Urteil des LAG Hessen vom 19.05.2009

LAG Frankfurt: halle, spesen, schmerzensgeld, stationäre behandlung, mitverschulden, fahrtkosten, arbeitsunfähigkeit, haftpflichtversicherung, anschlussberufung, erwerbsfähigkeit

Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
12. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 Sa 399/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 253 Abs
2 BGB, § 104 Abs 1 SGB 7, §
105 Abs 1 SGB 7, § 413 Abs
1 HGB
(Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch eines
Arbeitnehmers bei Unfall im Fremdunternehmen -
Organisationsverschulden des Unternehmens -
Mitverschulden des Arbeitnehmers - Haftungsprivilegierung
nach §§ 104ff SGB 7)
Leitsatz
Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld eines für ein Transportunternehmen
tätigen Lkw-Fahrer, der beim Abladen einer Ladung bei einem Kunden seines
Arbeitgebers von einem für den Kunden tätigen Gabelstaplerfahrer schwer verletzt
wurde.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts
Marburg vom 27.10.2004 Az. 1 Ca 77/04 unter Zurückweisung der Berufung des
Klägers im Übrigen sowie der Anschlussberufung der Beklagten zu 2) teilweise
abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
weitere 12.039,79 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus 10.039,79 EUR netto seit dem 28.08.2003 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) und 2) als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden aus dem
Unfallereignis vom 05.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu 2) in
Stadtallendorf mit einer Haftungsquote vom 80% zu bezahlen, soweit die
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind.
Im Übrigen wird die Klage einschließlich der Klageerweiterungen im
Berufungsverfahren zurückgewiesen.
Gerichtskosten
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 2/3 zu zahlen.
Von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits hat der
Kläger die des Beklagten zu 1) zu 1/3, die der Beklagten zu 2) zu 1/3 zu tragen mit
Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Marburg
entstanden sind. Diese trägt der Kläger allein.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens (Streitwert 30.700,-- EUR) trägt der
Kläger 50%, d. Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner ebenfalls 50%.
Die Kosten der Anschlussberufung (Streitwert 4.500,-- EUR) trägt die Beklagte zu
2)
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Gründe
Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des
Klägers aus einem Unfall, der sich auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2)
ereignete.
Der am … geborene, verheiratete Kläger ist zu einem Nettomonatslohn von
zuletzt durchschnittlich € 1.673,27 bei der Fa. A als Kraftfahrer beschäftigt. Der
Monatslohn beinhaltet den Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen
Leistungen sowie den Einzelfahrerzuschlag. Der Beklagte zu 1) ist im
Unternehmen der Beklagten zu 2) seit Herbst 1999 als Gabelstaplerfahrer
beschäftigt.
Am 5.03.2002 erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber den Auftrag, bei der
Beklagten 2) in X eine Lieferung abzuholen. Vor Ort fuhr er rückwärts in eine der
dreißig Ladebuchten der Versandhalle bei der Beklagten 2) ein und begab sich zur
Überwachung des Ladevorgangs in die Versandhalle. In der Halle verläuft quer zu
den Ladebuchten auf der einen und zum Hochregallager auf der anderen Seite
eine Fahrbahn. Auf dieser sind sowohl Fußgänger als auch Gabelstapler unterwegs,
letztere insbesondere in der Weise, dass sie permanent die Fahrbahn zwischen
dem Hochregallager und den zu beladenen Lkws in den Ladebuchten in beide
Richtungen kreuzen. Die Gabelstapler sind weder mit akustischen oder
Lichtwarnsignalen beim Rückwärtsfahren noch mit Spiegeln ausgestattet.
Markierungen auf dem Hallenboden, die einen Weg nur für Fußgänger von dem
Ladeverkehr abgrenzen, existierten zum damaligen Zeitpunkt nicht. Die Fahrer der
Lkws mussten nach Abschluss des Ladevorgangs durch die Halle zum
Versandbüro gehen, um dort die Versandpapiere abzuholen. Eine Alternative für
diesen Weg gab es nicht.
Der Kläger hatte auf seinem Weg zum Versandbüro, den er nach Abschluss des
Ladevorgangs am Fahrbahnrand entlang der Ladebuchten nahm, gerade die
Ladebucht 19 überquert, als ihn der vom Beklagten 1) gefahrene Gabelstapler von
hinten am linken Fußes erfasste. Der Fuß des Klägers wurde ins hintere Rad des
Gabelstaplers eingequetscht. Dadurch erlitt er ein schweres Quetschtrauma mit
großflächigem Weichteilverlust sowie mehrere knöcherne Aussprengungen und
Trümmerfrakturen. Der Beklagte 1) war dabei, einen dort abgestellten Lkw zu
beladen.
Zu dem Unfall kam es wie folgt: auf seinem Weg sah der Kläger vor dem
Überqueren der Ladebucht 19 den Beklagten 1) von links aus dem Hochregallager
kommen, hielt an, ließ ihn an sich vorbei in den Lkw hineinfahren und schickte sich
dann an, die 2,50 m breite Ladebucht zu überqueren. Nachdem er dies gerade
geschafft hatte, erfasste ihn der rückwärts aus dem Lkw kommende Gabelstapler
an der Ferse seines rechten Fußes. Der Beklagte 1) hatte nach Absetzen der
Ladung im Lkw diesen zunächst rückwärts fahrend verlassen, ohne vorher nach
hinten zu schauen. Nach Verlassen des Lkw schlug er die Lenkung des
Gabelstaplers zum Wenden nach links ein. Erst dabei schaute er über die rechte
Seite nach hinten. Beim Wendevorgang erfasste er den Kläger, den er nicht sah,
am linken Fuß. Streitig ist hinsichtlich des Unfallhergangs lediglich, wie tief der
Gabelstapler in den zu beladenen Lkw eingefahren war.
Der Kläger war infolge des Unfalls vom 3.02.2002 bis zum 14.09.2003
durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Zunächst befand er sich bis zum 12.03.2002
zur stationären Behandlung in der Universitätsklinik in Marburg, daran
anschließend bis zum 12.05.2002 in der Universitätsklinik in Jena. In dieser Zeit
musste er sich zur Behandlung der Ablederungsverletzung an der Ferse und der
erlittenen Knochenbrüche sowie zur Durchführung von Hauttransplantationen 12
operativen Eingriffen unter Vollnarkose unterziehen. Danach stand er in
regelmäßiger ambulanter Behandlung des Chirurgen B. Vom 5.08. bis 23.09.2002
hielt er sich zu einer stationären Reha-Behandlung in der Z- Klinik in Bad Y auf. Für
das Krankheitsbild sowie Art und Umfang der chirurgischen Eingriffe wird auf die
Entlassungsberichte der genannten Kliniken sowie auf die Berichte des B vom
29.10.2002 und vom 24.10.2003 Bezug genommen (Bl. 10 – 21 und 106 d.A.).
Am 14.09.2003 nahm der Kläger seine Tätigkeit als Kraftfahrer in dem immer noch
bestehenden Arbeitsverhältnis zur Fa. A wieder auf. In der Folge war er während
folgender Zeiträume erneut arbeitsunfähig erkrankt:
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10.11. – 07.12.2003
18.03. – 08.04.2004
23.08. – 01.10.2004
11.03. – 15.04.2005
25.07. - 21.08.2005
13.10. – 15.11.2005
10.05. – 02.06.2006
07.07. – 30.07.2006
Der Kläger erhielt nach dem Ende der Entgeltfortzahlung ab dem 16.04.2002 ein
Verletztengeld in monatlich durchschnittlicher Höhe von € 1.360,00, sowie ab dem
15.09.2003 zusätzlich eine von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen
(BGF) gezahlte Verletztenrente in Höhe von 634,90 € monatlich. Mit
Abhilfebescheid vom 4.02.2005 stellte die BGF zudem mit Wirkung zum
Rentenbeginn am 15.09.2003 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 %
fest (Bl. 320 d. A.).
Mit seiner Klage einschließlich aller Klageerweiterungen macht der Kläger
Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund seiner
krankheitsbedingten Ausfallzeiten für den Zeitraum seit dem Unfallereignis am
5.03.2002 bis zum 31.12.2008 geltend. Die Haftpflichtversicherung der Beklagen
2) zahlte im Mai 2003 als Vorschuss zur freien Verrechnung auf mögliche
Ansprüche des Klägers an diesen 26.000,00 € aus.
Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, er habe den vom Beklagten 1)
gefahrenen Gabelstapler tief in dem zu beladenen Lkw verschwinden sehen, bevor
er die Ladebucht 19 überquert habe. Er habe daher ohne Bedenken zur
Überquerung der Ladebucht ansetzen können. In den Sicherheitszonen zwischen
den Ladebuchten habe er sich nicht aufhalten können, weil dort Paletten gelagert
waren. Angesichts dieses Geschehensablaufs hat er die Ansicht vertreten, dass
ihn kein Mitverschulden an dem Unfall treffe, sondern der Beklagte 1) als
Verursacher und die Beklagte 2) über ein Auswahl- bzw. Organisationsverschulden
in vollem Umfang als Schuldner hafteten. Die Beklagte 2) hätte in der Halle durch
geeignete Sicherheitsmaßnahmen für einen risikofreien, vom Gabelstaplerverkehr
getrennten Weg für Fußgänger sorgen müssen.
Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs hat der Kläger behauptet, sämtliche
aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten seien durch das Unfallereignis und seine
Folgen verursacht. Durch die krankheitsbedingten Ausfälle habe er Einbußen beim
Monatslohn, den vermögenswirksamen Leistungen, bei den Spesenzahlungen,
beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ferner bei der halbjährlichen Leistungsprämie
und der Einzelfahrerprämie erlitten. Hinzu seien noch Fahrt- und Parkkosten für
unfallbedingte Fahrten mit dem Pkw zu Kliniken und zum Rechtsanwalt, Kosten für
Telefon, Heilmittel und sonstiges sowie ein Kleiderschaden gekommen. Für den
vom arbeitsgerichtlichen Urteil umfassten Zeitraum hat er die Höhe des Schadens
auf insgesamt € 17.047,90 beziffert. Zum Anspruch auf Schmerzensgeld hat er
die Ansicht vertreten, dass die lange dauernde Arbeitsunfähigkeit, die insgesamt
12 Operationen, denen er sich habe unterziehen müssen, die bleibenden
gesundheitlichen Schäden sowie die psychischen Belastungen durch das
Unfallgeschehen selbst und seine nicht absehbaren gesundheitlichen sowie
wirtschaftlichen Auswirkungen, für den Zeitraum bis September 2004 ein
Schmerzensgeld in Höhe von € 27.00,00 rechtfertigten. Für die weiteren
Ausführungen des Klägers zu den einzelnen Schadenspositionen und zum
Schmerzensgeldanspruch sowie für seine Berechnungen des
Schadensersatzanspruchs wird auf die Klageschrift sowie die Klageerweiterung
vom 17.02.2004 Bezug genommen (Bl. 3 – 7, 127 d. A.).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 17.047,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.972,90 € seit Rechtshängigkeit
sowie aus 1.075,90 € seit dem 31.12.2003 zu zahlen;
die Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen
Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 1.000,00 €, zu
zahlen;
festzustellen, dass die Beklagten auch für künftige materielle und immaterielle
Schäden, die ihm infolge des Unfallereignisses vom 5.03. 2002 entstehen werden,
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Schäden, die ihm infolge des Unfallereignisses vom 5.03. 2002 entstehen werden,
vollumfänglich haften.
Die Beklagten 1) und 2) haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten 1) und 2) haben sich zunächst auf die Haftungsprivilegierungen der
§§ 104 - 106 SGB VII berufen, die hier zum Ausschluss einer Haftung gegenüber
dem Kläger führten. Zum Unfallgeschehen haben sie behauptet, dass der
Beklagte1) nur noch die letzte Palette auf den Lkw zu laden gehabt habe. Sie
haben die Ansicht vertreten, dass aus diesem dem Kläger erkennbaren Umstand
ein Mitverschulden seinerseits von zumindest einem Drittel folgen müsse. Er hätte
die Beendigung des Ladevorgangs abwarten müssen. Im Übrigen wäre es für ihn
sicherer gewesen, entlang des gegenüberliegenden Fahrbahnrands zu gehen. Die
Beklagte 2) hat zudem die Ansicht vertreten, dass sie für ein Verschulden des
Beklagten 1) nicht haften müsse, weil sie diesen sorgfältig ausgesucht und ständig
kontrolliert habe. Zu ihren Ausführungen dazu wird auf den Schriftsatz der
Beklagten 2) vom 1.06.2004, Seiten 4 – 7 Bezug genommen (Bl. 173 – 176 d. A.).
Zur Höhe des Schmerzensgeldanspruchs haben die Beklagten die Ansicht
vertreten, dass die Unfallverletzungen und ihre Folgen für die gesundheitliche
Beeinträchtigung des Klägers, soweit sie den Berichten der Kliniken zu entnehmen
seien, kein Schmerzensgeld von mehr als 20.000,00 € rechtfertigten.
Das Arbeitsgericht Marburg hat mit Urteil vom 27.10.2004 (1 Ca 77/04) die
Zahlungsanträge abgewiesen, gleichzeitig aber festgestellt, dass die Beklagten als
Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger sämtliche materiellen und
immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 5.03.2002 mit einer
Haftungsquote von 50 % zu ersetzen. Die Abweisung der Zahlungsanträge ergab
sich daraus, dass bei der angenommenen Haftungsquote von 50 % der von der
Haftpflichtversicherung vorprozessual geleistete Vorschuss die Schadensersatz-
und Schmerzensgeldansprüche des Klägers bereits überstieg. Für die Einzelheiten
der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug genommen (Bl. 250 – 258 d. A.).
Der Kläger hat gegen das ihm am 4.02.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts
am 2.03.2005 Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt und sie
am 4.04.2005 begründet. Die Beklagte 2) hat vor Ablauf der ihr zur
Berufungserwiderung gesetzten Frist am 18.05.2005 Anschlussberufung eingelegt.
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet
weiter, dass der Beklagte 1) zur Beladung tief in den Lkw eingefahren sei. Er ist der
Ansicht, unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr eines Gabelstaplers und der
Umstände, dass der Beklagte 1) sich beim Rückwärtsfahren nicht umgeschaut
habe und in der Halle keine bessere Alternative zum Erreichen des Versandbüros
zur Verfügung stehe, könne ihn ein maximales Mitverschulden von 20 % treffen. Er
ist weiter der Ansicht, dass die Beklagte 2) nicht nur ein Auswahl- und
Kontrollverschulden, sondern auch ein Organisationsverschulden anzulasten sei;
denn der Unfall wäre durch die Einrichtung eines gesicherten, nur für Fußgänger
eingerichteten Gehbereichs vermeidbar gewesen. Er behauptet weiter, sämtliche
Arbeitsunfähigkeitszeiten seit dem Unfall vom 5.03. 2002 in der Zeit bis zum
30.07.2006 seien auf die beim Unfall erlittenen Verletzungen zurückzuführen Zu
den dem Verdienstausfall zugrunde liegenden Einzelansprüchen und ihrer
Berechnung behauptet er, die Spesen pauschal, ohne konkreten Nachweis –
gestaffelt nach Abwesenheitszeiten (8 – 14 Std. 5,11 €, 14 – 24 Std. 10,23 €, über
24 Std. 23,53 €) - erhalten und das Geld zur Abzahlung des kreditfinanzierten
Hauses der Familie verwendet zu haben. Auf seinen Fahrten während der Woche
habe er sich nur von mitgebrachten Getränken ernährt und ausschließlich im Lkw
geschlafen. Die Höhe der ausgefallenen Spesen berechnet er aus der Differenz
der in Jahren 2000 und 2001 im Durchschnitt erhaltenen monatlichen Spesen und
den in den Jahren 2002 bis 2007 tatsächlich monatlich erhaltenen Spesen. Er ist
dabei im Ergebnis für die Jahre 2000 – 2007 zu einem Monatsdurchschnitt an
Spesen für sich sowie für seine Kollegen in Höhe von € 436.00 gelangt. Die
monatlichen Beiträge zum Bausparvertrag, der aus den vermögenswirksamen
Leistungen bedient worden ist, habe er im Zeitraum Mai 2002 bis August 2003 in
Höhe von € 425,54 anstelle des Arbeitgebers gezahlt. Im Jahre 2002 habe das
Urlaubsgeld in Höhe von € 174,70 netto, in den Jahren 2003 bis 2006 habe er das
Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt € 1.255,20 nicht erhalten. Des Weiteren
sei ihm aufgrund der Unfallfolgen die zweimal jährlich gezahlte Leistungsprämie in
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sei ihm aufgrund der Unfallfolgen die zweimal jährlich gezahlte Leistungsprämie in
den Jahren 2002, 2003 und 2006 entgangen. Den Gesamtverlust beziffert er auf €
1.810,00 netto. Ebenso sei ihm in den Jahren 2002 bis 2008 in verschiedenen von
ihm ausgeführten Zeiträumen der Einzelfahrerzuschlag in Höhe von € 15,40 netto
täglich entgangen. Den Verlust daraus berechnet er mit € 5.720,06 netto. Nach
seinen Berechnungen gelangt der Kläger zu einem Erwerbsschaden aus
entgangenen Spesen, vermögenswirksamen Leistungen, Leistungsprämie,
Einzelfahrerzuschlag, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von € 24.993,20. Unter
Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 20 % vermindert sich der Betrag
auf 19.994,56. Die weiter eingeklagten Kosten für Fahrten und Parken, für Kleider-
und sonstige Kleinschäden beziffert er auf € 1.988,95 (€ 1.591,16 nach Abzug von
20 %). Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes hält der Kläger für den
Zeitraum bis Ende 2008 einen Betrag von € 35.000,00 (€ 28.000,-- nach Abzug
von 20 %) für angemessen. Er vertritt die Auffassung, dass die Verletztenrente,
die er seit dem 15.09.2003 erhalte, auf den ihm entstandenen materiellen
Schaden nicht anzurechnen sei. Da er die Rente ungeachtet dessen, ob er
tatsächlich einen Verdienstausfall erleide, erhalte, komme ihr keine
Lohnersatzfunktion zu, sondern sei sie eine zusätzliche Entschädigung für die aus
dem Unfall erlittenen Körperschäden. Der Umstand, dass nach seiner letzten,
nach Monatszeiträumen gegliederten Schadensaufstellung für die Zeit nach dem
15.09.2003 (Anhang zum SS vom 20.02.2009, Bl. 574 – 575 d. A.) der
eingetretene Schaden nur in den Monaten September 2004 und November 2005
die Verletztenrente übersteigt, habe deshalb keine Auswirkungen auf die Höhe
seines Schadensersatzanspruchs.
Für den weiteren Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf seine
Schriftsätze vom 4.04.2005, 23.12.2005, 18.01.2006, 23.01.2006, 12.05.2006,
4.08.2006, 19.03.2007, 9.07.2008, 30.12.2008, 20.02.2009 und vom 20.03.2009
verwiesen (Bl. 306 – 319, 362 – 366, 378 – 379, 382 – 384, 413 – 416, 418 – 421,
437 – 438, 495 – 503, 546 – 552, 572 – 575, 584 – 585 d. A.).
In der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Feststellungsantrag
teilweise, soweit eine höhere Haftungsquote als 80 % beantragt war,
zurückgenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 27.10.2004, Az.: 1 Ca 77/04
abzuändern: die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger
26.106,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins
aus 15.574,05 sei Rechtshängigkeit, aus 1.075,00 € seit dem 31.12.2003, aus
1,725,39 € seit dem 2.10.2004, aus 1.381,32 € seit dem 2.01.2006 und aus
3.864,65 € seit Zustellung des Schriftsatzes 30.12.2008 zu zahlen;
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ein (weiteres)
angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts
gestellt wird, zu zahlen, mindestens jedoch 2.00,00 €
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem
Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis
vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in Stadtallendorf mit
einer Haftungsquote von 80 % zu bezahlen, soweit Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten 1) und 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte 2) beantragt darüber hinaus,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Marburg vom 27.10.2004 – 1 Ca
77/04 – die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagten 1) und 2) behaupten weiterhin, der Gabelstapler sei nicht in der
Tiefe des Lkw verschwunden, sondern habe die letzte Reihe mit Paletten beladen
und sei so für den Kläger immer sichtbar gewesen. Sie halten ein Mitverschulden
des Klägers von 50 % für angemessen; denn der Kläger hätte den Unfall durch
einen Blick nach rechts, der ihm gezeigt hätte, dass der Gabelstapler gleich wieder
zurücksetzt, oder das Durchqueren der Halle auf der der Rampe gegenüber
liegenden Seite abwenden können. Da der Gabelstapler in einer betrieblichen
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liegenden Seite abwenden können. Da der Gabelstapler in einer betrieblichen
Situation einen üblichen Arbeitsvorgang durchführte und der Kläger mit den
Örtlichkeiten vertraut war, könne die Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht so
erheblich ins Gewicht fallen wie bei einer unberechenbaren Situation im
Straßenverkehr. Zur Höhe des Schmerzensgeldes verteidigen sie das
arbeitsgerichtliche Urteil. Zur Höhe des Schadens behaupten sie, dass die ab dem
Jahre 2004 aufgetretenen Arbeitsunfähigkeiten des Klägers nicht auf den Unfall
vom 5.03.2002 zurückzuführen seien. Den Spesenausfall halten sie nicht für
erstattungsfähig; der Kläger habe nicht hinreichend darzulegen vermocht, dass
das Geld insgesamt für die Abzahlung des Familienhauses und nicht im Rahmen
erhöhter Aufwendung verwendet werde. Die Fahrtkosten seien nicht schlüssig
dargelegt worden. Angesichts des Umstands, dass die BG bereits einen Teil der
Fahrtkosten erstattet habe, hätte die Entstehung der Fahrtkosten näher
aufgeschlüsselt werden müssen. Gegenüber dem erstmals mit Schriftsatz vom
9.07.2008 – rückwirkend seit 2002 - eingeklagten Einzelfahrerzuschlag erheben sie
die Einrede der Verjährung. Für die Zeit ab dem 15.09.2003 vertreten sie die
Auffassung, dass dem Kläger keine weiteren Schadensersatzansprüche mehr
zustehen, da diese die anzurechnenden Zahlungen der Verletztenrente in keinem
Monat überstiegen.
Die Beklagten 2) ist zudem der Ansicht, dass ihre Haftung schon aufgrund einer
Haftungsprivilegierung nach den Vorschriften des SGB VII ausscheide. Eine
gemeinsame Betriebsstätte sei bereits zu bejahen, wenn mehrere Personen an
einem Ort bei der Ausführung betrieblicher Arbeiten aufeinanderträfen. Der Kläger
sei auch wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Das Zurverfügungstellen der
Frachtpapiere sei wie das Beladen des Lkw eine Verpflichtung der Beklagten 2).
Daher hätte auch einer ihrer Arbeitnehmer die Frachtpapiere holen können. Sie
müsse auch deshalb nicht haften, weil ihr weder ein Überwachungs- noch ein
Organisationsverschulden angelastet werden könne. Zu ersterem behauptet sie,
die Vorarbeiter jeder Schicht seien angewiesen, die gleichzeitig tätigen
Staplerfahrer zu beobachten. Der Vorarbeiter sei ständig vor Ort und habe die
Fahrer so im Blick. Unerwartete und überraschende Kontrollen seien bei der
ständigen Anwesenheit schwierig zu organisieren und – anders als bei außerhalb
des Betriebes unbeobachtet tätigen Kraftfahrern- zudem nicht geboten. Die Fahrer
unterlägen so einer ausreichenden Kontrolle ihres Fahrverhaltens. Zu letzterem
behauptet sie, seit Inbetriebnahme der Halle im Jahre 1976 sei kein vergleichbarer
Unfall geschehen. Das Fehlen einer Alternative zur Durchquerung der Halle könne
noch kein Organisationsverschulden begründen. Bei Beachtung der notwendigen
Sorgfalt sei es für Lkw-Fahrer ohne Weiteres möglich, sicher zum Versandbüro zu
gelangen.
Für den weiteren Vortrags des Beklagten 1) in der Berufungsinstanz wird auf seine
Schriftsätze vom 12.05.2005, 6.06.2005, 9.01.2006, 11.06.2007 und vom
25.02.2009 (Bl. 341 – 346, 361, 409 – 411, 452, 576 – 577) verwiesen, für den der
Beklagten 2) auf ihre Schriftsätze vom 18.05.2005, 19.01.2006, 3.04.2006,
23.04.2007, 15.11.2007, 16.01.2008 und vom 18.03.2009 (Bl. 347- 358, 376 – 377,
412, 450, 454, 458 – 459, 580 – 581).
Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom
5.02.2008 Beweis erhoben durch Einholen einer schriftlichen Aussage des B (Bl.
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Die Berufung ist statthaft (§§ 8 ArbGG, 64 Abs. 1, 2 ArbGG). Sie ist auch form- und
fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517,
519, 520 Abs. 1, 3 ZPO). Die Klageerweiterungen sind nach § 533 Nr. 1, 2 ZPO
zulässig. Die Anschlussberufung der Beklagten 2) ist ebenfalls statthaft und auch
ansonsten zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG; 524 Abs. 1 – 3 ZPO).
Die Berufung des Klägers ist in der Sache teilweise erfolgreich. Die
Anschlussberufung der Beklagten 2) bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Die Beklagten waren als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger gemäß §§
823 Abs. 1, 840 Abs. 1, 842, 254 BGB Schadensersatz in Höhe von € 10.039,79
sowie gemäß § 253 Abs. 2, 840, 254 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von €
28.000,00 zu zahlen. Auf diesen Anspruch sind die bereits vorab von der
Haftpflichtversicherung geleisteten € 26.000,00 anzurechnen. Zudem war nach
denselben Vorschriften festzustellen, dass die Beklagten 1) und 2) verpflichtet
sind, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden aus dem
Unfallereignis vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in
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Unfallereignis vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in
Stadtallendorf mit einer Haftungsquote von 80 % zu bezahlen, soweit die
Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Eine Haftungsprivilegierung
zugunsten der Beklagten 1) und 2) nach den Vorschriften des SGB VII greift nicht
ein. Hinsichtlich der weitergehenden Schadensersatzansprüche des Klägers ist die
Klage unbegründet. Ferner war festzustellen, dass die Beklagten 1) und 2) als
Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger für sämtliche zukünftigen
materiellen und immateriellen Schäden, die er aus dem Unfallereignis vom
5.03.2002 erleidet, Schadensersatz zu leisten. Die Anschlussberufung der
Beklagten 2) ist unbegründet.
I.
Die Beklagten 1) und 2) sind als Gesamtschuldner zur Zahlung von
Schadensersatz an den Kläger in Höhe von € 10.037,79 verpflichtet (§§ 823 Abs. 1,
840, 842, 254 BGB).
1. Die Haftung des Beklagten 1) folgt aus § 823 BGB. Er hat bei dem Unfallereignis
am 5.03.2002 in Ausübung seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer widerrechtlich
den Körper und die Gesundheit des Klägers verletzt, als er unstreitig nach dem
Rückwärtssetzen aus einem zu beladenen Lkw zu einem Wendevorgang das
Steuer links einschlug und dabei den linken Fuß des Klägers von hinten erfasste,
unter dem Gabelstapler einquetschte und dabei erheblich verletzte. Seine
Handlung war auch schuldhaft, weil er sich vor dem Rückwärtsfahren und vor dem
Einschlagen des Lenkrades nach links nicht umgeschaut und vergewissert hat, ob
die Fahrbahn hinter ihm frei ist, zumal er den Kläger bei der Auffahrt auf die
Laderampe an deren Rand stehen gesehen hatte.
2. Die Haftung der Beklagten 2) folgt ebenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB aufgrund
eines Organisationsverschuldens (Verletzung der Verkehrssicherungspflichten).
Die Sicherheit der Ladehalle liegt im Verantwortungsbereich der Beklagten 2). Sie
hat für die Sicherheit der die Halle durchquerenden Fußgänger, u. a. die Lkw-
Fahrer auf dem Weg zum Versandbüro, nicht in erforderlicher und zumutbarer
Weise gesorgt. Unstreitig müssen alle Fußgänger, die zu den Büros gelangen
wollen, die Halle durchqueren. Einen alternativen Weg zum Erreichen der Büros
gibt es nicht. In der Halle selbst herrscht durchgehend lebhafter
Gabelstaplerverkehr. Die Stapler durchqueren permanent die Halle auf ihrem Weg
zwischen den zu beladenen Lkws und dem Hochregallager. So kreuzen sie auch
permanent den einzigen Weg durch die Halle für Fußgänger, auf dem zum
Unfallzeitpunkt der Kläger unterwegs war. Diese Situation birgt, da die
Gabelstapler auch rückwärts fahren – sowohl bei der Ausfahrt aus den Lkws als
auch bei der aus den Hochregalen – ein hohes Unfallrisiko. Dieses wird noch
dadurch weiter erhöht, dass die Gabelstapler für das Rückwärtsfahren weder mit
Spiegeln noch mit akustischen Signalen ausgestattet sind. Dieses Risiko, auch
wenn es sich durch den Unfall des Klägers erstmals in dieser heftigen Form
realisiert hat, hätte die Beklagte längst erkennen und ihm durch Schaffung eines
optisch deutlich wahrnehmbaren separaten Laufweges für Fußgänger begegnen
müssen. Der Unfall des Klägers hätte dadurch vermieden werden können. Indem
sie dies unterlassen hat, hat sie die ihr obliegenden Pflichten für die Sicherheit von
Fußgängern in der Ladehalle schuldhaft verletzt.
Ob daneben auch ein Überwachungsverschulden gegeben ist, kann nach den hier
getroffenen Feststellungen dahinstehen.
3. Die Beklagten 1) und 2) haften für den Unfallschaden jedoch nicht in voller
Höhe, sondern lediglich zu 80 %; denn den Kläger trifft ein Mitverschulden in Höhe
von 20 %. Die Kammer ging bei ihren Überlegungen zum Mitverschulden davon
aus, dass die Unfallschilderung des Klägers in dem Punkt, dass der Gabelstapler
für ihn nicht mehr sichtbar in der Tiefe des Lkw verschwunden sei, nicht dem
tatsächlichen Ablauf entsprechen kann; denn bei einem völligen Verschwinden im
Lkw wäre der Gabelstapler so weit entfernt gewesen, dass der Kläger bei
sofortigem Überqueren der Ladebucht auf jeden Fall ausreichend Zeit gehabt
hätte, die weniger als 3 m unverletzt hinter sich zu lassen. Nach den ansonsten
weitgehend unstreitigen Ausführungen der Parteien geht die Kammer von
folgendem Umfallhergang aus: Auf seinem Fußweg entlang der Laderampen sah
der Kläger vor dem Überqueren der Ladebucht 19 den vom Beklagten 1)
gefahrenen Gabelstapler von links aus dem Hochregallager kommen, hielt an und
ließ den Beklagten 1) nach rechts in Richtung der Ladebucht an sich vorbeifahren.
Der Beklagte 1) sah den Kläger im Vorbeifahren ebenfalls dort stehen. Nachdem
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Der Beklagte 1) sah den Kläger im Vorbeifahren ebenfalls dort stehen. Nachdem
der Beklagte 1) ihn passiert hatte, setzte der Kläger seinen Weg, die Ladebucht
überquerend, fort. Dies hatte er gerade geschafft, als ihn der Beklagte 1) nach
dem Rückwärtssetzen aus der Ladebucht von hinten erfasste und sein linker Fuß
unter dem Gabelstapler eingequetscht wurde. Dazu konnte es nur kommen, weil
der Beklagte 1) mit dem Gabelstapler nicht tief im Lkw verschwunden war,
sondern, wie es der Bericht des Werkschutzmannes nahelegt, nur die letzte Reihe
auf der Ladefläche mit Paletten belud. Der Beklagte 1) muss die Paletten schnell
abgeladen und - ohne sich vor dem Rücksetzen oder dem Einschlagen des
Lenkrads nach links - in irgendeiner Weise zu vergewissern, dass hinter ihm die
Fahrbahn frei ist, zurückgesetzt haben. Gleichzeitig hat der Kläger nicht auf das
weitere Geschehen zu seiner Rechten in der Ladebucht geachtet, sondern ist, da
der Beklagte 1) ihn gerade erst passiert hatte, davon ausgegangen, genügend
Zeit zur Überquerung der Ladebucht zu haben. Hätte er nach rechts geschaut und
gesehen, dass der Beklagte 1) nicht weit entfernt Ladung abstellte, wäre er
entweder gar nicht erst losgegangen oder hätte noch genügend Zeit gehabt, zur
Seite zu springen und dem Beklagen 1) zu entgehen. Das Versäumnis des Klägers
rechtfertigt jedoch keine höhere Mitverschuldensquote als 20 %; denn der Kläger
konnte eher darauf vertrauen, die Ladebucht heil überqueren zu können, nachdem
der Beklagte 1) gerade erst an ihm vorbeigefahren war, als der Beklagte 1), der
den Kläger bei seiner Einfahrt in die Ladebucht gesehen hatte, darauf, dass beim
Zurücksetzen hinter ihm die Farbahn noch genauso frei sei wie bei seiner Einfahrt
und niemand gefährdet sein könnte. Es liegt auf der Hand, dass der Unfall durch
einen kurzen Blick nach hinten vermieden worden wäre. Hinzu kommt, dass vom
Fahrzeug des Beklagten 1) die wesentlich höhere Betriebsgefahr ausging. Eine
Kollision mit dem Gabelstapler führt leicht zu schweren Verletzungen, die
Fahrzeuge bewegen sich in engen Räumlichkeiten schnell und ändern zum
Rangieren unvorhersehbar ihre Richtung. Für einen viel langsameren Fußgänger ist
es unmöglich, auf ihre Richtungsänderungen jederzeit vorbereitet zu sein und
richtig reagieren zu können. Die Betriebsgefahr ist gegenüber dem Straßenverkehr
nicht reduziert, weil in der Halle viel kürzere Wege zurückgelegt werden, die Gefahr
durchgehend viel näher ist und daher viel schneller auf Veränderungen reagiert
werden muss. Der Fahrer eines Gabelstaplers muss jederzeit eine dem hohen
Risiko, das von seinem Fahrzeug ausgeht, angemessene Fahrweise an den Tag
legen. Das Zurücksetzen mit einem Fahrzeug, das nicht mit einer Warneinrichtung
für den Fall des Rückwärtsfahrens ausgestattet ist, ohne sich vorher nach hinten
umzuschauen, stellt in einer Halle mit regem Fußgängerverkehr eine grobe
Verletzung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt beim Bedienen des Gabelstaplers
dar. Eine Haftungsquote von 80 % ist daher angemessen.
Auch dass der Kläger entlang der Rampen und nicht entlang des Hochregallagers
gelaufen ist, rechtfertigt kein höheres Mitverschulden seinerseits; denn es ist nicht
zu erkennen, dass das Unfallrisiko dort deutlich geringer wäre. Die Gabelstapler
pendeln zwischen Laderampen und Hochregallager und überqueren so den
Laufweg des Klägers auf beiden Seiten. Zudem fahren sie mit der aus dem Regal
geholten Palette zunächst auch rückwärts, bevor sie in Richtung Ladebucht
wenden.
4. Der Höhe nach steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch von € 10.037,79
zu. Der Betrag setzt sich ausfolgenden Positionen zusammen.
a) Verdienstausfall für den Zeitraum bis zum 15.09.2003
Der Kläger war in der Zeit vom 5.03.2002 bis zum 14.09.2003 unstreitig aufgrund
des Unfalls arbeitsunfähig erkrankt. Verdienstausfall hat er für die Zeit von Mitte
April 2002 (nach Ablauf der Entgeltfortzahlung) bis einschließlich Juli 2003 geltend
gemacht. Dabei ist von einer monatlichen Differenz zwischen dem erhaltenen
Verletztengeld (€ 1360,00), das der Kläger sich anrechnen lässt, und dem
unstreitig entgangenen Nettolohn (€ 1.673,27) von € 313,27 auszugehen. Das
ergibt für den oben genannten Zeitraum einen Betrag in Höhe von € 4.542,42.
b) Urlaubsgeld 2002 und Weihnachtsgeld 2003
Der Kläger hatte gegenüber seinem Arbeitgeber einen Gratifikationsanspruch, der
ein zusätzliches Urlaubs- und ein Weihnachtsgeld umfasste. Der Anspruch beruht
auf einer Betriebsvereinbarung, die eine Kürzungsmöglichkeit des jeweiligen
Anspruchs im Falle von Arbeitsunfähigkeit vorsieht (€ 20,00 pro Tag, bei
Arbeitsunfall € 10,00). Der Kläger hat aufgrund seiner durchgehenden
Arbeitsunfähigkeit bis September 2003 weder das Urlaubsgeld 2002 in Höhe von €
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Arbeitsunfähigkeit bis September 2003 weder das Urlaubsgeld 2002 in Höhe von €
174,70 netto noch das Weihnachtsgeld 2003 in Höhe von € 315,60 netto erhalten.
Zusammen ergibt dies einen Anspruch in Höhe von € 490,30 netto.
c) Leistungsprämie
(für Unfallfreiheit, rechtzeitige Auslieferung und geringe Zahl von Ausfalltagen)
Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen und durch eine Bescheinigung seines
Arbeitgebers bestätigt, dass ihm ein arbeitsvertraglicher Anspruch gegen seinen
Arbeitgeber auf Zahlung einer Leistungsprämie zusteht, die er in der
Vergangenheit regelmäßig erhalten hat. Der Anspruch entsteht zweimal jährlich in
Höhe von jeweils € 383,47 brutto bzw. € 303,33 netto in 2002 und € 302,56 in
2003. Es kann daher gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO davon ausgegangen werden,
dass der Kläger die Prämie in den Jahren 2002 und 2003 nach dem gewöhnlichen
Verlauf der Dinge – ohne seine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit - erhalten hätte.
Ihm steht daher für die Jahre 2002 und 2003 ein Anspruch in Höhe von € 1211,78
netto zu.
d) Spesen
Dem Kläger steht für die Zeit bis zum 15.09.2003 ein Anspruch auf Zahlung von
85 % der durch seine Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Spesen zu. Nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH 24.04.1979 – VersR 1979, 622, 624;
BAG 3.04.1984 – EzA § 196 BGB Nr.5) sind pauschal gezahlte Spesen bei der
Berechnung des Verdienstausfalls zu berücksichtigen, wenn sie dadurch, dass der
Arbeitnehmer sie aufgrund besonderer Umstände nicht verbraucht, zu einer
faktischen Erhöhung des Einkommens führen. Da ist hier der Fall. Der Kläger hat
unwidersprochen vorgetragen, seine Tätigkeit als Kraftfahrer verlaufe in der Regel
so, dass er von Sonntagabend bis zum folgenden Samstagmittag unterwegs sei.
Sein Arbeitgeber zahle ihm, gestaffelt nach der Dauer der Abwesenheitszeit,
pauschale Spesen nach den zulässigen steuerfreien Sätzen (für die Höhe der
einzelnen Zahlungen wird auf Bl. 496 – 497 d. A.) Bezug genommen. In den Jahren
2000 und 2001 habe er im Jahresdurchschnitt € 5.235,89 an Spesen erhalten. Den
fast gleichen Betrag, nämlich € 5.236,00 haben die anderen Fahrer in den Jahren
2002 bis 2007 erhalten. Ausgehend von diesem Jahresdurchschnitt ergibt sich ein
monatlicher Durchschnitt von € 436,00, den der Kläger für 16 Monate eingeklagt
hat. Diese Darlegungen liefern, auch unter Beachtung des Umstands, dass für die
Berechnung auf das Lohnausfallprinzip abzustellen ist, eine hinreichende
Grundlage zur Berechnung der Forderung. Die so berechnete Forderung steht dem
Kläger in Höhe von 85 % auch zu; denn es kann nach seinen Angaben davon
ausgegangen werden, dass er nicht mehr als 15 % der Spesen tatsächlich für
Mehraufwand während der Woche ausgegeben hat (§ 287 ZPO). Der Kläger hat
dazu behauptet, er habe während der Woche ausschließlich im Lkw geschlafen. Die
gesamte Verpflegung für die Woche habe er von zu Hause mitgenommen. Die
Verpflegung für die Woche im Wert von € 30,00 habe aus Brot, Wurst, Obst und
Softdrinks bestanden. Daneben habe er vielleicht einmal in einem billigen Lokal
Currywurst gegessen. Zusätzlich sei er mit einem Taschengeld von € 40,00 und
mit einer EC-Karte für Notfälle ausgestattet gewesen. Vom Kläger vorgelegte
Fotos zeigen, dass der Lkw zum Schlafen ausgestattet ist und dass er eine
Kühlbox mit Lebensmitteln mitführen kann. Da der Kläger während der Woche
allein unterwegs war, ist eine Beweisführung hier nur eingeschränkt möglich. Die
Kammer hat die Darlegungen des Klägers für weitgehend glaubhaft gehalten; denn
sie beschreiben Lebensumstände, die für einen Lkw-Fahrer nicht untypisch sind.
Das betrifft insbesondere das Übernachten im Lkw, wodurch die bei auswärtigen
Tätigkeiten in der Regel den meisten Mehraufwand verursachenden
Übernachtungskosten eingespart werden. Nicht glaubhaft erschien jedoch, dass
der Kläger die ganze Woche, und das Woche für Woche, vollständig auf warme
Mahlzeiten verzichtet haben will. Das erscheint unvorstellbar. Die Kammer sah es
daher als angemessen an, für Mehraufwand für warmes Essen in Lokalen einen
Betrag in Höhe von 15% der zustehenden Spesen zu veranschlagen. Die
Spesendifferenz für die Jahre 2002 und 2003 (bis zum 15.09.) ergibt einen Betrag
in Höhe von € 7.125,00. Nach Abzug von 15 % verbleiben € 6.056,25.
e) Kleinschäden (Kleiderschaden, Parkkosten, sonstige Kosten)
Zwischen den Parteien war unstreitig, dass dem Kläger ein Kleiderschaden in Höhe
von € 150,00 ist, sowie des Weiteren Parkkosten in Höhe von € 39,00
(nachgewiesen durch entsprechende Belege, Bl. 58 – 60 d. A.) und Kosten für
Heilmittel und Telefon in Höhe von € 69,99 entstanden sind. Diese Kleinschäden
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Heilmittel und Telefon in Höhe von € 69,99 entstanden sind. Diese Kleinschäden
ergeben zusammen € 248,99.
Die bis hierher ausgeführten Schadenspositionen ergeben in der Summe den
ausgeurteilten Schadensersatzbetrag.
5. Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs waren jedoch weder die
Positionen vermögenswirksame Leistungen, Einzelfahrerzuschlag und Fahrtkosten
noch generell sämtliche für den Zeitraum ab dem 16.09.2003 eingeklagten
Schadenspositionen zu berücksichtigen.
a) Für die Positionen vermögenswirksame Leistungen und Einzelfahrerzuschlag
ergibt sich dies daraus, dass die vom Kläger vorgelegten Abrechnungen, die die
Grundlage für die Ermittlung des Nettomonatslohns des Klägers waren, diese
beiden Leistungen des Arbeitgebers an den Kläger bereits enthielten und sie so,
den Nettolohnanspruch erhöhend, bei der Berechnung des monatlichen
Lohnausfalls bereits berücksichtigt wurden. Die vermögenswirksamen Leistungen
erscheinen in den Abrechnungen unter der Bezeichnung „VWL AG-Anteil“
regelmäßig mit dem - auch vom Kläger monatlich eingeklagten - Betrag von €
26,59. Die Einzelfahrerzulage erscheint unter der Bezeichnung „Zulagen“ jeweils
mit einem durch € 15,40 teilbaren Betrag, der der Höhe der täglichen Zulage
entspricht. Auf Befragen im letzten Kammertermin hat der Klägervertreter zudem
selbst einräumen müssen, dass es sich hier um die Einzelfahrerzulage handelt.
b) Den Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten hat der Kläger nicht schlüssig
dargelegt. Der Kläger hat den von ihm eingeklagten Betrag der Höhe nach in
keiner Weise aufgeschlüsselt. Es ist nicht erkennbar, wann und für welche Fahrten
die Kosten entstanden sein sollen. Hinzu kommt, dass die Berufsgenossenschaft
(BG) unstreitig bereits Fahrtkosten in Höhe von mehr als € 1.000,00 an den Kläger
erstattet hat. Es ist jedoch in seinem Vortrag nicht erkennbar, ob er die bereits
erhaltenen Erstattungen bei der Bezifferung seines Antrags berücksichtigt hat. Er
kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagten die Fahrtkosten
bereits zu 2/3 anerkannt hätten. Dem Schreiben der Haftpflichtversicherung der
Beklagten 2), das er dazu anführt, ist ein Anerkenntnis seiner Forderung nicht zu
entnehmen. Unabhängig von der Frage, ob die Be
klagten sich die Erklärung der Versicherung zurechnen lassen müssten, ist die
Erklärung lediglich im Kontext einer außergerichtlichen Schadensregulierung
abgegeben worden, zu der es – offensichtlich – nicht gekommen ist. Eine Bindung
für die streitige Durchsetzung des Anspruchs kann der Erklärung nicht zukommen
c) Für die Zeit nach dem 15.09.2003 stehen dem Kläger keine weiteren
(materiellen) Schadensersatzansprüche mehr zu, weil sein Anspruch auf den
Ersatz des Erwerbsschadens ab diesem Zeitpunkt in Höhe der von der
Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen gezahlten Verletztenrente von €
634,00 monatlich (gemäß Abhilfebescheid vom 4.02.2005, Bl. 320 d. A.) gemäß §
116 Abs. 1 SGB X auf den Träger der Sozialleistung übergegangen ist und der von
ihm geltend gemachte Erwerbsschaden - sowohl bezogen auf einzelne Monate als
auch auf die Gesamtzeit – die Verletztenrente nicht übersteigt. Das gilt auch für
die Monate September 2004 und November 2005, für die der Kläger in seiner
Aufstellung in Anlage zum Schriftsatz vom 20.02.2009 zu einem höheren
Erwerbsschaden gelangt ist. Die vom Kläger genannten Beträge sind jeweils um
den Betrag für die Einzelfahrerzulage zu kürzen, weil diese bereits in der für
denselben Zeitraum geltend gemachten Lohndifferenz enthalten ist. Zur näheren
Begründung dafür wird auf die Ausführungen unter I. 5. a) der
Entscheidungsgründe verwiesen.
Nach § 116 SGB X gehen Schadensersatzansprüche, die auf anderen gesetzlichen
Vorschriften beruhen, auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund
des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung
eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der
vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Das ist hier der Fall. Dem
Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens gegen die Beklagten 1)
und 2) aufgrund des § 823 Abs. 1 BG zu. Verletztenrente und Schadensersatz
werden für den gleichen Zeitraum gezahlt. Auch sind die Verletztenrente aus der
Unfallversicherung und der Erwerbsschaden kongruent, da sie beide zur Behebung
eines Schadens der gleichen Art dienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 2.12.2008 – VI
ZR 312/07 – juris; 3.12.2003 – VI ZR 304/01 – VersR 2003, 390; 24.04.1979 – VI ZR
204/76, VersR 1979, 622) wird die Verletztenrente als eine laufende abstrakt
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204/76, VersR 1979, 622) wird die Verletztenrente als eine laufende abstrakt
berechnete Entschädigung für unfallbedingte Erwerbseinbußen gezahlt. Sie stellt
eine gesetzlich – in § 56 SGB VII - geregelte Entschädigung dafür dar, dass der
Verletzte infolge des Unfalls in seiner Fähigkeit beeinträchtigt ist, sich einen Erwerb
zu verschaffen. Ihr ausschließlicher Zweck besteht im pauschalierten Ausgleich
des Erwerbsschadens. Aufgrund des Charakters der Erwerbsrente als einer
Lohnersatzleistung ist die Kongruenz zwischen dieser Sozialleistung und dem auf
Ersatz des Verdienstausfalls gerichteten Schadensersatzanspruchs
uneingeschränkt bejaht worden. Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Zusammengefasst steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall,
Kleider-, Park-, Heilmittel- und Telefonkosten in Höhe von insgesamt € 12.549,74
zu. Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 20 % reduziert sich der
Anspruch auf € 10.037,79.
II.
Die Beklagten 1) und 2) sind verpflichtet, dem Kläger gemäß § 253 Abs. 2, 254
BGB für den Zeitraum vom Unfallereignis bis zum Ende des Jahres 2008 weitere €
2.000,00 an Schmerzensgeld zu zahlen.
Unter Berücksichtigung aller für die Höhe maßgebenden Umstände ist für den
genannten Zeitraum ein Schmerzensgeld in Höhe von € 35.000,00 angemessen,
unter Beachtung der oben festgestellten Mitverschuldensquote von 20 %, in Höhe
von € 28.000,00. Darauf hat die Beklagte 2) durch ihre Haftpflichtversicherung
bereits € 26.000,00 gezahlt, so dass noch € 2.000,00 verbleiben.
Für die Höhe des Schmerzensgeldes waren sowohl die festgestellten Diagnosen,
die Häufigkeit der operativen Eingriffe, die Komplikationen im Heilungsverlauf, die
lange Dauer der Arbeitsunfähigkeit, die andauernden Schmerzen an Fuß und
Schulter, die immer wieder auftretenden und zu Arbeitsunfähigkeiten führenden
Beschwerden an der Ferse, die dauerhafte Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (40
%) sowie die daraus folgenden sozialen Belastungen und Ängste hinsichtlich seiner
beruflichen Zukunft und der Existenzsicherung der Familie, nicht zuletzt durch die
Kosten für das kreditfinanzierte Haus, von Bedeutung
Der Kläger erlitt bei dem Unfall am 5.03.2002 eine schwere Quetschverletzung des
linken Fußes mit einer Ablederungsverletzung der Ferse und mehreren
Trümmerbrüchen. Er befand sich über zwei Monate, bis zum 10.05.2002, in
stationärer Behandlung, zunächst in der Uniklinik Marburg, dann in der Uniklinik
Jena. Er musste sich dort insgesamt 13 operativen Eingriffen unter Vollnarkose
unterziehen, die der Behandlung der Frakturen und der Ablederungsverletzung der
Ferse dienten. Für letztere sind Hauttransplantationen von Rücken, Oberschenkel
und Schulter durchgeführt worden, die teils nicht erfolgreich waren, zu
andauernden Schmerzen führten und wiederholt werden mussten. Insbesondere
im Schulterbereich kam es nach der Hautentnahme zu schmerzhaften
Narbenbildungen. Die Schmerzen dauerten mehr als 1,5 Jahre an und führten zu
einer Bewegungseinschränkung der Schulter. Nach dem stationären Aufenthalt
wurde der Kläger regelmäßig durch Herrn B ambulant weiterbehandelt. Die
Behandlung diente vor allem der Wundversorgung an der Ferse. Anfang August
2002 begab er sich er sich zu einer bis zum 23.09.2002 andauernden
Rehamaßnahme in die Orthopädische Abteilung der Heinrich Mann Klinik wiederum
in stationäre Behandlung. Zu dieser Zeit bewegte er sich noch ausschließlich mit
zwei Gehstöcken fort, ohne den Fuß belasten zu können. Am Ende des Aufenthalts
war er in der Lage, kurze Strecken ohne Gehhilfe zulaufen. Wegen andauernder
Schmerzen an der Ferse und der Fußsohle sowie des wiederholt aufbrechenden
Ulcus an der Ferse dauerten die Einschränkungen der Geh- und Stehfähigkeit an.
Der Kläger war aus diesem Grund bis zum 14.09.2003, mithin 18,5 Monate
durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die andauernden Einschränkungen der Geh-
und Stehfähigkeit sowie die Bewegungseinschränkung im Schultergelenk führten
zur Anerkennung einer dauernden Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von 40 %.
In den Folgejahren traten wiederholt Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund der
Unfallverletzung auf, weil die Ferse wegen des Ulcus nicht verheilte, sondern sich
immer wieder öffnete und der Behandlung bedurfte. Es handelte sich dabei um 9
Zeiträume, die zusammengenommen sich zu einer Ausfallzeit von weiteren 32
Wochen summierten. Der Kläger muss mit weiteren krankheitsbedingten
Ausfallzeiten rechnen, weil die Ferse bislang noch immer nicht verheilt ist. Die hier
geschilderten Umstände sind den Entlassungsberichten der Universitätsklinik in
Jena (Bl. 19 – 21 d. A.) und der Heinrich Mann Klinik (Bl. 22 – 26 d. A.), den
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Jena (Bl. 19 – 21 d. A.) und der Heinrich Mann Klinik (Bl. 22 – 26 d. A.), den
gutachterlichen Stellungnahmen des den Kläger ambulant behandelnden Arztes B
vom 29.10.2002 und vom 24.10.2003 (Bl. 16 – 18, 106 d. A.) sowie der
schriftlichen Aussage des B vom 7.03.2008 (Bl. 479 d. A.) zu entnehmen.
Die aufgrund der nicht abheilenden Verletzung an der Ferse schon fast 7 Jahre
fortwährende Unsicherheit über die die weitere gesundheitliche Entwicklung und
die feststehende dauerhafte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit hat des
Weiteren zu beobachtbaren sozialen Belastungen und Ängsten hinsichtlich seiner
beruflichen Entwicklung und der Sicherung der Existenzgrundlage seiner Familie
geführt. Der Entlassungsbericht der Rehaklinik spricht davon, dass der Kläger bei
seiner Ankunft wegen seiner beruflichen Zukunft sehr verunsichert war. Auch
wenn, wie es dort weiter heißt, sich die Unsicherheit mit den Fortschritten in der
Rehabilitation gelegt habe, sprechen genügend Anhaltspunkte dafür, dass er mit
dem Auftreten der andauernden Komplikationen im Heilungsprozess die
gewonnene Zuversicht wieder verloren hat und ihn die Ungewissheit seiner
Zukunft und der seiner Familie sehr belastet. Dafür spricht u. a, dass er trotz
ernsthafter Überlegungen und des zunächst sichtbaren Willens nicht zum
Abschluss eines Vergleichs mit der Erledigung auch zukünftiger Ansprüche in der
Lage war. Die erkennende Kammer konnte sich zudem selbst in den Gesprächen
mit dem Kläger in den mündlichen Verhandlungen ein Bild von seiner tiefen
Verunsicherung und Angst über den Fortgang seiner beruflichen und
wirtschaftlichen Existenz machen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger
im Unfallzeitpunkt gerade erst das 34. Lebensjahr vollendet hatte und auf die
Verwertung seiner Arbeitskraft noch für viele Jahre angewiesen ist.
Nicht zu berücksichtigen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war hingegen
ein verzögerliches Verhalten der Beklagten bei der Schadensregulierung. Nach
dem von der Beklagten 2) vorgelegten Schriftwechsel mit dem Kläger bzw.
zwischen dem Kläger und der Haftpflichtversicherung ist die späte vorläufige
Regulierung mit Zahlung der € 26.000,00 vor allem darauf zurückzuführen, dass
der Kläger lange weder seine Forderung spezifiziert noch die Arztberichte vorgelegt
hat. Damit hatte die Haftpflichtversicherung bis Mitte 2003 keine zuverlässige
Grundlage für eine Schadensregulierung.
Als Maßstab und Orientierung für die Höhe des zugesprochenen
Schmerzensgeldes hat die Kammer die Urteile des OLG München vom 27.11.1998
– 10 U 2576/98 und des OLG Stuttgart vom 22.10.1993 – 2 U 292/92 (Hacks/Ring/
Böhm, Schmerzensgeldtabelle Nr. 2147 und 2158) herangezogen. Zwar geht der
hier zugesprochene Betrag über die dort als angemessen angesehenen Beträge
deutlich hinaus. Es ist jedoch zu beachten, dass es überhaupt an durchgängig
einheitlichen Maßstäben fehlt und sich deshalb die unkorrigierte Übernahme
ausgewiesener Beträge älterer Entscheidungen verbietet. Vielmehr ist zu Gunsten
des Geschädigten die seit dem Entscheidungszeitpunkt verstrichene Zeit (10,5
bzw. 15,5 Jahre) ebenso zu berücksichtigen wie die allgemeine Tendenz, bei der
Bemessung von Schmerzensgeld höhere Beträge zuzusprechen als noch in
früheren Zeiten (OLG Frankfurt 19.08.2009 – 7 U 23/08 – juris). Als besonders
erschwerend für die Bemessung seien aus den bereits aufgezählten Umständen -
wie der Schwere der Verletzung, der aufgetretenen Komplikationen im Heilverlauf,
der Notwendigkeit von 13 Operationen, der sehr langen Dauer der
Arbeitsunfähigkeit, der erheblichen Einschränkungen in der Fortbewegung für fast
ein Jahr, der andauernden Schmerzen - die immer wieder auftretenden
Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen der sich in Abständen öffnenden
Weichteilverletzung an der Ferse, die dauerhaft feststehende Minderung der
Erwerbsfähigkeit um 40 % und die dadurch ausgelösten Ängste und
Unsicherheiten für das weitere Leben des im Unfallzeitpunkts erst 34 Jahre alten,
verheirateten und zur Unterhaltszahlung verpflichteten Klägers sowohl in
gesundheitlicher als auch in beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht herausgestellt.
Der Zinsanspruch ist nach § 291 ZPO begründet.
III.
Die soweit dem Kläger zugesprochenen Ansprüche (Personenschäden und
Schmerzensgeld) gegen die Beklagten 1) und 2) sind nicht durch eine
Haftungsprivilegierung nach §§ 104 ff SGB VII ausgeschlossen.
1. Die Haftung der Beklagten ist nicht nach §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1, 2 Abs.2 SGB
VII ausgeschlossen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses weder
Arbeitnehmer des Unternehmens der Beklagten 2) noch stand er zu ihr in einer
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Arbeitnehmer des Unternehmens der Beklagten 2) noch stand er zu ihr in einer
sonstigen die Versicherungspflicht begründenden Beziehung. Das würde
voraussetzen, dass er die Tätigkeit, bei der er verletzt worden ist, für den
Unfallbetrieb und nicht für den Stammbetrieb erbrachte. Erfüllt der Verletzte
sowohl Zwecke des Stammbetriebes als auch des Unfallbetriebes, kommt es für
die Zuordnung seiner Tätigkeit darauf an, welche Aufgaben ihr das Gepräge geben
(BAG 19.02.209 – 8 AZR 188/08 – DB 2009, 1134, BAG VersR 1991, 902; OLG Köln
2.08.2001 – VersR 2002, 575). Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger unabhängig
von der Frage, ob die Verpflichtung des Absenders nach § 413 HGB, nämlich die
Versandpapiere zur Verfügung zu stellen, auch die Übergabe an den Frachtführer
einschließt, nicht für den Unfallbetrieb tätig geworden. Der Kläger ist im
Wesentlichen im Interesse seines Arbeitgebers in den Unfallbetrieb gekommen,
nämlich um eine Fracht abzuholen. Dabei sind das pünktliche Erscheinen mit dem
Lkw und die Sicherstellung des betriebssicheren Verladens (§ 412 Abs. 1 S.2 HGB)
die vorrangigen Tätigkeiten, nicht hingegen das Abholen der Versandpapiere. Dies
folgt ganz am Ende und macht zeitlich nur einen geringen Teil der Tätigkeit aus.
Auch wenn § 413 Abs. 1 HGB die Verpflichtung zur Aushändigung der
Versandpapiere umfasst und der Kläger hier eine Verpflichtung des Unfallbetriebes
ausführt, gibt sie der Tätigkeit des Klägers im Unfallbetrieb nicht das Gepräge.
2. Die Haftung des Beklagten 1) war auch nicht nach § 106 Abs. 3 SGB VII
ausgeschlossen.
Nach dieser Vorschrift greift ein Haftungsausschluss der für die beteiligten
Unternehmen Tätigen untereinander ein, wenn Versicherte mehrerer
Unternehmen zum Unfallzeitpunkt vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf
einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Dafür muss ein bewusstes
Miteinander im Arbeitsablauf, das zwar nicht nach einer rechtlichen Verfestigung
oder auch nur einer ausdrücklichen Vereinbarung verlangt, sich aber zumindest
tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken
verschiedener Unternehmen darstellt, gegeben sein. Die Haftungsfreistellung nach
§ 106 Abs. 3 SGB VII regelt damit Fälle, in denen betriebliche Aktivitäten von
Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen
Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder
unterstützen (BAG 12.12.2002 – 8 AZR 94/02 – BB 2003, 690; BGH 17.10.2000 –
VI ZR 67/00 – BGHZ 145, 331). Diese Voraussetzungen liegen für die Tätigkeiten
des Klägers und des Beklagten 1) offensichtlich nicht vor. Das wäre nur denkbar,
wenn der Beklagte 1) zum Unfallzeitpunkt den Lkw des Klägers und nicht einen
ganz anderen Lkw beladen hätte. Ein Zusammenwirken beider ist in keiner Weise
festzustellen.
Auf eine Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 4 SGB VII haben sich die
Beklagten in zweiter Instanz nicht mehr berufen. Voraussetzungen dafür sind auch
nicht vorgetragen.
IV.
Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.
Auf den Feststellungsantrag war festzustellen, dass die Beklagten 1) und 2)
verpflichtet sind, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden aus dem
Unfallereignis vom 5.03.2002 auf dem Betriebsgelände der Beklagten 2) in
Stadtallendorf mit einer Haftungsquote von 80 % zu erstatten, soweit die
Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 253 ZPO für den Antrag des
Klägers ist gegeben. Es folgt daraus, dass der Kläger zukünftige Ansprüche aus
der Haftung der Beklagten für das Unfallereignis noch nicht beziffern und daher
keine Leistungsklage einreichen kann; denn der schriftlichen Aussage des B vom
7.03.3008 (Bl. 479 d. A.) ist zu entnehmen, dass die Weichteilverletzung an der
Ferse aufgrund der dort aufgetretenen Komplikationen im Heilungsverlauf noch
immer nicht ausgeheilt ist. Das Ulcus, das sich dort ausgebildet hat, bricht von
Zeit zu Zeit auf und bedarf der besonderen Behandlung mit Salbenverbänden. Da
der Kläger den Heilungsprozess jeweils abwarten muss und während der Zeit keine
Schuhe tragen kann, wird es auch in Zukunft zu weiteren Arbeitsunfähigkeiten, die
zu Erwerbsschäden führen können, kommen.
Für die Begründetheit der Haftungsverpflichtung der Beklagten 1) und 2) wird auf
die Ausführungen unter I und II der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
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Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92,
100, 516 Abs. 3 ZPO jeweils anteilig zu tragen, da sie teils obsiegt haben und teils
unterlegen sind. Der Kläger hat zudem die Kosten seiner Teil-Berufungsrücknahme
zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht waren nicht
ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.