Urteil des LAG Hessen vom 05.03.2010

LAG Frankfurt: allgemeinverbindlicherklärung, gemeinsame einrichtung, rückwirkung, auskunftserteilung, anteil, hauptsache, entschädigung, durchbruch, asbest, baugewerbe

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 321/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 TVG, § 5 Abs 1 S 1
TVG, § 7 S 2 TVGDV, § 133
BGB, § 5 Abs 4 TVG
Auslegung einer Allgemeinverbindlicherklärung des
Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im
Baugewerbe - Abbruch- und Durchbrucharbeiten
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom
16. Dezember 2008 - 2 Ca 3547/07 - teilweise abgeändert und die Klage
hinsichtlich des Auskunftsanspruchs für die Monate Januar 2005 bis Dezember
2005 nebst einer bedingten Entschädigungszahlung in Höhe von 9.120,00 EUR (in
Worten: Neuntausendeinhundertzwanzig und 00/100 Euro) abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin 89 % und die
Beklagte 11 %.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte
verpflichtet war, der Klägerin Auskünfte nach den Sozialkassentarifverträgen des
Baugewerbes über die im Kalenderjahr 2005 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer zu erteilen und im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine
Entschädigung zu zahlen oder ob festzustellen ist, dass die Hauptsache nach
Erteilung der Auskünfte durch die Beklagte erledigt ist.
Die Klägerin ist die A.. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien
des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die
Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie hat die Beklagte
erstinstanzlich in zunächst zwei getrennten Verfahren, die vom Arbeitsgericht zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, auf der
Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das
Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) auf Zahlung von Beiträgen für
gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Dezember 2002 bis November 2003
sowie zur Vorbereitung von Beitragszahlungen mit der Beklagten am 14.
Dezember 2007 zugestellter Klageschrift auf Erteilung der in dem
Verfahrenstarifvertrag vorgesehenen Auskünfte hinsichtlich der im Betrieb
beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Dezember 2003 bis
April 2006 in Anspruch genommen.
Die Beklagte unterhielt im Klagezeitraum einen Betrieb, in welchem neben
Abbrucharbeiten auch Durchbrucharbeiten verrichtet wurden, wobei der
arbeitszeitliche Umfang dieser Arbeiten zwischen den Parteien streitig ist. Seit
dem 01. Januar 2008 ist die Beklagte Mitglied im B..
Die Allgemeinverbindlichkeit des VTV entwickelte sich ab dem Jahr 2004 wie folgt:
Mit Antrag vom 21. Dezember 2004 beantragten die Tarifvertragsparteien des VTV
die Allgemeinverbindlicherklärung u.a. für den VTV in der Fassung des letzten
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die Allgemeinverbindlicherklärung u.a. für den VTV in der Fassung des letzten
Änderungstarifvertrages vom 14. Dezember 2004 mit Wirkung ab 01. Januar 2005
mit folgender Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung im Ersten Teil
unter III.:
„Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe ...
5. die Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführen, soweit
ihre Leistungen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit anderen in den
Betrieben ... in erheblichem Umfang anfallenden baulichen Leistungen stehen ...“.
Im Jahr 2005 erfolgte keine Allgemeinverbindlicherklärung des VTV. Mit Antrag vom
21. Dezember 2005 beantragten die Tarifvertragsparteien des VTV die
Allgemeinverbindlicherklärung u.a. für den VTV in der Fassung des letzten
Änderungstarifvertrages vom 15. Dezember 2005 mit Wirkung ab 01. Januar 2006
mit folgender Einschränkung im Ersten Teil unter III.:
„Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe ...
2. die ganz oder teilweise Bauwerke, Bauwerksteile oder einzelne Elemente
aus Mauerwerk, Beton, Stahlbeton, Eisen, Stahl oder sonstigen Baustoffen sägen,
bohren, pressen, soweit sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied im C. sind ..."
Am 24. Februar 2006 erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
sowohl den VTV in der Fassung des letzten Änderungstarifvertrages vom 14.
Dezember 2004 mit Wirkung ab 01. Januar 2005 als auch den VTV in der Fassung
des letzten Änderungstarifvertrages vom 15. Dezember 2005 mit Wirkung ab 01.
Januar 2006 für allgemeinverbindlich mit der mit Antrag vom 21. Dezember 2005
begehrten Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung für Abbruchbetriebe.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb der Beklagten im
Klagezeitraum dem Geltungsbereich des VTV unterfallen sei. Sie hat behauptet,
im Betrieb der Beklagten seien arbeitszeitlich überwiegend Durchbrucharbeiten,
nämlich die Herstellung von Öffnungen in Wänden und Decken ausgeführt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1 a) der Klägerin auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft
darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB
VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten, in den Monaten Dezember 2003
bis April 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche
Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese
Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
b) für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb
einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin
folgende Entschädigung zu zahlen: € 21.980,00;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 6.024,00 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass ihr Betrieb im Klagezeitraum nicht dem
Geltungsbereich des VTV unterfallen sei. Sie hat behauptet, in den Kalenderjahren
2002 bis 2005 seien arbeitszeitlich überwiegend Teilabbrucharbeiten, nämlich das
Entfernen ganzer Wände, um Räume zu vergrößern, ausgeführt worden. Weiterer
Tätigkeitsbereich sei das komplette Entfernen von Baikonen gewesen. Die
Beklagte hat die Ansicht vertreten, für das Kalenderjahr 2005 sei die
Allgemeinverbindlicherklärung des VTV unwirksam.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme
hinsichtlich der Kalenderjahre 2002 bis 2004 mit Urteil vom 16. Dezember 2008 - 2
Ca 3547/07 - der Auskunftsklage hinsichtlich des Zeitraums Januar 2005 bis April
2006 nebst bedingter Entschädigungszahlung in Höhe von € 12.080,00
stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, in den
Jahren 2005 und 2006 sei der Betrieb der Beklagten von der
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Jahren 2005 und 2006 sei der Betrieb der Beklagten von der
Allgemeinverbindlicherklärung des VTV erfasst worden, da die Beklagte in diesem
Zeitraum unstreitig nicht Mitglied in einem der in der AVE-Einschränkung
genannten Verbände gewesen sei. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet,
da die Beweisaufnahme entgegen der Behauptung der Klägerin ergeben habe,
dass in den Kalenderjahren 2002 bis 2004 im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich
nicht überwiegend Durchbrucharbeiten verrichtet worden seien.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 21. Januar 2009 zugestellt worden. Die Berufung
der Beklagten ist am 19. Februar 2009 und die Berufungsbegründung am Montag,
dem 23. März 2009 bei Gericht eingegangen.
Die Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit sie zur
Auskunftserteilung hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer für das Kalenderjahr
2005 nebst bedingter Entschädigungszahlung verurteilt wurde. Sie ist der Ansicht,
die Allgemeinverbindlicherklärung hätte hinsichtlich des Kalenderjahres 2005 nicht
über den gestellten Antrag vom 29. Dezember 2004 hinausgehen dürfen. Die
rückwirkende Erstreckung der Allgemeinverbindlichkeit auf alle
Abbruchunternehmen, die nicht Mitglied im Abbruchverband seien, sei für das Jahr
2005 nicht wirksam. Die Beklagte behauptet, zu über 50 % der betrieblichen
Gesamtarbeitszeit seien im Kalenderjahr 2005 Abbrucharbeiten verrichtet worden.
Für das Kalenderjahr 2005 habe die Beklagte die Auskunft zur Vermeidung der
Zwangsvollstreckung erteilt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16.
Dezember 2008 - 2 Ca 3547/07 - die Klage insoweit abzuweisen, als die Beklagte
zur Auskunftserteilung für die Monate Januar bis Dezember 2005 verurteilt worden
ist.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Rechtsstreit in der
Hauptsache erledigt ist.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die Beklagte
sei hinsichtlich des Kalenderjahres 2005 auskunftspflichtig gewesen, da die im
Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend
Durchbruch- und daneben zu weniger als 50 % der Arbeitszeit auch
Abbrucharbeiten verrichtet hätten. Da die Beklagte die Auskunft erteilt habe, sei
die Erledigung der Hauptsache festzustellen.
Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Kalenderjahres 2005 Beweis erhoben
durch Vernehmung der Zeugen D., E. und F.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften des Rechtshilfegerichts
Gelsenkirchen Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der
Berufungsschriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist
gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
In der Sache hat die Berufung der Beklagten Erfolg, denn die Beklagte schuldet der
Klägerin für das Jahr 2005 keine Auskunft nebst bedingter Entschädigungszahlung.
Anspruchsgrundlage ist § 21 VTV. Danach sind der zuständigen Einzugsstelle
monatlich spätestens bis zum 15. des folgenden Monats auf dem von der
Einzugsstelle zur Verfügung zu stellenden Formular die in § 21 VTV genannten
Daten zu melden. Voraussetzung für die Auskunftspflicht ist, dass der Betrieb der
Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV
fiel. Gemäß § 1 Abs. 2 VTV fallen Betriebe des Baugewerbes unter den
betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts sind das Betriebe, in denen überwiegend entweder die
in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber
Leistungen im Sinn der Bestimmungen der Abschnitte I - IV erbracht werden
Die
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Die
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb der Beklagten im
streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten
verrichtet wurden, obliegt der Klägerin
Die Klägerin hat anhand der vorliegenden Indizien und der Aussagen der als
Zeugen vernommenen Arbeitnehmer der Beklagten im erstinstanzlichen
Verfahren hinsichtlich der Kalenderjahre 2002 bis 2004 schlüssig dargelegt, dass
der Betrieb der Beklagten im Jahr 2005 dem Geltungsbereich des VTV unterfiel. Sie
behauptet nämlich, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend
Durchbruch- und zu einem zeitlichen Anteil von unter 50 % Abbrucharbeiten
anfielen. Abbrucharbeiten werden von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 29 VTV und
Durchbrucharbeiten jedenfalls von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erfasst. Zwar war die
Beklagte im Jahr 2005 nicht Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien
des VTV, weshalb sie nicht gem. § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden war. Allerdings war
der VTV im streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt
worden, weshalb die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich
auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 4
TVG erfassen.
Gegenüber diesem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte erheblich erwidert, indem
sie behauptet, dass im Jahr 2005 in ihrem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend
Abbrucharbeiten angefallen sind.
Hinsichtlich der Abbrucharbeiten und der insoweit bestehenden Einschränkung der
Allgemeinverbindlicherklärung gilt für das Kalenderjahr 2005 Folgendes:
Nach dem Wortlaut der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24. Februar 2006
erstreckt sich die Allgemeinverbindlicherklärung nicht auf Betriebe, die Bauwerke
bzw. Bauwerksteile abbrechen, soweit sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied im C..
sind. Diese Voraussetzung erfüllt die Beklagte zwar nicht. Die Beklagte wird
gleichwohl von der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24. Februar 2006 nicht
erfasst, da die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung fehlerhaft ist. Das
Gericht schließt sich insoweit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 19. Januar 2007 - 13 Sa 1912/06 - an, in welcher u.a. Folgendes
ausgeführt wird:
„Daraus ergibt sich, dass auch nach dem Wortlaut der AVE vom 24.
Februar 2006 die AVE nur die Tarifverträge nach den jeweiligen Anträgen für
allgemeinverbindlich erklären wollte. Dabei ist vergessen worden, die
Einschränkung für die Abbruchbetriebe nach III. 2. der AVE nach dem Zeitpunkt
ihrer beantragten Wirksamkeit zu unterscheiden. Dies bedeutet, dass für den
Zeitraum ab Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2005 Abbruchbetriebe auch dann
von der AVE ausgenommen worden sind, wenn sie nicht Mitglied im C. waren.
Nur diese Auslegung entspricht der DVO TVG. Denn nach dem ...
Ausgeführten, hätten die Tarifvertragsparteien einen neuen Antrag stellen
müssen, dieser hätte auch nach der DVO TVG veröffentlicht werden müssen, wenn
sie beabsichtigt hätten, auch für die Zeit ab 01. Januar 2005 die Einschränkung für
Abbruchbetriebe unter der Bedingung der Mitgliedschaft im C.. zu beantragen.
Dafür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. ...
Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann ... nicht von sich
aus die Anträge verändern, da es sonst über den von den Parteien gewollten
Antrag hinausgehen würde. ...
Nur bei dieser Auslegung der AVE vom 24. Februar 2006 ergibt sich ein
rechtstreues und wirksames Verhalten durch das Bundesministerium, anderenfalls
bedeutete dies eine unwirksame Rückwirkung. ...
Zwar kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages mit
Rückwirkung ergehen, wenn bereits der erneuerte oder geänderte Tarifvertrag für
allgemeinverbindlich erklärt war. In diesem Fall werden durch die mit Rückwirkung
ergehende AVE weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch derjenige des
Vertrauensschutzes verletzt. ...
Dies gilt jedoch nicht, wenn erstmals eine Neuerung des Tarifvertrags bzw.
des Antrags auf AVE erfolgt. In diesen Fallgestaltungen ist es den mit Rückwirkung
Tarifunterworfenen regelmäßig nicht möglich, ihr Verhalten vor Abschluss des
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Tarifunterworfenen regelmäßig nicht möglich, ihr Verhalten vor Abschluss des
Tarifvertrages oder vor der AVE auf die neue Klausel einzurichten. ...
Der Antrag, der die Grundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung vom
24. Februar 2006 bildet, ist am Samstag, dem 31. Dezember 2005 veröffentlicht
worden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die betroffenen Betriebe des
Abbruchgewerbes infolge des Ablaufs des Geschäftsjahres keine Möglichkeiten
mehr, die Verbandszugehörigkeit für das Kalenderjahr 2005 zu erwerben. ... Da die
Ausnahme von der Allgemeinverbindlicherklärung ausschließlich an den
Tatbestand der Verbandszugehörigkeit knüpft, diese aber für das abgelaufene
Jahre 2005 nicht mehr erfolgen konnte, würde eine auf den 01. Januar 2005
festgelegte Rückwirkung in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen."
Dieser Ansicht ist zu folgen
Da somit die AVE-Einschränkung gemäß dem Antrag vom 21. Dezember 2004
zugrunde zu legen ist, würde der Betrieb des Beklagten dem Geltungsbereich des
VTV nicht unterfallen, wenn in ihm im Jahr 2005 arbeitszeitlich überwiegend
Abbrucharbeiten ausgeführt worden wären, soweit diese Leistungen nicht in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit anderen in dem Betrieb in erheblichem
Umfang anfallenden baulichen Leistungen stünden. Da die Beklagte sich darauf
beruft, dass in ihrem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Abbrucharbeiten
angefallen sind und der Betrieb deshalb von der Allgemeinverbindlicherklärung
nicht erfasst wird, ist sie für diese ihr günstige Tatsachenbehauptung nach
allgemeinen Regeln darlegungs- und beweispflichtig.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des
Gerichts fest, dass im Kalenderjahr 2005 im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich
überwiegend Abbrucharbeiten verrichtet wurden. Der Zeuge D., welcher im
Kalenderjahr 2005 ganzjährig und vollschichtig beschäftigt war, hat ausgesagt,
dass er nur mit dem Abbau von Baikonen und Fassaden beschäftigt gewesen sei.
Andere Arbeiten seien nicht angefallen. Der Zeuge F., welcher vom 01. Juni bis
zum 31. Oktober 2005 bei der Beklagten beschäftigt war, hat ausgesagt,
ausschließlich im Bereich der Fassadensanierung Asbest abgebaut und Balkone
abgeschnitten zu haben. Er sei auf € 400,00-Basis beschäftigt gewesen. Die
Aussage dieses Zeugen ist nicht sehr präzise, da der Anteil der
Fassadensanierung und der zeitliche Anteil des Balkonabbruchs nicht angegeben
ist. Da er auf € 400,00-Basis beschäftigt war, sind die Beschäftigungsmonate mit
1,25 Mann-Monaten anzusetzen. Der Zeuge E. hat ausgesagt, entgegen der
Behauptung der Klägerin nicht vom 01. Juni bis zum 31. Oktober 2005, sondern ab
Juli 2005 bei der Beklagten beschäftigt gewesen zu sein. Er habe
Asbestfaserplatten von einer Fassade entfernt. Darüber hinaus seien vier Balkone
abgeflext worden. Auch habe er Asbestfaserplatten und die Unterlattung sowie
Dämmwolle entfernt und entsorgt. Ab Oktober sei er dann nicht mehr eingesetzt
gewesen. Auch die Aussage dieses Zeugen ist nicht sehr präzise, da das
Entfernen von Asbestfaserplatten und Unterlattung sowie die Entfernung und
Entsorgung von Dämmwolle einerseits von den Abbrucharbeiten andererseits nicht
unterschieden wird und von daher der zeitliche Anteil der von diesem Zeugen
verrichteten Abbrucharbeiten nicht bestimmt werden kann.
Gleichwohl steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Betrieb der
Beklagten im Jahr 2005 überwiegend Abbrucharbeiten verrichtet wurden, da der
klaren Aussage des Zeugen D., welcher 12 Mann-Monate beschäftigt war, die
unpräzisen Aussagen der Zeugen E. und F. mit insgesamt 5,25 Mann-Monaten
gegenüberstehen. Arbeitszeitlich überwog somit die Abbruchtätigkeit, wobei
dahinstehen mag, ob das Entfernen von Dämmwolle, Lattung und Asbest nicht
ggf. auch eine Zusammenhangstätigkeit zur Abbruchtätigkeit darstellen kann.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des
Gerichts fest, dass die Beklagte hinsichtlich des Kalenderjahres 2005 nicht
auskunftspflichtig war. Auf einseitigen Antrag ist die Erledigung der Hauptsache
nur festzustellen ist, wenn die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war. Da
die Auskunftsklage hinsichtlich des Kalenderjahres 2005 nicht begründet war, ist
das erstinstanzliche Urteil wie von der Beklagten beantragt abzuändern.
Die Parteien tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens anteilig
entsprechend dem Maß ihres Obsiegens bzw. Unterliegens gem. § 92 ZPO. Die
Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin, da sie unterlegen ist, § 91
ZPO.
49 Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.