Urteil des LAG Hessen vom 14.07.2006

LAG Frankfurt: kündigung, stadt, vermietung, arbeitsgericht, konzept, hilfskraft, gestaltung, unternehmen, boot, verein

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Sa 145/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 2 KSchG
(Betriebsbedingte Kündigung - unternehmerische
Organisationsentscheidung - Austauschkündigung -
ehrenamtliche Kraft)
Leitsatz
1. Die unternehmerische Entscheidung eines Vereins, die Arbeitsabläufe dergestalt zu
ändern, dass Tätigkeiten, die bislang von Arbeitnehmern ausgeübt wurden, künftig
ehrenamtlichen Kräften übertragen werden, ist nur darauf überprüfbar, ob sie offenbar
unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
2. Zum Vorliegen einer sog. Austauschkündigung.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am
Main vom 23. November 2004 - 4 Ca 11455/03 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der Beklagte ist ein im Jahr 1974 gegründeter eingetragener Verein, der im Gebiet
der Stadt A gelegene Abenteuerspielplätze pädagogisch betreut. Er unterhält
ferner drei sog. Spielmobile, die Spielparks und Schulhöfe anfahren, um mit
Kindern Spielprogramme durchzuführen. Ferner verfügt der Beklagte über ein sog.
Piratenboot, mit dem in den Sommermonaten auf dem Main Fahrten für Kinder
durchgeführt werden.
Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung des Klägers (10. November 2003)
beschäftigte der Beklagte 5,5 Mitarbeiter: Frau B als Abteilungsleiterin
„Spielmobile“ (ausgeschieden zum 31.12.2003) sowie die Herren C
(ausgeschieden zum 31.12.2003), D (geb. am 06. März 1960, Diensteintritt 01.
Mai 1992, verheiratet, 1 Kind), E (geb. am 10. August 1966, Diensteintritt 01. April
1991, nicht verheiratet, keine Kinder), F (geboren 08. November 1970,
Diensteintritt 01. Juli 1996, nicht verheiratet, 1 Kind).
Der am ... Dezember 1951 geborene, ledige Kläger ist seit 01. Januar 2002 als
pädagogischer Mitarbeiter bei dem Beklagten nach Maßgabe des schriftlichen
Arbeitsvertrages vom 01. Januar 2002 (Bl. 73, 73 d.A.) in Teilzeit zu einer
Bruttomonatsvergütung von ca. € 1.273,86 beschäftigt. Zuvor war der Kläger
bereits vom 01. August 1996 bis 31. Oktober 1999 und vom 01. Juni 2000 bis 31.
Januar 2001 für den Beklagten tätig. Saisonbedingt erbrachte der Kläger seine
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Januar 2001 für den Beklagten tätig. Saisonbedingt erbrachte der Kläger seine
Arbeitsleistung ausschließlich in den Sommermonaten. Er wirkte mit in der
Abteilung Spielmobile und bei der Durchführung von Sommeraktivitäten sowie bei
Spielmobileinsätzen an Wochenenden. Insbesondere oblag ihm die Durchführung
der Bootsfahrten während der Main-Spiele sowie die Mitarbeit an der sog.
Müllpiratenaktion.
Die Stadt A finanziert die Stellen für 3 pädagogische Mitarbeiter in der
Spielmobilabteilung des Beklagten. Im Übrigen finanziert sich der Beklagte durch
Fördermittel, Spenden, Sponsorengelder und die kommerzielle Vermietung der
sog. Spielmobile und sonstigen Gerätschaften.
Am 15. Oktober 2003 fand eine Vorstandssitzung des Beklagten statt, die
ausweislich des Protokolls (Bl. 85 d.A.) folgenden Inhalt hatte:
„Auszug aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom Mittwoch, dem 15.
Oktober 2003
Zeit: 18.00 bis 20.00 Uhr Anwesend: G, H, ITOP 3, Personal- und
Finanzsituation
G berichtet, dass nach der 5% Mittelkürzung durch die Stadt A nun auch die
Sponsoren J (€ 10.000,00) und K (€ 5.000,00) im nächsten Geschäftsjahr nicht
mehr als Partner zur Verfügung stehen. Die L, die insbesondere die
Piratenbootfahrten durch ihren Sponsorbeitrag (€ 13.000,00) finanziert hat, hat
noch keine Zusage über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit gemacht.
Der Vorstand beschließt nach dem Ausscheiden von Frau B, deren Stelle aus
Kostenersparnisgründen erst frühestens zum April des Jahres 2004 wieder zu
besetzen. Ein Anschlussvertrag mit dem Mitarbeiter C soll ebenfalls erst im
Frühjahr des Jahres 2004 erwogen werden. Da die Kostenübernahme der L für die
Piratenbootaktion nicht gesichert ist, beschließt der Vorstand den Mitarbeiter M
betriebsbedingt fristgerecht zum 31.12.2003 zu kündigen.
Im Jahr 2004 soll die Piratenbootaktion von den drei verbliebenen Mitarbeitern
der Abteilung Spielmobile unter Hinzuziehung von studentischen Hilfskräften
durchgeführt werden. Auf dieser Basis lässt sich die Aktion auch ohne den
Zuschuss der L realisieren.
Protokoll: G“
Der weitere Inhalt der Vorstandssitzung vom 15. Oktober 2003 ist zwischen den
Parteien streitig.
Bei der Durchführung seiner Aktionen setzt der Beklagte nicht ausschließlich fest
angestellte Mitarbeiter ein, sondern bedient sich der Unterstützung
ehrenamtlicher Helfer, die im Einzelfall nach telefonischer Absprache
herangezogen werden. Diese erhalten eine Aufwandsentschädigung von € 8,00 pro
Stunde, höchstens jedoch insgesamt € 1.800,00 jährlich.
Mit Schreiben vom 10. November 2003, dem Kläger am 12. November 2003
zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich
zum 31. Dezember 2003.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 19. Dezember 2003 beim
Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht
gerechtfertigt. Betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung lägen nicht vor. Der
Kläger hat bestritten, dass der Vorstand des Beklagten beschlossen hat, eine
Stelle zu streichen. Auch die Ungewissheit über den künftigen Eingang von
Spenden rechtfertige die Kündigung nicht. Die bislang vom Kläger durchgeführten
Piratenfahrten seien fester Bestandteil des Programms des Beklagten und fänden
weiterhin statt. Auch in 2004 habe die L den Beklagten finanziell unterstützt. Im
Übrigen sei jedenfalls zum Kündigungszeitpunkt der Bedarf an pädagogischen
Mitarbeitern nicht entfallen. Im Jahr 2003 habe der Kläger 30% seiner Arbeitszeit
mit dem Führen des Bootes, im Übrigen, d.h. zu 70% seiner Arbeitsleistung, im
Bereich Spielmobile, Großspielfeste und kommerzielle Einsätze zugebracht. Der
Beklagte lebe überwiegend von der kommerziellen Vermietung seiner Spielmobile,
Großspielgeräte etc. Diese würden mit Betreuer vermietet und insbesondere bei
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Großspielgeräte etc. Diese würden mit Betreuer vermietet und insbesondere bei
Großveranstaltungen eingesetzt. An Wochenenden würden die Spielmobile mit 2
Mitarbeitern für Feste, Vereine etc. vermietet. Unter der Woche hätten diese ihren
festen Standort. Da die kommerzielle Vermietung lukrativ sei, gehe es dem
Beklagten finanziell sehr gut. Der Beklagte verfüge über ein „Heer von
Honorarkräften“. Das ultima-ratio-Prinzip verlange, dass der Beklagte auf diese
verzichte, bevor er Kündigungen gegenüber fest angestellten Mitarbeitern
ausspreche.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung vom 10. November 2003 zum 31. Dezember 2003 nicht
aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, die L habe entgegen früherer Gepflogenheiten bis
Ende des Jahres 2003 keine Zusage über eine Förderung der Müllpiratenaktion
2004 gemacht. Die Fördergelder der Stadt A seien bereits für 2003 um 5%
reduziert worden. Weitere Kürzungen um wiederum 5% für 2004 und dann in den
Folgejahren bis zu einem letztendlichen Sockel in Höhe von 20% seien
angekündigt gewesen. Für 2003 habe der Beklagte einen Fehlbetrag von €
60.000,00 zu verzeichnen. Die Aktivitäten des Beklagten könnten mit den
verbliebenen drei fest angestellten Vollzeitkräften unter Hinzuziehung
ehrenamtlicher Kräfte sehr gut bewältigt werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung.
Das Arbeitsgericht verkenne, dass die unternehmerische Entscheidung nur darauf,
ob sie offenkundig unvernünftig oder willkürlich sei, untersucht werden dürfe. Es sei
Sache des Drittmittelempfängers zu entscheiden, ob er aus eigenen Mitteln einen
bislang subventionierten Aufgabenbereich fortführen, einschränken oder
umgestalten wolle. Entscheide dieser sich dafür, die Piratenbootaktien nicht mehr
durchzuführen oder wenn, dann mit ehrenamtlichen Kräften, so unterliege diese
Entscheidung nur einer Missbrauchs- und Willkürkontrolle. Vor diesem Hintergrund
habe der Beklagte seiner Darlegungslast genügt. Die unternehmerische
Konzeption des Beklagten habe sich so dargestellt, dass in der Abteilung
Spielmobil neben dem Kläger 3 Vollzeitmitarbeiter beschäftigt waren, deren
Finanzierung über Zuschüsse der Stadt A abgedeckt war. Zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung am 15. Oktober 2003 habe sich die Situation so dargestellt,
dass aufgrund des befürchteten Rückgangs des Geldzuflusses gespart werden
musste. Dies habe so geschehen sollen, dass jeweils ein Mitarbeiter mit einer
ehrenamtlichen Hilfskraft das Piratenboot fahre. Durch diese Umstrukturierung
habe der Ausfall des Klägers kompensiert werden sollen. Für andere Projekte, z.B.
den Abenteuerplaneten, gebe es bei dem Beklagten keine Planstelle.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2004 - 4
Ca 11455/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als zutreffend. Der Kläger ist der
Auffassung, das gesamte „Umverteilungsmodell des Beklagten“ sei in sich
unschlüssig. Es fehle nach wie vor an einer substantiierten Darlegung, wie die
Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung erfolgen soll und wie sie sich auf
die konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers auswirke. Der Kläger
behauptet, eine Übernahme seiner Tätigkeiten auf dem Boot sei infolge eigener
fester Einsätze der auf den Spielmobilen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter
nicht möglich. Die ehrenamtlichen Kräfte seien nicht qualifiziert und könnten nur
zu Hilfsdiensten herangezogen werden. Auch stünden sie nicht in dem
erforderlichen Maß zur Verfügung.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Parteivernehmung der Vorstandsmitglieder
des Beklagten G, I und H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
das Sitzungsprotokoll vom 14. Juli 2006, wegen der weiteren Einzelheiten des
beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64
Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist begründet. Aufgrund des Vorbringens des Beklagten in der
Berufungsinstanz, das durch die Beweisaufnahme bestätigt wurde, steht fest, dass
der Beklagte in seiner Vorstandssitzung vom 15. Oktober 2003 eine
Organisationsentscheidung getroffen hat, die zum Wegfall des
Beschäftigungsbedürfnisses in Bezug auf den Kläger geführt hat.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 29.
März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61; 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92,
71) entsteht das inner- oder außerbetrieblich veranlasste Erfordernis für eine
Kündigung in aller Regel nicht unmittelbar und allein durch bestimmte
wirtschaftliche Entwicklungen, sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche oder
technische Entwicklungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers
(unternehmerische Entscheidung). Diese Entscheidung begründet ein dringendes
betriebliches Erfordernis im Sinn des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf
die Einsatzmöglichkeiten des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. Ausreichend ist
insoweit, dass durch die unternehmerische Organisationsentscheidung ein
Überhang an Arbeitskräften entstanden ist und dadurch unmittelbar oder
mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers
oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Führen die betrieblichen Umstände nicht zu
einer Reduzierung des Arbeitsvolumens im Betrieb, so liegt kein dringendes
betriebliches Erfordernis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vor. Dabei
kann eine unternehmerische Organisationsentscheidung nicht nur in einer (Um-
)Gestaltung der Arbeitsabläufe, sondern auch darin liegen, festzulegen, mit
welcher Stärke der Belegschaft des Betriebs zukünftig das Unternehmensziel
erreicht werden soll bzw. welche Kapazität an einzusetzenden Arbeitskräften und
ihrer Arbeitszeit vorgehalten werden muss (BAG 19. Mai 1983 - 2 AZR 594/82 -
BAGE 73, 151; 24. April 1997 - 2 AZR 352/96 - BAGE 85, 358; 18. Dezember 1997 -
2 AZR 709/96 - BAGE 87, 327; 02. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - zu B. I. 2. a) d.Gr.).
Tritt durch eine solche Organisationsentscheidung eine Leistungsverdichtung ein,
ist dies als Konzept gewollt. Die dadurch notwendig werdenden Änderungen und
Arbeitsintensivierungen innerhalb der Arbeitszeit müssen von den verbleibenden
Arbeitnehmern in Kauf genommen werden. Denn der rationelle Einsatz des
Personals ist allein Sache des Arbeitgebers und seiner unternehmerischen
Entscheidung (BAG 24. April 1997 - 2 AZR 352/96; 02. Juni 2005 - 2 AZR 480/04).
2. Der Beklagte hat in seiner Vorstandsitzung vom 15. Oktober 2003 die
unternehmerische Organisationsentscheidung getroffen, die Arbeitsabläufe in der
Abteilung Spielmobil dahingehend umzugestalten, dass das Piratenboot künftig
von einem (fest angestellten) Mitarbeiter und einer ehrenamtlichen Hilfskraft
gefahren wird. Da der fest angestellte Mitarbeiter in dieser Zeit nicht gleichzeitig
ein Spielmobil fahren kann, sollte auch dies durch ehrenamtliche Kräfte
kompensiert werden, notfalls sollten einzelne Spielmobileinsätze abgesagt werden.
Dies haben die als Partei vernommenen Vorstandsmitglieder G, I und H
übereinstimmend so ausgesagt. Die vernommenen Vorstandsmitglieder des
Beklagten sind glaubwürdig. Ihr Aussageverhalten hat gezeigt, dass sie am
Ausgang des Rechtsstreits insoweit kein Interesse haben, als es ihnen darum
ginge, gezielt - auch um den Preis einer Falschaussage - die Interessen des
Beklagten gegenüber dem Kläger durchzusetzen. Ihre Aussagen sind auch
glaubhaft, da jede einzelne Aussage detailreich ist und sich mit den anderen nur
im Ergebnis, nicht aber in den gewählten Formulierungen deckt. Hätten die
Vorstandsmitglieder der Beklagten ihre Aussagen miteinander abgesprochen,
wären diese detailarm und formal ausgefallen. Auch der Umstand, dass das
Vorstandsmitglied H sich an Manches nicht mehr genau erinnern konnte, spricht
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Vorstandsmitglied H sich an Manches nicht mehr genau erinnern konnte, spricht
für dessen Glaubwürdigkeit. Im Hinblick darauf, dass er sich nur ehrenamtlich als
Vorstandsmitglied in dem Verein engagiert und die streitige Vorstandssitzung
annähernd 3 Jahre zurückliegt, sind Gedächtnislücken aus Sicht der
Berufungskammer gut verständlich. Soweit Herr H ausgesagt hat, über die direkte
Realisierung der Organisationsentscheidung sei nicht gesprochen worden, hat er
dies im Folgenden dadurch relativiert, dass - falls erforderlich - über die Einstellung
der Piratenbootaktion gesprochen werden müsse. Es sei darüber gesprochen
worden, dass, wenn es sich vereinbaren lasse, ein fest angestellter Mitarbeiter auf
dem Boot mitfahren solle. Zwar hätten diese auch ihre Termine, weshalb geschaut
werden müsse, ob dies gehe. Neben dem Fahrer müsse schon mindestens ein
weiterer Helfer an Bord sein. Manchmal komme für die Kinder eine
Betreuungsperson jedoch bereits mit. Dies zeigt, dass es in der Vorstandssitzung
keineswegs nur darum ging, Kosten einzusparen, sondern die Vorstandsmitglieder
eine konkrete unternehmerische Konzeption hierzu entwickelten.
3. Die Organisationsentscheidung des Beklagten war nicht offenbar unsachlich,
unvernünftig oder willkürlich. Die Organisationsentscheidung war durchführbar.
Dem steht nicht entgegen, dass für die übrigen festen Mitarbeiter der Abteilung
Spielmobil bereits Termine bestanden. Diese mit der Stadt A getroffene
Abstimmung über die Einsätze der Spielmobile stand einem Einsatz des
betreffenden Mitarbeiters auf dem Piratenboot nicht entgegen, weil auch auf dem
Spielmobil ehrenamtliche Helfer eingesetzt werden konnten. Sofern
ausnahmsweise einzelne Spielmobiltermine ausfallen müssen, wäre dies von der
Stadt A hinzunehmen, weil es auch nach dem Vortrag des Klägers keine den
Beklagten bindenden vertraglichen Absprachen über einzelne Spielmobileinsätze
gibt und insgesamt die drei von der Stadt A finanzierten pädagogischen
Mitarbeiter auch dann im Einsatz sind, wenn einer von ihnen auf dem Piratenboot
mitfährt. Im Übrigen ergibt sich aus der Aussage des Vorstandsmitglieds I, dass
die festen Touren der Spielmobile nach Möglichkeit eingehalten werden sollten,
während bei sonstigen (kommerziellen) Anfragen nach Spielmobilen Absagen
erteilt wurden. Die vom Beklagten getroffene Beschäftigungsbedarfsprognose wird
durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt. Der Beklagte hat sein
unternehmerisches Konzept tatsächlich umgesetzt, ohne dass es wegen der
Einsätze des Piratenboots zu nennenswerten Ausfällen der Spielmobile gekommen
wäre. Dies zeigt auch, dass der Beklagte in ausreichender Anzahl über
ehrenamtliche Kräfte verfügt, die den Ausfall des Klägers kompensieren können.
4. Der Kläger kann auch nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb des
Beklagten weiter beschäftigt werden. Zwar hat der Beklagte ständig Bedarf an
Mitarbeitern, dies jedoch nur im Rahmen des von ihm aufgestellten Stellenplans.
Eine freie Planstelle war zum Kündigungszeitpunkt jedoch nicht vorhanden. Die
Stelle des Leiters der Abteilung Spielmobile brauchte dem Kläger nicht angeboten
zu werden, weil es sich insoweit um eine Beförderungsstelle handelte.
5. Die vom Beklagten getroffene Sozialauswahl ist nicht zu beanstanden. Bei der
Gewichtung der Sozialdaten hat der Arbeitgeber einen Wertungsspielraum. Zwar
ist der Kläger deutlich älter als die übrigen pädagogischen Mitarbeiter. Er weist
allerdings auch die mit Abstand kürzeste Betriebszugehörigkeit auf. Insoweit ist es
nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte der Betriebszugehörigkeit einen höheren
Stellenwert zumaß. Hinsichtlich der Mitarbeiter D und F ist zudem zu
berücksichtigen, dass sie einem Kind zum Unterhalt verpflichtet sind, was auf den
Kläger nicht zutrifft.
6. Die Kündigung ist nicht deshalb als sog. Austauschkündigung sozial
ungerechtfertigt, weil die bislang vom Kläger ausgeführten Arbeiten nunmehr von
ehrenamtlichen Hilfskräften ausgeführt werden sollen. Im Zusammenhang mit der
Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten an ein anderes
Unternehmen ist anerkannt, dass diese Arbeiten dem anderen Unternehmen zur
selbständigen Durchführung übertragen werden müssen. Anderenfalls führt eine
solche organisatorische Gestaltung nicht zum Wegfall der bisherigen betrieblichen
Arbeitsplätze. Es liegt vielmehr eine unzulässige sog. Austauschkündigung vor
(BAG 26. September 1996 - 2 AZR 200/96 - BAGE 84, 209, zu II. 2. d) d.Gr.; 16.
Dezember 2004 - 2 AZR 66/04 - AP § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung
Nr. 133, zu B. II. 2. b) aa) d.Gr.). Darum geht es hier jedoch nicht. Der Beklagte hat
die unternehmerische Entscheidung getroffen, die bislang vom Kläger im Rahmen
eines Arbeitsverhältnisses verrichteten Arbeiten künftig nicht mehr im Rahmen
eines Arbeitsverhältnisses sondern durch ehrenamtliche Kräfte zu verrichten. Zwar
erhalten auch die ehrenamtlichen Kräfte eine gewisse Entschädigung (€ 8,00 pro
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erhalten auch die ehrenamtlichen Kräfte eine gewisse Entschädigung (€ 8,00 pro
Stunde), die allerdings bezogen auf das Kalenderjahr auf € 1.800,00 insgesamt
begrenzt ist. Zudem unterliegen die ehrenamtlichen Kräfte nicht dem
Direktionsrecht des Beklagten. Er kann sie nicht einseitig anweisen, an einem
bestimmten Tag Dienst zu tun. Da das Arbeitsvolumen des Klägers nicht auf
andere - neu eingestellte - Arbeitnehmer verlagert wird, liegt eine
Austauschkündigung nicht vor.
7. Da die Kündigung auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht, ist nach
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (30. April 1987 - 2 AZR 184/86 -
BAGE 55, 262) keine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen. Selbst wenn
man eine solche durchführen wollte, fiele diese nicht zugunsten des Klägers aus.
Zwar ist insoweit sein Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu
berücksichtigen. Andererseits ist aufgrund der unternehmerischen Entscheidung
des Beklagten ein Beschäftigungsbedürfnis hinsichtlich des Klägers entfallen. Aus
diesem Grund kann dem Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
nicht zugemutet werden.
C.
Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere liegt dem
Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung zugrunde, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.