Urteil des LAG Hessen vom 22.10.2008

LAG Frankfurt: qualifiziertes arbeitszeugnis, vergleich, abrechnung, arbeitsgericht, zwangsvollstreckung, vollstreckungsverfahren, auszahlung, zusammensetzung, zwangsgeld, bestandteil

1
2
3
Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
12. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 Ta 325/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 108 GewO, § 109 Abs 1 S 3
GewO, § 887 ZPO, § 888 ZPO
(Zwangsvollstreckung - Lohnabrechnung -
Zeugniserteilung)
Leitsatz
1. Der Anspruch auf Lohnabrechung gemäß § 108 GewO ist nach § 887 ZPO zu
vollstrecken. Die Erfüllung steht einer weiteren Vollstreckung entgegen. Der Anspruch
ist erfüllt, wenn nachvollziehbar wird, wie der Arbeitgeber im einzelnen den
Auszahlungsbetrag errechnet hat. Ein Streit über die materielle Richtigkeit der
ausgewiesenen Beträge und Abzüge ist im Klagewege und nicht im
Vollstreckungsverfahren zu klären.
2. Der in einem Vergleich titulierte Anspruch auf Erteilung eines "wohlwollenden,
qualifizierten Arbeitszeugnisses" ist erfüllt, wenn das Zeugnis bestimmten, jedem
Zeugnisanspruch innewohnenden formellen Anforderungen genügt und es Angaben zu
Art und Dauer der Tätigkeit sowie eine Beurteilung von Leistung und Verhalten enthält.
Wird darüber hinaus ein konkreter Inhalt gewünscht, ist das entweder im Vergleich im
Wortlaut zu vereinbaren oder erneut auf dem Klagewege durchzusetzen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Offenbach vom 25.06.2008 – 3 Ca 248/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Gläubiger wendet sich mit seiner am 4.07.2008 beim Arbeitsgericht
eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihm am 30.06.2008
zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 25.06.2008 (Az. 3 Ca
248/07), mit dem das Gericht ihm die Verhängung von Zwangsmitteln gegen die
Schuldnerin wegen der Nichterfüllung der im gerichtlichen Vergleich vom
23.01.2008 eingegangenen Verpflichtungen, ein wohlwollendes, qualifiziertes
Arbeitszeugnis sowie eine Lohnabrechnung für den Monat Mai 2007 zu erteilen und
den errechneten Nettobetrag auszuzahlen, versagt hat. . Die Schuldnerin erteilte
dem Gläubiger nach Abschluss des Vergleichs und bevor die zu bescheidenden
Zwangsmittelanträge anhängig gemacht waren, sowohl ein qualifiziertes
Arbeitszeugnis als auch eine Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2007.
Der Gläubiger ist der Ansicht, dass durch die Handlungen der Schuldnerin keine
Erfüllung der im gerichtlichen Vergleich von ihr eingegangenen Verpflichtungen
eingetreten sei. Zudem sei ein Zwangsgeld auch zur Erzwingung der Auszahlung
des dem Gläubiger für Mai 2007 zustehenden Nettogehalts zu verhängen.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Gläubigers nicht abgeholfen
und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
4
5
6
7
8
9
10
11
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 793 ZPO an sich
statthaft und wurde innerhalb der in § 569 ZPO normierten Zweiwochenfrist
eingelegt.
In der Sache selbst hat die Beschwerde keinen Erfolg. Wie das Arbeitsgericht in
seinem Beschluss zutreffend ausgeführt hat, hat die Schuldnerin sowohl ihre
Verpflichtung auf Erteilung einer Abrechnung für den Monat Mai 2007 als auch zur
Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Arbeitszeugnisses erfüllt (§ 362 BGB).
Es bedarf deshalb keiner weiteren Vollstreckungshandlungen mehr. Der Antrag auf
Verhängung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Auszahlung des
abgerechneten Nettobetrages war dagegen von vornherein unzulässig, weil die
Zwangsvollstreckung von Geldforderungen gemäß §§ 803 ff ZPO erfolgt. Die
Beschwerdekammer folgt in vollem Umfang der Begründung des angefochtenen
Beschlusses und macht sich diese zu Eigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen
wird auf Ziff. II der Gründe des Beschlusses verwiesen.
Aufgrund des Beschwerdevorbringens ist lediglich Folgendes ergänzend
auszuführen:
1. Gemäß § 108 Gewo dient der Anspruch auf Abrechnung dazu, die Berechnung
und Zahlung der Vergütung für den Arbeitnehmer transparent zu machen
(ErfK/Preis § 108 GewO Rz. 1). Zu diesem Zweck ist die Abrechnung in Textform zu
erteilen und hat Angaben zum Abrechnungszeitraum und zur Zusammensetzung
des Arbeitsentgelts zu enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind
insbesondere Angaben über Art und Höhe von Zuschlägen, Zulagen, sonstige
Vergütungen und Art und Höhe der Abzüge erforderlich. All diese Punkte sind in
den von der Schuldnerin für den Monat Mai 2007 vorgelegten Abrechnungen in
nachvollziehbarer Form enthalten. Bestandteil des Anspruchs auf Abrechnung ist
jedoch nicht, dass am Ende der Nettobetrag erscheint, den der Arbeitnehmer für
sich erwartet. Der Anspruch ist vielmehr dann erfüllt, wenn nachvollziehbar wird,
wie der Arbeitgeber den Auszahlungsbetrag errechnet hat. Ein Streit über die
materielle Richtigkeit der einzelnen ausgewiesenen Beträge und Abzüge – außer
über die im Vergleich vereinbarten Brutto-Ausgangswerte - ist im Klagewege und
nicht im Vollstreckungsverfahren zu klären.
2. Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses erstreckt sich
gemäß § 109 Abs. 1 S. 3 GewO darauf, dass es nicht nur Angaben zu Art und
Dauer der Tätigkeit enthält, sondern sich die Angaben auch auf die Leistung und
das Verhalten des Arbeitnehmers erstrecken. Durch den Zusatz „wohlwollend“
wird allgemein ausgedrückt, dass das Zeugnis hinreichend Rücksicht auf das
berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nehmen soll. Schon daraus wird
deutlich, dass ein entsprechender Titel keinen vollstreckbaren Inhalt mehr hat,
soweit daraus auch Ansprüche auf einen konkreten Zeugnisinhalt, insbesondere
eine bestimmte Wortwahl und eine bestimmte Beurteilung von Leistung und
Verhalten abgeleitet werden. Der Anspruch ist vielmehr erfüllt, soweit das Zeugnis
bestimmten, jedem Zeugnisanspruch innewohnenden formellen Anforderungen
genügt – die das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat – und es Angaben zu Art
und Dauer der Tätigkeit sowie eine Beurteilung von Leistung und Verhalten enthält.
Wird darüber hinaus ein konkreter Inhalt des Zeugnisses gewünscht, ist das
entweder im Vergleich im Wortlaut zu vereinbaren oder erneut auf dem Klagewege
durchzusetzen.
3. Geldforderungen sind allein nach § 803 ff ZPO und nicht mittels der Verhängung
eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO zu vollstrecken. Diese zwingenden
gesetzlichen Bestimmungen werden durch den Inhalt eines gerichtlichen
Vergleichs nicht aufgehoben. Der Vergleich hat hier im Übrigen keinerlei
vollstreckbaren Inhalt, weil sich aus ihm die zu vollstreckende (Netto-)Summe
nicht ergibt.
4. Dem Gläubiger waren auch die Kosten für das Verfahren aufzuerlegen; denn der
Antrag des Gläubigers zur Erzwingung der Abrechnung für den Monat Mai 2007 ist
erst nach Erteilung der Abrechnung vom 23.5.2008, mit Schriftsatz vom
10.06.2008, anhängig gemacht worden und war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr
veranlasst.
Der Gläubiger hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten seiner
11
12
Der Gläubiger hat gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten seiner
erfolglosen Beschwerde zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde waren nicht erkennbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.