Urteil des LAG Hessen vom 19.11.2008

LAG Frankfurt: kündigung, betriebsrat, bestandteil, arbeitsgericht, unterhaltspflicht, sozialplan, geschäftsleitung, daten, fehlerhaftigkeit, hessen

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8/3 Sa 1077/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 5 KSchG
(Betriebsbedingte Kündigung - Interessenausgleich mit
Namensliste - Sozialauswahl)
Leitsatz
Ein Interessenausgleich kann um eine Namensliste ergänzt werden, wenn der
Interessenausgleich selbst auf die Namensliste hinweist, diese zeitnah erstellt und
unterschrieben wird und auf den Interessenausgleich verweist. Die Namensliste ist dann
Bestandteil des Interessenausgleichs mit den Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG
(Anschluss an BAG v. 22.01.04 - 2 AZR 111/02, NZA 2006, 64).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Kassel vom 15.
Mai 2008 – 3 Ca 451/07 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte
Kündigung beendet wurde.
Der am XX.XX.19XX geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01. August
1997 als Mitarbeiter im Versand mit einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt
2.448,18 € beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und - nach seinen Angaben -
gegenüber einem Sohn unterhaltsverpflichtet, der sich zur Zeit in der beruflichen
Erstausbildung befindet. Auf dem der Beklagten vorliegenden Steuerkarte des
Klägers ist ein Kinderfreibetrag nicht eingetragen.
Die Beklagte ist ein tarifgebundenes Unternehmen der Metall – und
Elektroindustrie, das automatische Türsysteme für Straßen – und
Schienenfahrzeuge produziert. Im September 2007 beschäftigte die Beklagte in
ihrem Kasseler Betrieb insgesamt 569 Mitarbeiter, die einen Betriebsrat gewählt
haben. Die Beklagte befindet sich seit einigen Jahren in einer Ertragskrise. Im Jahr
2005 kam es zu einer Personalanpassung mit Interessenausgleich und Sozialplan
sowie zu einer Fortführung der bereits abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur
Beschäftigungssicherung nach dem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für
die Eisen – Metall– und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 01. Januar 2005.
Die Beklagte, der Betriebsrat und die IG-Metall schlossen im September 2007
einen Sanierungstarifvertrag, der Anpassungen im Entgeltbereich,
Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnausgleich, einen Personalabbau im Rahmen
eines Interessenausgleichs mit Sozialplan sowie eine Standortsicherung für den
Betrieb Kassel vorsah (vgl. die Eckpunkte der Einigung Anlage B 1 zum Schriftsatz
der Beklagten vom 24. Januar 2008).
Am 15. Oktober 2007 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen
Interessenausgleich und einen Sozialplan ab (vgl. Anlage B 2 zum Schriftsatz der
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Interessenausgleich und einen Sozialplan ab (vgl. Anlage B 2 zum Schriftsatz der
Beklagten vom 24. Januar 2008). In dem Interessenausgleich ist vorgesehen, dass
zur Reduzierung der Personalüberhänge und zur Anpassung des Personalstandes
an die längerfristig erwartete Auftragssituation 65 Stellen abgebaut werden. Dazu
bestimmt der Interessenausgleich soweit hier von Interesse:
"4. Personalmaßnahmen
e. Gemeinsam mit dem Betriebsrat wurden betrieblich notwendige Mitarbeiter
definiert, deren Ausscheiden entweder zum Know-how Verlust oder zum Verlust
von Fähigkeiten und Fertigkeiten führen würde. Diese werden von der
Sozialauswahl ausgenommen.
f. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt wird, richtet sich
nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem auf der Rechtsprechung
basierenden Punkteschema gemäß Anlage 1.
Das Durchschnittsalter in der Fertigung beträgt mehr als 43 Jahre. Die
Alterspyramide hat ihre größte Dichte jenseits der 40 und verjüngt sich stark nach
unten. Um nicht zu einer noch ungünstigeren Altersverteilung zu kommen, ist es
erforderlich, zumindest die derzeitige Altersstruktur nicht durch den geplanten
Personalabbau zu verschlechtern.
Deshalb wird zur Sicherung der Altersstruktur in der Fertigung gemäß § 1 Abs.
3 S. 2, 2. Halbsatz Kündigungsschutzgesetz vereinbart, dass zum Zweck der
Sozialauswahl vier Altersgruppen gebildet werden. Die 1. Gruppe reicht bis zum
vollendeten 29. Lj., 2. Gruppe 30. bis vollendetes 39. Lj., 3. Gruppe 40. bis
vollendetes 49. Lj., 4. Gruppe 50 bis vollendetes 59. Lj. und älter. Innerhalb der
Altersgruppen sind die Mitarbeiter der geringsten Punktzahl entsprechen dem
Verhältnis der Mitarbeiter in der jeweiligen Altersgruppen zur Anzahl der
gewerblichen Mitarbeiter insgesamt vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffen. ...
g. Gemeinsam mit dem Betriebsrat wurde eine namentliche Liste der zu
entlassenden gewerblichen Mitarbeiter und der Angestellten (Anlage 2 und 3)
erstellt, die Bestandteil dieses Interessenausgleichs sind. Sie werden in der
gleichen Form wie der Interessenausgleich unterzeichnet und mit diesem fest
verbunden. ..."
Nach dem Punkteschema zur sozialen Auswahl wird jedes unterhaltsberechtigte
Kind mit 10 Punkten berücksichtigt. Dazu heißt es weiter:
"Maßgeblich ist der Eintrag des Kinderfreibetrages auf der Steuerkarte; wenn 0, 5,
dann nur fünf Punkte".
Die Anlage 2 mit der Liste der zu entlassenden gewerblichen Arbeitnehmer wurde
am 25. Oktober 2007 von der Beklagten und am 26. Oktober 2007 von dem
stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben.
In der Anlage 2 heißt es:
"1. Geschäftsleitung und Betriebsrat haben die Sozialdaten der
Mitarbeiter/innen eingehend beraten und die Sozialauswahl gemäß den
gesetzlichen Vorschriften gemeinsam durchgeführt. Die Geschäftsleitung
Betriebsrats sind sich einig, dass die nachfolgende Liste das Ergebnis ihrer
gemeinsamen Sozialauswahl bildet und die hierauf enthaltenen Mitarbeiter/innen
von den geplanten Entlassungen betroffen sind.
2. Die nachfolgende Liste ersetzt die individuellen durchzuführenden
Anhörungen des Betriebsrats zu den Entlassungen. Diese Liste ist Bestandteil des
Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2007 und mit diesem untrennbar
verbunden. "
In der Liste ist der Kläger mit seinem Geburtsdatum seinem Eintrittsdatum, der
Steuerklasse 3, keinen Kinderfreibeträgen und einer Gesamtpunktzahl von 74
aufgeführt.
Die Namensliste wurde von den Betriebsparteien in der Weise erstellt, dass
zunächst unter den 350 Mitarbeitern im gewerblichen Bereich eine Vorauswahl
nach dem Punkteschema vorgenommen wurde. Dabei wurden vier Altersgruppen
entsprechend Ziff. 4 f des Interessenausgleichs gebildet (vgl. die Liste der
gewerblichen Arbeitnehmer mit Sozialdaten Anlage B 14 zum Schriftsatz der
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gewerblichen Arbeitnehmer mit Sozialdaten Anlage B 14 zum Schriftsatz der
Beklagten vom 10. April 2008). Innerhalb der Altersgruppen wurde sodann die
soziale Auswahl nach der Punktetabelle vorgenommen.
Danach wurde eine Liste der Mitarbeiter erstellt, deren Weiterbeschäftigung als
betriebsnotwendig angesehen wurde. Die Bestimmungen dieser Mitarbeiter hat die
Beklagte vorgenommen anhand von Qualifikationsmatrizen, die für alle
Arbeitsbereiche der Fertigung erstellt wurden und sämtliche Mitarbeiter
berücksichtigt. Diese Qualifikationsmatrizen (Beispiel Anlage B 3 zum Schriftsatz
der Beklagten 25. Januar 2008) berücksichtigen für die verschiedenen
Arbeitsplätze eines Arbeitsbereichs mit Punkten, ob und in welchem Umfang ein
Arbeitnehmer an den verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden kann.
Die Beklagte kündigte den Kläger mit Schreiben vom 26. Oktober 2007 zum 28.
Februar 2008.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt
und daher unwirksam. Er bezweifelt, dass der Interessenausgleich sowie die
Namensliste ordnungsgemäß zu Stande gekommen seien. Die Namensliste sei
nicht wirksam Bestandteil des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2007
geworden, da sie erst nach dessen Abschluss erstellt worden sei. Die
Altersgruppenbildung hält der Kläger für unzulässig. Für die Herausnahme von
sogenannten Leistungsträgern seien keinen nachvollziehbaren Kriterien ersichtlich.
Für die Punktezahl habe sein unterhaltsberechtigter Sohn mit 10 Punkten
berücksichtigt werden müssen. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats
bestreitet der Kläger mit Nichtwissen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 26. Oktober 2007 nicht beendet wurde;
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere
Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;
Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder zu 2)
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen
als Versandarbeiter weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Kündigung für rechtswirksam. Interessenausgleich und Namensliste
seien ordnungsgemäß und rechtswirksam zu Stande gekommen. Der Betriebsrat
habe in mehreren Sitzungen über die Namensliste beraten und sie am 25.
Oktober 2007 beschlossen. Am 26. Oktober 2007 habe sie der stellvertretende
Betriebsratsvorsitzende für den an diesem Tag verhinderten
Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben, nachdem der Arbeitgeber Sie bereits am
25. Oktober unterschrieben hatte.
Die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung dem Betriebsrat in den
Interessenausgleichsverhandlungen über die gemeinsame Liste der zu
entlassenden Mitarbeiter die Gründe für die beabsichtigte Kündigung des Klägers
explizit mitgeteilt. Der Betriebsrat habe sich mit dem Kündigungssachverhalt
auseinander gesetzt und nach abschließender Beratung der Kündigung
zugestimmt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 15. Mai 2008 auf das
Bezug genommen wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die
Zulässigkeit erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 19. November 2008
verwiesen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Namensliste sei nicht wirksamer Bestandteil
des Interessenausgleichs vom 15. Oktober 2007 geworden, da sie erst am 25.
Oktober 2007 erstellt worden sei. Es sei erforderlich, dass im Augenblick der
Unterzeichnung die Schriftstücke (Interessenausgleich und Namensliste) als
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Unterzeichnung die Schriftstücke (Interessenausgleich und Namensliste) als
einheitliche Urkunde äußerlich erkennbar seien.
Der Beschäftigungsbedarf für die auf der Namensliste aufgeführten Mitarbeiter sei
tatsächlich nicht weggefallen. Gegenüber 8 auf der Namensliste bezeichneten
Mitarbeiter habe die Beklagte die zunächst ausgesprochenen Kündigungen
zurückgenommen. Es seien ab Jahresende 2007 Leiharbeitnehmer beschäftigt
worden. Aus dem Interessenausgleich ergebe sich nicht, auf welchen Tatsachen
die Annahme beruhe, dass man 65 Personalüberhänge habe.
Die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt eine
Sozialauswahl unter jeweils horizontal vergleichbaren Arbeitnehmer durchgeführt,
sondern nach ihrem eigenen Vortrag zunächst alle 350 gewerblichen Mitarbeiter
gleichermaßen nach dem Punkteschema bewertet. Die Mitarbeiter A, B und C
hätten nicht als Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausgenommen werden
dürfen. Die Altersgruppenbildung sei unzulässig nach dem AGG. Schließlich hätte
die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinen Sohn berücksichtigt werden
müssen.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Mai
2008, Aktenzeichen 3 Ca 451/07
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 26. Oktober 2007 nicht beendet wurde.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. Die Beklagte zu verurteilen,
den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu
unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Versandarbeiter weiter zu
beschäftigen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Die Namensliste sei wirksam Bestandteil des Interessenausgleichs geworden, da
sie von den Betriebsparteien unterzeichnet und in ihr auf den Interessenausgleich
und zusätzlich im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen worden ist.
Nur im Falle des Mitarbeiters D sei die Kündigung vor dem Ausscheiden des
Klägers zurückgenommen worden. Dieser Mitarbeiter habe aber im Gegensatz
zum Kläger einer Altersgruppe angehört, in der nach dem verhaltensbedingten
Ausscheiden eines Mitarbeiters ein Arbeitsplatz frei geworden sei. In umgekehrter
Sozialauswahl sei dessen Arbeitsplatz mit dem Mitarbeiter D besetzt worden, der
80 Sozialpunkte gehabt habe.
Der Einsatz von Leiharbeitnehmern beruhe auf einem anhaltenden
Fertigungsrückstand aufgrund eines hohen Krankenstandes von 9 % in der
Fertigung. Das sei keine dauerhafte Erhöhung des Arbeitsvolumens, sondern
lediglich ein vorübergehender Zustand.
Die Altersgruppenbildung im Rahmen der Sozialauswahl sei gerechtfertigt und
nicht zu beanstanden. Seit 2004 seien keine Übernahmen der ausgelernten
Auszubildenden mehr erfolgt und gewerblicher Mitarbeiter seien seitdem nicht
mehr eingestellt worden. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei der
jüngste Arbeitnehmer bei der Beklagten 24 Jahre alt gewesen. Im gewerblichen
Bereich seien nur 23 von 350 Arbeitnehmern unter 30 Jahren alt.
Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Unterhaltspflicht gegenüber seinem
Sohn berufen, da dieser nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen und der
Beklagten nicht bekannt gewesen sei. Der Kläger habe sie auch nicht mitgeteilt,
nachdem die Beklagte mit Aushang vom 19. Oktober 2007 (vgl. Anlage B 17 zum
Schriftsatz der Beklagten vom 10. April 2008; Bl. 107 d. A.) die Mitarbeiter
aufgefordert habe, zu überprüfen, ob die auf der Steuerkarte angegebene Anzahl
der Kinder mit der tatsächlichen Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder
übereinstimmt.
Der Kläger könne sich auch nicht auf die Mitarbeiter A, B und C berufen, die der
dritten Altersgruppe angehörten. Zudem sei der Mitarbeiter Wolfrom
Betriebsratsmitglied.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht
als unbegründet abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden
Gründen des Arbeitsgerichts.
Auf die Berufung ist festzuhalten:
1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1
KSchG zu vermuten ist, dass die Kündigung durch betriebliche Erfordernisse im
Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 5
Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann.
a) Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 KSchG scheitert insbesondere nicht daran,
dass die Namensliste in einer Anlage zum Interessenausgleich enthalten ist, die
später als der Interessenausgleich von den Betriebsparteien unterzeichnet wurde
(BAG vom 06. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 -zu IV. 1. e) aa) der Gründe; NZA 2007,
266; BAG vom 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - NZA 2006,64). Ein
Interessenausgleich kann jedenfalls zeitnah um einen Namensliste ergänzt werden
(vgl. BAG vom 22. Januar 2004 a.a.O zu C. III. 4. b) der Gründe).
b) Mit dem Schriftformerfordernis und der Notwendigkeit, dass die Namensliste im
Interessenausgleich enthalten sein muss wird der Zweck verfolgt, Rechtssicherheit
zu gewährleisten und Manipulationen zu verhindern. Dem ist die genügt, wenn der
Interessenausgleich selbst bereits den Hinweis auf eine Namensliste enthält, diese
selbst ausdrücklich auf den Interessenausgleich verweist, zeitnah erstellt und von
den Betriebsparteien unterschrieben wird. Dabei ist nicht zu beanstanden, wenn
eine Namensliste erst 11 Tage nach dem zu Grunde liegenden
Interessenausgleich endgültig erstellt und unterschrieben wird. Die
Betriebsparteien müssen Gelegenheit haben, die Sozialauswahl sorgfältig
vorzunehmen und zu überprüfen, nachdem in einem Interessenausgleich die
Grundsätze und insbesondere ein Punkteschema für die Sozialauswahl festgelegt
ist. Dafür kann insbesondere bei mehreren Hundert Mitarbeitern einige Zeit
erforderlich sein. Es wäre im übrigen Förmelei, zu verlangen, dass der
Interessenausgleich nochmals gleichzeitig mit der Namensliste, die auf ihn
verweist, unterschrieben wird.
2. Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, dass die Kündigung des Klägers
betriebsbedingt ist, da er auf der Namensliste des Interessenausgleichs zur
Kündigung ausgewählt ist hat der Kläger nicht erschüttert. Zunächst kommt es
dafür auf den Zeitpunkt der Kündigung und nicht auf spätere Ereignisse an. Der
Kläger ist auch nicht substantiiert den Darlegungen der Beklagte
entgegengetreten, dass der Einsatz von Zeitarbeitnehmern vorübergehend wegen
außergewöhnlich hohen Krankenstandes erfolgte. Soweit sich der Kläger auf
Wiedereinstellungen beruft, hat er nicht dargetan, dass bei einem in diesem
Umfang geringeren Personalüberhang er unter Gesichtspunkten der Sozialauswahl
hätte verschont bleiben müssen.
3. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG kann die soziale Auswahl der im
Interessenausgleich namentlich bezeichneten Arbeitnehmer nur auf grobe
Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn die
Gewichtung der einzelnen Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG jede Ausgewogenheit
vermissen lässt, tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen
worden sind und ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler im Rahmen
der sozialen Auswahl vorliegt. Von einer grob fehlerhaften Sozialauswahl ist dann
auszugehen, wenn bei der Bestimmung des Kreises der vergleichbaren
Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und bei der
Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die
betrieblichen Interessen augenfällig überdehnt worden sind. Durch § 1 Abs. 5 Satz
2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl
eingeräumt werden (BAG vom 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - DB 2008, 1688;
BAG vom 21. Juli 2005 - 6 AZR 592/04 - AP Nr. 50 zu § 113 BetrVG 1972; BAG vom
17. November 2005 – 6 AZR 107/05 - AP Nr. 19 zu § 113 InsO).
a) Es ist kein grober Fehler, dass die Beklagte alle gewerblichen Arbeitnehmer in
die soziale Auswahl einbezogen hat. Damit hat die Beklagte mehr getan als sie
muss. Der Kläger kann sich damit auf nach sozialen Kriterien weniger
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muss. Der Kläger kann sich damit auf nach sozialen Kriterien weniger
schutzwürdige Arbeitnehmer berufen ohne Einschränkung hinsichtlich
Austauschbarkeit mit ihnen. Es ist auch nicht offensichtlich, dass die gewerblichen
Arbeitnehmer nicht sämtlich vergleichbar wären. Der Kläger hat nichts dazu
vorgetragen, inwiefern es an einer Vergleichbarkeit der gewerblichen Arbeitnehmer
fehlt und ob und wie sich eine engere sozial Auswahl zu seinen Gunsten ausgewirkt
hätte. Grob fehlerhaft ist dieser Verzicht auf eine Differenzierung innerhalb der
gewerblichen Arbeitnehmer jedenfalls nicht
b) Es ist auch nicht fehlerhaft und verstößt nicht gegen das AGG, dass die
Sozialauswahl innerhalb von Altersgruppen vorgenommen wurde und das Alter
schematisch im Rahmen eines Punktesystems berücksichtigt wurde. Auf die
zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Die
Beklagte hat im Einzelnen ihr Interesse dargelegt, dass es bei einem
Durchschnittsalter in der Fertigung von 43 Jahren durch den Personalabbau nicht
zu einer Überalterung der Belegschaft kommt. Es ist nachvollziehbar, dass die
Weitergabe von Erfahrungswissen älteren Mitarbeiter an jüngere Mitarbeiter
gewährleistet werden muss und für einen Betrieb nicht nur die Vorteile, die ein
höheres Lebensalter mit sich bringt wichtig sind, sondern auch die, die mit
jüngeren Jahren verbunden sind. Es ist dem Bundesarbeitsgericht zu folgen, dass
entschieden hat, dass eine soziale Auswahl nach Altersgruppen nach § 10 S. 1
AGG gerechtfertigt ist, da damit einer Überalterung des Betriebs entgegengewirkt
wird und die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer relativiert wird (BAG vom 06.
November 2008 - 2 AZR 701/07).
c) Der Kläger kann sich deshalb auch nicht auf die Arbeitnehmer A, B und C
berufen, da diese einer anderen Altersgruppe angehören. Andere Arbeitnehmer,
die grob fehlerhaft als sozial schutzwürdiger als er angesehen worden wären, und
deshalb von einer Kündigung verschont blieben hat der Kläger nicht benannt. Im
Übrigen ist es nicht fehlerhaft, dass bei der Punktebewertung innerhalb der
sozialen Auswahl eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Sohn nicht
berücksichtigt wurde, da dieser nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war.
Wohl kommt es grundsätzlich auf die tatsächlichen Unterhaltspflichten an. Der
Arbeitgeber darf aber auf die ihm bekannten Daten vertrauen, wenn er keinen
Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen. Dabei kann die
Lohnsteuerkarte ein wichtiger Anhaltspunkt sein (BAG vom 17. Januar 2008 - 2
AZR 405/06 -a.a.O). Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier der Arbeitgeber
durch Aushang wegen der Kinderfreibeträge nachgefragt und Gelegenheit zur
Korrektur gegeben hat.
4. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen da sie erfolglos blieb.
5. Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.