Urteil des LAG Hessen vom 28.11.2005

LAG Frankfurt: einbau, gemeinsame einrichtung, anschlussberufung, arbeitsgericht, werkstatt, montage, auskunftserteilung, beitragsforderung, vergleich, stufenklage

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
16. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 Sa 2023/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 TVG
(Tarifauslegung - Sozialkassenverfahren - Treppenbau)
Leitsatz
Ein Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Treppen hergestellt und diese
hergestellten Treppen eingebaut werden, führt Zimmererarbeiten durch und wird
deshalb vom betrieblichen Geltungsbereich der für allgemeinverbindlich erklärten
Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes erfasst. Dass es sich beim Treppenbau
auch um Tätigkeiten des Schreinerhandwerks handelt, ist unerheblich, weil vom
Geltungsbereich der Bautarifverträge seit 01. Januar 1996 auch Betriebe des
Schreinerhandwerks erfasst werden, die Zimmererarbeiten durchführen.
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Wiesbaden vom 22. Juni 2004 - 1 Ca 82/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 26.680,61 EUR (in Worten:
Sechsundzwanzigtausendsechshundertachtzig und 61/100 Euro) zu zahlen.
Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Dezember 2003 - 1
Ca 1799/03 - ist wirkungslos.
Die Berufung des Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil vom 22. Juni 2004
wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um Zahlungsverpflichtungen des
Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den
Zeitraum Mai 1999 bis November 2003.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge
zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Beklagte, gelernter Zimmerer, unterhält seit 01. Januar 1999 einen bis 22. Juli
2004 mit dem Zimmererhandwerk, danach mit dem Tischlerhandwerk in die
Handwerksrolle eingetragenen Betrieb, von dem in den Kalenderjahren 1999 bis
2003 zu mindestens 80% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit sowohl selbst
hergestellte wie auch von Drittunternehmen fertig bezogene Treppen in Gebäude
eingebaut wurden.
Der Kläger hat in mehreren, vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Ansicht vertreten, der Beklagte
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und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Ansicht vertreten, der Beklagte
habe im Zeitraum von Mai 1999 bis November 2003 einen baugewerblichen
Betrieb im Sinne der Bautarifverträge unterhalten. Die ausschließliche betriebliche
Tätigkeit habe in diesem Zeitraum in dem Bau und der anschließenden Montage
von Treppen bestanden. Dabei handele es sich um Zimmererarbeiten. Der
Beklagte habe auch ausschließlich Zimmerer und keine gelernten Schreiner
beschäftigt gehabt. Demzufolge schulde der Beklagte zum einen die sich aus den
eigenen Meldungen des Beklagten ergebenden tarifvertraglich normierten
Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Mai 1999 bis Dezember
2002. Unter Anrechnung der in einem gerichtlichen Vergleich gegenüber dem
Beklagten titulierten Entschädigungsbeträge für die Monate Mai 1999 bis Juni 2002
errechne sich ein Betrag in Höhe von € 9.068,33. Hinsichtlich der Einzelheiten der
Berechnung des Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 30. April 2004 (Bl. 362 -
369 d.A.) Bezug genommen. Für den Zeitraum September bis Dezember 2002
betrage die Beitragsforderung, entsprechend den Meldungen des Beklagten €
5.917,39. Ferner sei der Beklagte zur Erteilung der tarifvertraglich
vorgeschriebenen Auskünfte für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum
Januar 2003 bis November 2003, für den Fall der Nichterfüllung zur Zahlung eines
Entschädigungsbetrags in Höhe von 80% der mutmaßlichen Beiträge verpflichtet.
Nachdem der Kläger im arbeitsgerichtlichen Termin vom 16. Dezember 2003
hinsichtlich des Zeitraums Juni bis August 2002 in dem damals noch getrennt
geführten Rechtsstreit 1 Ca 1799/03 ein seinem Auskunftsbegehren
entsprechendes Versäumnisurteil mit einem bedingten Entschädigungsbetrag in
Höhe von € 3.525,00 erwirkt hatte, hinsichtlich dessen genauen Inhalts auf Bl. 258
d.A. Bezug genommen wird, hat er zuletzt, nach fristgerechtem Einspruch des
Beklagten gegen dieses Versäumnisurteil und Verbindung der bis dato getrennt
geführten Rechtsstreite beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. an den Kläger € 14.985,72 zu zahlen; 2. dem Kläger auf dem
vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerblichen
Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 2003 bis Mai
2003 und September 2003 bis November 2003 in dem Betrieb des Beklagten
beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge
insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen
sind;3. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb
einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende
Entschädigung zu zahlen: € 8.210,00; 4. das Versäumnisurteil vom 16. Dezember
2003 (Az.: 1 Ca 1799/03) wird aufrechterhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 16. Dezember 2003 die Klage
insgesamt abzuweisen.
Er hat vorgetragen, sein Betrieb sei kein solcher des Baugewerbes im tariflichen
Sinn gewesen sondern ein solcher des von den Bautarifverträgen
ausgenommenen Schreinerhandwerks. In seinem Betrieb seien zu 80% Treppen
hergestellt und montiert worden, zu 20% reine Schreinerarbeiten, wie die
Reparatur von Möbeln und Türen sowie Küchen- und Möbelteilen durchgeführt
worden. Bei den Treppenbauarbeiten seien 80% der Arbeitszeit auf die Herstellung
in der Werkstatt und nur 20% auf den Einbau der Treppen entfallen. Im Übrigen
werde er auch zur Winterbauförderung nicht herangezogen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22. Juni 2004 unter Aufrechterhaltung seines
Versäumnisurteils vom 16. Dezember 2003 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich
der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils (Bl. 401 - 410 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die
Berufungsverhandlung am 28. November 2005 festgestellten und dort
ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass von
seinem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Zimmererarbeiten durchgeführt
worden seien. So habe das Arbeitsgericht übersehen, dass der Treppenbau zu
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worden seien. So habe das Arbeitsgericht übersehen, dass der Treppenbau zu
80% in der Werkstatt und nur zu 20% auf der Baustelle stattgefunden habe.
Bereits deshalb scheide eine Anwendung der Bautarifverträge aus. Im Einzelnen
sei es so, dass er die von ihm hergestellten Treppen nur teilweise auch selbst
montiere. Ein Großteil der Treppen werde von den Abnehmern selbst eingebaut.
Soweit er Treppen von Drittunternehmen beziehe, baue er diese ebenfalls nur
teilweise ein, teilweise handele er mit diesen Treppen und veräußere sie ohne
Einbau. Für das Herstellen einer Holztreppe würden zwischen 40 - 80
Arbeitsstunden, für den Einbau lediglich 6 - 12 Arbeitsstunden benötigt. Insgesamt
überwögen die Herstellungstätigkeiten arbeitszeitlich erheblich, nämlich in den
Jahren 1999 bis 2003 mit 14.800 Arbeitsstunden gegenüber 1.056 Arbeitsstunden,
die auf den Einbau entfallen seien. Der Einbau von Treppen habe maximal 15% der
Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Von der Gesamtarbeitszeit, die auf die
Treppenherstellung und den Einbau entfallen sei, also 80% der betrieblichen
Gesamtarbeitszeit, sei der überwiegende Teil, nämlich 80% - 90% auf die
Herstellung und den anschließenden Einbau von Treppen entfallen. Zu etwa 5%
der Gesamtarbeitszeit sei mit Treppen gehandelt worden. Dabei handele es sich
um von Drittunternehmen bezogene, und anschließend verkaufte Treppen,
insbesondere Stahltreppen. Etwa 20% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien
auf die Fertigung von Teilen für Küchen, die Fertigung von Türen u.Ä. entfallen,
wobei die Herstellungstätigkeiten 80% ausgemacht und diese Teile nur zu etwa
20% eingebaut worden seien. Soweit der Kläger nunmehr im Berufungsrechtszug
nach Auskunftserteilung von der Auskunfts- zur Zahlungsklage übergehe, sei diese
unzulässig, da der Zahlungsanspruch noch im ersten Rechtszug anhängig sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage kostenpflichtig
abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagte zur Zahlung
von € 26.680,61 an den Kläger verurteilt wird bzw. ist.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, wiederholt sein erstinstanzliches
Vorbringen zur Tarifunterworfenheit des Beklagten, trägt vor, die weit
überwiegende betriebliche Arbeitszeit sei auf die Herstellung und anschließende
Montage der hergestellten Treppen entfallen, geht bezüglich des Zeitraums Januar
bis November 2003 von der Auskunfts- zur Zahlungsklage im Wege der
Anschlussberufung über und trägt insoweit vor, aus den vom Beklagten selbst
erteilten Meldungen ergebe sich ein Sozialkassenbeitrag für gewerbliche
Arbeitnehmer für diesen Zeitraum in Höhe von € 11.694,89.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf
den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die
Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 28. November 2005 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet
hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG)
keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig
und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und
damit insgesamt zulässig.
Auch die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig. Die Frist des § 524 Abs. 2
Satz 2 ZPO hat der Kläger, wie sich aus den in die Niederschrift über die
Berufungsverhandlung am 28. November 2005 aufgenommenen Feststellungen
ergibt, gewahrt. Die Anschlussberufung genügt auch nach Form und Inhalt den
gesetzlichen Anforderungen (§ 524 Abs. 3 i.V.m. § 519 Abs. 2 und 4 und § 520
Abs. 3 ZPO).
In der Sache hat die Berufung keinen, die Anschlussberufung dagegen Erfolg. Der
Kläger kann von dem Beklagten Zahlung von insgesamt € 26.680,61 verlangen.
Dass der Kläger bezüglich des Zeitraums Januar bis November 2003 von der
Auskunfts- zur Zahlungsklage übergegangen ist, ist prozessual unbedenklich. Ob
diese teilweise Umstellung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO nicht
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diese teilweise Umstellung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO nicht
als Änderung der Klage anzusehen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Denn
der Beklagte hat sich auf den geänderten Klageantrag im Berufungstermin
widerspruchslos eingelassen. Damit wird eine seitens des Beklagten unter
Umständen notwendige Einwilligung in eine etwa geänderte Klage unwiderlegbar
vermutet (§§ 533 Nr. 1, 267 ZPO). Bedenken nach § 533 Nr. 2 ZPO bestehen
schon deshalb nicht, weil der zur Höhe der Beitragsforderung gehaltene Vortrag
des Klägers unstreitig ist und unstreitiger Tatsachenvortrag in der
Berufungsinstanz stets berücksichtigt werden muss (vgl. BGH 18. November 2004,
MDR 2005, 527).
Soweit der Beklagte schließlich meint, der Umstellung von der Auskunfts- zur
Zahlungsklage stehe entgegen, dass der Kläger eine Stufenklage erhoben habe,
deren erste Stufe noch erstinstanzlich anhängig sei, hat er übersehen, dass der
Kläger erstinstanzlich lediglich eine Verurteilung des Beklagten zur
Auskunftserteilung in Verbindung mit einem Antrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG
verfolgt hat. Das ist keine Stufenklage im Sinn von § 254 ZPO. Damit ist ein
Zahlungsantrag des Klägers auch nicht rechtshängig geworden.
Der Kläger kann von der Beklagten die begehrten Sozialkassenbeiträge für den
Zeitraum Mai 1999 bis November 2003 verlangen.
Anspruchsgrundlage für diese Forderung ist bezüglich des Zeitraums Mai bis
Dezember 1999 § 24 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im
Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) in der für das Kalenderjahr 1999
gültigen Fassung, für den Zeitraum ab 01. Januar 2000 § 18 VTV vom 20.
Dezember 1999 (VTV 2000) in der für die Kalenderjahre 2000 bis 2003 jeweils
gültigen Fassung. Die in diesen tarifvertraglichen Vorschriften normierte
Zahlungspflicht trifft den Beklagten für den Klagezeitraum, weil der VTV bzw. VTV
2000 für ihn im gesamten Klagezeitraum galt.
Ob der Beklagte Mitglied einer der tarifvertragschließenden Verbände des VTV
oder VTV 2000 war oder ist, spielt keine Rolle. Denn beide Tarifverträge waren in
sämtlichen für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen für
allgemeinverbindlich erklärt, so dass ihre Rechtsnormen auch für die nicht
tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber galten (§§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 2 TVG).
Der Beklagte unterhielt im gesamten Klagezeitraum auch einen Betrieb, der unter
den betrieblichen Geltungsbereich des VTV und VTV 2000 fiel.
Nach § 1 Abs. 2 VTV (inhaltsgleich § 1 Abs. 2 VTV 2000) fallen unter den
betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages diejenigen Betriebe, in denen
überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V genannten Beispielstätigkeiten
ausgeführt werden oder aber Leistungen im Sinne der Bestimmungen der
Abschnitte I - IV (ständige Rechtsprechung seit BAG 18. Januar 1984, AP Nr. 60 zu
§ 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob hiernach bauliche Leistungen überwiegend
erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche
Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt. Nicht
maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und
Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche Kriterien (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 28. April 2004, AP Nr. 264 zu § 1 TVG Tarifverträge:
Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen
entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen,
soweit sich die Tätigkeiten des Betriebes, wie im vorliegenden Fall, über ein
Kalenderjahr erstrecken (vgl. BAG 22. April 1987, 12. Dezember 1988 und 25. Juli
2001, AP Nr. 82, 106 und 240 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Ohne Belang ist, ob der Betrieb zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in
der Bauwirtschaft herangezogen wird. Die gesetzlichen Regelungen der
Winterbauförderung in Verbindung mit der Baubetriebsverordnung einerseits und
die Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes andererseits legen nämlich
unterschiedliche Voraussetzungen fest und verfolgen unterschiedliche Zwecke.
Deshalb ist es für die Anwendbarkeit des VTV (VTV 2000) ohne Bedeutung, ob ein
Betrieb auch an der Winterbauförderung teilnimmt (vgl. BAG 20. März 2002, EzA
TVG § 4 Bauindustrie Nr. 114; BAG 13. Mai 2004, AP Nr. 265 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Bau).
Nach diesen Maßstäben war der Betrieb des Beklagten in den Kalenderjahren 1999
bis 2003, und damit auch im Klagezeitraum, ein baugewerblicher im tariflichen
Sinn. Denn es wurden vom Betrieb des Beklagten in jedem dieser Kalenderjahre
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Sinn. Denn es wurden vom Betrieb des Beklagten in jedem dieser Kalenderjahre
arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten im tariflichen Sinn durchgeführt.
Die überwiegende Arbeitszeit jedes Kalenderjahres entfiel nämlich auf die
Herstellung und den Einbau selbst hergestellter oder von Drittunternehmen
bezogener Treppen. Das sind bauliche Leistungen im tariflichen Sinn.
Treppenbauarbeiten, nämlich die Herstellung und anschließende Montage von
Holztreppen, sind Zimmererarbeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 42 VTV
(VTV 2000), weil die Tarifvertragsparteien mangels eigener Begriffsbestimmung
insoweit den im Arbeits- und Wirtschaftsleben üblichen Begriffsinhalt zugrunde
legen und Tätigkeiten des Treppenbaus nach Berufsrecht und Berufskunde und
damit nach der Üblichkeit im Arbeits- und Wirtschaftsleben den Tätigkeiten des
Zimmerergewerbes zugerechnet werden (vgl. BAG 25. Juli 2001, AP Nr. 240 zu § 1
TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Die zum 01. August 1999 in Kraft getretene
geänderte Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02. Juni
1999 (BGBl. I 1999, S. 1102 ff.) hat daran nichts geändert. Denn zum
Ausbildungsberufsbild des Zimmerers gehört nach § 38 Nr. 10 der VO das
Herstellen, Einbauen und Befestigen von Bauteilen, unter Bauteilen versteht der
Verordnungsgeber, wie der Ausbildungsrahmenplan über die Berufsausbildung
zum Zimmerer/zur Zimmerin belegt (Anlage 7 zu § 39 Nr. 10 c), auch Treppen
(vgl. Kammerurteile vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786; vom 22.
April 2002 - 16 Sa 1816/01 und vom 21. Februar 2005 - 16 Sa 970/04).
Entgegen den Andeutungen des Beklagten in der Berufungsinstanz gehört die
Herstellung und Montage von Treppenbauarbeiten nicht zu den Fertigbauarbeiten
im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV (VTV 2000). Die Merkmale des in § 1
Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV (VTV 2000) verwendeten Begriffs des Fertigbauteils
sind nur dann erfüllt, wenn es sich um serienmäßig hergestellte, typisierte Bauteile
handelt, durch deren Einbau herkömmliche Bauweise durch Verwendung von
Fertigteilen ersetzt wird (vgl. Kammerurteil vom 18. August 2003 - 16 Sa 1988/02 -
EzA ÜG § 1 AEntG Nr. 16; ebenso: BAG 17. März 1976, AP Nr. 28 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Bau). Das trifft für Holztreppen nicht zu. Denn die Teile einer Treppe
wurden schon immer, sei es in der Werkstatt, sei es an der Baustelle, vorgefertigt
und anschließend in das Gebäude oder Bauwerk, sei es in Teilen, Schritt für Schritt,
sei es in Gänze, eingefügt.
Dahinstehen kann, ob § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 42 VTV (VTV 2000) auch dann
eingreift, wenn Treppen vom Betrieb lediglich hergestellt, aber nicht vom Betrieb
selbst, sondern von Drittunternehmen oder von den Kunden eingebaut werden.
Denn selbst wenn man unterstellt, die bloße Herstellung von Treppen und deren
anschließender Verkauf an Dritte sei keine bauliche Tätigkeit, ändert das im
vorliegenden Fall nichts daran, dass die vom Betrieb des Beklagten arbeitszeitlich
überwiegend durchgeführten Tätigkeiten bauliche Leistungen, nämlich
Zimmererarbeiten sind.
Zu den Zimmererarbeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 42 VTV (VTV
2000) zählen jedenfalls die Herstellung von Treppen, die anschließend vom Betrieb
auch eingebaut worden sind. Das belegt bereits das Berufsbild des Zimmerers.
Gerade für diesen ist nämlich typisch, dass ein Teil der Arbeiten eben nicht nur vor
Ort, sondern in der Werkstatt vorgenommen wird (vgl.
Sperner/Brocksiepe/Egger/Hennrich/Unkelbach, Die Sozialkassen der Bauwirtschaft
1976, Anm. 50 zu § 1 ZVK-TV). Zudem erfordert die Qualifizierung eines Betriebs
als eines solchen des Baugewerbes nicht, dass die Bautätigkeiten ausschließlich
oder auch nur überwiegend „vor Ort" durchgeführt werden (vgl. BAG 11. Juni 1997,
AP Nr. 200 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Auch das Vorfertigen von Bauteilen, die
anschließend vom Betrieb am Bestimmungsort eingebaut werden, ist damit eine
Zimmererarbeit. Denn es handelt sich bei derartigen Vorfertigungstätigkeiten um
solche, die integraler Bestandteil typischer Zimmererarbeiten sind.
Der Teil der Gesamtarbeitszeit, der auf die Herstellung und den Einbau selbst
hergestellter oder von Drittunternehmen bezogener Treppen entfallen ist, überwog
nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten in jedem Kalenderjahr des
Klagezeitraums die übrigen Tätigkeiten. Nach dem Vortrag des Beklagten im
Berufungstermin sind nämlich von dem auf die Treppenherstellung und den Einbau
entfallenden Anteil der Gesamtarbeitszeit (80% der Gesamtarbeitszeit) 80% - 90%
auf die Herstellung und den anschließenden Einbau von Treppen entfallen. Daraus
ergibt sich, dass mindestens 64% der Gesamtarbeitszeit mit der Herstellung und
dem anschließenden Einbau dieser selbst hergestellten Treppen ausgefüllt war.
Da, wie ausgeführt, nicht nur der Einbau, sondern auch die Herstellung einer
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Da, wie ausgeführt, nicht nur der Einbau, sondern auch die Herstellung einer
anschließend eingebauten Treppen eine Zimmererarbeit ist, entfielen damit mehr
als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit jedes Kalenderjahres auf bauliche
Tätigkeiten, nämlich Zimmererarbeiten.
Der Betrieb des Beklagten ist auch nicht, wie er meint, als Betrieb des
Schreinerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV (VTV 2000) vom
Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen. Zwar zählt der
Holztreppenbau auch zum Schreinerhandwerk (vgl. BAG 25. Juli 2001, a.a.O.,
m.w.N.). § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV (VTV 2000) enthält jedoch eine
Rückausnahmeregelung. Danach werden von der Ausnahmebestimmung in der ab
01. Januar 1996 gültigen Fassung (Änderungstarifvertrag vom 30. November 1995)
u.a. nicht erfasst:
Betriebe des Schreinerhandwerks, soweit Zimmererarbeiten ausgeführt werden.
Das kann nur so verstanden werden, dass Betriebe des Schreinerhandwerks, die
Tätigkeiten erbringen, die nach Herkommen und Üblichkeit, wie
Treppenbauarbeiten, (auch) von Zimmerern durchgeführt werden, aufgrund der
Rückausnahme wiederum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen.
Insoweit gilt:
Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff „Zimmererarbeiten", wie der
Eingangssatz des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV (VTV 2000) (diejenigen Betriebe, „in
denen Arbeiten der nachstehenden Art durchgeführt werden") belegt, als
generalisierende Tätigkeitsbeschreibung und damit als Kennzeichnung einer
Menge von Einzeltätigkeiten, nämlicher solcher, die herkömmlicherweise von
Zimmerern ausgeführt werden, charakterisiert (Kammerurteile vom 14. Juli 2003,
a.a.O. und vom 14. Juli 1995 - 16 Sa 1779/94). Zu derartigen Tätigkeiten gehört
auch das Herstellen und Einbauen von Holztreppen. Solche Tätigkeiten sollen, wie
die Rückausnahmebestimmung des Abschnitts VII Nr. 11 VTV (VTV 2000) zeigt,
unbeschadet des Umstandes, dass sie (auch) dem Schreinerhandwerk
zuzurechnen sind, nach der Rückausnahme wiederum unter den betrieblichen
Geltungsbereich des VTV (VTV 2000) fallen (vgl. BAG 27. August 1986, AP Nr. 70
zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG 22. September 1993, AP Nr. 21 zu § 4 TVG
Tarifkonkurrenz; BAG 04. Mai 1994 - 10 AZR 353/91, jeweils zu Trocken- und
Montagebauarbeiten).
Auf die Frage, ob neben den damit überwiegend durchgeführten
Zimmererarbeiten auch, und wenn ja, in welchem Umfang als „reine"
Schreinerarbeiten zu qualifizierende Tätigkeiten durchgeführt werden, kommt es
nicht an. Denn diese Frage ist unerheblich, weil die Rückausnahmeregelung des §
1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV (VTV 2000) eingreift (vgl. Kammerurteil vom 30.
Oktober 2000 - 16 Sa 759/00 - LAGE § 4 TVG Bauindustrie Nr. 4). Die
Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben nämlich eben auch solche Betriebe
des Schreinerhandwerks, die arbeitszeitlich überwiegend Zimmererarbeiten
ausführen, tarifrechtlich dem Baugewerbe zugeordnet. Damit ist die von der
Rechtsprechung des BAG vor Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages vom 30.
November 1995 zu Treppenbauarbeiten vertretene differenzierende Auffassung
(vgl. BAG 25. Juli 2001, a.a.O.) überholt.
Im Übrigen hat der Beklagte für seine Behauptung, es seien zu mindestens 20%
der betrieblichen Gesamtarbeitszeit typische Tätigkeiten des Schreinerhandwerks
durchgeführt worden, keinen Beweis angeboten. Dazu war er, weil der Kläger dies
bestritten hat, gehalten. Die Voraussetzungen einer Ausnahmebestimmung des
Abschnitts VII des § 1 Abs. 2 VTV (VTV 2000) darzulegen und im Streitfall auch zu
beweisen ist nämlich Sache des in Anspruch genommenen Arbeitgebers (vgl. BAG
03. Dezember 1986, AP Nr. 73 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Weil der Beklagte danach im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im
tariflichen Sinn unterhielt, schuldet er dem Kläger die Zahlung von
Sozialkassenbeiträgen für die beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Der Höhe
nach sind dies für den gesamten Klagezeitraum € 26.680,61. Für den Zeitraum
Januar bis November 2003 ergibt sich ein Betrag von € 11.694,89 nach dem
unbestrittenen Vortrag des Klägers aus den eigenen Meldungen des Beklagten.
Für den übrigen Klagezeitraum errechnen sich € 14.985,72. Dass der Kläger
insoweit die aus dem gerichtlichen Vergleich vom 26. November 2002 sich
ergebenden Entschädigungsbeträge verrechnet hat, ist, wie das Arbeitsgericht
zutreffend ausgeführt hat und wie vom Beklagten im Berufungsrechtszug auch
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zutreffend ausgeführt hat und wie vom Beklagten im Berufungsrechtszug auch
nicht mehr in Frage gestellt wird, nicht zu beanstanden.
Zu den übrigen Einwänden des Beklagten gegen die Höhe der Beitragsforderung
hat das Arbeitsgericht bereits das Notwendige gesagt. Darauf wird Bezug
genommen (§ 69 Abs.2 ArbGG). Die Beitragsforderungen sind weder verjährt noch
nach der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sein
Rechtsmittel erfolglos war (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht
ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.