicht der Fall. Das Arbeitsgericht
hat den Gebührenstreitwert nach § 63 Abs. 2 GKG mit Beschluss vom 21. Mai 2007
auf 2933, 67 EUR festgesetzt, so dass ein Erreichen des Beschwerdewerts von 200
EUR im Hinblick auf die Kostenentscheidung ausscheidet, weil insgesamt nur
Gerichtsgebühren in Höhe von 178,00 EUR angefallen sind.
IV. Die Zulassung der Revision ist durch keinen der gesetzlich vorgesehenen
Gründe veranlasst, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.