Urteil des LAG Hessen vom 11.11.2009

LAG Frankfurt: gehalt, abfindung, ausgleichszahlung, aktiven, austritt, sozialplan, berechnungsgrundlagen, bfa, wörterbuch, begriff

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 831/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 BetrAVG
(Betriebliche Altersversorgung - Berechnung eines
Rentenausgleichs - Sozialplanauslegung - Berücksichtigung
von Vergütungsbestandteilen)
Orientierungssatz
In die Berechnung der Ausgleichszahlung nach § 8 Ziffer 17 des Sozialplans xx sind
auch fiktive Rentenbeiträge für das 13. und 14. Gehalt einzubeziehen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am
Main vom 17. Februar 2009 – 8 Ca 7079/08 – unter Zurückweisung der Berufung
im Übrigen teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt 278,00 € brutto nebst Zinsen von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 27,80 € brutto seit dem 1. der
Monate November 2007 bis August 2008 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Ende August 2008 bis zum
Lebensende monatlich 27,80 € zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 80% und der Kläger zu 20% zu
tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das 13. und 14. Gehalt sowie
Gehaltssteigerungen in die Berechnung eines Rentenausgleichs einzubeziehen
sind.
Der am … geborene Kläger trat 1965 in die Dienste der Beklagten. Er schied dort
aus zum 31. August 2003 aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung mit der
Beklagten vom 10. April 2003.
Darin ist u.a. geregelt:
㤠1 Beendigung des Vertrages
1. Der zwischen dem Mitarbeiter und der ... bestehende Anstellungsvertrag
endet aus betriebsbedingten Gründen auf Veranlassung der ... im gegenseitigen
Einvernehmen mit Ablauf des 31.08.2003. Für die Aufhebungsvereinbarung gilt der
Sozialplan vom 13.02.2003. …
§ 2 Abfindung; sonstige Leistungen
3. Nach den Regelungen des Sozialplans ist die Abfindung auch abhängig von
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3. Nach den Regelungen des Sozialplans ist die Abfindung auch abhängig von
der Dauer und der Höhe des Arbeitslosengeldes während des Zeitraums vom
Austritt am 31.08.2003 bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn am 01.10.2007
(= Überbrückungszeitraum). …
5. Sofern die Berechnungsgrundlagen nach § 8 des Sozialplans bei Austritt
nicht bzw. erst nach Austritt oder erst während des Überbrückungszeitraums
verbindlich festgestellt werden können oder sich ändern, wird die
Auflösungsentschädigung neu berechnet. …
§ 3 Altersversorgung
Die Ansprüche auf die betriebliche Altersversorgung richten sich zusätzlich nach
den Regelungen § 8, Ziff. 16 des Sozialplans. …“ (unstreitig gemeint ist Ziffer 17)
Im Übrigen wird wegen des weiteren Textes auf Bl. 46 - 48 d. A. verwiesen.
Der Sozialplan vom 13. Februar 2003 (Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten
vom 03. Februar 2009, Bl. 97 ff. d. A.) enthält unter § 8 die „55er-Regelung“. In
dieser ist zunächst in den Ziffer 1. - 13. die Zahlung einer Abfindung geregelt, die
sich grundsätzlich nach der Differenz zwischen Arbeitslosengeld und letzten
Nettobezügen während des Überbrückungszeitraums, definiert als die Zeit
zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und frühestmöglichen gesetzlichen
Rentenspruch. Die Basis für die Berechnung der Nettobezüge ist in § 8 (7)
geregelt. Weiter ist unter § 8 des Sozialplans bestimmt:
„(17) Arbeitnehmer, die eine 55er Regelung mit der ... vereinbaren, werden in
der gesetzlichen und betrieblichen Rente so gestellt, als hätten sie bis zum
Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns weiter gearbeitet. Für die
Berechnung gelten folgende Regeln:
a. BfA/LVA
In der gesetzlichen Rentenversicherung wird der Betrag ausgeglichen, der sich aus
einer Rente aufgrund von fiktiven Beiträgen im Überbrückungszeitraum auf der
Basis des letzten Gehaltes der aktiven Beschäftigung ergeben hätte. Hierauf
werden Renten aufgrund von Beitragszahlungen Dritter im Überbrückungszeitraum
angerechnet. Außerdem wird der Rentenbetrag angerechnet, der sich ergäbe,
wenn der Arbeitnehmer den Teil der Abfindung, der für Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung geleistet wird, in die gesetzliche Rentenversicherung
eingezahlt hätte. …
d. Zusätzlicher Ausgleich
Für jedes Jahr des vorzeitigen Austritts mit Rentenabschlägen in der gesetzlichen
Rentenversicherung erhält der Mitarbeiter zusätzlich eine Pensionszusage von
monatlich 10 EUR mit Beginn des Bezugs der gesetzlichen Rente. …“
Seit dem 01. Oktober 2007 erhält der Kläger gesetzliche Altersrente. Seitdem
erhält der Kläger betriebliche Altersversorgung durch die Pensionskasse der
Beklagten einen Ausgleich hinsichtlich der Pensionskassenrente nach der 55er-
Regelung, einen „zusätzlichen Ausgleich“ sowie einen Ausgleich hinsichtlich der
BfA-Rente in Höhe von € 6,06. Bei diesem Ausgleich hat die Beklagte für die
fiktiven Rentenversicherungsbeiträge im Überbrückungszeitraum auf das letzte
Gehalt des Klägers abgestellt und 13. und 14. Gehälter nicht berücksichtigt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch die 13. und 14. Gehälter seien für
die fiktiven Beiträge im Überbrückungszeitraum zugrunde zu legen und es seien
jeweils die sich aus den zwischenzeitlichen allgemeinen Gehaltserhöhungen
ergebenden zu berücksichtigen. Der Kläger errechnet daraus einen weiteren
Aufstockungsbetrag von € 34,78 monatlich. Der Kläger hat diesen Differenzbetrag
für die Zeit von Oktober 2007 bis Juli 2008 sowie künftige Zahlung verlangt,
hilfsweise entsprechende Feststellung.
Die Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen. Sie hält ihre Rechnung für
zutreffend. Nach dem Sozialplan sei das letzte Gehalt ohne Sonderzahlungen und
Tariflohnerhöhungen zugrunde zu legen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 17. Februar 2009, auf
das Bezug genommen wird.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Aus der
Bestimmung des § 8 Ziffer 17 des Sozialplans ergebe sich nicht, dass
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Bestimmung des § 8 Ziffer 17 des Sozialplans ergebe sich nicht, dass
irgendwelche Vergütungsbestandteile nicht zu berücksichtigen seien. Der Begriff
Gehalt könne hier nicht auf den Begriff Monatsgehalt beschränkt werden. Im
Sozialplan würden jeweils entsprechende Klarstellungen verwendet, wenn das in
einem konkreten Monat Gezahlte gemeint sei. Aus § 2 Abs. 5 des
Aufhebungsvertrages ergebe sich aus, dass Tariferhöhungen während des
Übergangszeitraums einzubeziehen seien. Zukünftige Tariferhöhungen könnten
erst während des Übergangszeitraums verbindlich festgestellt werden.
Falls Tariferhöhungen während des Überbrückungszeitraums nicht berücksichtigt
würden, ergebe sich unter Zugrundelegung der Rentenbeiträge auch für 13. und
14. Gehälter während des Überbrückungszeitraums eine - rechnerisch unstreitige -
Differenz von € 27,80, der gemäß § 8 (17) a. des Sozialplans auszugleichen wäre.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom
17.02.2009
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 347,80 brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je € 34,78 brutto seit
dem 01. eines Monats, beginnend mit dem 01.11.2007 bis 01.08.2008 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, bis zum Lebensende monatlich je € 34,78 brutto
zu zahlen;
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bis zum Lebensende
monatlich je € 34,78 brutto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Regelung von § 8 Ziffer 17 des
Sozialplans sei nicht isoliert zu verstehen, sondern in Verbindung mit der
Ausgangsregelung § 8 Ziffer 1 - 3 und der entsprechenden Definition des
Bruttomonatsgehalts im Sinne dieser Regelung in § 8 Ziffer 7. Auch sei nicht
berücksichtigt, dass der Kläger Zinsvorteile durch die vorzeitige Fälligkeit der
Gesamtabfindung und die Ausgleichszahlung von § 8 Ziffer 17 d. des Sozialplans
habe. Aus einer Gesamtschau der Bestimmungen des Sozialplans ergebe sich,
dass ausschließlich das letzte Monatsgehalt des Klägers gemeint sei und 13. und
14. Monatsgehälter nicht zu berücksichtigen seien. Bei § 8 Abs. 17 Satz 1 handele
es sich nicht um eine Anspruchsgrundlage sondern lediglich um einen
Programmsatz, der im nächsten Satz erst konkretisiert werde. Die Regelung des §
8 gehe auf Berater zurück, die diesen Text formuliert und später auch
durchgeführt hätten. Es handele sich um eine völlig eigenständige Regelung, die in
sich geschlossen sei und im Ergebnis einen Baustein zur Durchführung des
Personalabbaus darstelle, der inhaltlich nicht auf die anderen Regelungen
abgestimmt sei. Ein Anspruch auf Berücksichtigung späterer Tariferhöhungen
ergebe sich auch nicht aus dem Aufhebungsvertrag. Die Bestimmung des § 2 Abs.
5 regele ausschließlich die Neuberechnung der Auflösungsentschädigung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist weitgehend begründet. Die Klage ist begründet, soweit
der Kläger für die Berechnung der Ausgleichszahlung nach § 8 (17) a. des
Sozialplans die Berücksichtigung fiktiver Rentenbeiträge für 13. und 14. Gehälter
im Überbrückungszeitraum verlangt. Sie ist unbegründet, soweit der Kläger seiner
Berechnung auch Tariflohnerhöhungen zugrunde legt.
1. In die Berechnung der Ausgleichszahlung hinsichtlich der gesetzlichen
Rentenversicherung sind auch fiktive Beiträge für 13. und 14. Gehälter im
Überbrückungszeitraum einzubeziehen. Nach § 8 Ziffer 17 Satz 1 sollen die
Arbeitnehmer mit einer 55er-Regelung in der gesetzlichen Rente so gestellt
werden, als hätten sie bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns
weiter gearbeitet. Hinsichtlich der gesetzlichen Renten ist sodann in Ziffer 17 a.
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weiter gearbeitet. Hinsichtlich der gesetzlichen Renten ist sodann in Ziffer 17 a.
bestimmt, dass der Betrag ausgeglichen werden soll, der sich aus einer Rente
aufgrund von fiktiven Beiträgen im Überbrückungszeitraum auf der Basis des
letzten Gehalts der Beschäftigung ergeben hätte. Es sind mithin die fiktiven
Beiträge auf der Basis des letzten Gehalts zugrunde zu legen.
Unter Gehalt ist der gesamte Gegenwert der Arbeitsleistung zu verstehen
. Dazu gehört auch das
13. und 14. Gehalt.
Die Einbeziehung des gesamten Gehalts einschließlich der 13. und 14. Gehälter für
die fiktiven Beiträge im Überbrückungszeitraum entspricht auch dem Zweck der
Bestimmung, wie er sich aus § 8 Ziffer 17 Satz 1 ergibt. Dieser Satz ist kein
bedeutungsloser Programmsatz sondern bildet die Grundlage der Ansprüche,
deren Berechnung im Einzelnen in den folgenden Buchstaben geregelt ist. Aus der
Ziffer 17 ergibt sich, dass der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rente so gestellt
werden soll, als hätte er bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns
weiter gearbeitet. Das erfordert aber, dass die Beiträge auch für die Gehälter
gezahlt werden, die bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns
angefallen wären. Auch auf die 13. und 14. Gehälter, die der Kläger bei
Weiterarbeit bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn erhalten hätte, wären
unstreitig Beiträge zu zahlen gewesen.
2. Soweit in anderen Teilen des Sozialplans die vergütungsbezogene
Berechnungsgrundlagen anders definiert sind, ergibt sich daraus nichts
Abweichendes. Diese Bestimmungen, auf die sich die Beklagte beruft, regeln
andere Gegenstände mit anderen Zwecken. Die der Ziffer 17 vorhergehenden
Bestimmungen regeln die Zusammensetzung der Abfindung, deren
Berechnungsgrundlage grundsätzlich unter den Gesichtspunkten der Belastung
des Arbeitgebers und der Entschädigung des Arbeitnehmers für den Verlust des
Arbeitsplatzes von den Betriebsparteien ausgehandelt werden. Hingegen dient die
Bestimmung des § 8 Ziffer 17 speziell dem Ausgleich von Rentennachteilen.
Daraus, welche Definitionen für die Berechnung der Abfindungen gewählt werden,
folgt nichts für die Begriffe hinsichtlich des Ausgleichs von Rentenverlusten, wenn
nicht auf diese Definition Bezug genommen wird. Gerade dies ist aber nicht
geschehen, sondern auf die Definition der Ziffer 7 ist gerade nicht verwiesen. Dort
ist auch nur die Basis für die Berechnung der Nettobezüge bestimmt. In Ziffer 17
geht es aber nicht um Nettobezüge. Auch wird dort nicht wie in Ziffer 7 „das im
Austrittsmonat geltende Bruttomonatsgehalt“ genannt sondern allein das „letzte
Gehalt der aktiven Beschäftigung“ ohne jegliche Einschränkung wie sie in Ziffer 7
enthalten ist. Das erklärt sich auch aus dem völlig unterschiedlichen Zweck beider
Regelungen. Während in Ziffer 7 die Nettobezüge als Basis für die Abfindung, die
sich aus der Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Nettobezügen ergibt zu
definieren sind, kommt es bei Ziffer 17 darauf an, die Rente zu errechnen, die sich
ergäbe, wenn der Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen
Rentenbeginns weiter gearbeitet hätte.
3. Der Kläger kann nicht verlangen, dass Tariferhöhungen während des
Überbrückungszeitraums einbezogen werden. Die Berechnungsvorschrift der Ziffer
17 a. legt fest, dass das letzte Gehalt der aktiven Beschäftigung Basis sein sollte.
Damit sind spätere Tariferhöhungen gerade ausgenommen. Nach Satz 1 der Ziffer
17 wäre allerdings denkbar, auch diese einzubeziehen, da sie ja bei Weiterarbeit
bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns angefallen wären. In der
Berechnungsvorschrift der Ziffer 17 a. ist jedoch sinnvollerweise klargestellt, dass
spätere Gehaltsentwicklungen keine Rolle mehr spielen sollen. Damit ist
Streitigkeiten darüber, ob und welche - möglicherweise fiktiven -
Gehaltsentwicklungen zu berücksichtigen sind, vorgebeugt.
Auch aus § 2 Abs. 5 ergibt sich nichts anderes. Die Berechnungsgrundlage nach §
8 Ziffer 17 a. ist das letzte Gehalt der aktiven Beschäftigung. Dieses konnte bei
Austritt festgestellt werden und unterfällt deshalb von vornherein nicht dieser
Bestimmung. Im Übrigen bezieht sie sich offensichtlich auf die
Auflösungsentschädigung und damit nicht auf den Ausgleichsbetrag nach § 8
Ziffer 17 a. des Sozialplans.
Die Klage war deshalb abzuweisen, soweit sie € 27,80 brutto monatlich überstieg.
Die Kosten sind im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens verteilt.
39 Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.