Urteil des LAG Hessen vom 20.09.2010

LAG Frankfurt: bonus, treu und glauben, arbeitsgericht, willenserklärung, auszahlung, vergütung, ermessen, wiederholung, bedingung, zusage

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Sa 44/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Kürzung einer Bonuszahlung für Bankmitarbeiter -
Verbindlichkeit einer vorläufigen Bonuszusage
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2009 – 14 Ca 7276/09 – wird auf
dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Bonuszahlung.
Der am 21. September 1966 geborene Kläger ist auf der Grundlage des
schriftlichen Arbeitsvertrags vom 21. März/04. April 2005, wegen dessen Inhalt im
Einzelnen auf Bl. 25 – 28 d. A. verwiesen wird, seit dem 01. Mai 2005 als "Leiter
Aktien Sales Trading" in der Investmentsparte A der B AG (im Folgenden:
"Rechtsvorgängerin") beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ist inzwischen auf Grund
Verschmelzung auf die Beklagte übergegangen.
Der Arbeitsvertrag enthält unter "2. Bezüge" folgende Regelung:
"Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich Ansprüche auf
Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:
a) Gehalt
Ein Bruttomonatsgehalt von € 15.000,00
(...).
b) Variable Vergütung
Eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage
des ... Geschäftes der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu
festgelegt wird. Die Auszahlung erfolgt im Frühjahr des folgenden Geschäftsjahres,
sofern der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten
Arbeitsverhältnis steht.
(...)"
Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der Rechtsvorgängerin die
Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von 400 Mio. €
für das Geschäftsjahr 2008 für den Bereich ... erörtert, um die Mitarbeiterstabilität
aufrecht zu erhalten. Am 18. August 2008 teilte das Vorstandsmitglied ... den
Mitarbeitern des "..." die Bildung des Bonuspools mit.
Mit E-Mail vom 20. Oktober 2008 wurde u. a. dem Kläger seitens der
Rechtsvorgängerin mitgeteilt, dass die Benachrichtigung über die Vergabe der
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Rechtsvorgängerin mitgeteilt, dass die Benachrichtigung über die Vergabe der
Boni am Freitag, dem 19. Dezember 2008 erfolgen werde.
Am 28. Oktober stellte die Rechtsvorgängerin einen Mitarbeiterbrief in ihr Intranet,
in dem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt wurde, "dass der Vorstand
für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des
Bonusvolumens 2007 – angepasst an den Mitarbeiterbestand 2008 – pro Funktion
und Division (exklusive ...) zugesagt habe". Wegen des übrigen Wortlauts wird auf
Bl. 42 d. A. verwiesen.
Am 19. Dezember 2008 erhielt der Kläger folgenden "Bonusbrief" (Bl. 44 d. A.):
"(...)
Wir können Ihnen heute mitteilen, dass Ihr Bonus für das Jahr 2008 im
Sinne von Ziffer 2 b) i. V. m. Ziffer 10/11 Ihres Arbeitsvertrages nach Maßgabe der
nachstehenden Regelung vorläufig in Höhe von
EUR 140.000,00 brutto
festgesetzt wurde.
Die vorläufige Bonusfestsetzung steht unter dem Vorbehalt eines Reviews
für den Fall, dass im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 weitere
wesentliche negative Abweichungen in Ertrag und Ergebnis von ... zum Forecast für
die Monate November und Dezember 2008 festgestellt werden, d. h. die
Ergebnissituation in ... sich in diesem Zeitraum wesentlich verschlechtert. Dieser
Review wird im Januar 2009 unter der Führung von Herrn ... durchgeführt. Sollten
solche weiteren wesentlichen negativen Abweichungen festgestellt werden, behält
sich die Bank das Recht vor, Ihre vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und,
falls erforderlich, den Betrag der vorläufigen Bonusfestsetzung zu reduzieren.
Im Februar 2009 erhalten Sie eine detaillierte Aufstellung Ihrer für das
Kalenderjahr 2008 zustehenden Zahlung der endgültigen variablen Vergütung
gem. Ihres Arbeitsvertrages.
Eine Auszahlung des Bonus erfolgt nur, wenn zum Auszahlungszeitpunkt
des Bonus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Auszahlung des
Bonus erfolgt im Rahmen Ihrer üblichen Gehaltszahlungen für den Monat Februar
2009.
(...)"
Mit einer englischsprachigen E-Mail vom 18. Februar 2009 (Bl. 70 d. A.) an den
Verteiler "..." teilte die Rechtsvorgängerin u. a. mit, dass die Mitarbeiter des ...,
denen eine vorläufige Bonusfestsetzung mitgeteilt wurde, eine um 90 % gekürzte
Zahlung erhielten. Dies wurde durch E-Mail vom selben Tag dahingehend ergänzt,
dass der Bonus grundsätzlich mindestens ein Bruttomonatsgehalt betragen solle.
Entsprechend der Ankündigung in der E-Mail vom 04. März 2009 (Bl. 46 d. A.)
zahlte die Rechtsvorgängerin dem Kläger einen Bonus in Höhe von 16.836,00 €.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der
Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils (Bl. 199 – 204 d. A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies – kurz zusammengefasst –
wie folgt begründet:
Der Kläger habe keinen Anspruch aus dem Bonusbrief vom 19. Dezember 2008,
weil dieser keine auf die Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens gerichtete
Willenserklärung enthalte. Es handele sich lediglich um ein Mitteilungsschreiben, in
dem die Rechtsvorgängerin über die zu diesem Zeitpunkt für sie maßgeblichen
Erwägungen und Faktoren zur variablen Vergütung informiert und die Empfänger
über die beabsichtigte weitere Vorgehensweise in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht in Kenntnis gesetzt habe.
Weiterhin folge der geltend gemachte Bonusanspruch auch nicht aus einer
ermessensfehlerhaften Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 Abs. 1 und 3 BGB, da
der Kläger unter Berücksichtigung der prozessualen Darlegungs- und
Beweislastverteilung keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen habe, die eine
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Beweislastverteilung keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen habe, die eine
höhere Zahlung geböten.
Schließlich folge auch weder aus der Mitteilung über die Zurverfügungstellung des
Bonuspools, der nicht als Gesamtzusage angesehen werden könne, noch aus dem
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch in der geltend
gemachten Höhe.
Gegen dieses Urteil vom 21. Oktober 2009, auf dessen Inhalt zur weiteren
Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger äußert die Auffassung, die Auslegung des Bonusbriefs vom 19.
Dezember 2008 durch das Arbeitsgericht sei angesichts des deutlich zu Tage
getretenen Willens der Rechtsvorgängerin unzulässig.
Die Erklärung vom 19. Dezember 2008 sei eine Willenserklärung, die von der
Beklagten in einer Vielzahl von Fällen benutzt wurde und deshalb der
Inhaltskontrolle i. S. d. §§ 350 ff BGB unterliege. Diese Inhaltskontrolle führe dazu,
dass der in der Erklärung enthaltene Vorbehalt ebenso wie ein undifferenzierter
Widerrufsvorbehalt bei der Zusage vertraglicher Leistungen unwirksam sei. Daraus
folge, das dem Kläger der mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 zugesagte
Bonus ungekürzt zustehe.
Weiterhin sei selbst bei unterstellter Wirksamkeit des Review-Vorbehalts die
Kürzung des Bonus um 90 % unbillig und treuwidrig, da die Beklagte nach ihrer
eigenen Formulierung nur Veränderungen im Zeitraum zwischen dem 19.
Dezember 2008 und der endgültigen Festlegung im Februar 2009 habe
berücksichtigen dürfen.
Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht seinen gesamten Sachvortrag zur
Begründung der Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung unberücksichtigt
gelassen. So habe er darauf hingewiesen, dass er aufgrund der Entwicklung seiner
Bonuszahlungen in den vergangenen Jahren darauf vertrauen durfte, auch für das
Jahr 2008 einen Bonus zumindest in derselben Höhe wie im Vorjahr zu erhalten.
Dies folge schon allein daraus, dass in den Vorjahren allein seine individuelle
Leistung bei der Bonusbemessung berücksichtigt wurde und seine Abteilung auch
im Jahr 2008 unstreitig nur geringe Verluste erwirtschaftet habe. Soweit die
Beklagte zur Ertragslage der Rechtsvorgängerin vorgetragen habe, sei ihr
Vorbringen unerheblich und verspätet.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgericht habe er darüber hinaus sowohl aus
dem Gesichtspunkt der Gesamtzusage als auch der betrieblichen Übung und des
Gleichbehandlungsgebots den geltend gemachten Anspruch. Er könne verlangen,
mit den Mitarbeitern gleich behandelt zu werden, deren Bonus nach der
Festsetzung durch die Rechtsvorgängerin nicht gekürzt wurde.
Der Kläger beantragt, zu erkennen:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2009, Az. 14 Ca 7276/09, abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 123.164,00 € brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. April
2009 zu zahlen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das
angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrags.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die
Berufungsbegründung vom 28. Januar 2010 (Bl. 241 – 255 d. A.) und den weiteren
Schriftsatz des Klägers vom 26. August 2010 (Bl. 361 – 372 d. A) sowie die
Berufungsbeantwortung vom 09. März 2010 (Bl. 300 – 321 d. A.) und den weiteren
Schriftsatz der Beklagten vom 10. September 2010 (Bl. 376 – 383 d. A.) – jeweils
mit den beigefügten Anlagen – verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und
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Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und
fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig.
II.
Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen.
Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in
der Begründung an (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Inhalt der in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen:
1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der
Bonusbrief vom 19. Dezember 2008 keine auf Ausübung des arbeitgeberseitigen
Ermessens gerichtete Willenserklärung enthält. Es hat hierzu die allgemeinen
Regeln zur Auslegung von Willenserklärungen ausführlich dargelegt und zutreffend
angewandt.
Danach ist das Recht einer Vertragspartei, die Leistung nach § 315 Abs. 1 BGB
einseitig zu bestimmen, ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige,
empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei
ausgeübt wird.
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung einer
Rechtswirkung gerichteten Willens: Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum
Ausdruck. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung wird üblicherweise
unterteilt in den das äußere Verhalten beherrschenden Handlungswillen, das
Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen. Zum objektiven Tatbestand
gehört jede Äußerung, die den Rechtsfolgewillen nach außen erkennen lässt (
). Bei empfangsbedürftigen
Willenserklärungen ist der objektive Erklärungsinhalt maßgeblich. Der Tatrichter hat
sie so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und
unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus
verstehen musste. Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an,
was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den
Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Der Empfänger darf
der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern
muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger
Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (
). Dies gilt nicht nur dann, wenn
nicht der Inhalt einer Willenserklärung durch Auslegung nach §§ 133, 167 BGB zu
ermitteln ist, sondern auch, wenn zweifelhaft ist, ob eine bestimmte Erklärung als
Willenserklärung zu werten ist oder nicht (
).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht mit zutreffenden
Gründen, auf deren Wiederholung verzichtet werden kann, zu dem eingangs
beschriebenen Ergebnis gelangt.
Die vom Kläger in der Berufung hiergegen vorgebrachten Argumente können
aus folgenden Gründen kein anderes Ergebnis begründen:
Nicht nur der mehrfache Gebrauch des Wortes "vorläufig", sondern auch der
eindeutige Vorbehalt, den Betrag "falls erforderlich ... zu reduzieren" lässt die
Auffassung des Klägers, es habe sich bei dem Schreiben vom 19. Dezember 2010
um eine eindeutige und endgültige, einer Auslegung nicht zugängliche
Festsetzung der Bonushöhe im Sinne einer Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB
gehandelt, nicht zu. Vielmehr musste den Empfängern nach Erhalt und sorgfältiger
Lektüre dieses Schreibens klar sein, dass trotz der Nennung eines durch Fettdruck
hervorgehobenen Betrags dessen Auszahlung nicht allein an die am Ende des
Schreibens genannte Bedingung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses
geknüpft ist, sondern dass gerade die zur Aufstellung des Jahresabschlusses noch
durchzuführenden Ermittlungen zu einer Herabsetzung des Bonusbetrags führen
kann, wobei eine bestimmte Mindesthöhe nicht genannt wurde.
Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Erklärungen der Beklagten im
Schreiben vom 19. Dezember 2008 seien einer Inhaltskontrolle i. S. d. §§ 305 ff
BGB zu unterwerfen, die zur Unwirksamkeit des darin enthaltenen Vorbehalts
führte, geht er fehl. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auf im wesentliche
gleichlautende Erklärungen einer Partei die für "Vertragsbedingungen" i. S. d. § 305
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gleichlautende Erklärungen einer Partei die für "Vertragsbedingungen" i. S. d. § 305
Abs. 1 Satz 1 BGB geschaffenen gesetzlichen Regelungen überhaupt angewandt
werden können, denn aus dem Vorangegangenen folgt bereits, dass es sich dabei
jedenfalls nicht um eine die Beklagte bindende Leistungsbestimmung i. S. d. § 315
BGB handelte. Daher kann hier auch keine Parallele zur Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zu den Voraussetzungen eines wirksamen
Widerrufsvorbehalts gezogen werden. Mangels Zusage bedurfte es keines
Widerrufsvorbehalts.
Darüber hinaus geht auch das Berufungsgericht wie das Arbeitsgericht davon
aus, dass die Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 BGB bedingungsfeindlich ist und
deshalb auch nicht mit einem – wie auch immer begründeten – Vorbehalt
versehen werden kann (
). Soweit (
) davon Ausnahmen aus praktischen Bedürfnissen zulassen will,
bezieht er sich ausdrücklich auf solche, deren Eintritt der Erklärungsempfänger
selbst herbeiführen und feststellen kann und nennt als Beispiel im Arbeitsrecht die
Änderungskündigung. Es liegt auf der Hand, dass die Interessenlage der Parteien
mit einem solchen Fall nicht vergleichbar ist, denn der hier formulierte Vorbehalt
lag allein bei der Beklagten. Der Kläger hatte auf den Inhalt und das Ergebnis der
angekündigten Review keinerlei Einfluss.
Nach den vorausgegangenen Feststellungen kann dahingestellt bleiben, ob der
geäußerte Vorbehalt im Sinne einer von der Beklagten selbst noch zu erfüllenden
Bedingung die gesamte Leistungsbestimmung – unter der Voraussetzung, dass
man entgegen den vorausgegangenen Feststellungen von einem entsprechenden
Erklärungsinhalt ausgeht – unwirksam macht. Keinesfalls hat der bei einer
Leistungsbestimmung unzulässige Vorbehalt aber zur Wirkung, dass dann die
Bestimmung vorbehaltlos gilt. Vielmehr ist nach dem Rechtsgedanken des § 139
BGB die gesamte Erklärung nichtig, denn aus dem Wortlaut selbst, den
Erklärungen des Vorstandsmitglieds ... und den entsprechenden Beschlüssen des
Vorstands der Rechtsvorgängerin folgt ja gerade, dass diese unter den damaligen
Umständen keinesfalls willens war, eine Bonuszusage ohne den formulierten
Vorbehalt abzugeben.
Ferner ist das Schreiben vom 19. Dezember 2008 auch nicht entsprechend der
Auffassung des Klägers dahingehend einschränkend auszulegen, dass der
Beklagten ein Recht auf Reduzierung des Bonus nur dann zugestanden hätte,
wenn sich das wirtschaftliche Ergebnis durch eine nach diesem Datum eintretende
Entwicklung verschlechtert hätte. Denn wenn es sich bei dem Schreiben vom 19.
Dezember 2008 um eine unverbindliche Mitteilung handelte – wovon auch das
Berufungsgericht ausgeht – und die Beklagte ausdrücklich eine Review im Rahmen
der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 ankündigte, war sie berechtigt, trotz
der Bezugnahme auf den "Forecast für die Monate November und Dezember
2008" ihr Ermessen auf der Basis der bis Ende Februar 2009 gewonnenen
Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der Regelungen in § 315 BGB neu
auszuüben. Auf die vom Kläger vorgetragenen Vergleichszahlen zwischen der
Prognose vom November und Dezember 2008 und den Erkenntnissen, die die
Beklagte im Februar 2009 hatte, kommt es daher jedenfalls in diesem
Zusammenhang nicht an.
Damit bleibt es bei dem bereits erstinstanzlich festgestellten Ergebnis, dass
der Kläger aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. Nr. 2 b) seines Arbeitsvertrags und dem
Schreiben vom 19. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten
Bonus' hat.
2. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus §§ 611 Abs. 1, 315 Abs. 1 und Abs.
3 BGB i. V. m. Nr. 2 b) des Arbeitsvertrags.
Aus dem Vortrag des Klägers folgt auch in der Berufungsinstanz nicht, dass die
Beklagte bei der Leistungsbemessung ermessensfehlerhaft gehandelt hat und nur
die Auszahlung des vollen am 19. Dezember 2008 mitgeteilten vorläufigen
Betrags billigem Ermessen entspricht.
Bei der nach § 315 Abs. 3 Satz 1 gebotenen Leistungsbestimmung nach
billigem Ermessen muss der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des
Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen (stRspr,
vgl. z. B. ).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung gem. § 315
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Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung gem. § 315
Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht, trägt derjenige, dem das Recht
eingeräumt wurde (
). Allerdings ist dabei von einer abgestuften
Darlegungs- und Beweislast in dem Sinne auszugehen, dass zunächst ein
Arbeitnehmer, der die Leistungsbestimmung nicht gelten lassen will, im Prozess
angeben muss, weshalb er die Bestimmung für unbillig hält (
).
a) Zu Recht ist das Arbeitsgericht deshalb davon ausgegangen, dass der
Kläger trotz der vorläufigen Bonusmitteilung vom 19. Dezember 2008 als
Leistungsempfänger darlegen muss, weshalb er die Bestimmung vom Februar
2009 für unbillig hält. Bereits dies ist ihm nicht gelungen.
Dabei kann der Kläger nicht auf die Mitteilung vom 19. Dezember 2008
zurückgreifen, da diese – wie unter 1. bereits festgestellt – keine verbindliche
Bonusfestsetzung darstellte. Damit war die Beklagte frei, auf Grund der ihr zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Zahlen vertragsgemäß unter
Berücksichtigung der Leistung des Klägers ihr Ermessen zur Leistungsfestsetzung
neu auszuüben.
Die Beklagte hat als Grundlage ihrer Entscheidung Zahlen vorgetragen, die
für sich allein genommen bereits eine erhebliche Einschränkung der vorläufig
mitgeteilten Boni rechtfertigen: Danach endete die Review zum Stand vom 04.
Februar 2009 mit einem operativen Ergebnis der DKIB von -5,751 Mio. € und
einem Verlust vor Steuern von 5.948 Mrd. €. Damit hatte sich der Verlust
gegenüber der Prognose vom November annähernd verdoppelt, die Erträge
präsentierten sich 10-fach schlechter als im November.
Der Kläger hält diesem Vortrag der Beklagten entgegen, dass in den
vorausgegangenen Jahren der Ertrag der Rechtsvorgängerin keine Bedeutung
gehabt habe und der Bonus allein aufgrund der Leistungen des Klägers in stetig
ansteigender Höhe festgesetzt wurde.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte oder ihre
Rechtsvorgängerin verpflichtet war, auch bei der Bemessung des Bonus' für das
Jahr 2008 bei diesem Verfahren zu bleiben, denn nach der vertraglichen
Formulierung in § 2 b des Arbeitsvertrags war die Rechtsvorgängerin bei der
Bemessung des Bonus' im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht daran
gehindert, neben den Leistungen des Klägers auch ihre Ertragslage zu
berücksichtigen. Dass dies in den Augen des Klägers in den vergangenen Jahren
nicht so erfolgte, kann durchaus daraus resultieren, dass die entsprechende
Ertragslage keinen Grund dafür bot, die individuellen Bonuserwartungen des
Klägers zu enttäuschen. Daraus folgt aber noch nicht, dass dies angesichts der
Ertragslage im Jahr 2008 ebenso geschehen musste.
Unstreitig entwickelte sich die Gesamtsituation der Rechtsvorgängerin und
damit auch die der sie übernehmenden Beklagten so dramatisch, dass es
schließlich zum operativen Ergebnis des Bereichs Investment Banking in Höhe von
-6,275 Mio. € und einem operativen Verlust der Rechtsvorgängerin der Beklagten
insgesamt von 6,560 Mrd. € kam.
Dieses endgültige Ergebnis wurde so im testierten Jahresabschluss der
Rechtsvorgängerin der Beklagten (auszugsweise vorgelegt als Bl. 180 – 188 d. A.)
festgestellt, und kann schon deshalb nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Und die Tatsache, dass die Rechtsvorgängerin Leistungen aus dem Sonderfonds
zur Finanzmarkstabilisierung (SoFFin) in Höhe von über 18 Mrd. € sowie eine
Kapitalerhöhung durch die Beklagte in Höhe von 4 Mrd. € in Anspruch nehmen
musste, zeigt, dass sie allen Grund hatte, im Rahmen des billigen Ermessens nach
§ 315 BGB eine Herabsetzung der Boni in der erfolgten Weise zu beschließen.
Im Übrigen spricht der Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer unter
dem Finanzbericht 2008 der Rechtsvorgängerin (Bl. 187 f d. A.) eine deutliche
Sprache. Darin heißt es:
"Ohne diese Beurteilung einzuschränken, weisen wir auf die
Ausführungen im Konzernlagebericht in den Abschnitten "Geschäftliche
Entwicklung" und "Ausblick" sowie im Konzernrisikobericht im Abschnitt
"Zusammenfassung und Ausblick" hin. Dort ist ausgeführt, dass der Fortbestand
der D Bank AG davon abhängt, dass in ausreichendem Maße Eigenkapital zur
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der D Bank AG davon abhängt, dass in ausreichendem Maße Eigenkapital zur
Stärkung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel sowie der Risikodeckungsmasse zur
Verfügung gestellt wird. Hierzu ist insbesondere erforderlich, dass
– die ... eine stille Einlage in Höhe von 750 Mio. € leistet;
– die ... als 100 %iger Gesellschafter der ... AG für diese bis zur
Verschmelzung eine angemessene Kapitalausstattung sicherstellen wird;
– das integrierte Institut ... ach der Verschmelzung eine ausreichende
Eigenkapitalausstattung ausweist;
– die zuständigen Behörden keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen
ergreifen werden sowie
– gegen die vorgenannten Maßnahmen keine rechtlichen Vorbehalte
(insbesondere EU-Verfahren) geltend gemacht werden."
Zwar lagen der Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Erkenntnisse zum
Zeitpunkt der Bonusfestsetzung im Februar 2009 noch nicht vor, der Vermerk
macht jedoch nachträglich deutlich, in welch prekärer finanzieller Situation sich die
Rechtsvorgängerin der Beklagten kurz vor Übernahme durch diese befand.
Dadurch wurde die Richtigkeit der Review-Ergebnisse, die die Rechtsvorgängerin
ihrer Bonusfestsetzung zu Grunde gelegt hatte, nachträglich bestätigt.
Indem die Beklagte allein diese Ergebnisse nunmehr zur Basis ihrer
Ermessensentscheidung nahm, verstieß sie nicht gegen die gesetzlich gebotene
Billigkeit. Insbesondere kommt es angesichts dieser Erkenntnisse nicht mehr
darauf an, wie sich die Ertrags- und Ergebnissituation der ... und/oder der
Rechtsvorgängerin insgesamt in den Monaten zwischen August und Dezember
2008 in den Prognosen des Vorstands entwickelt hatte.
Dass die Rechtsvorgängerin im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung
auch die individuelle Leistung des Klägers in Beachtung der arbeitsvertraglichen
Regelung berücksichtigt hat, folgt bereits daraus, dass sie hinsichtlich der Höhe
der ausgezahlten Boni unter den bonusberechtigten Arbeitnehmern differenziert
entschieden und in deren Verhältnis untereinander die Leistungsbeurteilung, die
zur vorläufigen Mitteilung vom 19. Dezember 2008 geführt hatte, weiter zu Grunde
gelegt hat.
b) Auch aus einem weiteren Grund ist der Vortrag des Klägers zur Begründung
seines Anspruchs aus § 611 BGB i. V. m. § 315 Abs. 1 und 3 BGB unschlüssig:
Da der Kläger einen bezifferten Anspruch in Höhe des am 19. Dezember
2008 vorläufig mitgeteilten Bonus' geltend macht, müsste sich aus seinem
Vortrag ergeben, dass allein die Festsetzung in dieser Höhe der
ordnungsgemäßen Leistungsbemessung i. S. d. § 315 BGB entspräche. Für eine
solche Reduzierung des Ermessensspielraums sind jedoch keine tragfähigen
Anhaltspunkte ersichtlich, denn nach den vorausgehenden Erwägungen war die
Rechtsvorgängerin jedenfalls berechtigt, den zu zahlenden Bonus vor dem
Hintergrund des sich im Februar 2009 abzeichnenden schlechten wirtschaftlichen
Ergebnis sowohl des Investment-Bereichs als auch der Bank insgesamt neu und
weit geringer als zunächst angekündigt festzusetzen.
Dem Gericht wäre es danach selbst im Falle einer festgestellten
fehlerhaften Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts unmöglich, auf der Basis
der ihm mitgeteilten Daten eine eigene Leistungsbestimmung i. S. d. § 315 Abs. 3
Satz 2 BGB in Höhe des begehrten Betrags vorzunehmen.
3. Zu Recht hat es das Arbeitsgericht weiterhin abgelehnt, in der Mitteilung
über die Bereitstellung des Bonuspools in Höhe von 400 Mio. € eine
Gesamtzusage gegenüber dem Kläger und den anderen Arbeitnehmern zu
erkennen. Weder die Mitteilung vom 18. August 2008 noch das
Mitarbeiterschreiben vom 28. Oktober 2008 enthält irgendwelche
Verteilungsgrundsätze oder sonstige Zahlungsvoraussetzungen. Es mangelt
diesen Erklärungen somit an den vom Arbeitsgericht ausführlich dargestellten
Voraussetzungen, die Rechtsprechung und Lehre an eine Gesamtzusage stellen.
Insofern kann in den entsprechenden Erklärungen nicht mehr als eine
unverbindliche Ankündigung gegenüber der Gesamtheit der Arbeitnehmer
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unverbindliche Ankündigung gegenüber der Gesamtheit der Arbeitnehmer
gesehen werden, die die Rechtsvorgängerin mit dem erklärten Ziel abgab, die
Belegschaft während der sich immer stärker abzeichnenden Krise auf dem
Finanzmarkt im Arbeitsverhältnis zu halten. Wenn die Arbeitnehmer darauf
vertrauten und auf möglicherweise in Betracht gezogene Kündigungen
verzichteten, so wurden sie letztlich in diesem Vertrauen verletzt. Dies räumt
ihnen jedoch aus keinem Gesichtspunkt einen Anspruch in der geltend gemachten
Höhe ein.
In Ergänzung hierzu kann zur rechtlichen Beurteilung des Mitarbeiterbriefs vom
28. Oktober 2008 auf die den Parteien bekannte rechtskräftige Entscheidung des
) verwiesen werden, mit dem die Berufung eines
Arbeitnehmers der Beklagten zurückgewiesen wurde, der allein unter Berufung auf
den Mitarbeiterbrief vom 28. Oktober 2008 einen Bonusanspruch gegenüber der
Beklagten geltend machte.
4. Ein Anspruch des Klägers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung
ist nicht ersichtlich. Hierzu hätte es eines gleichförmigen Verhaltens der Beklagten
oder ihrer Rechtsvorgängerin über mehrere Jahre hinweg auch hinsichtlich der
konkreten Bemessung der Bonushöhe bedurft, das hier jedenfalls nicht vorliegt.
5. Auch die Berufung des Klägers auf das Gleichbehandlungsprinzip bleibt
unschlüssig. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass andere Arbeitnehmer mit
denselben Vertragsbedingungen und einem gleichlautenden Schreiben vom 19.
Dezember 2008 einen Bonus in derselben Höhe wie für das Jahr 2007 erhalten
haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Da die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen über den Einzelfall
hinaus für eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Beklagten von grundsätzlicher
Bedeutung sind, wurde die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.