Urteil des LAG Hessen vom 06.12.2005

LAG Frankfurt: dispositionen treffen, altersrente, anknüpfung, unternehmen, erlöschen, gleichbehandlung, feststellungsklage, bankgewerbe, geschlechtsdiskriminierung, firma

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 Sa 617/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 75 Abs 1 BetrVG, § 111
BetrVG, § 112 BetrVG, §
237a SGB 6
(Sozialplanleistung - Vorruhestandsgeld -
Geschlechtsdiskriminierung)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
vom 23. Februar 2005 - 7 Ca 1205/04 - wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Dauer des
Anspruchs auf Vorruhestandsgeld.
Die am 18. Dezember 1946 geborene Klägerin stand seit 01. Juli 1978 in den
Diensten der Rechtsvorgängerin und Muttergesellschaft der Beklagten, der A-
Bank. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 01. Februar 2000 von der Beklagten, die
damals die Firma B-Gesellschaft trug und zum 01. April 2001 ihre jetzige Firma
erhielt, unter Anrechnung der Vorbeschäftigungszeit übernommen.
Die Unternehmen des Konzerns der A-Bank waren zum 01. Januar 1999 mit denen
der C (C) zusammengeschlossen worden. Aus diesem Anlass schlossen am 15.
Dezember 1998 die betroffenen Unternehmen einschließlich der A-Bank und der
Beklagten mit dem Gesamtpersonalrat der C und dem „gemeinsamen Betriebsrat
der A-Gruppe“, also dem Konzernbetriebsrat, eine als „Befristete Betriebs-
/Dienstvereinbarung“ bezeichnete Vereinbarung (nachfolgend BV). Gemäß deren
Ziffern 3 und 4.1 waren betriebsbedingte Kündigungen aus Anlass der
Zusammenführung der Unternehmen ausgeschlossen, sofern den betroffenen
Arbeitnehmern nicht der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem anderen
Konzernunternehmen unter Besitzstandswahrung angeboten wurde. Gemäß Ziffer
5.6 wurde „zur Minderung eventuell entstehender sozialer Härten“ in der Anlage 1
zur BV eine Vorruhestandsregelung getroffen. Nach Ziffer 8.1 wurde die Laufzeit
bis 31. Dezember 2003 befristet. In der Anlage 1 sind u.a. folgende Regelungen
vorgesehen:
„Die Laufzeit sowie die Kündigungsmodalitäten dieser Regelung
ergeben sich aus der übergeordneten befristeten Betriebs-/Dienstvereinbarung
vom 15. Dezember 1998 und sind insoweit an diese gekoppelt.
Anspruchsvoraussetzungen
1. Arbeitnehmer mit einer mindestens 15-jährigen
Betriebszugehörigkeit haben ab dem 58. Lebensjahr, Arbeitnehmer mit einer
mindestens 25-jährigen Betriebszugehörigkeit haben ab dem 55. Lebensjahr
Anspruch auf Leistungen nach dieser Regelung, sofern zwischen der
Arbeitnehmervertretung und dem Arbeitgeber Einvernehmen über die Beendigung
des konkreten Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Inanspruchnahme dieser
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des konkreten Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Inanspruchnahme dieser
Vorruhestandsregelung erzielt wird.
Höhe des betrieblichen Vorruhestandsgeldes
1. Das betriebliche Vorruhestandsgeld beträgt in den ersten 3 Monaten
80%, danach 75% des letzten Bruttomonatsgehalts. Ausgenommen sind
Erschwerniszulagen, Vergütungen gem. § 5 MTV, vermögenswirksame Leistungen
und einmalige Sonderzahlungen.
2. Das betriebliche Vorruhestandsgeld nimmt entsprechend an linearen
Tarifgehaltssteigerungen teil.
Sozialversicherungsbeiträge
Der Arbeitgeber trägt die Hälfte des Beitrags, der sich auf der
Grundlage des betrieblichen Vorruhestandsgeldes für die Pflichtversicherung des
ausgeschiedenen Arbeitnehmers in der Kranken- und Rentenversicherung ergibt.
Die Höhe der Arbeitgeberbeiträge richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften
des Sozialgesetzbuches.
Hinsichtlich der gesetzlichen Pflegeversicherung trägt der Arbeitgeber
den gesetzlichen Arbeitgeberanteil.
Betriebliche Sonderleistungen
Während der Zahlung des betrieblichen Vorruhestandsgeldes werden
folgende betriebsübliche Leistungen für Mitarbeiter auch an die Empfänger von
Vorruhestandszahlungen gem. dieser Vereinbarung weiter gewährt:
Angestelltenkonditionen bei der Abwicklung von Bankgeschäften im Aktiv-, Passiv-
und Dienstleistungsbereich. Außerdem bleiben Leistungen von Unterstützungs-
und Sterbekassen erhalten.
Erlöschen der Ansprüche
1. Die Leistungen aus dieser Regelung erlöschen mit Beginn des
Monats, für den der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altersruhegeld,
Erwerbsunfähigkeitsrente, Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche
Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann.
2. Die Ansprüche erlöschen spätestens mit Ablauf des Monats, in dem
der ausgeschiedene Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet.
3. Die Ansprüche erlöschen ferner, wenn der Arbeitnehmer nach
seinem Ausscheiden ohne schriftliche Genehmigung des Arbeitgebers
Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten gegen Entgelt ausübt. Über die
Zustimmung zur Ausübung von weiteren Beschäftigungsverhältnissen wird seitens
der Bank wohlwollend entschieden.“
Wegen des vollständigen Inhalts der BV und deren Anlage 1 wird auf die Anlage zur
Sitzungsniederschrift vom 05. April 2004 (Bl. 14 - 26 d. A.) Bezug genommen. Die
Parteien schlossen am 10. Januar 2002 eine Vorruhestandsvereinbarung, der
gemäß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2003 endete und die Klägerin
ab 01. Juli 2003 Vorruhestandsbezüge gemäß dem Tarifvertrag zur Regelung des
Vorruhestands für das private Bankgewerbe „unter Berücksichtigung der Betriebs-
/Dienstvereinbarung der C-A-Bank vom 15. Dezember 1998“ erhalten sollte. Ziffer
4 der Vereinbarung lautet:
„Der Anspruch auf Zahlungen von Vorruhestandsbezug erlischt mit
Beginn des Monats, für den Frau D Altersruhegeld, Rente wegen Erwerbs- oder
Berufsunfähigkeit oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen
kann, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem Frau D das 60. Lebensjahr
vollendet. Der Anspruch auf Zahlung von Vorruhestandsbezug erlischt ferner,
wenn Frau D nach ihrem Ausscheiden ohne Genehmigung der A-Immobilien
Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten gegen Entgelt ausübt.“
Wegen des vollständigen Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage zum
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Wegen des vollständigen Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage zum
Schriftsatz vom 15. August 2005 (Bl. 126, 127 d.A.) Bezug genommen. Die
Klägerin rügte im September 2002 die Höhe ihrer Altersrente. Wegen der
Einzelheiten der Korrespondenz der Parteien wird auf die Anlage zum Schriftsatz
vom 15. August 2005 (Bl. 130, 131 d.A.) Bezug genommen. In diesem
Zusammenhang bot die Beklagte der Klägerin am 07. September 2002 an, die
Vorruhestandsvereinbarung als gegenstandslos zu betrachten und das
Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Klägerin ging auf dieses Angebot nicht ein und
nahm den Vorruhestand vereinbarungsgemäß in Anspruch. Im vorliegenden
Verfahren macht die Klägerin geltend, sie werde wegen ihres Geschlechts
diskriminiert, da Männer in Hinblick auf das höhere Eingangsalter der
vorgezogenen gesetzlichen Altersrente (§ 236 SGB VI statt § 237 a SGB VI) von
der Beklagten bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Vorruhestandsleistungen
erhalten, sofern sie nicht aus anderen Gründen zu einem früheren Zeitpunkt
Anspruch auf gesetzliche Rentenleistungen besitzen, und weil deren gesetzliche
Altersrente gem. § 77 SGB VI entsprechend weniger gekürzt wird.
Dementsprechend verlangt sie von der Beklagten die Weitergewährung des
Vorruhestandsgeldes über die Vollendung ihres 60. Lebensjahres hinaus bis zur
Vollendung des 63. Lebensjahres.
Die Klägerin hat, soweit noch von Interesse, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie Vorruhestandsgeld aus der
Vereinbarung vom 10. Januar 2002 über den Dezember 2006 hinaus in Höhe von
derzeit monatlich € 3.468,00 brutto, fällig jeweils am 01. des laufenden Monats bis
einschließlich Dezember 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, die
Differenzierung sei durch das unterschiedliche gesetzliche Renteneingangsalter
von Frauen und Männern gerechtfertigt. Zudem stehe der Forderung der Klägerin
entgegen, dass diese sich freiwillig auf den Vorruhestand einließ.
Wegen der Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts und des weiteren
erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils (Bl. 53 - 55 d.A.) und auf die mit diesen in Bezug
genommenen Schriftsätze verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Klage
abgewiesen. Es hat im Wesentlichen angenommen, dass der erstinstanzliche
Hauptantrag der Klägerin zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Die
Vorruhestandsbezüge seien Entgelt im Sinne von Art. 141 EGV. Die Anknüpfung
an den frühestmöglichen Beginn der gesetzlichen Altersrente sei durch den
Überbrückungszweck des Vorruhestands gerechtfertigt. Wegen der weiteren
Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 55 - 59 d.A.) Bezug
genommen.
Die Klägerin hat gegen das am 14. März 2005 zugestellte Urteil am 04. April 2005
Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der
Begründungsfrist bis 14. Juni 2005 am 14. Juni 2005 begründet. Sie rügt weiterhin,
dass sie gegenüber gleichaltrigen Männern allein wegen ihres Geschlechts
diskriminiert werde. Das Vorruhestandsgeld habe nicht Überbrückungsfunktion,
sondern diene in seiner Funktion als Gehaltsersatz als Anreiz für den der
Beklagten anderweitig kaum möglichen Abbau tarifvertraglich unkündbarer älterer
Arbeitnehmer.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Klägerin wird auf den
Schriftsatz vom 14. Juni 2005 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2005
- 7 Ca 1205/04 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
an die Klägerin Vorruhestandsgeld gemäß der Vereinbarung vom 10. Januar 2002
für die Zeit vom 01. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2009 zu zahlen.
Die Beklagte rügt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags, die Klage sei
mangels aktuell bestehenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Sie ist der
Ansicht, da die BV in Verbindung mit ihrer Anlage 1 auch Arbeitnehmerinnen
gegenüber der tarifvertraglichen Rechtslage besserstelle, liege für Frauen keine
Benachteiligung vor. Zudem könne die Anknüpfung an das gesetzliche
Rentenrecht angesichts der Überbrückungsfunktion des Vorruhestandsgeldes kein
Diskriminierungstatbestand sein. Wegen der freien Entscheidung der Klägerin, das
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Diskriminierungstatbestand sein. Wegen der freien Entscheidung der Klägerin, das
Vorruhestandsgeld in Anspruch zu nehmen, sei ihre Klage rechtsmissbräuchlich.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf die
Schriftsätze vom 15. August, 28. November und 05. Dezember 2005 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu
Recht abgewiesen.
1. Die Klage ist in der Form des im Berufungstermin gestellten Antrags zulässig.
a) Die Klägerin hat ein Interesse an alsbaldiger Feststellung des von ihr zur
Entscheidung gestellten Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Ein
Interesse an der Feststellung eines Rechtsverhältnisses besteht auch dann, wenn
sich aus ihm erst in Zukunft Rechtsfolgen ergeben, der Kläger aber Klarheit über
dessen Bestehen benötigt, um zur Gewährleistung seiner wirtschaftlichen
Absicherung Dispositionen treffen zu können. Dies ist im Recht der betrieblichen
Altersversorgung anerkannt (vgl. etwa BAG 07. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE
79/236, zu A III 2; 12. März 1996 - 3 AZR 993/94 - AP TV Arbeiter Bundespost § 24
Nr. 1, zu B II 2; 27. Januar 1998 - 3 AZR 415/96 - AP BetrAVG § 1
Zusatzversorgungskasse Nr. 45, zu A III 2) und kann für die vorliegend streitigen
Vorruhestandsleistungen nicht anders beurteilt werden. Diese haben ähnlich wie
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Versorgungsfunktion. Der
Arbeitnehmer muss daher rechtliche Unklarheiten vor dem Leistungsbeginn klären
können, um über seine wirtschaftliche Absicherung Klarheit zu besitzen und auf
dieser Grundlage weitere finanzielle Dispositionen treffen zu können.
Daran ändert der Umstand nichts, dass wie bei zukünftigen
Betriebsrentenansprüchen zum Entscheidungszeitpunkt nicht feststeht, ob der
Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt überhaupt noch leben wird, um die Leistungen in
Anspruch nehmen zu können, oder ob der Anspruch auf diese wegen eines
zwischenzeitlich entstandenen Anspruchs auf vorgezogene gesetzliche Altersrente
etwa wegen Schwerbehinderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (§ 236 a SGB VI)
entfällt. Derartige Unwägbarkeiten ändern am aktuellen Bestehen des
Feststellungsinteresses nichts. Treten sie nach dem Schluss der letzten
mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen ein, werden sie von der
Rechtskraft des Sachurteils (§ 322 Abs. 1 ZPO) nicht erfasst. Sie können dann ggf.
von der verurteilten Beklagten mit ihrem Eintritt als Einwand gegenüber einer auf
den Feststellungstitel gestützten Leistungsklage gebraucht oder zum Gegenstand
einer negativen Feststellungsklage gemacht werden.
b) Der auf die Leistung von „Vorruhestandsgeld gemäß der Vereinbarung vom 10.
Januar 2002“ gerichtete Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO. Eine derartige Bezugnahme im Antrag auf eine bestimmte
Versorgungsregelung ist zulässig, da er nicht vermeidbar unklar ist, wenn über die
Anwendbarkeit, nicht aber über die Auslegung der Versorgungsregelung Streit
besteht (vgl. zur betrieblichen Altersversorgung etwa BAG 22. November 1994 - 3
AZR 349/94 - BAGE 78/288, zu A; 17. Oktober 2000 - 3 AZR 69/99 - AP BetrAVG §
1 Zusatzversorgungskasse Nr. 56, zu A II). Steht der mit der Klage geltend
gemachte Anspruch der Klägerin fest, wird dessen Berechnung gemäß der
Bestimmungen von Ziffer 2 der Vorruhestandsvereinbarung vom 10. Januar 2002
voraussichtlich unproblematisch möglich sein.
c) Die grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber
Leistungsklagen ändert ebenfalls nichts an der Zulässigkeit des Antrags. Dieser
Grundsatz gilt nicht gegenüber einer hier allein in Betracht kommenden Klage auf
zukünftige Leistung (BAG 07. November 1995 - 3 AZR 952/94 - AP TVG § 1
Tarifverträge: Bühnen Nr. 1, zu A 2 a; 19. Juni 2001 - 1 AZR 463/00 - BAGE 98/76,
zu I 2 a). Zudem rügt die Beklagte zu Recht, dass ein Leistungsantrag derzeit nicht
konkret beziffert werden könnte, da die Anspruchshöhe von nicht vorhersehbaren
zukünftigen Entwicklungen abhängt, etwa gemäß Ziffer 2.3 der
Vorruhestandsvereinbarung von der allgemeinen Tarifentwicklung im privaten
Bankgewerbe. Eine den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechende
vollstreckbare Leistungsklage kann daher derzeit noch nicht erhoben werden.
d) Der von der Kammer angeregte Antragswechsel aus dem Berufungstermin
veranlasst keine Prüfung der Voraussetzungen von § 263 ZPO, da gemäß § 264
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veranlasst keine Prüfung der Voraussetzungen von § 263 ZPO, da gemäß § 264
Nr. 2 ZPO der Übergang von einer Leistungs- auf eine Feststellungsklage ohne
Änderung des Klagegrundes keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO,
sondern eine von den Voraussetzungen von § 263 ZPO unabhängige
Klageeinschränkung ist (BAG 05. November 1965 - 3 AZR 116/65 - BAGE 17/331,
zu I 1; 21. März 1996 - 2 AZR 543/95 - AP BGB § 123 Nr. 42, zu A). Zudem wäre
der Antragswechsel gemäß der vorstehenden Ausführungen aber auch
sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO, da nur der Feststellungsantrag eine
Sachentscheidung zulässt.
2. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Leistung
von Vorruhestandsgeld durch die Beklagte über den Zeitpunkt hinaus, zudem sie
gemäß § 237 a SGB VI Anspruch auf vorgezogene Altersrente hat, d.h. über die
Vollendung ihres 60. Lebensjahres hinaus. Ihr Anspruch auf derartige Leistungen
endet vielmehr mit dem 31. Dezember 2006.
Als Anspruchsgrundlage kommt weder die Anlage 1 zur BV in Betracht noch die
Vorruhestandsvereinbarung vom 10. Januar 2002. Diese Regelungen schließen mit
ihrer Begrenzung der Bezugsberechtigung auf den Zeitpunkt der frühestmöglichen
gesetzlichen Rentenleistungen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch
aus. Dieser könnte der Klägerin nur unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten
zustehen, wenn sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert oder aus sonstigen
Gründen unsachlich benachteiligt würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
a) Prüfungsgegenstand ist nicht isoliert die Vertragsklausel von Ziffer 4 der
Vorruhestandsvereinbarung der Parteien, sondern die Anspruchsbegrenzung in
der Anlage 1 zur BV. Letztere wird durch Ziffer 4 der Vorruhestandsvereinbarung
nur individualrechtlich umgesetzt. Folgt der Arbeitgeber individualrechtlich dem
Regelungskonzept einer Norm, etwa einer Betriebsvereinbarung, kann dies für sich
keinen Anspruch auf Gleichbehandlung von der Norm nicht erfasster Arbeitnehmer
begründen, da der Arbeitgeber in diesem Fall selbst keine Regelungsmacht ausübt
und nicht für Gleichbehandlung sorgen kann. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung
zugunsten von der Norm nicht begünstigter Arbeitnehmer kann in diesem Fall nur
bestehen, wenn die Norm ihrerseits gleichheitswidrig ist (ständige Rechtsprechung,
etwa BAG 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 25, zu
III; 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 - EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche
Lohngestaltung Nr. 6, zu II 1).
b) § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verbietet den Betriebsparteien u.a. die
unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern wegen ihres Geschlechts. Da
damit bereits ein einfach gesetzliches Diskriminierungsverbot gilt, kommt es auf
die von den Parteien erörterte Frage nicht an, ob das Vorruhestandsgeld Entgelt
im Sinne von Art. 141 EGV ist. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bleibt in seinem
Regelungsgehalt nicht hinter Art. 141 EGV zurück. Diese Norm überführt vielmehr
im deutschen Verfassungsrecht, im EU-Recht und im internationalen Arbeitsrecht
vorgesehene Verbote der Diskriminierung wegen des Geschlechts in das
einfachgesetzliche Betriebsverfassungsrecht (vgl. nur GK-BetrVG-Kreutz 8. Aufl. §
75 Rz 60).
Die Anspruchsbegrenzung differenziert durch ihre Anknüpfung an den
frühestmöglichen Zeitpunkt für den Bezug der gesetzlichen Rente nicht
unmittelbar nach dem Geschlecht. Im Einzelfall kann der Anspruch auf
Vorruhestandsgeld bei Männern deutlich früher enden als bei Frauen,
insbesondere wenn Männer vor dem allgemeinen oder dem vorgezogenen
Bezugsalter für Altersrente Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente erhalten
können. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG untersagt jedoch auch die mittelbare
Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine solche liegt vor, wenn eine Regelung
an formal geschlechtsneutrale Merkmale anknüpft, die zwar bei beiden
Geschlechtern vorliegen können, tatsächlich jedoch überwiegend von Angehörigen
eines Geschlechts verwirklicht werden, ohne dass die Verwendung des Kriteriums
durch Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung wegen des
Geschlechts zu tun haben (vgl. Art. 2 der Beweislastrichtlinie 97/80/EG; EuGH 14.
Dezember 1995 - C-317/93 - EuGHE I-1995/4625 Tz. 28; BVerfG 27. November
1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97/35, zu B II 1).
Die Klägerin macht zutreffend geltend, dass sie durch das der Anlage 1 zur BV
zugrundegelegte Differenzierungskriterium „frühestmögliche Rentenberechtigung
in der gesetzlichen Rentenversicherung“ gegenüber gleichaltrigen Arbeitnehmern
benachteiligt wird, sofern sie nicht vor dem 60. Lebensjahr aus anderen Gründen,
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benachteiligt wird, sofern sie nicht vor dem 60. Lebensjahr aus anderen Gründen,
etwa wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, einen gesetzlichen
Rentenanspruch erwirbt, wofür bisher kein Anhaltspunkt besteht. Vor dem 01.
Januar 1952 geborene Frauen haben unter den Voraussetzungen von § 237 a SGB
VI Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres, wie die Klägerin
vor dem 01. November 1949 geborene Männer jedoch unter den Voraussetzungen
von § 236 SGB VI erst ab dem 63. Lebensjahr. Dies bewirkt, dass gleichaltrige
Männer, wenn sie nicht aus anderen Gründen gesetzliche Rente beanspruchen
können, von der Beklagten drei Jahre länger Vorruhestandsgeld erhalten als die
Klägerin. Zudem erleidet die Klägerin insoweit gegenüber gleichaltrigen Männern
ohne vorgezogene Rentenberechtigung aus besonderen Gründen einen
erheblichen Nachteil, als ihre gesetzliche Altersrente dadurch, dass sie zu deren
Inanspruchnahme ab Vollendung des 60. Lebensjahres gezwungen ist, gemäß § 77
Abs. 2 Nr. 1 SGB VI um 18% gekürzt wird, während bei gleichaltrigen Männern
infolge der auf die Vollendung des 63. Lebensjahres aufgeschobenen vorzeitigen
Inanspruchnahme nur ein Abschlag von 7,2% anfällt. Dies kann entgegen der
Ansicht der Beklagten nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Klägerin durch
die Regelung von Anlage 1 der BV gegenüber der allgemeinen tariflichen
Rechtslage im privaten Bankgewerbe bessergestellt wird. Allein die Tatsache, dass
Vergünstigungen gewährt werden, rechtfertigt nicht Diskriminierungen zwischen
den Begünstigten. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Klägerin zur
Inanspruchnahme des Vorruhestandes nicht verpflichtet war.
Die Anknüpfung an das frühestmögliche Rentenalter in der gesetzlichen
Rentenversicherung ist angesichts des Leistungszwecks des Vorruhestandsgeldes
jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die nichts mit dem Geschlecht zu
tun haben. Arbeitsrechtliche Regelungen, die an das gesetzliche Rentenrecht und
das dort bestimmte unterschiedliche Rentenbezugsalter anknüpfen, können nach
deutschem Recht gerechtfertigt sein. Dies gilt insbesondere für die Begrenzung
von Sozialplanleistungen (BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - AP BetrVG 1972 §
112 Nr. 103, zu II 2 b, c; 03. August 1999 - 1 AZR 677/98 - n.v., zu II 2 a cc; 14.
Dezember 1999 - 1 AZR 267/99 - n.v., zu II 1 b) und für Regelungen, die an das an
sich zugunsten von Frauen zum Ausgleich von deren typischer Doppelbelastung
wirkende unterschiedliche Zugangsalter für Frauen und Männer zur gesetzlichen
Rentenversicherung anknüpfen (BAG 18. März 1997 - 3 AZR 759/95 - BAGE
85/284, zu III.; 03. Juni 1997 - 3 AZR 910/95 - BAGE 86/79, zu 3 b aa). Zulässig sind
Regelungen, die zu arbeitsrechtlichen Nachteilen von Frauen wegen des früheren
Zeitpunkts der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente führen, allerdings nur, wenn
ein Zusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber gewährten Leistung und der
Möglichkeit des Rentenbezugs besteht. Maßgeblich dafür ist der Zweck der
Leistung (BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00 - BAGE 102/260, zu I 4 c aa;
namentlich für Vorruhestandsleistungen generell gegen die Zulässigkeit der
Anknüpfung an unterschiedliche Rentenaltersgrenzen dagegen Hess. LAG 22.
Januar 2002 - 15 Sa 1786/01 - n.v.).
Bei dem aufgrund der Anlage 1 zur BV gewährten Vorruhestandsgeld handelt es
sich um eine Sozialplanleistung. Die BV selbst hat den Charakter eines
Interessenausgleichs, da sie die Folgen des Zusammenschlusses der einzelnen
Betriebe der Unternehmen der DESPA- und C-Konzerne im Sinne von § 111 Satz 3
Nr. 3 erste Alternative in Verbindung mit § 112 BetrVG regelt. Die Anlage 1 sieht
im Sinne eines Interessenausgleichs gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG
Kompensationsregelungen für Arbeitnehmer vor, die zu einem freiwilligen
Ausscheiden bereit waren. Der von der Klägerin in der Erörterung im
Berufungstermin betonte Umstand, dass seinerzeit kein allgemeiner
Personalabbau angestrebt war, ändert an der sich aus Ziffer 5.7 BV in Verbindung
mit der Anlage 1 ergebenden Absicht der Betriebsparteien nichts, in
Zusammenhang mit dem Zusammenschluss der Konzerne und deren Betriebe
jedenfalls den Arbeitnehmern der älteren Jahrgänge einen Anreiz zum vorzeitigen
Ausscheiden zu geben und dadurch einen Personalabbau zu erzielen, dessen
Folgen durch die Vorruhestandsregelung gemildert werden sollten.
Sozialplanregelungen haben regelmäßig keine über das Erreichen des
gesetzlichen Rentenalters hinausgehende Funktion. Daher besteht ein sachlicher
Zusammenhang zwischen Überbrückungsleistungen aus einem Sozialplan und der
Möglichkeit des Bezugs gesetzlicher Altersrente. Die Betriebspartner haben die
Regelungen eines Sozialplans am Zweck der Sozialplanleistungen auszurichten,
der darin besteht, mit einem begrenzten Volumen möglichst allen von der
Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte
Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder bis zum
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Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder bis zum
Bezug von Altersrente zu ermöglichen. Mangels Vorhersehbarkeit der später
tatsächlich eintretenden Nachteile ist dabei eine Pauschalierung zulässig (BAG 23.
August 1988 - 1 AZR 284/87 - BAGE 59/255, zu III 3 a; 24. November 1993 - 10
AZR 311/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 72, zu II 2 b; 19. Oktober 1999 - 1 AZR
838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135, zu I 1; 05. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 -
AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141, zu II 2 c). Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts erstreckt sich der Überbrückungszweck längstens bis zum
Bezug von Altersrente (BAG 19. Oktober 1999 a.a.O., zu I 1; 30. Oktober 2001 - 1
AZR 65/01 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 145, zu I 2 b). Dementsprechend kann - wie
dargelegt - in Sozialplänen das Recht zum vorgezogenen Bezug der gesetzlichen
Altersrente als Anspruchsbegrenzung herangezogen werden. In der derartig
beschränkten Reichweite des Zwecks von Sozialplanleistungen liegt ein innerer
Zusammenhang zu dem Beginn der gesetzlichen Rente, der ein Anknüpfen an den
jeweiligen individuellen Rentenbeginn legitimiert. Sollen demgegenüber mit
Sozialplanleistungen auch Nachteile nach dem Erreichen des Rentenalters
gemildert werden, muss dies im Sozialplan deutlich zum Ausdruck gebracht
werden (Hess. LAG 01. November 2005 - 4 Sa 848/05 - n.v.). Gesetzlich geboten
ist eine Kompensation von Nachteilen über das gesetzliche Rentenalter hinaus
nicht.
Dies gilt auch dann, wenn das gesetzliche Rentenbezugsrecht an Kriterien
anknüpft, die Gegenstand von Diskriminierungsverboten sind, sofern die
rentenrechtliche Regelung ihrerseits zulässig ist (in Betracht kommt neben dem
Geschlecht insbesondere das Kriterium der Schwerbehinderung nach § 37 Satz 2
SGB VI). Die Betriebspartner können regelmäßig davon ausgehen, dass von einer
Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer mit dem Zeitpunkt der Erlangung
eines gesetzlichen Rentenanspruchs hinreichend abgesichert sind und ein
zwingendes Bedürfnis für weitere Kompensationsregelungen aufgrund eines
Sozialplans nicht besteht. Mit der Prüfung und Bewertung eventueller
Rentennachteile der betroffenen Arbeitnehmer wären sie regelmäßig überfordert.
Von ihnen kann auch nicht verlangt werden, als nicht diskriminierend anerkannte
Differenzierungen des staatlichen Rentenrechts mit regelmäßig knappen
Sozialplanmitteln zu korrigieren. Die Möglichkeit, gesetzliche Altersrente beziehen
zu können, begrenzt regelmäßig ihre Regelungsaufgabe. Auf die Höhe dieser
Rente kommt es dagegen nicht an.
Auch europarechtliche Grundsätze gebieten keine andere Würdigung. Allerdings
hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 20. März 2003 (C-187/00 EuGHE I-
2003/2741 Tz. 43 - 63) angenommen, die für Männer und Frauen der hier
interessierenden Jahrgänge unterschiedlichen Eingangsalter der deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigten eine unterschiedliche Dauer einer
tarifvertraglichen Altersteilzeit nicht, sofern nicht objektive Faktoren vorliegen, die
nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Auch
wenn die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs auf Vorruhestandsleistungen
übertragbar sein sollten, sind Differenzierungen bei diesen Leistungen nach dem
jeweiligen Renteneintrittsalter jedenfalls dann durch objektive, nicht mit dem
Geschlecht in Zusammenhang stehende Faktoren gerechtfertigt, wenn die
Leistungen aufgrund eines Sozialplans gewährt werden. Dessen Funktion ist, wie
dargelegt, auf den Beginn des gesetzlichen Rentenalters beschränkt. Die
Beschränkungen der Überbrückungsfunktion des Sozialplans haben nichts mit
dem Geschlecht zu tun. Sie beruhen vielmehr auf der Notwendigkeit, in
Zusammenhang mit einer Betriebsänderung beschränkte Mittel möglichst
bedarfsgerecht unter den betroffenen Arbeitnehmern zu verteilen. Zur
Vermeidung einer Überforderung der Betriebspartner und einer zweckwidrigen
Verteilung von Sozialplanmitteln an anderweitig versorgte Arbeitnehmer
rechtfertigt dies eine pauschale Anknüpfung an den Beginn der gesetzlichen
Altersrente. Andernfalls müssten die Betriebspartner für eine ggf. große Zahl von
Arbeitnehmern einzelfallbezogen Versorgungsnachteile kalkulieren. Dies würde
häufig ohnehin schwierige Sozialplanverhandlungen unangemessen erschweren.
3. Aus denselben Erwägungen kommt ein Anspruch aus dem allgemeinen
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.