Urteil des LAG Hessen vom 09.01.2008

LAG Frankfurt: gehalt, treu und glauben, einspruch, freiwillige leistung, sondervergütung, entstehung, formvorschrift, arbeitsgericht, zuwendung, fälligkeit

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
18. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 Sa 2050/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tarifauslegung - Zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes im
Geltungsbereich des Rahmentarifvertrags der privaten
Energiewirtschaft in Hessen
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 04. Juli 2007 – 18 Sa 2050/07 – wird teilweise
aufgehoben und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom
10. Oktober 2006 – 3 Ca 158/06 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.) an den Kläger 693,51 EUR (in Worten: Sechshundertdreiundneunzig und 51/100
Euro) brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 29. April 2006 zu zahlen.
2.) an den Kläger 694,48 EUR (in Worten: Sechshundertvierundneunzig und 48/100
Euro) brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 02. Dezember 2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 47 % zu tragen, der Kläger hat
53 % zu tragen. Die Kosten der Säumnis im Berufungsverfahren trägt der Kläger
vorab.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Sondervergütungen, die einen tariflichen
und einen durch Betriebsvereinbarung geregelten Anspruch übersteigen.
Der Kläger ist seit dem Beginn seiner Ausbildung im Jahre 1976 für die Beklagte
bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1984 arbeitet er als Schaltmeister in
vollkontinuierlicher Wechselschicht. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht.
Beide Parteien sind tarifgebunden, es gelten die Tarifverträge für die Beschäftigten
der privaten Energiewirtschaft in Hessen.
Das Arbeitsverhältnis ist durch Betriebsübergang am 01. Juli 1992 auf die Beklagte
übergegangen. Bei dieser ist ein Betriebsrat gebildet.
Arbeitnehmern der Beklagten steht nach § 17 des Rahmentarifvertrages vom 01.
Juli 2002, geschlossen zwischen der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher
Unternehmen e. V.(AVE) und der Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e.V.
(ver.di), vertreten durch die Landesbezirksleitung Hessen, (folgend: RTV) ein
Weihnachtsgeld zu. Die tarifliche Regelung lautet auszugsweise:
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"Die Arbeitnehmer erhalten anlässlich des Weihnachtsfestes eine
Weihnachtszuwendung mindestens in Höhe von 60 % der laufenden Arbeitsbezüge
eines Monats. Diese Weihnachtszuwendung erhöht sich im zweiten Dienstjahr auf
80 % und im dritten Dienstjahr auf 100 % der laufenden Arbeitsbezüge eines
Monats."
Zum Begriff der "laufenden Arbeitsbezüge" ist in § 9 Abs. 2 RTV geregelt:
"Die laufenden Arbeitsbezüge bestehen aus der nach dem
Vergütungstarifvertrag für die regelmäßige Arbeitszeit zu zahlenden
Tabellenvergütung sowie aus etwaigen, ständig wiederkehrenden Arbeitszulagen
und -zuschlägen (z.B.: Dauerzulagen, Schichtzulagen, Fahrtdienstzulagen,
ständige Prämien). Nur zeitweise zu zahlende Arbeitsbezüge (z. B.: stundenweise
anfallende Zeit- und Erschwerniszuschläge) rechnen nicht zu den laufenden
Bezügen, es sei denn, dass sie pauschaliert sind."
Der Kläger gehört zur Gruppe derjenigen Arbeitnehmer der Beklagten, die bis
einschließlich für das Jahr 2004 ein 14. Monatsgehalt auf Grundlage der
Betriebsvereinbarung Nr. 20 (folgend: BV Nr. 20) erhielten. Zu Höhe des 14.
Gehalts war in dieser Betriebsvereinbarung bestimmt (vgl. Anlage B 2 zur
Klageerwiderung, Bl. 35 d.A.):
"2.Die Sonderzuwendung beträgt 100 % der laufenden Arbeitsbezüge gemäß §
9 Abs. 2 Rahmentarifvertrag ohne Sozialzulagen im Monat Dezember des
Geschäftsjahres für das die Sonderzahlung gewährt wird. Sie wird mit der April-
Vergütung des folgenden Jahres ausgezahlt."
Diese Leistung erhielt der Kläger zuletzt im April 2005.
Am 28. Oktober 2005 schlossen die Beklagte und weitere Mitglieder des A-
Konzerns sowie der Spartenbetriebsrat "Energie & IT" im A-Konzern eine
Betriebsvereinbarung "14. Gehalt und betriebliche Jahressonderzahlung 2005",
welche am 01. November 2005 rückwirkend zum 01. Juli 2005 in Kraft trat (folgend:
BV 14. Gehalt). Die zugleich die BV Nr. 20 ablösende BV 14. Gehalt setzt an die
Stelle der bisher im April eine Folgejahres gezahlten Sondervergütung eine –
eingefrorene – Ausgleichszulage, die monatlich in dem Jahr gezahlt wird, für
welches der Anspruch besteht. Die Regelung zur Anspruchshöhe im § 3 Abs. 2
lautet (vgl. Anlage 8 zur Klage, Bl. 9 bis 11 d. A.):
"Die Höhe der Ausgleichszulage richtet sich nach der für das Jahr 2004 im April
2005 (Beschäftigte der ehemaligen A Versorgungs- AG) (...) gezahlten
Zuwendung. Diese wird in Höhe der Steigerung der tariflichen Vergütung nach
dem AVE-Vergütungstarifvertrag zum 01.07.2005 letztmalig erhöht. Die anteilige
Zuwendung (14. Gehalt) für das erste Kalenderhalbjahr 2005 wird ein Monat nach
Abschluss dieser Betriebsvereinbarung im Rahmen der regulären Lohn- und
Gehaltsabrechnung an die betroffenen Beschäftigten ausgezahlt."
Bereits vor dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Beklagte am 01. Juli
1992 erhielten der Kläger und weitere in den Netzleitstellen in vollkontinuierlicher
Wechselschicht tätige Kollegen sowohl eine Weihnachtszuwendung als auch ein 14.
Gehalt, wobei deren Höhe den nach § 17 RTV bzw. der einschlägigen
Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch überstieg. In den seit Juli 1992 von
der Beklagten erteilten Abrechnungen sind diese zusätzlichen Leistungen getrennt
neben dem Weihnachtsgeld (im November) bzw. dem als Sonderzuwendung
bezeichneten 14. Gehalt (im April) als "Z. aus D-Zuschl. und "Sonderzuw. aus D-
Zuschl." ausgewiesen (vgl. Kopien der jeweiligen Abrechnungen für die Monate
November und April von 1992 bis 2005, Anlagekonvolut zum Schriftsatz des
Klägers vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d.A.).
Als "D-Zuschl." werden Dienstzeitzuschläge bezeichnet. Darunter verstehen die
Parteien Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gemäß § 11 Abs.
1 A) RTV. Die Leistung der Sondervergütungen in einer den tarifvertraglichen
Anspruch bzw. den Anspruch aus Betriebsvereinbarung überschreitenden Höhe
erfolgte seitens der Beklagten ohne weitere Erklärungen insb. keinem Vorbehalt.
Im November 2004 leistete die Beklagte an den Kläger erstmals ein
Weihnachtsgeld, welches nur in tariflicher Höhe aus laufenden Arbeitsbezügen
gemäß § 9 Abs. 2 RTV berechnet war. Auf die schriftliche Aufforderung des Klägers,
eine Weihnachtszuwendung auch aus Dienstzeitzuschlägen zu zahlen, erfolgte im
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eine Weihnachtszuwendung auch aus Dienstzeitzuschlägen zu zahlen, erfolgte im
Januar 2005 eine Nachzahlung der Beklagten. Die zusätzliche Leistung berechnete
sich aus dem Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge, welche der Kläger in der Zeit
von Oktober 2003 bis September 2004 erhalten hatte. Mit Schreiben vom 15. März
2005 erklärte die Beklagte, dass es sich hierbei um eine freiwillige Leistung
gehandelt habe. Der Kläger widersprach dem Freiwilligkeitsvorbehalt durch
Stellungnahme vom 29. März 2005.
Mit der Vergütung für April 2005 zahlte die Beklagte an den Kläger auch eine
Sondervergütung neben dem durch die BV Nr. 20 geregelten 14. Gehalt, dessen
Höhe aus dem Monatsdurchschnitt der Dienstzeitzuschläge des Jahres 2004
berechnet worden war.
Im November 2005 zahlte die Beklagte an den Kläger ein Weihnachtsgeld nur in
tariflicher Höhe. Die nach der BV 14. Gehalt dem Kläger geschuldete monatliche
Ausgleichszulage, welche der Kläger rückwirkend ab 01. Januar 2005 erhalten hat,
berechnet die Beklagte ausschließlich aus dem 14. Monatsgehalt, welches der
Kläger im April 2005 gemäß der BV Nr. 20 erhielt, also ohne Berücksichtigung von
im Jahr 2004 durch den Kläger erarbeiteten Nacht-, Sonntags- und
Feiertagszuschlägen.
Bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 hatte der Kläger gegenüber der
Beklagten geltend gemacht, ihm stehe weiterhin eine Weihnachtszuwendung wie
eine Sonderzuwendung aus Dienstzeitzuschlägen zu. Zur vollständigen
Wiedergabe dieses Schreibens wird auf die als Anlage 5 zur Klageschrift
überreichte Kopie verwiesen (Bl. 6 d.A.). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom
25. Januar 2006 die künftige Berücksichtigung von dienstplanmäßigen
Zeitzuschlägen bei der Berechnung von Weihnachtsgeld und Sonderzuwendung für
die Zukunft ab. Auch wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage zur
Klageschrift Bezug genommen (Anl. 6 zur Klage, Bl. 7 d.A.).
Mit am 04. April 2006 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt eingegangener Klage,
welche der Beklagten am 12. April 2006 zugestellt wurde, begehrte der Kläger eine
Weihnachtszuwendung aus Dienstzeitzuschlägen für 2005 in Höhe von 694,64 €
brutto sowie die Berücksichtigung der ihm im April 2005 aus Zeitzuschlägen
gezahlten Zuwendung bei der Berechnung der Ausgleichszulage aus der BV 14.
Gehalt. Hierbei berechnete er die monatliche Differenz zwischen gezahlter und ihm
zustehender Ausgleichszulage mit 63,08 € brutto und forderte Nachzahlung für die
Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2006. Zur Darstellung der vom Kläger
vorgenommen Berechnung wird auf die von diesem mit der Klage eingereichte
Tabelle verwiesen (Anlage 7 zur Klage, Bl. 8 d.A.). Der Kläger hat behauptet, seit
1984 sei ihm das tarifliche Weihnachtsgeld und das 14. Monatsgehalt unter
Berücksichtigung des Durchschnitts der Dienstzeitzuschläge der jeweils letzten 12
Monate gezahlt worden. Dies sei mündlich vereinbart worden. Zum Nachweis der
Zahlungen hat der Kläger Vergütungsabrechnungen für die Zeit von 1988 bis 2005
vorgelegt, jeweils für die Monate April und November eines Jahres (vgl. Kopien als
Anlagen zum Schriftsatz des Klägers vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d. A.).
Hilfsweise hat der Kläger vorgebracht, durch die langjährige Zahlung des tariflichen
Weihnachtsgelds unter Berücksichtigung der Zeitzuschläge sei eine betriebliche
Übung entstanden. In Bezug auf die geltend gemachte Erhöhung der monatlichen
Ausgleichszahlung nach der BV 14. Gehalt hat der Kläger gemeint, sein Anspruch
folge unmittelbar aus der Betriebsvereinbarung selbst. Diese nehme unter § 3
Abs. 2 BV 14. Gehalt Bezug auf die ihm im April 2005 unter Berücksichtigung der
Zeitzuschläge gezahlte Sonderzuwendung. Die Höhe der ihm zustehenden
monatlichen Leistungen bestimme sich nach der tatsächlich erfolgten Zahlung.
Der Kläger hat weiter vertreten, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen könne,
dass einer mündlichen Zusage oder einer betrieblichen Übung die Formvorschrift
des § 2 Abs. 2 RTV entgegenstehe. Dieses Verhalten sei treuwidrig.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.324,68 EUR brutto zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 63,08 EUR seit
dem 02. Februar 2005, 02. März 2005, 02. April 2005, 03 Mai 2005, 02. Juni 2005,
02. Juli 2005, 02. August 2005, 02. September 2005, 02. Oktober 2005, 02.
November 2005, 02. Dezember 2005, 03. Januar 2006, 02. Februar 2006, 02. März
2006, 02. April 2006, 03. Mai 2006, 02. Juni 2006, 02. Juli 2006, 02. August 2006,
02. September 2006 und 02. Oktober 2006 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01. November 2006 monatlich
63,08 EUR brutto zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 694,64 EUR brutto zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem
02. Dezember 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass mit dem Kläger jemals die Zahlung eines
zusätzlichen Weihnachtsgeldes und eines Zusatzes zum 14. Gehalt aus
Dienstzeitzuschlägen vereinbart worden sei. Sie hat gemeint, ein Anspruch aus
betrieblicher Übung bestehe nicht, da sowohl der Anspruch auf Weihnachtsgeld als
auch der (frühere) Anspruch auf ein 14. Gehalt ausdrücklich geregelt seien. Dem
Entstehen einer betrieblichen Übung stehe jedenfalls die Formvorschrift des § 2
Abs. 2 RTV entgegen. Sie verhalte sich nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die
Formvorschrift berufe. Die Beklagte hat behauptet, sie und ihre Rechtsvorgängerin
hätten sich zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form zu einer Verpflichtung
bekannt, nach der Vergütungen auch aus Dienstzeitzuschlägen zu zahlen seien.
Weiter hilfsweise hat die Beklagte vorgebracht, den vorgelegten
Vergütungsabrechnungen lasse sich nicht entnehmen, auf welcher
Berechnungsgrundlage das Weihnachtsgeld und das 14. Gehalt um einen aus
Dienstzeitzuschlägen ermittelten Wert erhöht worden sei.
Das Arbeitsgericht Darmstadt hat mit am 10. Oktober 2006 verkündetem Urteil
die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen
Nachweis für eine wirksame, mündlich abgeschlossene Vereinbarung erbracht. Der
möglichen Entstehung eines Anspruchs auf ein erhöhtes Weihnachtsgeld durch
betriebliche Übung stehe § 2 Abs. 2 RTV entgegen. Das Berufen der Beklagten auf
die tarifliche Formvorschrift sei nicht treuwidrig. Die Anträge des Klägers auf eine
erhöhte und auch in Zukunft zu zahlende monatliche Ausgleichszulage seien
unbegründet. Die BV14. Gehalt könne nicht so ausgelegt werden, dass es auf die
tatsächlich zugeflossene Leistung im April 2005 ankomme. Vielmehr sei für die
Berechnung der monatlichen Ausgleichszulage nur die aufgrund der BV Nr. 20
gezahlte Sondervergütung maßgeblich. Der Annahme einer betrieblichen Übung
auf eine erhöhte Ausgleichszulage stehe ebenfalls § 2 Satz 2 RTV entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf den Tatbestand und
die Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 112 bis 121 d.A.).
Das Urteil wurde dem Kläger am 13. November 2006 zugestellt. Er hat hiergegen
am 29. November 2006 Berufung eingelegt. Die Berufung wurde mit Schriftsatz
vom 08. Februar 2007, eingegangen am 08. Februar 2007, nach rechtzeitig
beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begründet.
Mit der Berufung hat der Kläger zunächst an seinen in der 1. Instanz gestellten
Anträgen festgehalten. In dem auf den 04. Juli 2007 angesetzten Kammertermin
hat der Kläger keine Anträge gestellt und Versäumnisurteil gegen sich ergehen
lassen. Die Kammer hat anlässlich der Verhandlung vom 04. Juli 2007 die Parteien
darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 RTV geregelten tariflichen
Schriftformklausel zwischen der bis 30. Juni 1998 und der ab 01. Juli 1998
geltenden Fassung des Tarifvertrages unterschieden werden müsse. Weiter hat die
Kammer einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass die Voraussetzungen für eine
erhöhte monatliche Ausgleichszulage aus der BV 14. Gehalt als nicht erfüllt
angesehen würden.
Gegen das ihm am 16. Juli 2007 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger mit
am 23. Juli 2007 bei dem Hess. Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
Einspruch eingelegt. Zugleich hat er seine Anträge um einen Hilfsantrag erweitert,
dessen Berechnung die Annahme zugrunde liegt, dass die Beklagte ungeachtet
der Ablösung der BV Nr. 20 durch die BV 14. Gehalt weiterhin im April eines Jahres
zur Zahlung einer Sonderzuwendung aus dem Monatsdurchschnitt der
Dienstzeitzuschläge eines Vorjahres verpflichtet seit.
Wegen der Berechnung der Ansprüche wird auf die vom Kläger mit der Einlegung
des Einspruch erweiterten Tabellen verwiesen (Anlage zur Einspruchsschrift, Bl.
290 f. d.A.).
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Im Übrigen hat der Kläger mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht, die
Beklagte schulde ihm die geforderten Leistungen aus einer mündlichen
Vereinbarung.
Der Kläger vertritt die Ansicht, die geforderten zusätzlichen Leistungen aus
Zeitzuschlägen seien nicht als Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV in der bis
30. Juni 1998 geltenden Fassung zu verstehen. Hilfsweise wiederholt er seine
Bewertung, die Beklagte verhalte sich treuwidrig, wenn sie sich auf die
Formvorschrift berufe, obwohl kein schriftlicher Arbeitsvertrag der Parteien
geschlossen wurde. Weiter vorsorglich macht der Kläger geltend, durch die
Nachzahlung der erhöhten Weihnachtszuwendung für November 2004 im Januar
2005 habe die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung anerkannt. Dies folge auch aus
der vorbehaltlosen Zahlung eines erhöhten 14. Gehaltes im April 2005 trotz des
durch die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2005 erklärten
Freiwilligkeitsvorbehalts.
Der Kläger beantragt,
1. das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 04. Juli 2007
aufzuheben;
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2006 mit dem
Az.: 3 Ca 158/06 abzuändern;
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.324,68 € brutto zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus jeweils 63,08 € seit dem 02.
Februar 2005, 02. März 2005, 02. April 2005, 03. Mai 2005, 02. Juni 2005, 02. Juli
2005, 02. August 2005, 02. September 2005, 02. Oktober 2005, 02. November
2005, 02. Dezember 2005, 03. Januar 2006, 02. Februar 2006, 02. März 2006, 02.
April 2006, 03. Mai 2006, 02. Juni 2006, 02. Juli 2006, 02. August 2006, 02.
September 2006 und 02. Oktober 2006 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01. November 2006 monatlich
63,08 € brutto zu zahlen;
5. für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens mit den Anträgen
zu 3) oder 4) die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Sonderzuwendung aus
Dienstzeitzuschlägen für das Kalenderjahr 2006 in Höhe von 705,44 € brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai
2006 zu zahlen;
6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 694,64 € brutto zuzüglich Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.
Dezember 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. das Versäumnisurteil vom 04. Juli 2007 aufrecht zu erhalten;
2. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt
vom 10. Oktober 2006 (3 Ca 158/06) zurückzuweisen und den hilfsweise zu den
Anträgen zu 3) und 4) gestellten Antrag zu 5) abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie ist der Auffassung,
soweit die Möglichkeit einer betrieblichen Übung bejaht werde, scheitere die
Entstehung einer solchen daran, dass sich bei den zusätzlichen Leistungen um
Nebenabreden im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV gehandelt habe. Hierzu sei
anzuführen, dass es sich sowohl bei dem Weihnachtsgeld als auch bei dem 14.
Gehalt um Sondervergütungen mit Mischcharakter und damit nach Maßgabe der
Rechtsprechung des Vierten Senats des BAG nicht um Entgelt im engeren Sinne
gehandelt habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Zeitzuschläge teilweise
steuerfrei gezahlt würden und dem Ausgleich einer besonderen Erschwernis
dienten.
Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe eine Leistungsverpflichtung zu keinem
Zeitpunkt, weder durch Vergütungsabrechnung noch durch ihr Schreiben vom 15.
März 2005 oder durch die Zahlung eines erhöhten 14. Gehalts im April 2005
anerkannt.
Äußerst vorsorglich macht die Beklagte geltend, dass der Kläger in Bezug auf eine
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Äußerst vorsorglich macht die Beklagte geltend, dass der Kläger in Bezug auf eine
erst mit dem Einspruch geforderte Weiterzahlung eines 14. Gehalts aus
Dienstzeitzuschlägen im April eines Folgejahres die in § 26 Abs. 2 RTV bestimmte
Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.
Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den
Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften vom 04. Juli
2007 (Bl. 264 d. A.) und vom 09. Januar 2008 (Bl. 344 f. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch des Klägers vom 23. Juli 2007 gegen das ihm am 16. Juli 2007
zugestellte und die Berufung zurückweisende Versäumnisurteil vom 04. Juli 2007
ist statthaft und zulässig, da frist- und formgerecht durchgeführt (§§ 338 ff, 539
Abs. 3 ZPO, 59, 64 Abs. 7 ArbGG). Auf den Einspruch ist das Versäumnisurteil
teilweise aufzuheben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10.
Oktober 2006 war gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie ist gemäß
§§ 64 Abs. 7, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO nach den im
Tatbestand angeführten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie
ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden.
Die Beklagte war verpflichtet, dem Kläger mit der Vergütung für November 2005
auch ein sogenanntes Weihnachtsgeld aus Dienstzeitzuschlägen (folgend
bezeichnet als: "Novemberzahlung") und mit der Vergütung für April 2006 eine
Vergütung aus dem Durchschnitt der Dienstzeitzuschläge des Jahres 2005
rückwirkend für dieses Jahr (folgend bezeichnet als: "Aprilzahlung") zu leisten. Die
Berufung des Klägers ist zurückzuweisen, soweit er seinen Anspruch auf die
Betriebsvereinbarung "14. Gehalt und betriebliche Jahressonderzahlung 2005" (BV
14. Gehalt) stützt oder zu hohe Beträge fordert und die tarifliche Ausschlussfrist
nicht gewahrt hat
I.
Dem Kläger steht für das Jahr 2005 eine mit der Novembervergütung fällig
gewordene "Novemberzahlung" aus Dienstzeitzuschlägen in Höhe von 694,48 €
brutto aus betrieblicher Übung zu.
An seinem Vortrag, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe ihm eine derartige
Leistung ausdrücklich zugesagt, hat er in der Berufung nicht mehr festgehalten.
1.
Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung sind erfüllt.
a)
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter
Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer
schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer
eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des
Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend
angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich
gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist
nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung
oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und
durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln,
ob die Arbeitnehmer davon ausgehen durften, eine Leistung werde vom
Arbeitgeber über seine gesetzlichen, kollektivrechtlichen und vertraglichen
Pflichten hinaus erbracht werden (BAG Urteil vom 21.01.1997 – 1 AZR 572/96 –
NZA 1997, 1009; BAG Urteil vom 13.06.2007, a. a. O.). Will der Arbeitgeber
verhindern, dass der Arbeitnehmer den Schluss auf einen dauerhaften
Bindungswillen zieht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt konkret zum
Ausdruck bringen (BAG Urteil vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01 – NZA 2003, 337;
BAG Urteil vom 13.06.2007 – 5 AZR 849/06 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung,
Nr. 78).
Ausgehend von diesen Grundsätzen konnten die in der Netzleistelle im
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Ausgehend von diesen Grundsätzen konnten die in der Netzleistelle im
vollkontinuierlichen Wechselschichtdienst tätigen Arbeitnehmer der Beklagten
davon ausgehen, dass diese sich individualrechtlich binden wollte und nicht nur
irrtümlich neben dem in § 17 RTV geregelten Weihnachtsgeld eine zusätzliche
Leistung aus dem Monatsdurchschnitt der Dienstzeitzuschläge der letzten 12
Monate zahlen wollte.
Der Kläger und seine ebenfalls in der Netzleitstelle tätigen und Rechtsstreite mit
derselben Zielsetzung führenden Kollegen (vgl. Az.: 18 Sa 2050/06 – 18 Sa
2053/06) haben alle zumindest seit Ende der 80iger Jahre bis November 2004
zeitgleich und über das tarifliche Weihnachtsgeld hinaus eine "Novemberzahlung"
erhalten. Bis zu dem Schreiben vom 15. März 2005 (vgl. Kopie Anlage 2 zur
Klageschrift in der Akte des Parallelrechtsstreits 18 Sa 20 52/06, dort Bl. 8 d.A.)
haben weder die Beklagte noch eine Rechtsvorgängerin einen Vorbehalt bei dieser
Leistung gemacht.
aa)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Anspruch aus betrieblicher Übung
bereits nicht deshalb ausgeschlossen, weil für die Zahlung eine kollektivrechtliche
Grundlage durch § 17 RTV bestand (vgl. BAG Urteil vom 24.11.2004 – 10 AZR
202/04 – NZA 2005, 349). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte und/oder ihre
Rechtsvorgängerin annahmen, nur eine tarifliche Verpflichtung zu erfüllen, sind
nicht dargelegt worden. § 9 Abs. 2 RTV, der den in § 17 Abs. 1 RTV benutzten
Begriff der "laufenden Arbeitsbezüge" definiert, schließt in Satz 2 nur zeitweise zu
zahlende Arbeitsbezüge, wie stundenweise anfallende Zeitzuschläge aus, soweit
sie nicht pauschaliert sind. Die dem Kläger bis einschließlich 2004 neben dem
tariflichen Weihnachtsgeld geleistete "Novemberzahlung" beruhte jeweils auf dem
Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
(§ 11 RTV) aus der Zeitspanne von Oktober des Vorjahres bis einschließlich
September des laufenden Jahres. Es handelte sich damit nicht um eine tarifliche,
sondern eine übertarifliche Leistung (vgl. BAG Urteil vom 07.02.2007 – 5 AZR
41/06 – NZA 2007, 934). Dies ist in den ab dem Betriebsübergang auf die jetzige
Beklagte am 01. Juli 1992 erstellten Vergütungsabrechnungen auch dokumentiert
worden. Dort ist zwischen einer "Weihnachtszuwendung" und einer "Weihnachtsz.
aus d. Zuschl." differenziert worden (vgl. Kopien der jeweiligen Abrechnungen für
den Monat November von 1992 bis 2004 als Teil des Anlagekonvoluts zum
Schriftsatz vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d.A.).
bb)
Zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung einer betrieblichen
Übung ist auch entgegen der Wertung durch das Arbeitsgericht Darmstadt
ausreichend vorgetragen worden. Der Kläger hat zumindest im
Berufungsverfahren seine Vergütungsabrechnungen seit 1992 vollständig
vorgelegt und behauptet, dass er – jedenfalls seit dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zum 01. Juli 1992 – jeden November eine
zusätzliche Zahlung aus Dienstzeitzuschlägen neben dem tariflichen Anspruch
erhielt. Das Vorbringen der Beklagten, es könne nicht nachvollzogen werden, wann
welche Zuschläge in welcher Höhe bei der Berechnung der zusätzlichen
Zuwendung eingeflossen seien, ist nach § 138 ZPO unzureichend, da es sich um
Leistungen handelt, die von ihr selbst erbracht wurden. Die Beklagte hat nicht
dargelegt, worauf die Zahlungen beruhten, wenn nicht aus einer Ermittlung des
Durchschnitts der Dienstzeitzuschläge in den jeweils maßgeblichen Zeitraum.
b)
Dem auf einer betrieblichen Übung beruhenden Anspruch des Klägers steht nicht
das Schriftformgebot für Änderungen und Nebenabreden gemäß § 2 Abs. 2 RTV in
der seit 01. Juli 1998 geltenden Fassung entgegen.
Der Anspruch betrifft keine Nebenabrede im Sinne der Tarifnorm, sondern eine
"Hauptabrede". Für die beiderseitigen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem
Arbeitsverhältnis nach § 611 BGB bestand bis 01. Juli 1998 noch keine konstitutive
Schriftformklausel im Sinne des § 126 BGB.
aa)
Der Anspruch des Klägers auf eine "Novemberzahlung" in Höhe des
Monatsdurchschnitts der Dienstzeitzuschläge auf Grund betrieblicher Übung war
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Monatsdurchschnitts der Dienstzeitzuschläge auf Grund betrieblicher Übung war
bereits vor dem 01. Juli 1998 entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die
Beklagte bereits so häufig Einzelleistungen erbracht, dass ein zurechenbarer
objektiver Bindungswille angenommen werden kann.
Eine allgemein verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen auf deren
künftige Gewährung geschlossen werden kann, gibt es nicht. Für Gratifikationen,
die jährlich an die gesamte Belegschaft geleistet werden, ist jedoch festgestellt
worden, dass die dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt
(BAG Urteil vom 28.07.2004 – 10 AZR 19/04 – NZA 2004, 1152; BAG Urteil vom
28.06.2006 – 10 AZR 385/05 – NZA 2006, 1174). Die neben dem tariflichen
Weihnachtsgeld erbrachte Leistung ist nicht an die gesamte Belegschaft gezahlt
worden, sondern nur an diejenigen Arbeitnehmer, bei denen überhaupt regelmäßig
Dienstzeitzuschläge anfielen. Diese wurden zur Berechnungsgrundlage der
zusätzlichen Leistungen. Da es sich um eine jährliche Einmalzahlung handelt und
alle Arbeitnehmer begünstigt wurden, bei denen überhaupt neben dem laufen
Arbeitsentgelt im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 RTV ständig und in unterschiedlicher
Höhe Zeitzuschläge gezahlt wurden, spricht viel dafür, die vorbehaltlose
Gewährung in einem Zeitraum von drei Jahren genügen zu lassen.
Die Beklagte hat spätestens ab Juni 1992, nachdem sie den Betrieb übernommen
hatte, durch Leistung der Novemberzahlung und deren gesonderte Ausweisung in
den Vergütungsabrechnungen den Anschein eines objektiven Verpflichtungswillens
gesetzt. Bei dreimaliger Gewährung wäre eine betriebliche Übung bereits mit der
Zahlung im November 1994 entstanden. Es bestehen deshalb keine Bedenken,
das Bestehen einer betrieblichen Übung nach sechsmaliger Gewährung zum Ende
des Jahres 1997 anzunehmen.
bb)
Die betriebliche Übung wird nicht durch eine tarifvertragliche Formvorschrift
ausgeschlossen, die bei Entstehung dieser Anspruchsgrundlage noch nicht galt.
Bis zum 30. Juni 1998 lautete § 2 Abs. 2 RTV in seiner jeweiligen Fassung (vom
06.12.1974, 06.06.1978, 20.03.1990 und 19.05.1994):
"Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden".
Erst in der seit 01. Juli 1998 und weiterhin bis heute geltenden Fassung hat § 2
Abs. 2 RTV den Inhalt:
"Änderungen und Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich
vereinbart werden."
Eine tarifvertragliche Formvorschrift hindert in ihrem Anwendungsbereich das
Entstehen einer betrieblichen Übung. Sofern für eine ausdrückliche
Verpflichtungserklärung der Vertragsparteien die Schriftform erforderlich ist, kann
für die stillschweigende Zusage durch eine betriebliche Übung nichts anderes
gelten (BAG Urteil vom 15.01.1987 – 6 AZR 602/85 – ZTR 1987, 244; BAG Urteil
vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01 – NZA 2003, 337).
cc)
Die "Novemberzahlung" aus Dienstzeitzuschlägen ist nicht als Nebenabrede im
Sinne des § 2 Abs. 2 RTV zu qualifizieren.
Die vor dem 01. Juli 1998 entstandene Verpflichtung der Beklagten aus
betrieblicher Übung wird nicht durch die erst zu diesem Zeitpunkt erweiterte
tarifliche Schriftformklausel zerstört. Die Arbeitnehmer der Beklagten konnten
dem Erklärungswert der vorbehaltlosen Leistungsgewährung vertrauen, weil in
diesem Zeitraum keine den Leistungsgegenstand betreffende Regelung für eine
konstitutive Schriftform bestand.
Zur Auslegung von § 2 Abs. 2 RTV in der bis 30. Juni 1998 geltenden Fassung kann
auf die zu § 4 Abs. 2 BAT und § 4 Abs. 2 BMT-G II und gleichlautenden Vorschriften
in anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes ergangene Rechtsprechung
zurückgegriffen werden. Die für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer bei
energiewirtschaftlichen Unternehmen geltenden Tarifverträge "kommen" aus dem
öffentlichen Dienst. Die wörtliche Übereinstimmung des § 2 Abs. 2 RTV in der bis
30. Juni 1998 geltenden Fassung mit § 4 Abs. 2 BAT und § 4 Abs. 2 BMT-G II lässt
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30. Juni 1998 geltenden Fassung mit § 4 Abs. 2 BAT und § 4 Abs. 2 BMT-G II lässt
die Schlussfolgerung zu, dass die Tarifpartner einen diesen tariflichen Regelungen
entsprechende Vereinbarung treffen wollten.
(1)
Nach als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
betreffen Nebenabreden nicht den Bereich der Hauptrechte und Hauptpflichten
eines Arbeitsvertrages, insbesondere des Arbeitsentgelts und der Arbeitsleistung,
sondern sonstige Gegenstände, die entweder Sekundärcharakter und jedenfalls
nichts unmittelbar mit den Hauptrechten und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu
tun haben (BAG Urteil vom 07.05.1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE, 52, 33; BAG Urteil
vom 15.01.1987 – 6 AZR 602/85 – ZTR 1987, 244; BAG Urteil vom 17.12.1997 – 5
AZR 178/97 – veröffentlicht in juris; BAG Urteil vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01 –
NZA 2003, 337).
(2)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die aus Zeitzuschlägen berechnete
"Novemberzahlung" als Hauptabrede und nicht als Nebenabrede im
Arbeitsverhältnis anzusehen, so dass die Vereinbarung über eine solche Leistung
bis 30. Juni 1998 nur einem deklaratorischen, nicht aber einem konstitutiven
Schriftformerfordernis unterlag.
Die Novemberzahlung ist einerseits als Aufstockung des tariflichen
Weihnachtsgeldes nach § 17 RTV bezahlt worden, andererseits hat die Beklagte
durch diese auf bereits geleistete tarifliche Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und
Feiertagsarbeit nochmals einen Aufschlag gezahlt. Die faktische Erhöhung der
tariflichen Zeitzuschläge lässt die Auslegung zu, dass durch die
"Novemberzahlung" eine besondere Belastung der Arbeitnehmer ausgeglichen
werden sollte. Dies könnte als Argument dafür herangezogen werden, die Leistung
als Nebenabrede zu qualifizieren. Die jährliche Zahlungsweise zusammen mit dem
tariflichen Weihnachtsgeld spricht jedoch eher dafür, die Leistung als eigentliches
Arbeitsentgelt anzusehen. Die "Novemberzahlung" war ihrer Höhe nach von den
tatsächlich geleisteten zuschlagspflichtigen Stunden des Berechnungszeitraums
abhängig. Insoweit bestand eine unmittelbare Abhängigkeit von Leistung und
Gegenleistung.
Die zusätzliche "Novemberzahlung" teilt die rechtliche Einordnung des tariflichen
Anspruchs, den sie faktisch erhöhte. Das tarifliche Weihnachtsgeld war bis 30. Juni
1998 eine Sondervergütung mit Mischcharakter, die sowohl erbrachte
Betriebstreue belohnte, als auch Entgeltcharakter hatte. Sie war an die im
Arbeitsverhältnis erzielte Vergütung ("laufende Arbeitsbezüge") und das
tatsächliche Erbringen von Arbeitsleistung gekoppelt und den Hauptabreden im
Arbeitsverhältnis zuzurechnen.
Der Gratifikationscharakter lässt – entgegen der Ansicht der Beklagten – die
Qualifikation dieser Sondervergütung als Entgelt im Sinne des § 611 BGB nicht
entfallen. Dafür ist anzuführen, dass es sich um eine Leistung handelte, die
unmittelbar vom Umfang der zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden abhängig war.
Gegen den Entgeltcharakter spricht auch nicht, dass Zeitzuschläge teilweise
steuerfrei gezahlt werden können, worauf die Beklagte hingewiesen hat. Dies gilt
gerade nicht für die Einmalzahlung, die sich am Durchschnitt der Zeitzuschläge
orientierte. Zeitzuschläge sind auch nach § 850 a Nr. 3 ZPO in voller Höhe
pfändbar, im Gegensatz zu Erschwerniszuschlägen, welche von der Beklagten als
Beispiel angeführt wurden (vgl. auch BAG Urteil vom 07.05.1986 – 4 AZR 556/83 –
BAGE 52, 33).
Als weiteres Argument ist zu berücksichtigen, dass § 9 Abs.2 Satz 2 RTV selbst die
Einbeziehung von Zeitzuschlägen bei der Ermittlung der laufenden Arbeitsbezüge
zulässt. Zeitzuschläge zählen danach – als Ausnahme zur Regel – doch zu den
laufenden Bezügen, wenn sie pauschaliert sind. Dies ist im Betrieb der Beklagten
nicht geschehen. Der Umstand, dass die Tarifpartner die Möglichkeit zur
Einbeziehung der Zeitzuschläge bei der Bemessung des Weihnachtsgelds
vorgesehen haben, zeigt aber, dass es sich nicht um eine vom Tarifvertrag
ausgeschlossene Leistung handelt. Dies rechtfertigt es, die vom Tarifvertrag
abweichende Handhabung bei der Berücksichtigung der Zuschläge nicht als solche
von "sekundärem, außergewöhnlichen Charakter" zu qualifizieren, sondern den
Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen. Dabei ist auch zu werten,
dass die zusätzliche Leistung aus Dienstzeitzuschlägen der Höhe nach nicht
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dass die zusätzliche Leistung aus Dienstzeitzuschlägen der Höhe nach nicht
unerheblich ist und den tariflichen Anspruch um mehr als 15 % erhöht.
Schließlich ist folgende Überlegung anzustellen: Nach einem Urteil des – später
nicht mehr zuständigen – Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 03.
August 1982 liegt keine Nebenabrede im Sinne des § 4 Abs. 2 BMT-G II vor, wenn
ein Arbeitgeber allen Arbeitnehmern anstelle eines tariflich vorgeschriebenen
Schichtzuschlages einen höheren Wechselschichtzuschlag zahlt, für den die
tariflichen Voraussetzungen fehlen (– 3 AZR 503/79 – BAGE 39, 271). Nach der
immer noch maßgeblichen Entscheidung des Vierten Senats vom 07. Mai 1986 ist
von einer Nebenabrede auszugehen, wenn ein Arbeitgeber einen nach dem
einschlägigen Tarifvertrag als Sonderleistung für die besonderen Erschwernisse
des Flugverkehrskontrolldienstes für Fluglotsen vorgesehene Zulage für den
Flugverkehrsdienst zahlt, obwohl die begünstigte Arbeitnehmerin die
Voraussetzungen dafür in ihrer Person nicht erfüllt (– 4 AZR 556/83 – BAGE 52,
33). In beiden Fällen ging es um die Leistung eines tariflichen Anspruchs, dessen
Voraussetzungen nicht erfüllt waren (keine Wechselschicht, kein Einsatz im
Flugverkehrskontrolldienst). Die Leistungsgewährung im ersten Fall zielte jedoch
auf eine Überschreitung des tariflichen Anspruchs der als Entgelt, d.h. als
Gegenleistung für erbrachte Arbeit im Sinne des § 611 BGB, zu qualifizieren war.
Demgegenüber war die Zahlung einer Erschwerniszulage, obwohl solche
Erschwernisse weder bestehen noch eintreten konnten, ein Plus, welchem keine
Leistungserbringung gegenüberstand. Nach diesem Unterscheidungsmaßstab ist
die tariflich nicht ausgeschlossene Berücksichtigung von Zeitzuschlägen (s. § 9
Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz RTV) bei der Bemessung einer Sonderzuwendung den
Hauptpflichten und -rechten zuzurechnen, da auf die Erhöhung des
leistungsabhängigen Entgelts und nicht auf die über ihre Zielsetzung
hinausgehende Zubilligung einer Aufwandsausgleichszahlung gerichtet. Dies
entspricht auch der Rechtsprechung des Vierten Senats, wonach die Vereinbarung
einer übertariflichen Vergütung nicht unter § 4 Abs. 2 BAT als Nebenabrede zu
subsumieren ist (Beschluss vom 09.09.1981 – 4 AZN 213/81 – BB 1982,739).
2.
Die dem Kläger noch zu leistende "Novemberzahlung" aus dem
Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge des Zeitraum Oktober 2004 bis September
2005 beträgt 694,48 € brutto.
Soweit der Kläger 694,64 € brutto verlangt hat, ist sein Anspruch unbegründet. Der
Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die zutreffende Höhe der ihm zu
leistenden Novemberzahlung. Nach der von der Beklagten als Anlage BB 1 mit der
Berufungserwiderung vorgelegten Tabelle (Bl. 233 d. A.) erhielt der Kläger in dem
Zeitraum von Oktober 2004 bis September 2005 insgesamt Zeitzuschläge in einer
Höhe von 8.333,79 € brutto und nicht wie von ihm angegeben in Höhe von
8.335,73 € brutto. Der Kläger hat mit dem Einspruch vom 23. Juli 2007 die
Richtigkeit der von ihm vorgelegten Aufstellung nicht mehr geltend gemacht, wie
gemäß § 138 Abs.2 ZPO geboten. Der Ermittlung des maßgeblichen
Monatsdurchschnitts kann daher nur der Betrag von 8.333,79 € brutto zugrunde
gelegt werden. Dies ergibt 694,48 € brutto als Monatsdurchschnitt..
3.
Der Anspruch ist nicht nach § 26 Abs. 2 RTV verfallen.
§ 26 Abs. 2 RTV lautet:
"Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen spätestens innerhalb einer
Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Entstehen des Anspruchs schriftlich geltend
gemacht werden. Bei Ablehnung durch den Arbeitgeber müssen sie innerhalb
einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten nach Zugang der schriftlichen
Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."
Die "Novemberzahlung" ist bis 2003 zusammen mit dem tariflichen
Weihnachtsgeld gemäß § 14 RTV bezahlt worden. Dieses ist nach § 17 Abs. 2 RTV
mit der Novembervergütung fällig, nicht jedoch vor dem 30. November eines
Jahres.
Die Beklagte hat die "Novemberzahlung" im November 2005 nicht erbracht. Der
Kläger hat diese mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 gefordert, was die
Beklagte durch Schreiben vom 25. Januar 2006 ablehnte (Kopien als Anlagen 5 + 6
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Beklagte durch Schreiben vom 25. Januar 2006 ablehnte (Kopien als Anlagen 5 + 6
zur Klage, Bl. 6 f. d. A.). Der Kläger hat am 04. April 2006, innerhalb einer
dreimonatigen Frist nach Ablehnung seines Anspruchs durch die Beklagte,
rechtzeitig Klage erhoben.
Der Zinsanspruch des Klägers ist der Höhe nach gemäß § 288 Abs. 1 BGB
gerechtfertigt. Da die Forderung mit Ablauf des 30. November 2005 fällig wurde,
kann der Kläger nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Zinsen zumindest seit dem 02.
Dezember 2005 fordern.
II.
Der Kläger ist auch berechtigt, von der Beklagten die Zahlung einer mit dem
Arbeitsentgelt für April 2006 fällig gewordenen Sondervergütung aus
Dienstzeitzuschlägen ("Aprilzahlung") zu verlangen.
Soweit er jedoch diesen Anspruch auf die BV 14. Gehalt gestützt hat, ist das
Versäumnisurteil von 04. Juli 2007 teilweise aufrechtzuerhalten und auch der mit
dem Einspruch zusätzlich erhobene Hilfsantrag zurückzuweisen.
1.
Aus der rückwirkend zum 01. Juli 2005 in Kraft getretenen BV 14. Gehalt folgt nicht,
dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger ab 01. Januar 2005 eine monatliche
Zulage zu zahlen, in deren Berechnung auch die im April 2005 aus dem
Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge für das Jahr 2004 gezahlte Leistung
einzustellen ist.
Die BV 14. Gehalt löst die BV Nr. 20 vom 21. Dezember 2001 ab. Dies folgt aus § 3
Abs. 1 BV 14. Gehalt, der dazu regelt:
"Das derzeit bei der B (...) gezahlte 14. Gehalt wird ab dem 01.07.2005 als
monatliche Zulage (Ausgleichszulage) den Beschäftigten gewährt, die einen
Anspruch aus der Betriebsvereinbarung Nr. 20, (...) haben."
Durch die BV 14. Gehalt wird das bisher im April eines Folgejahres gezahlte 14.
Gehalt, welches 100 Prozent der laufenden Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 RTV
ohne Sozialzulagen im Monat Dezember eines Geschäftsjahres betrug (so Ziffer 2
der BV Nr. 20) unter Berücksichtigung der Steigerung der tariflichen Vergütung
nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag zum 01. Juli 2005 eingefroren. Der sich
danach ergebende Anspruch wird monatlich anteilig im jeweiligen Kalenderjahr
gezahlt und nicht erst im April eines Folgejahres.
Das Arbeitsgericht Darmstadt hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger nicht
verlangen kann, dass die monatliche Zulage aus dem Wert berechnet wird,
welcher sich aus der Addition des nach der BV Nr. 20 im April 2005 gezahlten 14.
Gehalts und der weiter im April 2005 erhaltenen Leistung aus dem Monatsmittel
der Zeitzuschläge des Jahres 2004 ergibt.
a)
Betriebsvereinbarungen sind wegen ihrer normativen Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1
BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst
vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es
auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von
besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der
tatsächliche Wille der Betriebspartner ist zu berücksichtigen, soweit er in dem
Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen
Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch
brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG Urteil
vom 26.09.2007 – 10 AZR 657/06 – NZA 2007, 1426 m. w. N.).
b)
Nach dem Wortlaut der Regelung in § 3 Abs. 2 BV 14. Gehalt scheint zunächst
nahe zu liegen, dass der Kläger verlangen kann, dass seine Ausgleichszulage aus
der letzten "Aprilzahlung" berechnet wird. Dort ist bestimmt:
"Die Höhe der Ausgleichszulage richtet sich nach der für das Jahr 2004 im April
2005 (Beschäftigte der ehemaligen A Versorgungs-AG) (...) gezahlten
Zuwendung."
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Zu berücksichtigen ist aber, dass die Leistung eines 14. Gehaltes aus
Dienstzeitzuschlägen, die "Aprilzahlung", nicht in der BV Nr. 20 geregelt war. Diese
bestimmte zweifelsfrei:
"2. Die Sonderzuwendung beträgt hundert Prozent der laufenden
Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 Rahmentarifvertrag ohne Sozialzulagen im Monat
Dezember des Geschäftsjahres, für das die Sonderzuwendung gewährt wird. Sie
wird mit der Aprilvergütung des folgenden Jahres ausgezahlt."
Die Regelung unter § 3 Abs. 2 der BV 14. Gehalt ist deshalb so zu verstehen, dass
sie gedanklich um die (folgend unterstrichenen) Worte " aus der BV Nr. 20
gezahlten Zuwendung" zu ergänzen ist.
Die Systematik der Betriebsvereinbarung wie der aus ihr zu erkennenden Sinn und
Zweck der Regelung sprechen gegen die vom Kläger vorgenommene Auslegung.
Das die Betriebspartner den Willen gehabt hätten, eine bisher nicht durch
Betriebsvereinbarung geregelte Leistung nunmehr durch eine solche zu erfassen,
hat auch über den unmittelbaren Wortlaut des Abs. 2 des § 3 BV 14. Gehalt hinaus
keinen Niederschlag gefunden. Die Bestimmung kann deshalb nicht so ausgelegt
werden, dass in die Berechnung der Ausgleichszulage auch die Aprilzahlung 2005
aus Dienstzeitzuschlägen einfließt. Die BV 14. Gehalt löst die Betriebsvereinbarung
Nr. 20 ab. Sinn ist die Umwandlung einer jährlichen in eine monatliche
Zahlungsweise bei gleichzeitigem Einfrieren des Anspruchs. Es ist nicht vorstellbar,
dass durch die Betriebsvereinbarung weitergehende Ansprüche der Arbeitnehmer
geregelt werden sollten, die bisher nicht Gegenstand einer solchen Regelung
waren. Dies wird durch die Ablösungsregel in § 3 Abs. 1 BV 14. Gehalt bestätigt,
die ausdrücklich auf den Anspruch der Arbeitnehmer aus der BV Nr. 20 bzw. -einer
hier nicht erheblichen – Betriebsvereinbarung Nr. 21 Bezug nimmt. Schließlich
kann nicht unterstellt werden, dass das in Abs. 1 angeführte 14. Gehalt für die
Arbeitnehmer der Beklagten anders berechnet sollte als für die Arbeitnehmer der
im übrigen angeführten Unternehmen C Vertrieb, C Services und der D.
2.
Die Beklagte ist jedoch zur Leistung einer "Aprilzahlung" aus dem
Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge für das Jahr 2006 verpflichtet. Der Anspruch
besteht ebenfalls aus betrieblicher Übung. Die dem Kläger mit der Aprilvergütung
2006 für das Vorjahr zustehende Anspruch beträgt allerdings nur 693,51 € brutto.
Im Übrigen ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht begründet.
a)
Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung für die "Aprilzahlung" sind ebenso
wie bei der "Novemberzahlung" erfüllt.
Die Beklagte hat nach den eingereichten Abrechnungen seit April 1993 bis April
1998 insgesamt sechs Mal neben der "Sonderzuwendung" auch eine "Sonderz.
aus D-Zuschlägen" ausgewiesen (vgl. Kopien der jeweiligen Abrechnungen für den
Monat April von 1994 bis 1998 als Teil des Anlagekonvoluts zum Schriftsatz vom
04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d. A.). Ein Vorbehalt ist nicht erfolgt. Damit sind die
Voraussetzungen erfüllt. Insoweit kann auf die Ausführungen zur
Novemberzahlung unter l. 1. b) aa) verwiesen werden.
b)
Auch die Vereinbarung der "Aprilzahlung" aus Dienstzeitzuschlägen ist nicht als
Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV zu qualifizieren. Die bis 30. Juni 1998
geltende tarifliche Schriftformregelung hat nicht gemäß § 126 BGB die Entstehung
der betrieblichen Übung verhindert.
Die "Aprilzahlung" ist eine Leistung, welche über einen in einer
Betriebsvereinbarung geregelten Anspruch hinausgeht. Auch diese Leistung zählt
zum Entgelt im Sinne des § 611 BGB und leitet so seinen Charakter von dem
Anspruch ab, der bewusst überschritten wurde.
Das in der BV Nr. 20 geregelte 14. Gehalt war eine Sondervergütung mit
überwiegendem Entgeltcharakter. Dies wird aus der Bestimmung zur Zeit
anteiligen Berechnung für befristet Beschäftigte (Abs. 4) und der Verrechnung mit
einer möglichen Gewinnbeteiligung (Abs. 5) deutlich.
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Wegen der von der Beklagten für eine Bewertung der Aprilzahlung angeführten
Argumente der teilweisen Steuerfreiheit von Zeitzuschlägen kann auf die bei der
"Novemberzahlung" erörterten Argumente Bezug genommen werden. Auch die
"Aprilzahlung" ist der Höhe nach von den tatsächlich erbrachten Nacht-, Sonntags-
und Feiertagsstunden abhängig. Der kollektivrechtliche Anspruch ist erhöht
worden, um auch ein höheres Arbeitsentgelt zu erreichen. Die Zubilligung einer
Sozial- oder Ausgleichsleistung, auf die die Beschäftigten im vollkontinuierlichen
Wechselschichtbetrieb keinen Anspruch hatten, war nicht die Zielsetzung.
3.
Dem mit dem Einspruch als Antrag zu 3) bezifferten Leistungsantrag war nur in
Höhe von 693,51 € brutto nebst Zinsen stattzugeben. Der auf monatliche künftige
Leistungen gerichtete Antrag zu 4) sowie der mit dem Einspruch erhobenen
Hilfsantrag waren zurückzuweisen.
a)
Der Anspruch des Klägers auf eine "Aprilzahlung" besteht aufgrund betrieblicher
Übungen und hat seine Grundlagen nicht in der BV 14. Gehalt. Die Beklagte ist
daher nicht zur Erhöhung der von ihr rückwirkend ab 01. Januar 2005 erbrachten
monatlichen Ausgleichszahlungen aufgrund dieser Betriebsvereinbarung
verpflichtet. Ein Anspruch auf künftige monatliche Zusatzleistungen nach § 259
ZPO besteht nicht. Dies führt zur Zurückweisung des Antrags zu 4).
b)
Der Kläger hat behauptet, im Jahre 2005 insgesamt Zeitzuschläge in Höhe von
8.465,25 € brutto erhalten zu haben. Die Beklagte hingegen hat die Gesamthöhe
der Zeitzuschläge nach der mit der Berufungserwiderung vorgelegten Tabelle (Bl.
233 d. A.) mit insgesamt nur 8.322,07 € brutto beziffert. Da der Kläger dieser
Darlegung nicht entgegengetreten ist, kann nur der von der Beklagten unstreitig
gestellte Gesamtbetrag an Dienstzeitzuschlägen der Berechnung zugrunde gelegt
werden. Der sich daraus ergebende Monatsdurchschnittsbetrag macht 693,51 €
brutto aus. In dieser Höhe ist der Anspruch begründet. Die Ausschlussfrist nach §
26 Abs. 2 RTV ist gewahrt.
Der Kläger hat mit der am 04. Juli 2006 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt
eingereichten Klageschrift 946,20 € brutto verlangt (damaliger Klageantrag zu 1)).
Dies genügt, soweit er damit Leistungen für das Jahr 2005 forderte, also in Höhe
von 12 x 63,08 € brutto. Der sich daraus ergebende Betrag von 756,96 € brutto
übersteigt die von der Beklagten zu erbringende Leistung von 693,51 € brutto.
Dem liegt folgende Überlegung zugrunde:
aa)
Zur Wahrung einer Ausschlussfrist ist ein Anspruch (mündlich, schriftlich, durch
Klageerhebung) geltend zu machen. Eine Geltendmachung erfordert keine
Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, welche der
Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt (BAG Urteil
vom 11.12.2003 – 6 AZR 539/02 – BAGE 109, 100 m. w. N.).
Der Kläger hat mit der Klage die Berücksichtigung der Dienstzeitzuschläge bei der
Bemessung seines Anspruchs auf eine höhere monatliche Ausgleichszulage
gefordert, die ab 2005 rückwirkend an die Stelle des durch die BV Nr. 20
geregelten 14. Gehalts getreten war. Dies ist ausreichend. Der Kläger hat mit
Ankündigung dieses Antrags seinen Standpunkt verfolgt, dass der
Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge weiter gezahlt werden muss. Der
Eingangssatz der Darstellung der rechtlichen Argumente unter Punkt ll. in der
Klageschrift lautet: "Der Kläger hat sowohl Anspruch auf Zahlung des
Weihnachtsgeldes wie der Sonderzuwendung in der Höhe, die sich einschließlich
der Dienstzeitzuschläge errechnet" (S. 3 der Klageschrift, Bl. 3 d. A.).
Dass der Kläger die rechtliche Beurteilung vorgenommen hatte,
Anspruchsgrundlage für die Berücksichtigung der Zeitzuschläge bei dem
bisherigen 14. Gehalt sei die neue BV 14. Gehalt und deshalb ab 01. Februar 2005
fällige monatliche Zahlungen verlangte, ist unschädlich. Zur Wahrung einer
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fällige monatliche Zahlungen verlangte, ist unschädlich. Zur Wahrung einer
Ausschlussfrist ist die Darlegung des Lebenssachverhalts, aus dem sich der
streitige Anspruch ergibt, notwendig und auch ausreichend, nicht die rechtlich
zutreffend Benennung der Anspruchsgrundlage. Ein Anspruch ist spezifiziert, wenn
er von anderen möglichen Ansprüchen unterschieden werden kann und das
tatsächliche Vorbringen die Subsumtion unter eine Anspruchsgrundlage gestattet
(BAG Urteil vom 22.06.2005 – 10 AZR 459/04 – ZTR 2006, 140). Besteht ein Streit
der Parteien bereits darüber, ob überhaupt eine Anspruchsgrundlage für die
geforderte Leistung besteht, kommt es auf die Erkennbarkeit des Anspruchs durch
den ihm zugrunde liegenden Sachverhalt an.
Durch die mit der Anspruchsschrift vom 23. Juli 2005 mit einem Hilfsantrag (Antrag
zu 5) geforderte Zahlung der Sondervergütung aus Dienstzeitzuschlägen für 2005
mit der Vergütung für 2006 der Kläger den dem streitigen Anspruch zugrunde
liegenden Sachverhalt nicht ausgetauscht. Der Streitgegenstand der die
"Aprilzahlung" betreffenden Haupt- und Hilfsanträge ist identisch (s. unten). Die
hilfsweise vorgenommene rechtliche Bewertung führt nur zu einer anderen
Fälligkeit und Zahlungsweise.
bb)
Die Klageerhebung vom 04. April 2006 war auch im Übrigen ausreichend. Es ist
unschädlich, dass der Anspruch des Klägers bei seiner klageweisen
Geltendmachung noch nicht fällig war. § 26 Abs. 2 RTV knüpft an das Entstehen
des Anspruchs und ein nicht an dessen Fälligkeit an. Die Voraussetzungen des auf
betrieblicher Übung beruhenden Anspruchs auf eine "Aprilzahlung" bestimmen
sich – soweit nicht die Anspruchshöhe betroffen ist – nach den Regelungen der
abgelösten BV Nr. 20, da diese Leistung immer gleichzeitig als Erhöhung des
Anspruchs aus der Betriebsvereinbarung erbracht wurde. Danach müssten alle
Zeitzuschläge des abgeschlossenen Jahres angefallen sein. Dies tritt mit
Jahresablauf ein. Weiter muss der begünstigte Arbeitnehmer am Tage der
Auszahlung der Aprilvergütung des Folgejahres noch in einem ungekündigten
Arbeitsverhältnis stehen. Insoweit fallen Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs
zusammen.
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist der Beklagte jeweils am
28. eines laufenden Monats zur Leistung der Vergütung verpflichtet. Fälligkeit trat
daher erst am 28. April 2006 ein.
Der Kläger hat sein Begehren in der am 05. Mai 2006 durchgeführten
Güteverhandlung bestätigt und den Rechtsstreit danach fortgeführt. Es wäre eine
unnötige Förmelei, vom Kläger eine Klageerhebung erst nach dem 28. April 2006
zu verlangen, da die Beklagte bereits mit Schreiben vom 25. Juni 2006 (Kopie s.
Anlage 6 zur Klage, Bl. 7 d. A.) den Anspruch aus betrieblicher Übung ausdrücklich
abgelehnt hatte.
cc)
Die Geltendmachung durch Klageerhebung und Fortführung des Rechtsstreits
nach dem 28. April 2006 ist für den Teilbetrag erfolgt, den der Kläger tatsächlich
für das Jahr 2005 gefordert hat.
Aus der Klagebegründung ergibt sich, dass der Kläger für das Jahr 2005 insgesamt
756,96 € brutto, dies sind 12 x 63,08 € brutto geltend gemacht hat. Soweit die
Klageforderung diesen Betrag um 189,24 € brutto (3 x 63,08 € brutto)
überschreitet, sind dies Leistungen, die dem Kläger nach seiner Auffassung schon
anteilig für 2006 zustanden. Dieser Unterschied ergibt sich daraus, dass die
"Aprilzahlung" jeweils für ein abgeschlossenes Jahr mit der Aprilvergütung des
Folgejahres zu zahlen ist, wie früher die Leistungen nach der BV Nr. 20, während
ein (rechtsirrig) auf die BV 14. Gehalt gestützter Anspruch im laufenden Jahr in
monatlichen Teilbeträgen und nicht nachschüssig zu erbringen ist.
c)
Die Höhe der dem Kläger zustehenden Zinsen ergibt sich § 288 Abs. 1 BGB. Nach
der im Betrieb des Beklagten unstreitig geltenden Fälligkeit von
Vergütungsansprüchen zum 28. eines laufenden Monats war die Beklagte ab dem
29. April 2007 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug. Der weitergehende
Zinsanspruch des Klägers, welcher von einer monatlichen Fälligkeit im laufenden
Jahr ausgeht, ist nicht begründet.
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4.
Der als Antragserweiterung erhobene Hilfsantrag zu 5) ist unbegründet.
Über diesen Antrag war zu entscheiden, da der Kläger auf seinen Einspruch mit
den Anträgen zu 3) und 4) nicht in vollem Umfange obsiegt hat. Der Antrag ist
zurückzuweisen, da zwischen den Anträgen zu 3) und 4) einerseits und dem
Hilfsantrag zu 5) andererseits eine Identität des Streitgegenstandes vorliegt.
Hauptanträge einerseits und Hilfsantrag andererseits unterscheiden sich
hinsichtlich des anspruchsbegründenden Lebenssachverhalts nicht, nur durch ihre
rechtliche Bewertung. Soweit und in der Höhe in der ein Anspruch des Klägers auf
eine Aprilzahlung im April 2006 für das Jahr 2005 besteht, ist seinem Anspruch
durch die teilweise Abänderung des Versäumnisurteils bereits stattgegeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 344, 539 Abs. 3 ZPO. Die in der
Einspruchsschrift als Anträge zu 3 und 4 benannten Anträge waren gemäß § 42
Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GKG insgesamt mit dem dreifachen
Jahresbetrag zu bewerten. Der vor Antragstellung reduzierte Hilfsantrag wirkte
nach § 85 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht werterhöhend, so dass der Kostenentscheidung
die erste und zweite Instanz derselbe Gebührenwert zugrunde zu legen war.
Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Von der Frage, ob die
auf betriebliche Übung gestützten Ansprüche als Nebenabreden im Tarifsinne zu
qualifizieren sind, sind nicht nur bei der Beklagten Beschäftigten, sondern auch in
anderen Unternehmen des Konzerns tätige Arbeitnehmer betroffen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.