Urteil des LAG Hessen vom 24.10.2007

LAG Frankfurt: krankheitsfall, arbeitsentgelt, arbeitsunfähigkeit, begriff, feiertag, zahl, gegenleistung, sondervergütung, meinung, arbeitsgericht

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
6. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 Sa 175/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 EntgFG, § 4 Abs 1
EntgFG, § 4 Abs 2 EntgFG, §
4 Abs 1a EntgFG, § 4a
EntgFG
(Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umfasst auch
Feiertagszuschläge)
Leitsatz
Mangels abweichender tarifvertraglicher Regelung umfasst die Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall grundsätzlich auch Sonn- und Feiertagszuschläge. Es handelt sich
insoweit weder um Aufwendungsersatz (§ 4 Abs. 1 a EFZG) noch um
Anwesenheitsprämie (§ 4 a EFZG).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 21.
Dezember 2006 - 1 Ca 421/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Sonn-
und Feiertagszuschläge umfasst.
Die am XX.XX.19XX geborene, verheiratete Klägerin ist auf der Grundlage des
schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. Oktober 2001 (Bl. 4 - 7 d. A.) in der von der
Beklagten betriebenen Seniorenresidenz als Saalservicekraft in Vollzeit
beschäftigt. Die Klägerin hat Anspruch auf einen monatlichen Lohn in Höhe von €
1.314,02 brutto. Die Beklagte zahlt zusätzlich betriebsüblich zum Lohn Zuschläge
für Sonn- und Feiertagsarbeit. Diese Zuschläge betragen 50% für Sonntagsarbeit,
125% für Feiertagsarbeit und 150% für Arbeit an den Weihnachtsfeiertagen.
Bezogen auf den Lohn der Klägerin entspricht dies betragsmäßig € 25,00 für den
50%-Zuschlag, € 59,00 für den 125%-Zuschlag und € 70,80 für den 150%-
Zuschlag. Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit diese Zuschläge netto und nur
für an Sonn- und Feiertagen tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung.
Die Klägerin war im Jahr 2005 und im Jahr 2006 am 18. und 26. Dezember 2005,
am 01. Januar 2006, am 21. Mai 2006, am 25. Mai 2006, am 04. und 05. Juni 2006,
am 15. Juni 2006 und am 18. Juni 2006 für Sonn- bzw. Feiertagsarbeit
dienstplanmäßig eingeteilt. Die Klägerin erkrankte an diesen Tagen jedoch
arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte ihr deshalb die Sonn- und Feiertagszuschläge
in Höhe von unstreitig € 440,80 nicht aus.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe nach dem Lohnausfallprinzip
Anspruch auf Entgeltfortzahlung unter Einschluss der Sonn- und
Feiertagszuschläge. Soweit die Privilegierung in der Sozialversicherung und
hinsichtlich der Steuer eine Nettozahlung nur für tatsächlich erbrachte
Arbeitsleistung an Sonn- und Feiertagen erlaube, stehe ihr der Anspruch
gleichwohl - im Rahmen der Entgeltfortzahlung dann als Bruttobetrag - zu.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie € 440,80 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2006 zu
zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat gemeint, die Entgeltfortzahlung bestimme sich im Streitfall nicht
nach § 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 EFZG, weil die Arbeitszeit im Streitfall an den
gesetzlichen Feiertagen nur infolge der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausgefallen
sei. Die Beklagte hat weiter gemeint, dass die Klägerin aber auch nach § 4 Abs. 1
EFZG keinen Anspruch auf die Fortzahlung von Arbeitsentgelt unter Einschluss der
Sonn- und Feiertagszuschläge habe, weil es sich bei diesen Zuschlägen um
Aufwendungen des Arbeitnehmers im Sinne von § 4 Abs. 1 a EFZG bzw. um
Einsatzprämien handele. Die Beklagte hat weiter gemeint, dass gem. §§ 14, 17
Abs. 1 Ziffer 1 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung i. V. m. § 3 b Abs. 1
EStG die Sonn- und Feiertagszulage nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen seien.
Dies gilt nach Meinung der Beklagten auch für einen Anspruch aus dem
Entgeltfortzahlungsgesetz. Die Beklagte hat schließlich gemeint, die Klägerin
würde doppelt bezahlt, weil sie Arbeitszeitgutschriften bei krankheitsbedingten
Ausfällen erhalte. Die Beklagte hat schließlich weiter darauf verwiesen, dass gem.
§ 11 Abs. 3 ArbZG sowie gem. Ziffer 5 Abs. 4 des Arbeitsvertrages der Parteien für
die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen betriebsüblich ein Ersatzruhetag
gewährt werde.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. Dezember 2006 der Klage stattgegeben.
Es hat gemeint, der Klägerin stünde nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG als
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Lohnausfallprinzip auch die
Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit in Höhe von € 440,80 brutto zu. Es hat
weiter angenommen, die Sonn- und Feiertagszuschläge seien keine von der
Entgeltfortzahlung gem. § 4 Abs. 1 a EFZG ausgenommenen Aufwendungen. Es
hat auch gemeint, aus dem Umstand, dass Sonn- und Feiertagszuschläge bei
tatsächlicher Erbringung der Arbeitsleistung steuerfrei seien und nicht als
Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV gelten, ergebe sich nicht, dass die
Zuschläge im Falle der Arbeitsunfähigkeit nicht zum fortzuzahlenden Entgelt
gehören. Mit dem Wegfall der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen
Privilegierung würden diese Zuschläge zu Bruttozahlungen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Erwägungen
des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über
die Berufungsverhandlung am 24. Oktober 2007 festgestellten und dort
ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Die Beklagte hält mit ihrer Berufung die
schon erstinstanzlich gegen den Anspruch der Klägerin vorgebrachten Einwände
aufrecht. Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 21. Dezember
2006, Az.: 1 Ca 421/06, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin meint, der Verweis auf die steuer- und sozialversicherungsrechtliche
Behandlung der Zuschläge sei für den vorliegend geltend gemachten Anspruch
ohne Relevanz. Die Klägerin meint weiter, die begehrten Zuschläge seien auch
keine Aufwendungen im Sinne von § 4 Abs. 1 a EFZG, sondern reines
Arbeitsentgelt. Die Klägerin meint schließlich, dass auch § 4 a EFZG hier nicht
einschlägig sei, weil eine entsprechende Vereinbarung auf individualrechtlicher
Ebene zwischen den Parteien nicht vorliege und im Übrigen die Sonn- und
Feiertagszuschläge auch keine Sondervergütung im Sinne dieser Vorschrift seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf
den vorgetragenen Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes der Beklagten
vom 15. März 2007 (Bl. 54 - 57 d. A.) und auf den Berufungserwiderungsschriftsatz
der Klägerin vom 26. März 2007 (Bl. 67, 68 d. A.) und den übrigen Akteninhalt
verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 21.
Dezember 2006 - 1 Ca 421/06 - ist aufgrund der Zulassung der Berufung im
arbeitsgerichtlichen Urteil statthaft und außerdem form- und fristgerechte
eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs.
2 a, 66 ArbGG, 517, 519 ZPO). Die datumsmäßige Falschbezeichnung des
arbeitsgerichtlichen Urteils im Antrag der Beklagten ist auslegungsfähig und damit
insgesamt unschädlich.
In der Sache ist die Berufung der Beklagten jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht
hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 3 Abs.
1 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG. Richtig weist die Beklagte insoweit darauf hin, dass
vorliegend nicht § 2 EFZG Anspruchsgrundlage ist. Da sowohl die
Entgeltfortzahlung an Feiertagen als auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
grundsätzlich voraussetzen, dass der gesetzliche Feiertag bzw. die
krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall
darstellt, bedarf es einer Entscheidung darüber, welche
Entgelt(fort)zahlungsregelungen Anwendung finden, wenn ein Arbeitnehmer an
einem gesetzlichen Feiertag arbeitsunfähig erkrankt ist. § 4 Abs. 2 EFZG löst den
Konflikt zugunsten des Feiertagrechts in dem bestimmt wird, dass in Fällen, in
denen der Arbeitgeber für Arbeitszeit die gleichzeitig infolge eines gesetzlichen
Feiertags ausgefallen ist, zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 3 EFZG
verpflichtet ist, sich die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts für diesen
Feiertag nach § 2 EFZG bestimmt. Im Streitfall ist die Arbeitszeit der Klägerin
jedoch nicht infolge des gesetzlichen Feiertags ausgefallen, sondern allein
aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Mithin bestimmt sich die Entgelthöhe
nach § 4 EFZG.
Nach § 4 EFZG ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden
regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der in § 4 Abs. 1
Satz 1 EFZG verwendete Begriff des Arbeitsentgelts wird im
Entgeltfortzahlungsgesetz nicht definiert. Aus § 4 Abs. 1 a Satz 1 EFZG ist lediglich
zu entnehmen, dass Vergütungen für Überstunden und einige Leistungen mit
Aufwendungsersatzcharakter unter den dort genannten Voraussetzungen nicht als
Arbeitsentgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes anzusehen sind. Unter
Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG versteht man dementsprechend den
Bruttoverdienst des Arbeitnehmers, soweit er ihn aufgrund des
Arbeitsverhältnisses als Gegenleistung für seine Arbeit erhält (vgl. BAG, Urteil vom
11.01.1978 - 5 AZR 829/76 - AP Nr. 7 zu § 2 LFZG und BAG, Urteil vom 31.05.1978
- 5 AZR 116/77 - AP Nr. 9 zu § 2 LFZG). Dabei wird bereits aus der Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Mai 1978 - 5 AZR 116/77 - deutlich, dass der
Hinweis der Beklagten auf eine auch für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
verbindliche Definition des Arbeitsentgelts in §§ 14, 17 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IV i. V.
m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung nicht zutreffend ist. Das Bundesarbeitsgericht hat
im Urteil vom 31. Mai 1978 nämlich entschieden, dass einerseits Nachtzuschläge
zum im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelt zählen, und dass
andererseits diese Nachtzuschläge als Bruttolohn zu zahlen sind, und zwar
ungeachtet des Umstands, dass bei tatsächlich geleisteter Arbeit während der
Nacht diese Zuschläge steuerfrei sind. Danach ist es ganz einhellige Meinung,
dass unter Umständen der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff sich nicht in allen
Punkten mit den Entgeltbegriffen des Steuerrechts bzw. des
Sozialversicherungsrechts deckt (vgl. Schmidt, EFZG, 5. Aufl., § 4 EFZG Rz 63; so
auch weiter BAG, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 5 AZR 68/04 - AP Nr. 68 zu § 4
EFZG, unter II. 4. a) d. Gr., mit weiteren Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen).
Auch hier hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass nach dem
anzuwendenden Lohnausfallprinzip bei Entgeltfortzahlung die volle Vergütung
einschließlich etwaiger Zuschläge umfasst, sodass die gesetzliche
Entgeltfortzahlung für wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgefallener
Feiertagsarbeit die entsprechenden Zuschläge mit einschließt. Dem
Feiertagszuschlag komme nicht generell eine besondere Rechtsnatur dahingehend
zu, dass er nur bei tatsächlicher Arbeitsleistung nicht aber etwa im Krankheitsfall,
bei Annahmeverzug oder in anderen Fällen eine Aufrechterhaltung des
Lohnanspruchs gezahlt werden müsse; so das Bundesarbeitsarbeitsgericht im
Urteil vom 01. Dezember 2004 - 5 AZR 68/04 - a. a. O. Zwar führt das
Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung unter II. 4. b) der Gründe auch aus,
dass sich aus tariflichen Entgeltfortzahlungsbestimmungen ergeben könne, dass
bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nur der Grundlohn ohne (bestimmte)
Zuschläge fortzuzahlen ist, und dass zudem schon die Auslegung der
Zuschlagsregelung selbst zu dem Ergebnis führen kann, dass die tatsächliche
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Zuschlagsregelung selbst zu dem Ergebnis führen kann, dass die tatsächliche
Arbeitsleistung auch in Anlehnung der Entgeltfortzahlung Voraussetzung des
Anspruchs sein soll. Vor dem Hintergrund, dass es sich in dem vom
Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 01. Dezember 2004 entschiedenen Streitfall
und in den in dieser Entscheidung in Bezug genommenen weiteren Streitfällen
(BAG, Urteil vom 21.11.2001 - 5 AZR 296/00 - AP Nr. 56 zu § 4 EFZG und BAG,
Urteil vom 07.02.1996 - 10 AZR 203/94 - AP Nr. 9 zu § 33 a BAT) um tarifliche
Zuschlagsregelungen handelte, ist dieser Ansatz auf den Streitfall nicht
übertragbar, weil es sich vorliegend um eine arbeitsvertragliche auf der Grundlage
einer betrieblichen Übung eingeführte Zuschlagsregelung handelt. Nach dem
Entgeltfortzahlungsgesetz, nämlich der Tariföffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG,
steht es aber nur den Tarifvertragsparteien zu, einzelne Entgeltbestandteile,
insbesondere zusätzliche Leistungen wie Prämien oder Mehrarbeitszuschläge, von
der Entgeltfortzahlung auszunehmen (vgl. BAG, Urteil vom 13.03.2002
- 5 AZR 648/00 - AP Nr. 58 zu § 4 EFZG, unter III. 2. c) d. Gr.). Abgesehen von § 4
Abs. 4 EFZG kann von den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes aber
nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 12 EFZG). Die im
Betrieb der Beklagten praktizierte Übung, nämlich Sonn- und Feiertagszuschläge
nur für tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsarbeit zu zahlen, ist daher für die
Bestimmung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts gem. § 4 EFZG unbeachtlich.
Anders als die Beklagte meint, sind die Sonn- und Feiertagszuschläge auch kein
Aufwendungsersatz im Sinne von § 4 Abs. 1 a EFZG und deshalb auch nicht unter
diesem Gesichtspunkt im Krankheitsfall nicht geschuldet. § 4 Abs. 1 a Abs. 1 EFZG
ergänzt die Grundregel des Abs. 1 hinsichtlich der Berücksichtigung von
Leistungen mit Aufwendungscharakter. Sie sind dann von der Berechnung der
Entgeltfortzahlung ausgenommen, wenn der Anspruch auf sie im Fall der
Arbeitsfähigkeit davon abhängig ist, ob und in welchem Umfang dem
Arbeitnehmer die Aufwendungen, die durch diese Leistungen abgegolten werden
sollen, tatsächlich entstanden sind und dem Arbeitnehmer solche Aufwendungen
während der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen. Gewisse Pauschalisierungen
stehen dem Aufwendungsersatzcharakter allerdings nicht entgegen, solange die
Pauschalbeträge in etwa den typischerweise entstehenden Aufwendungen
entsprechen (vgl. Schmidt, EFZG, 5. Aufl., Rn 131, m. w. N.). Der Regelung liegt
von jeher der Gedanke zugrunde, dass der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht
besser stehen soll als derjenige, der tatsächlich seine Arbeit verrichtet.
Demgemäß zählen solche Leistungen des Arbeitgebers nicht zum fortzuzahlenden
Arbeitsentgelt, durch die Aufwendungen abgegolten werden sollen, die während
der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen. Die hier in Rede stehenden Sonn- und
Feiertagszuschläge haben aber ebenso wie Überstunden- und
Nachtarbeitszuschläge keinen Aufwendungsersatzcharakter. Mit derartigen
Leistungen sollen nicht besondere Aufwendungen des Arbeitnehmers abgegolten
werden, vielmehr geht es bei diesen Zuschlägen darum, zusätzliche Erschwernisse
und besondere Belastungen, die mit Sonn- und Feiertagsarbeit verbunden sind, zu
vergüten. Diese Zulagen werden also als Gegenleistung für eine bestimmte Arbeit
geleistet. Damit haben sie Entgeltcharakter und nicht
Aufwendungsersatzcharakter.
Schließlich lässt sich auch aus dem Umstand, dass die Beklagte die Sonn- und
Feiertagszuschläge nur für tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsarbeit
gezahlt hat nicht herleiten, dass damit im Sinn von § 4 a EFZG eine
Anwesenheitsprämie gezahlt werden sollte. § 4 a EFZG regelt die Möglichkeit,
Vereinbarungen über die Kürzung von Sondervergütungen (auch) für Zeiten
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zu treffen. § 4 a EFZG definiert den Begriff
der Sondervergütung dahingehend, dass es sich um eine Leistung handelt, die der
Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt. Unter den
gesetzlichen Begriff der Sondervergütungen fallen auch Anwesenheitsprämien.
Hierunter ist eine Geldleistung zu verstehen, mit deren Zusage dem Arbeitnehmer
der Anreiz geboten wird, die Zahl seiner berechtigten oder unberechtigten
Fehltage im Bezugszeitraum möglichst gering zu halten. Eine derartige Leistung
ist nicht an bestimmte Zahlungsmodalitäten gebunden, sondern sie kann als
Prämie für jeden einzelnen Tag, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeit aufnimmt,
gezahlt werden, als Einmalleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt, z. B. am
Jahresende oder viermal jährlich, bezogen auf den davor liegenden
Dreimonatszeitraum (vgl. BAG, Urteil vom 25.07.2001 - 10 AZR 502/00 - AP Nr. 1
zu § 4 a EFZG). Es gibt aber im Streitfall keinen Anhaltspunkt dafür, dass die
Beklagte mit den Sonn- und Feiertagszuschlägen einen Anreiz bieten wollte, die
Zahl berechtigter oder unberechtigter Fehltage gerade an Sonn- und Feiertagen
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Zahl berechtigter oder unberechtigter Fehltage gerade an Sonn- und Feiertagen
möglichst gering zu halten. Dagegen spricht auch, dass die Beklagte die
Zuschläge steuer- und sozialversicherungsfrei zahlte. Diese Privilegierung gibt es
nämlich für Anwesenheitsprämien nicht. Der mit der Zahlung der Zuschläge
verfolgte Leistungszweck ist deshalb nach Dafürhalten des Berufungsgerichts
allein die Abgeltung der besonderen Belastung für Sonn- und Feiertagsarbeit. Dies
entspricht dem allgemein mit derartigen Zahlungen verfolgten Zweck.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Stundengutschrift doppelt
bezahlt wird. Im Gegenteil würde es ohne die Gutschrift der durch Krankheit
ausgefallenen Arbeitszeit dazu führen, dass die Klägerin um die Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall gebracht würde, weil sie die ausgefallene Arbeitszeit nacharbeiten
müsste. Der gesetzliche wie vertragliche Anspruch der Klägerin auf Ersatzruhetage
berührt ebenfalls nicht den Umfang der Entgeltfortzahlung nach § 4 Abs. 1 EFZG.
Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos eingelegten
Rechtsmittels zu tragen.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Satz 1
ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.