Urteil des LAG Hessen vom 27.06.2007

LAG Frankfurt: eintritt des versicherungsfalls, rücktritt, ärztliche behandlung, medizinisches gutachten, berufsunfähigkeit, diagnose, lebensversicherung, satzung, glaubwürdigkeit, universität

1
2
3
4
5
Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 234/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1b Abs 4 S 1 BetrAVG, § 16
Abs 1 S 3 VVG, § 16 Abs 2 S
1 VVG, § 17 VVG, § 20 VVG
(Zur Verpflichtung einer Unterstützungskasse zur Zahlung
der Berufsunfähigkeitsrente unabhängig vom Rücktritt der
Rückdeckungsversicherung und zum behandelnden Arzt
als sachverständigen Zeugen)
Leitsatz
1) Der Rücktritt der von einer Unterstützungskasse eingeschalteten
Rückdeckungsversicherung berührt grundsätzlich nicht die Ansprüche des
Arbeitnehmers gegen die Unterstützungskasse.
2) Zum Rücktritt nach §§ 16, 17 VVG.
3) Der behandelnde Arzt kann als sachverständiger Zeuge zur Berufsunfähigkeit
vernommen werden. Darüber hinaus ein medizinisches Gutachten einzuholen ist nicht
zwingend.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Marburg vom
14.12.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte an den Kläger eine
Berufsunfähigkeitsversorgung zu zahlen hat.
Der Beklagte ist als rechtlich selbstständige Unterstützungskasse mit der
Abwicklung betrieblicher Altersversorgung betraut. Die Arbeitgeberin des Klägers,
die A GmbH ist ihm als eines der Trägerunternehmen angeschlossen und gehört
zum Fachverband der B Unterstützungskassen für Kunden e.V.
Nach dem Leistungsplan des Beklagten gewährt dieser u. a.
Berufsunfähigkeitsversorgung bei Berufsunfähigkeit im Sinne der „Bedingungen für
die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ von B Leben. Dort ist in § 2 (2)
bestimmt:
„Ist die versicherte Person ununterbrochen wenigstens 6 Monate infolge Krankheit,
Körperverletzung oder Kräfteverfalls mindestens zu 50% außer Stande gewesen,
ihrem zuletzt bei Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten Berufs - so wie er
ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war - nachzugehen, so gilt
dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.“
Zur Finanzierung der Versorgungsleistungen schloss der Beklagte bei der B
Lebensversicherungs AG eine Rückdeckungsversicherung ab. Dieser lag ein Antrag
des Beklagten vom 21. September 2001 zugrunde, in dem auch Erklärungen des
Klägers als versicherter Person enthalten sind. Die Frage „Bestehen
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Klägers als versicherter Person enthalten sind. Die Frage „Bestehen
Gesundheitsstörungen, körperliche oder geistige Schäden, chronische Leiden oder
Unfallfolgen?“ verneinte der Kläger. Untersuchungen bei seinem Hausarzt Dr. C
sind mit dem Vermerk „Routine ohne Befund“ angegeben. In dem Antrag ist
weiter als besondere Vereinbarung aufgeführt, dass die für den Kläger bei eben
dieser Lebensversicherung seit dem 02.11.1998 bestehende kapitalbildende
Lebensversicherungen mit Berufsunfähigkeitsversicherung, die vom gleichen
Vermittler wie die Rückdeckungsversicherung vermittelt worden war, beitragsfrei
gestellt wurde.
Der am 26. Dezember 1964 geborene Kläger ist Arbeitnehmer der A GmbH CNC-
Dreh- und Frästechnik. Nach Ausbildung zum Maschinenbauer arbeitete er seit
1986 als CNC-Fachkraft bei der A GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin bis zum
30. September 2003. Ab da wurde dem Kläger von seinem Arzt Dr. C
Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
Mit Antrag vom 31. März 2004 meldete der Kläger bei der Beklagte Ansprüche auf
Berufsunfähigkeitsleistungen an. Die B Lebensversicherungs AG erklärte mit
Schreiben vom 22. Februar 2005 gegenüber dem Beklagten, dass sie von der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zurücktrete. Sie begründete dies damit,
dass Gesundheitsstörungen bzw. ärztliche Behandlungen verschwiegen worden
seien, die bereits bei Antragstellung für die Versicherung bestanden bzw.
stattgefunden hätten. Der Beklagte verweigerte darauf Leistungen der
Berufsunfähigkeitsversorgung.
Der Kläger verlangt vom Beklagten monatliche Berufsunfähigkeitsrente in
unstreitiger Höhe für die Zeit vom 01. Oktober 2003 bis Ende November 2005.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei seit 01. Oktober 2003
berufsunfähig. Seit dieser Zeit sei er mindestens zu 50% außer Stande, seine
zuletzt ausgeübte Tätigkeit als CNC-Fräser auszuüben. Er leide an massiven
Myalgien (Muskelschmerzen), zunehmender Abgeschlagenheit und Müdigkeit,
Brennen der Augen, Anschwellen der Augenlider und Tränensäcke, starken
Schmerzen in den Gelenken, Gelenksteife und ekzematösen Hautveränderungen.
Er geht davon aus, dass dies durch den beruflich bedingten ständigen Kontakt mit
Bormilchsäure ausgelöst worden sei. Aufgrund dieser Krankheit sei er nicht mehr
in der Lage gewesen, seinen Berufs als CNC-Fräser auszuüben. Dazu gehöre das
Ein- und Ausspannen von Werkstücken. Dazu sei er nicht mehr in der Lage.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 11.853,44 nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je € 450,00 (in Worten:
Vierhundertfünfzig und 00/100 Euro) seit dem 01. November 2003 und 01.
Dezember 2003, aus je € 454,50 (in Worten: Vierhundertvierundfünfzig und 50/100
Euro) seit dem 01. Januar, 01. Februar, 01. März, 01. April, 01. Mai, 01. Juni, 01. Juli,
01. August, 01. September, 01. Oktober, 01. November und 01. Dezember 2004
und aus je € 459,04 (in Worten: Vierhundertneunundfünfzig und 04/100 Euro) seit
dem 01. Januar, 01. Februar, 01. März, 01. April, 01. Mai, 01. Juni, 01. Juli, 01.
August, 01. September, 01. Oktober und 01. November 2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, er sei zur Leistung schon deshalb nicht
verpflichtet, weil die B Lebensversicherungs AG wirksam von der
Berufunfähigkeitszusatzversicherung zurückgetreten sei. Ihre
Leistungsverpflichtung entfalle nach dem Leistungsplan, wenn keine
Leistungspflicht der Rückdeckungsversicherung, d.h. der B Lebensversicherungs
AG bestehe. Das ergebe sich aus dem Leistungsplan, wo es heißt:
„Werden aufgrund einer vom Versicherer verlangten Gesundheitsprüfung für die
versicherten Leistungen Einschränkungen oder Kürzungen erforderlich, so werden
die Versorgungsleistungen entsprechend gemindert.“
Die B Lebensversicherungs AG sei auch zum Rücktritt berechtigt gewesen. Aus
verschiedenen Arztberichten ergebe sich, dass beim Kläger erstmals im Jahr 2000
Schmerzen in den Handgelenken, Armen und Beinen sowie Hautveränderungen
aufgetreten seien bzw., dass ab dem Jahr 2001 eine regelmäßige, auch in Ruhe
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
aufgetreten seien bzw., dass ab dem Jahr 2001 eine regelmäßige, auch in Ruhe
festzustellende Bewegungseinschränkung mit Steifigkeit sämtlicher Fingergelenke
beidseits, der Handgelenke bis zum Ellenbogengelenk sowie an den Fußgelenken
bzw. den Sprunggelenken eingetreten sei. Diese Gesundheitsstörungen habe der
Kläger im Versicherungsantrag des Beklagten vom 21.09.2001 verschwiegen.
Hätte der Kläger dies nicht verschwiegen, wäre der Versicherungsvertrag nicht
ohne Einschränkungen abgeschlossen worden.
Der Beklagte hat weiter bestritten, dass der Kläger berufsunfähig im Sinne der
Versicherungsbestimmungen ist.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rücktritt sei jedenfalls verfristet
gewesen. Über die Schmerzen in Handgelenken und Fingergelenken habe er sich
keine Gedanken gemacht und sie auf sportliche Betätigungen zurückgeführt. Die B
Lebensversicherungs AG könne sich jedenfalls nicht auf Verletzung
vorvertraglicher Anzeigenpflichten berufen, da die jetzige Regelung einer
betrieblichen Altersversorgung mit Rückdeckungsversicherung auf Anraten des
Versicherungsvertreters der B Lebensversicherungs AG erfolgt sei und faktisch die
seit 1998 bestehende Kapital bildende Lebensversicherung mit
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgelöst habe. Wäre 2001 die
Unterstützungskassenversorgung wegen Ablehnung der
Rückdeckungsversicherung nicht zustande gekommen, wäre die ursprüngliche
Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsversicherung weiter gelaufen und die B
Lebensversicherungs AG wäre zur Zahlung verpflichtet geblieben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 14. Dezember 2005,
auf das verwiesen wird. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des
Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf
das Protokoll vom 04. Oktober 2006 (Bl. 392 d. A.) verwiesen.
Der Beklagte bestreitet weiterhin, dass der Kläger bedingungsgemäß
berufsunfähig geworden sei. Dies habe nur unter Einholung eines medizinischen
Sachverständigengutachtens entschieden werden können. Es fehle bereits an
einer konkreten Arbeitsbeschreibung des Klägers mit den regelmäßig anfallenden
Tätigkeiten. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Beklagte die Tätigkeit des
Klägers insgesamt und bezüglich jeder Einzelheit mit Nichtwissen bestritten habe.
Die Erkrankung und Berufsunfähigkeit des Klägers könne auch nicht aus den vom
Kläger zu den Akten gereichten ärztlichen Befunden und Stellungnahmen
entnommen werden, da diese nichts weiter als qualifizierter Parteivortrag seien.
Der Beklagte habe auch diesen Vortrag zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten.
Der Rücktritt der Rückdeckungsversicherung sei auch fristgerecht erfolgt, da dieser
erst am 08. Februar 2005 sichere und zuverlässige Kunde von der
Obliegenheitsverletzung des Klägers gehabt habe. Auch die erforderliche
Kausalität zwischen Obliegenheitsverletzungen und Abschluss des
Versicherungsvertrags bestehe.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. C, D und E,
die unvereidigt blieben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 27. Juni 2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger
die eingeklagte Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen. Der Beklagte ist dazu als
Unterstützungskasse nach seinem Leistungsplan verpflichtet unbeschadet des
Ausschlusses eines Rechtsanspruchs in seiner Satzung. Der Beklagte ist von
seiner Leistungspflicht auch nicht durch den Rücktritt der
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
seiner Leistungspflicht auch nicht durch den Rücktritt der
Rückdeckungsversicherung frei geworden. Der Kläger ist berufsunfähig im Sinne
der Satzung des Beklagten.
1.Der Ausschluss des Rechtsanspruchs auf Leistungen in der Satzung des
Beklagten hindert nicht, dass der Kläger von diesem Berufsunfähigkeitsversorgung
verlangen kann. Dieser Ausschluss des Rechtsanspruchs (§ 1 b Abs. 4 Satz 1
BetrAVG) ist historisch und aufsichtsrechtlich bedingt. Dadurch wird lediglich die
Aufsichtsbefugnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (früher
Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen) ausgeschlossen. Der
Arbeitnehmer eines Trägerunternehmens hat nach vom
Bundesverfassungsgericht bestätigter Rechtsprechung des BAG gegen die
Unterstützungskasse Anspruch auf die in ihrem Leistungsplan vorgesehene
Versorgung (BAG vom 18.04.1989 - 3 AZR 299/87 - zu B. 1. d. Gr. - AP Nr. 23 zu §
1 BetrAVG Unterstützungskassen; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der
betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, Rz 197; ErfK-Steinmeyer, § 1 b
BetrAVG Rz 67, jeweils m. w. N.).
2.Ein Anspruch des Klägers ist auch nicht durch den Rücktritt der
Rückdeckungsversicherung ausgeschlossen.
a) Der Rücktritt der Rückdeckungsversicherung berührt das Rechtsverhältnis
zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht. Genauso wenig wie der Kläger
Ansprüche gegen den Rückdeckungsversicherer hat, berührt es seinen Anspruch
gegen den Beklagten, wenn dieser vom Rückdeckungsversicherer keine
Leistungen verlangen kann. Die Rechtsverhältnisse zwischen dem Beklagten und
dem Kläger und dem Beklagten und der Rückdeckungsversicherung sind getrennt
zu behandeln. Der Beklagte erfüllt als vom Arbeitgeber eingeschaltete
Unterstützungskasse dessen Versorgungszusage. Die Rückdeckungsversicherung
ist lediglich ein Instrument, die Erfüllung dieser Versorgungszusage zu finanzieren
oder zu sichern (so auch LAG Hamm vom 06.09.2006 - 6 Sa 1430/05).
b) Selbst wenn ein Rücktritt des Rückversicherers auf die Verpflichtung der
beklagten Unterstützungskasse durchschlagen könnte, fehlte es jedenfalls an
einem wirksamen Rücktritt. Dabei kann zugunsten des Beklagten unterstellt
werden, dass die Rücktrittserklärung in der Frist des § 20 VVG erfolgte.
Es fehlt an einem Rücktrittsgrund.
Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG kann der Versicherer zurücktreten, wenn die Anzeige
eines erheblichen Umstandes unterblieb oder - nach § 17 VVG - wenn über einen
erheblichen Umstand eine unrichtige Anzeige gemacht wurde.
Zugunsten des Beklagten kann unterstellt werden, dass objektiv bereits im Jahr
2000 eine Erkrankung vorlag.
Es bestand aber keine Anzeigepflicht für die vom Kläger in den Anamnesen ab
dem Jahr 2003 angegebenen gelegentlichen Schmerzen. Die Frage nach
Gesundheitsstörungen erfasst nur solche Gesundheitsbeeinträchtigungen, die
nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen (BGH vom 02.03.1994 - IV
ZR 99/93 - VersR 1994, 711). Gelegentlich auftretende Muskel- oder
Gelenkschmerzen, wegen derer ein Arzt nicht aufgesucht und die keiner
Behandlung unterzogen werden, sind offensichtlich belanglos. Wenige Menschen
dürften sich so glücklich schätzen, im Laufe eines Jahres niemals Schmerzen
gehabt zu haben (vgl. dazu näher LAG Hamm vom 06. September 2006). Wenn
der Kläger gelegentlich auftretende Schmerzen, die er selbst auf sportliche
Betätigungen zurückführte, im Nachhinein und Jahre später in Zusammenhang
brachte mit einer nunmehr aufgetretenen ernsthaften Erkrankung, ändert das
daran nichts. Entscheidender Zeitpunkt ist der September 2001, als der Kläger
den Antrag ausfüllte. Damals lag lediglich eine belanglose Befindlichkeitsstörung
vor.
Schließlich würde im vorliegenden Fall auch nicht die Erheblichkeitsvermutung des
§ 16 Abs. 1 Satz 3 VVG eingreifen. Diese greift schon dann nicht ein, wenn es sich
um das erstmalige Auftreten von Beschwerden handelt, die nach kurzer ärztlicher
Behandlung weitere ärztliche Maßnahmen nicht veranlasst haben (BGH vom
07.07.1993 - IV ZR 119/92 - RuS 1993, 393).
Die Rückdeckungsversicherung hat nicht dargetan, dass sie nach ihren
Risikoprüfungsgrundsätzen allein bei der Angabe gelegentlicher Muskel- und
40
41
42
43
44
45
46
Risikoprüfungsgrundsätzen allein bei der Angabe gelegentlicher Muskel- und
Gelenkschmerzen ohne ärztliche Behandlung den Vertragsschluss abgelehnt oder
den Vertrag zumindest zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte.
Schließlich fehlte es an einem Verschulden des Klägers. Der Kläger konnte
gelegentlich auftretende Schmerzen und Abgeschlagenheit für unerheblich halten
(vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht vom 07.09.2006).
Befindlichkeitsstörungen wie gelegentliche Muskel- und Gelenkschmerzen und
Abgeschlagenheit konnte der Kläger für völlig unerheblich halten, insbesondere als
er wegen dieser niemals krankgeschrieben war und sich niemals in ärztlicher
Behandlung befunden hatte.
3. Der Kläger ist auch berufsunfähig im Sinne der „Bedingungen für die
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ der Rückdeckungsversicherung B Leben,
auf die der Leistungsplan des Beklagten verweist. Danach liegt Berufsunfähigkeit
vor, wenn die versicherte Person ununterbrochen wenigstens 6 Monate infolge
Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls mindestens zu 50% außer Stande
gewesen ist, ihrem zuletzt bei Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten Beruf - so
wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war - nachzugehen.
In diesem Fall gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.
Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen
und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, dass der
Kläger seit dem 30. September 2003 ununterbrochen seit wenigstens 6 Monaten
und noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung infolge Krankheit außer
Stande gewesen ist, sein zuletzt bei Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten
Beruf als CNC-Fräser nachzugehen. Das Gericht ist von der Wahrheit der auch in
der letzten mündlichen Verhandlung wiederholten Behauptung des Klägers
überzeugt, dass er krankheitsbedingt seiner Arbeit als CNC-Fräser nicht mehr
nachgehen kann. Dies wird bestätigt durch die Beweisaufnahme und die von der
Beklagten selbst vorgelegten ärztlichen Befunde, nämlich des Dr. F vom 05.
November 2003, des Priv. Doz. Dr. G von der Philipps-Universität Marburg vom
23.12.2003, des endgültigen Arztbriefes desselben vom 19. Januar 2004, des
Schreibens des Dr. C vom 02. April 2004, des Sozialmedizinischen Gutachtens der
MDK in Hessen vom 14.04.2004, des Wissenschaftlichen fachärztlichen
Gutachtens des Priv. Doz. Dr. H vom 26.10.2004.
Die Vernehmung der Zeugen D und E haben ergeben, dass der Kläger seit Jahren
und bis 2003 als CNC-Fräser gearbeitet hat und hierbei immer wieder mit Bormilch
in Kontakt kam und bei seiner Tätigkeit mit nicht unbeträchtlichen Kraftaufwand
sowohl Werkzeuge wie Werkstücke in Maschinen einspannen musste und zu
Letzterem Ende September 2003 vielfach nicht mehr in der Lage war und ihm
geholfen werden musste. Beide Zeugen haben weiter bekundet, dass das
Einspannen den allergrößten Teil der Tätigkeit ausmachte. Zu Zweifeln an der
Glaubhaftigkeit und der Glaubwürdigkeit dieser Aussagen besteht kein Anlass,
auch wenn es sich bei dem Zeugen D um einen Verwandten des Klägers handelt.
Angesichts der von dem Beklagten selbst zunächst vorgelegten Unterlagen, den
Angaben des Klägers in seinem Leistungsantrag und der Stellungnahme der
Süddeutschen Metallberufsgenossenschaft vom 18.06.2004, in dem jeweils der
Beruf des Klägers als CNC-Fräser angegeben wird sowie seine Ausbildung dazu
geschildert wird, hat es eher merkwürdig angemutet, dass der Beklagte im Laufe
des Prozesses selbst den Beruf des Klägers mit Nichtwissen bestritten hat.
Der Zeuge Dr. C, der Arzt, der den Kläger behandelte, hat bekundet, dass der
Kläger, seitdem er ihn im Herbst 2003 krankgeschrieben hatte, aufgrund dieser
Krankheit nicht mehr in der Lage ist seinen Beruf als CNC-Fräser auszuüben. Diese
Aussage hat der Zeuge Dr. C gemacht nachdem er die Schilderung der Tätigkeit
des Klägers durch die beiden anderen Zeugen gehört hat. Der Zeuge Dr. C hat im
Einzelnen bekundet, aufgrund welcher Feststellungen er zu dem Ergebnis kam,
dass der Kläger aufgrund einer multifaktoriellen Erkrankung seit dem 30.
September 2003 nicht mehr arbeitsfähig ist. Anlass zu zweifeln an der
Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen nicht.
Auch aufgrund dieser Aussagen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der
Kläger als CNC-Fräser beschäftigt war, in diesem Beruf mit einigem Kraftaufwand
Werkzeuge und Werkstücke ein- und ausspannen musste, dabei mit Bormilch in
Berührung kam und aufgrund einer Erkrankung seit dem 30.09.2003 nicht mehr in
der Lage ist, diesen Beruf auszuüben.
Die Aussage des Zeugen Dr. C hinsichtlich der Erkrankung des Klägers wird durch
46
47
48
49
50
Die Aussage des Zeugen Dr. C hinsichtlich der Erkrankung des Klägers wird durch
die weiteren von dem Beklagten vorgelegten und oben angeführten Arztberichte
und Gutachten bestätigt. Dr. F schildert in seinem Bericht vom 05. November
2003 von einem entzündlich rheumatischen Geschehen beim Kläger und schildert,
dass beide Ellenbogengelenke und die ventrale Oberschenkelmuskulatur im
oberen Abschnitt druckdolent sind und an den Händen beidseits deutliche
Volarflexionsschmerzen vorhanden sind und bei Streckung in beiden
Ellenbogengelenken vorhanden sind. Auch dies bestätigt, dass der Kläger eine
körperliche Tätigkeit, bei der es auf Kraftausübung mit den Händen zum sicheren
Einspannen von Werkzeugen und Werkstücken ankam, nicht mehr ausführen
konnte.
Priv. Doz. Dr. G kommt im Bericht vom 23.12.2003 des Klinikums der Philipps-
Universität Marburg zur Diagnose: „Muskelschmerz unklarer Ätiologie“ sowie im
endgültigen Arztbrief vom 19.01.2004 zu den Diagnosen: „Myalgien unklarer
Ätiologie“ (Muskelschmerzen unklarer Herkunft) sowie „Dermatitis“. In seiner
ärztlichen Bescheinigung vom 02. April 2004 führt Dr. C als Diagnose aus ein
unklares Schmerzsyndrom mit Muskel-, Gelenk- und Hautbeteiligung und
Arbeitsunfähigkeit seit Herbst 2003 mit massiven Schmerzen des
Bewegungsapparates. Im Sozialen medizinischen Gutachten vom 14.04.2004 wird
als Diagnose angeführt: Myalgien unklarer Ätiologie und Leistungsdefizit mit
Belastungsminderung und Kraftminderung beider Hände. Weiter wird in diesem
Gutachten aufgrund der erhobenen körperlichen Untersuchungsbefunde der
Kläger als weiterhin arbeitsunfähig angesehen und dies aufgrund eines
festgestellten Anforderungsprofils als CNC-Fräser mit überwiegend stehender
Tätigkeit. Als Diagnose gibt das Wissenschaftliche fachärztliche Gutachten des
Priv. Doz. Dr. H vom 26.10.2004 aufgrund der anamnestischen Daten und der
selbst erhobenen Befunde an: „Bis zum heutigen Tage ungeklärte Myalgien und
Arthralgien der peripheren Gelenke der oberen und unteren Extremität“. Weiter
führt der Gutachter aus, dass körperlich leichte Tätigkeit vom Kläger sicher
verrichtet werden könne. Aus all dem ergibt sich, dass der Kläger aufgrund einer
auf ungeklärten Ursachen beruhenden Erkrankung seit Ende September 2003
nicht mehr in der Lage war seinen Beruf als CNC-Fräser auszuüben. Allein die
Muskel- und Gelenkschmerzen mussten den Kläger daran hindern, eine Tätigkeit
auszuüben, bei der mit teilweise ganz erheblichem Kraftaufwand Werkzeuge und
Werkstücke, die fest und sicher sitzen mussten, einzuspannen.
Eines weiteren Sachverständigengutachtens bedurfte es dazu nicht. Das Gericht
ist auch selbst dazu in der Lage, zu beurteilen, dass man Werkzeuge und
Werkstücke nicht mit der erforderlichen Sicherheit einspannen kann, wenn man
Muskel- und Gelenkschmerzen hat und die Faust nur unter Schmerzen schließen
kann. Dies ergibt sich aber auch aus dem Wissenschaftlich fachärztlichen
Gutachten von Dr. H. Dieses hat die Beklagte selbst vorgelegt. Dessen Verwertung
für die Überzeugungsbildung des Gerichts steht nichts entgegen. Dieses
Gutachten wurde insbesondere nicht im Auftrag des Klägers sondern in dem der
Süddeutschen Metallberufsgenossenschaft erstellt und kam zudem noch zu einem
im Hinblick auf die Annahme einer Berufskrankheit für den Kläger negativen
Ergebnis. Auch die weiteren von dem Beklagten vorgelegten Befundberichte
konnte das Gericht für seine Überzeugungsbildung verwerten. Unstreitig stammen
diese Berichte von den jeweils als Verfasser angegebenen Ärzte und nicht vom
Kläger. Schließlich hat der Zeuge, der als Arzt sachverständig ist ebenfalls
bekundet, dass der Kläger seine Tätigkeit als CNC-Fräser nicht mehr ausüben
konnte. Der Verwertung dieser Aussage steht nichts entgegen. Dass der Zeuge
der behandelnde Arzt des Klägers ist, kann allein bei der Beweiswürdigung eine
Rolle spielen, begründet aber kein Beweisverwertungsverbot. Die Kammer hat
auch keinen Grund zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Zeugen gesehen. Der
Zeuge hat in keiner Weise den Eindruck erweckt, er wolle mit seiner Aussage dem
Kläger in seinem Prozess helfen. Die Aussage des Zeugen wurde auch
eindrucksvoll durch die Aussagen der anderen Zeugen und die späteren
Diagnosen sämtlicher Ärzte, die mit dem Kläger zu tun hatten, bestätigt.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.