Urteil des LAG Hessen vom 28.09.2010

LAG Frankfurt: tarifvertrag, pacta sunt servanda, gewerkschaft, arbeitsgericht, austritt, vergütung, feststellungsklage, befristung, entziehen, arbeitgeberverband

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Sa 142/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 3 TVG, § 4 Abs 5
TVG, § 3 Abs 1 TVG, TVöD
BT-K
(Nachbindung gemäß § 3 Abs 3 TVG nach Verbandswechsel
- Tarifpluralität)
Leitsatz
Tritt der Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband aus, so gilt der zuvor anwendbare
Tarifvertrag nach § 3 Abs. 3 TVG weiter. Dies gilt auch dann, wenn die Einigung der
Tarifpartner noch vor dem Austritt abgeschlossen wurde, die Wirkungen des geänderten
Tarifvertrags aber zeitgleich mit dem Austritt oder später in Kraft treten sollen.
Kommt es nach einem Wechsel des Arbeitgeberverbandes im Betrieb zu einer
Tarifpluralität, so ist diese im Falle des § 3 Abs. 3 TVG zu Gunsten des im Wege der
Nachbindung weitergeltenden Tarifvertrags aufzulösen, nachdem das BAG an dem
Spezialitätsgrundsatz bei einer Tarifpluralität nicht mehr festhält.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 09.
Dezember 2009 – 9 Ca 275/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um tarifvertragliche Vergütungsansprüche.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01. Juli 2008 als Krankenschwester
angestellt. Die Beklagte ist Betreiberin mehrerer Klinken.
Gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 19 Mai 2008 war die Klägerin
zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2008 angestellt. In dem Arbeitsvertrag
war u.a. Folgendes geregelt:
㤠2 Verweisung auf Tarifvertrag/Tarifwechselklausel
(1) Die Arbeitgeberin ist zurzeit tarifgebunden.
(2) Auf das Arbeitsverhältnis kommt bis auf weiteres der Tarifvertrag für den
öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 und dem Besonderen Teil
Krankenhäuser (BT-K) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden
Tarifverträgen in der für den Bereich der A, einschließlich des Tarifvertrags zur
Überleitung der Beschäftigten der B in den TVöD und zur Regelung des
Übergangsrechts (§ 1 Abs. 2 TVÜ-VKA) in seiner jeweiligen Fassung nebst seinen
ergänzenden Tarifverträgen zur Anwendung.
(3) Sofern und solange die Arbeitgeberin eine Tarifbindung eingeht, richten sich die
Arbeitsbedingungen nach den Bestimmungen des für die jeweilige Betriebsstätte
jeweils geltenden Tarifvertrags und dessen ergänzenden Tarifverträgen in der
jeweils geltenden Fassung.
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(4) Diese Bezugnahme erfasst auch den künftigen Wechsel zu einem anderen
Tarifwerk, insbesondere auch einer anderen Branche, aber auch einer anderen
Gewerkschaft. Die Arbeitgeberin wird entsprechend dem Nachweisgesetz auf jeden
Wechsel pauschal hinweisen.
(5) Ist die Arbeitgeberin an mehrere einschlägige Tarifverträge gebunden,
bestimmt sie durch Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, welches Tarifwerk
arbeitsvertraglich gelten soll.
(6) Die Arbeitgeberin kann durch Widerruf innerhalb von 4 Wochen nach dem
Inkrafttreten von Tarifänderungen der tariflichen Bezugnahme die Dynamik
nehmen. Ab diesem Zeitpunkt gelten künftige Änderungen des in Bezug
genommenen Tarifvertrags nicht mehr für das mit diesem Vertrag begründete
Arbeitsverhältnis.
(7) Sämtliche Bezugnahmeklauseln greifen nicht ein, soweit auf das
Arbeitsverhältnis Tarifvertragsvorschriften aufgrund Tarifgebundenheit und/oder
kraft gesetzlicher Anordnung anzuwenden sind.“
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird verwiesen auf Bl. 5
bis 6 d.A.
Nach dem Arbeitsvertrag war die Klägerin eingruppiert in die Entgeltgruppe 8a,
Stufe 4, des TVöD-K. Bei einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden verdiente sie
1.209,04 € brutto.
Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Mitglied im C Die
Klägerin ist seit dem 01. Oktober 2008 Mitglied in der Gewerkschaft D.
Mit Wirkung zum 31.12.2008 trat die Beklagte aus dem C aus und dem E als
Mitglied bei. Der E hat mehrere Tarifverträge abgeschlossen. Diese wurden auf
Arbeitnehmerseite einerseits von der Gewerkschaft „F“ und andererseits von der
„G“, abgeschlossen.
Die Parteien schlossen unter dem 17./30. Dezember 2008 mit Wirkung zum 01.
Januar 2009 einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag ab. Darin war unter § 5
hinsichtlich der Vergütung auf den Vergütungstarifvertrag des E Bezug
genommen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrage das Bruttoentgelt
1.077,96 €. Ferner heißt es unter § 8:
„Die Arbeitgeberin ist zurzeit tarifgebunden.
Das Arbeitsverhältnis richtet sich derzeit nach dem Landesmanteltarifvertrag, dem
Vergütungstarifvertrag, dem Ausbildungstarifvertrag sowie dem
Altersvorsorgetarifvertrag des Verbandes der Privatkrankenanstalten (TV E
Hessen/Rheinland-Pfalz)…
Sofern und solange die Arbeitgeberin eine Tarifbindung eingeht, richten sich die
Arbeitsbedingungen nach den Bestimmungen des für die jeweilige Betriebsstätte
aufgrund der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Arbeitgeberverband geltenden
Tarifvertrags und dessen ergänzenden Tarifverträgen, die der jeweilige
Arbeitgeberverband, dem die H beitritt, für seine Mitglieder vereinbart…
Ist die Arbeitgeberin an mehrere einschlägige Tarifverträge gebunden, bestimmt
sie durch Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, welches Tarifwerk
arbeitsvertraglich gelten soll.
Die Arbeitgeberin kann durch Widerruf innerhalb von 4 Wochen nach dem
Inkrafttreten von Tarifänderungen der tariflichen Bezugnahme die Dynamik
nehmen. Ab diesem Zeitpunkt gelten künftige Änderungen des in Bezug
genommenen Tarifvertrags nicht mehr für das mit diesem Vertrag begründete
Arbeitsverhältnis.
Sämtliche Bezugnahmeklauseln greifen nicht ein, soweit auf das Arbeitsverhältnis
Tarifvertragsvorschriften aufgrund Tarifgebundenheit und/oder kraft gesetzlicher
Anordnung anzuwenden sind.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des neuen Arbeitsvertrags wird verwiesen auf Bl.
8 bis 11 d.A.
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Zum 01. Januar 2009 wurde das Tabellenentgelt für die Beschäftigten im
öffentlichen Dienst Krankenhäuser – West (kurz: TVöD-K) erhöht. Bei einer
Vollzeitstelle betrug die Vergütung der Entgeltgruppe 8a - Stufe 4 - 2.522,49 €.
Der Klägerin wurde ab Januar 2009 lediglich das Bruttogehalt von 1.077,96 €
gezahlt.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2009 machte die Klägerin die aus ihrer Sicht
ausstehende Vergütung nach dem TVöD geltend.
Zum 01. Januar 2010 hat sich das Tabellenentgelt des TVöD-K erneut verändert.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie ab Januar 2009 weiterhin die
Vergütung nach dem TVöD-K beanspruchen könne. An diesen Tarifvertrag seien
die Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung gebunden gewesen. Der Austritt der
Beklagten aus dem I ändere daran nichts, da sie kraft Nachbindung nach § 3 Abs.
3 Tarifvertragsgesetz (TVG) unverändert an den TVöD-K gebunden sei. Der neu
abgeschlossene Vertrag sei irrelevant, da verschlechternde arbeitsvertragliche
Regelungen während der Nachbindungsfrist unwirksam seien. Die Klägerin sei
daher nach wie vor nach diesem Tarifvertrag zu vergüten. Aufgrund der Erhöhung
des Tabellenentgelts zum 01. Januar 2009 könne sie bei einer 20-Stundenwoche
monatlich 1.310,38 € verlangen. Da die Geltung des Tarifvertrags zwischen den
Parteien im Streit steht, könne sie auch die Feststellungsklage erheben, damit für
die Zukunft geklärt werde, dass sie weiterhin in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 4, des
TVöD-K eingruppiert sei.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Januar 2009 1.310,38 Euro
brutto abzüglich bereits gezahlter 709,73 Euro netto, für den Monat Februar 2009
1.310,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 709,73 Euro netto, für den Monat
März 2009 1.310,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 709,73 Euro netto, für
den Monat April 2009 1.310,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 709,73 Euro
netto, für den Monat Mai 2009 1.310,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter
709,73 Euro netto, für den Monat Juni 2009 1.310,38 Euro brutto abzüglich bereits
gezahlter 709,73 Euro netto, für den Monat Juli 2009 1.310,38 Euro brutto
abzüglich bereits gezahlter 709,73 Euro netto und für den Monat August 2009
1.310,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 709,73 Euro netto, jeweils nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.
August 2009 zu zahlen;
2. festzustellen, dass sie in Entgeltgruppe 8 a, Stufe 4 des Tarifvertrages für den
öffentlichen Dienst, Krankenhäuser West (TVöD-K), eingruppiert ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Arbeitsvertragsparteien aufgrund der
Befristung des alten Arbeitsvertrags zum 01. Januar 2009 frei gewesen seien, neue
arbeitsvertragliche Vereinbarungen zu treffen. Die Parteien hätten in dem alten
Arbeitsvertrag auch eine wirksame Tarifwechselklausel vereinbart, so dass die
neuen Tarifverträge des E gelten müssten. Im Übrigen gelte der Grundsatz der
Tarifspezialität. Die Tarifverträge des E stünden dem Betrieb der Beklagten
betrieblich, fachlich und persönlich näher als der TVöD-K. Dieser werde daher
verdrängt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09. Dezember 2009 der Klage im
Wesentlichen, bis auf einen geringfügigen Zinsanspruch, stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass beide Parteien kraft jeweiliger
Verbandsmitgliedschaft an den TVöD-K gebunden gewesen seien. Nach dem
Verbandsaustritt der Beklagten habe die Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG
eingesetzt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aufgrund des neu
abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags mit Wirkung zum 01. Januar 2009.
Die dort enthaltene Bezugnahme auf die Tarifverträge des E sei als eine
ungünstigere Regelung gemäß § 4 Abs. 3 TVG anzusehen. Der TVöD werde auch
nicht kraft Spezialität durch die Tarifverträge des E verdrängt. Es läge hier kein Fall
einer Tarifkonkurrenz vor, da die Tarifverträge des E nur kraft arbeitsvertraglicher
Bezugnahme gelten würden; auch sehe § 2 des Arbeitsvertrags vom 19. Mai 2008
vor, dass eine Bezugnahmeklausel gegenüber einer Tarifbindung nach § 3 TVG
zurücktreten müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird verwiesen
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zurücktreten müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird verwiesen
auf Bl. 62 bis 76 d.A.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 25. Januar 2010 zugestellt worden. Mit bei
Gericht am 27. Januar 2010 eingegangenem Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt
und diese mit bei Gericht am 26. April 2010 eingegangenem Schriftsatz
begründet, nachdem die Frist zur Berufungsbegründung bis zu diesem Zeitpunkt
verlängert worden war.
Die Beklagte meint, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht nach den Klageanträgen
erkannt habe. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Nachbindung gemäß § 3
Abs. 3 TVG im vorliegenden Fall nicht eingreife, da die Parteien zum 01. Januar
2009 einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatten. Es bestünde
Vertragsfreiheit, die Nachbindung greife nach ihren Sinn und Zweck nicht ein, wenn
ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werde. Der TVöD würde auch nicht kraft
einer Nachwirkung nach § 4 Abs. 3 TVG gelten. Denn die Entgelttabellen des TVöD-
K seien schon zum 01. Januar 2009 geändert worden. Die Parteien hätten eine
andere wirksame Regelung im Arbeitsvertrag getroffen. Im Hinblick darauf, dass
der TVöD-K nur noch statisch, der E allerdings dynamisch gelten würde, hätten die
Arbeitsvertragsparteien Abweichendes vereinbaren können. Ein umfassender
Vergleich beider Tarifwerke zeige zudem, dass der E günstiger sei. So regele z.B. §
16 des Manteltarifvertrags, dass Bereitschaftsdienst zu mehr als 50 % als
Arbeitszeit gewertet werden kann. Im Falle der Geltung mehrerer Tarifwerke habe
die Arbeitgeberin die Möglichkeit, nach § 315 BGB zu bestimmen, welcher
Tarifvertrag arbeitsvertraglich gelten solle. Zweifel bezüglich der Wirksamkeit der
Tarifverträge des E bestünden ebenfalls nicht. Insbesondere sei die Gewerkschaft
G als tariffähig anzusehen. Diese Gewerkschaft sei am 05. März 2008 gegründet
worden. Die Mitgliederanzahl sei zwar kein geeignetes Kriterium für die
Tariffähigkeit, doch verfüge sie allein im J und in dem K über deutlich mehr als 100
Mitglieder. Die G habe auch derzeit 102 in Kraft befindliche Tarifverträge
abgeschlossen, davon sechs in Anerkennungs- und Anschlusstarifverträgen.
Schließlich sei sie auch arbeitskampfwillig und schließe nicht bloß
Gefälligkeitstarifverträge ab.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgericht Kassel vom 09. Dezember 2009, Az.: 9 Ca 275//09,
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, dass wenn es für § 3 Abs. 3
TVG ausreichend sei, dass ein Arbeitnehmer im Nachbindungszeitraum
Gewerkschaftsmitglied werde, dies erst recht gelten müsse, wenn wie hier die
Klägerin schon vor Eintritt der Nachbindung Mitglied der Gewerkschaft wurde. Der
TVöD-K habe auch nicht zum 31. Dezember 2008 geendet; zum 01. Januar 2009
seien lediglich die neuen Tabellenentgelte, die bereits in der Tarifrunde 2008
verhandelt worden seien, in Kraft gesetzt worden. Die Gegenüberstellung der
Regelungen des TVöD-K und des Manteltarifvertrags des E zeige, dass der TVöD-K
deutlich günstiger für die Arbeitnehmer sei. Dies betreffe die Regelungen zum
Urlaub, Zusatzurlaub, Arbeitszeit, zu den Zuschlägen, Sonderzuwendungen und
zum Kündigungsschutz. Aber auch bezüglich der Entgelthöhe seien die alten
tariflichen Regeln deutlich günstiger. Die Klägerin bestreitet ferner die Tariffähigkeit
der G. Diese sei erst im April 2008 gegründet worden und habe über keine
nennenswerte Anzahl von Mitgliedern bei Abschluss des Manteltarifvertrags
verfügt. Ihr fehle es an einer effektiven überbetrieblichen und unabhängigen
Organisationsstruktur. Außerdem fehle es an der von der Rechtsprechung
geforderten Durchsetzungsfähigkeit. Die Gewerkschaft D habe vor dem
Arbeitsgericht Hamburg ein Verfahren eingeleitet, bei dem es um die Feststellung
der Tariffähigkeit der G geht (Az.: 1 BV 5/10). Dieses Verfahren sei aber nicht
vorgreiflich, weil den Klageanträgen bereits aus anderen Gründen stattzugeben
sei. Schließlich bestreitet sie, dass die gleichfalls den Tarifvertrag abschließende
DHV satzungsmäßig für den Abschluss von Tarifverträgen für den Bereich der
Krankenhäuser zuständig gewesen sei. Am 24. Juni 2008 habe sich noch nicht der
Zusatz in der Satzung befunden, wonach die DHV auch für private Kliniken und
Krankenhäuser zuständig sei. Dieser sei jedenfalls erst in der ab dem 09. Mai 2009
gültigen Fassung der Satzung enthalten gewesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend
Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie
auf die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO,
64 Abs. 2 b) ArbGG. Sie begegnet hinsichtlich des Werts des
Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht
eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1
ArbGG, 517, 519, 520 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 ZPO).
B. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht
einen Anspruch auf Zahlung von 10.483,04 € brutto abzüglich der erhaltenen
Zahlungen nebst Zinsen zugesprochen. Auch die Feststellungsklage ist begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Die Feststellungsklage zu 2. ist zulässig. Mit diesem Antrag soll festgestellt
werden, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 4, des Tarifvertrags für
den öffentlichen Dienst, Krankenhäuser West (TVöD-K), eingruppiert ist. Das hierfür
nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Es ist
zu erwarten, dass sich die Beklagte als Privatklinik einem entsprechenden
Feststellungsurteil beugen wird. Solche Eingruppierungsfeststellungs-
klagen sind, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auch außerhalb des
öffentlichen Dienstes allgemein anerkannt (
.
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Die Klägerin kann Zahlung des Differenzlohns zwischen dem Tabellenentgelt des
TVöD-K und dem Entgelttarifvertrag des E für den Zeitraum ab dem 01. Januar
2009 bis 31. August 2009 verlangen. Denn der TVöD-K galt in diesem Zeitpunkt
kraft einer Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG.
a) Ursprünglich galt der TVöD-K kraft beiderseitiger Tarifbindung nach § 3 Abs. 1
TVG. Die Beklagte war Mitte 2008 Mitglied im C. Die Klägerin war ab dem 01.
Oktober 2008 Mitglied der Gewerkschaft D.
b) Ab dem 01. Januar 2009 galt der TVöD-K kraft Nachbindung nach § 3 Abs. 3
TVG.
aa) Durch den bloßen Verbandswechsel konnte sich die Beklagte nicht der Geltung
des TVöD-K entziehen. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2008 ist die Beklagte aus
dem C ausgetreten und in den E gewechselt. Dies führt nicht dazu, dass die
Geltung des TVöD-K aufhörte. Denn nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt die
Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Mit dieser Vorschrift soll
dem Arbeitgeber der Anreiz genommen werden, aus dem C auszutreten, um
damit missliebigen Tarifverträgen zu entgehen (
). Der Arbeitgeber soll sich nicht einseitig von der Geltung
seiner aufgrund der Verbandsmitgliedschaft entstandenen tariflichen Pflichten
lösen können. § 3 Abs. 3 TVG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
insbesondere wird dadurch nicht unmittelbar in die negative Koalitionsfreiheit
gemäß Art. 9 Abs. 3 GG eingegriffen (
).
bb) Die Nachbindung ab dem 01. Januar 2009 trat entgegen der Auffassung der
Beklagten trotz Ablauf der Befristung des alten Arbeitsvertrags zum 31. Dezember
2008 und Abschluss eines neuen schriftlichen Arbeitsvertrags mit Wirkung zum 01.
Januar 2009 ein.
Die Parteien haben einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen, der zunächst
eine Befristung bis zum 31. Dezember 2008 vorsah. Sie haben ferner unter dem
17./30. Dezember 2008, und damit noch vor Ablauf der Gültigkeit des alten
Arbeitsvertrags, einen neuen Arbeitsvertrag vereinbart, der sich nahtlos mit
Wirkung zum 01. Januar 2009 anschließen sollte. Die Parteien haben damit
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Wirkung zum 01. Januar 2009 anschließen sollte. Die Parteien haben damit
schlichtweg das (alte) Arbeitsverhältnis verlängert. Richtig ist, dass die Parteien bei
Abschluss des neuen schriftlichen Arbeitsvertrags auch zahlreiche inhaltliche
Änderungen vorgenommen haben. Darauf kommt es aber bei der Betrachtung
des § 3 TVG nicht an. Entscheidend ist hier vielmehr, dass durchgängig ein
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Auf dieses
Arbeitsverhältnis wirkten die Tarifnormen kraft beiderseitiger Tarifbindung nach § 3
Abs. 1 TVG und nach dem 01. Januar 2009 kraft Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3
TVG ein. Die tariflichen Regelungen haben demnach ohne Unterbrechung das
Arbeitsverhältnis gestaltet. Nicht richtig ist vor diesem Hintergrund, dass mit
Ablauf der Befristung – ggf. für eine logische Sekunde – Vertragsfreiheit geherrscht
haben soll. Diese Freiheit bestand allenfalls auf der Ebene des Individualvertrags
und wäre unabhängig von der kollektivrechtlichen Betrachtung.
Es kommt hinzu, dass die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG sogar dann eingreift,
wenn erst im Nachbindungszeitraum (erstmals) ein Arbeitverhältnis begründet
wird ( ).
Dann muss die Nachbindung aber in jedem Fall auch hier eingreifen. Wenn man in
dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrags mit Wirkung zum 01. Januar 2009 ein
gänzlich neues Arbeitsverhältnis erblicken wollte, so würden der Eintritt der
Nachbindung und das neue Arbeitsverhältnis zeitlich zusammenfallen. Nach Sinn
und Zweck von § 3 Abs. 3 TVG, der darin besteht, den Arbeitgeber an den einmal
geltenden tariflichen Regelungen festzuhalten, greift die Nachbindung auch in
diesem Fall ein.
cc) Die Nachbindung ist nicht deshalb beendet worden, weil zum 01. Januar 2009
das Tabellenentgelt geändert wurde.
(1) Die Gebundenheit an den Tarifvertrag endet nach § 3 Abs. 3 TVG für das nicht
mehr tarifgebundene vormalige Verbandsmitglied mit dessen Ende. Nach der
ständigen Rechtsprechung des BAG steht dem Ende jede inhaltliche Änderung des
Tarifvertrags gleich. Das ergibt sich aus der für die geänderten Tarifnormen
nunmehr fehlenden mitgliedschaftlichen Legitimation des Verbandshandelns für
das ehemalige Mitglied (
). Denn
nach dem Austritt aus dem Verband kann der Arbeitgeber nicht mehr auf
zukünftige Änderungen der für ihn geltenden Tarifverträge Einfluss nehmen.
(2) Im vorliegenden Fall ist eine Änderung des Tabellenentgelts zum 01. Januar
2009 in Kraft getreten. Dadurch wurden die Löhne des TVöD-K und damit auch der
Tarifvertrag selbst materiell geändert. Nun hat die Beklagte den Verbandswechsel
ebenfalls zum 01. Januar 2009 vollzogen. Stellt man auf die Wirkungen der
Tarifänderung ab, so wäre zweifelhaft, ob die Nachgeltung hier beendet wäre, weil
diese mit der Tarifänderung zeitlich zusammen fiel. Eine solche Betrachtungsweise
ist allerdings abzulehnen, es erscheint vielmehr geboten, auf den Zeitpunkt der
Einigung zwischen den Tarifpartnern abzustellen. Nach dem unwidersprochen
gebliebenen Vortrag der Klägerin haben sich die Tarifvertragsparteien in der
Tarifrunde 2008 auf die neuen Entgelte, die mit Wirkung zum 01. Januar 2009 in
Kraft getreten sind, geeinigt.
Auf welchen Zeitpunkt bei einer Änderung des Tarifvertrags im Rahmen von § 3
Abs. 3 TVG abzustellen ist, war in der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand
der Diskussion. Für Stufentarifverträge wurde danach unterschieden, ob in dem
Ausgangstarifvertrag die folgenden Stufen bereits abschließend geregelt seien;
falls dies der Fall sei, müsse der komplette Tarifvertrag mit allen folgenden Stufen
nach § 3 Abs. 3 TVG weiter gelten (sog. „unmittelbarer“ Stufentarifvertrag). Sind
die nächsten Stufen aber ergebnisoffen, so läge nur ein „mittelbarer“
Stufentarifvertrag vor, bei dem eine Nachbindung auch nur in Bezug auf die erste
Ausgangsstufe anzunehmen sei (
). Das BAG hat angenommen, dass es zu
einem Ende der Nachbindung kommt, wenn der in Bezug genommene
Lohntarifvertrag eines anderen Bundeslandes geändert wurde (
). Damit hatte es die
Nachbindung im Falle eines mittelbaren Stufentarifvertragswerks verneint. Eine
zeitliche Diskrepanz zwischen dem Eintritt der neuen Tarifwirkungen und dem
Abschluss des Tarifvertrags gab es auch bei dem Inkrafttreten des mit der L und
der M abgeschlossenen Entgeltrahmenabkommen (ERA). In den Bezirken wurden
z.T. die Überleitungsvorschriften auf die bereits feststehenden Inhalte des ERA in
der Jahresmitte 2003 abgeschlossen, obwohl die neuen Vergütungsstrukturen erst
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der Jahresmitte 2003 abgeschlossen, obwohl die neuen Vergütungsstrukturen erst
zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten sind. Ob in diesem Falle ein
zwischenzeitlicher Austritt des Arbeitgebers aus dem Verband eine Nachbindung
zum 01. Januar 2008 zur Folge gehabt hätte, wird unterschiedlich beantwortet
(bejahend
Zunächst ist hier festzuhalten, dass kein Fall eines unmittelbaren
Stufentarifvertrags vorgelegen hat. Die zukünftigen Löhne waren nicht bereits im
Vorhinein festgelegt. Diese mussten vielmehr zwischen den Tarifvertragspartnern
noch verhandelt werden.
Es erscheint richtig, außerhalb der Problematik von Stufentarifverträgen generell
auf den Zeitpunkt des Abschlusses des geänderten Tarifvertrags abzustellen. Sinn
und Zweck der Regelung in § 3 Abs. 3 TVG ist es, dass sich der Arbeitgeber aus
seiner Sicht ungünstigen tariflichen Bestimmungen nicht einseitig durch einen
Verbandsaustritt entziehen können soll. Erkennt der Arbeitgeber im Zeitpunkt der
Tarifeinigung, dass er dieses Verhandlungsergebnis für sich nicht anwenden will
und tritt er deshalb aus dem Verband aus, so greift in einer solchen Konstellation
genau der Zweck dieser Vorschrift ein. Der Umstand, dass die Tarifpartner die
neue Regelung erst mit einer zeitlichen Verzögerung in Kraft setzen, liegt
außerhalb der Sphäre des Arbeitgebers und darf diesem nicht zu Gute kommen.
Es muss vielmehr der Grundsatz der Vertragstreue („pacta sunt servanda“)
greifen. Bereits mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der Tarifeinigung trat die
grundsätzliche Bindung des verbandsangehörigen Arbeitgebers an diese ein. Dies
gilt jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem zwischen Abschluss der Einigung
und Inkraftsetzen der Neuregelung ein nur kurzer Zeitraum von wenigen Monaten
lag. Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Abschluss innerhalb der Tarifrunde
2008 erzielt wurde. Dass hier eine nähere zeitliche Einordnung unterblieben ist,
schadet nicht. Denn bei diesem Vortrag ergibt sich zweifelsfrei, dass die Einigung
jedenfalls innerhalb des Jahres 2008 und noch vor dem 01. Januar 2009 erfolgte.
c) Die Geltung des TVöD-K wurde nicht zum 01. Januar 2009 von den Regelungen
des unter dem 17./30.12.2008 abgeschlossenen Arbeitsvertrags verdrängt.
aa) Im Verhältnis zwischen einer nach § 3 TVG geltenden Tarifnorm und einer
andersartigen individualrechtlichen Regelung gilt, wie das Arbeitsgericht zutreffend
ausgeführt hat, nach § 4 Abs. 3 TVG das Günstigkeitsprinzip. In § 5
des Arbeitsvertrags haben die Parteien geregelt, dass das neue tarifliche
Grundentgelt 1.077,96 € betragen soll. In § 6 des Vertrags haben sie des Weiteren
auf den Vergütungstarifvertrag des E (VergütungsTV-E) Bezug genommen. Diese
Bestimmungen galten somit aufgrund der Verweisung auf individualrechtlicher
Ebene. Der Vergleich zeigt, dass die Regelungen des TVöD-K für die Arbeitnehmer
günstiger sind.
bb) Nach § 4 Abs. 3 TVG sind während der zwingenden Geltung eines Tarifvertrags
abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag
gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers
enthalten. Bei einem Günstigkeitsvergleich können nur solche Regelungen
verglichen werden, die miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen –
so genannter „Sachgruppenvergleich“ (
).
cc) Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nur die das Entgelt regelnden
Bestimmungen mit ins Auge zu fassen sind. Auf Fragen des Urlaubs oder des
Kündigungsschutzes kommt es nicht an. Unerheblich ist daher auch der Verweis
auf § 23 Abs. 4 des MTV-E, denn diese Vorschrift betrifft die Frage der
Arbeitsbefreiung. Das Entgelt nach dem TVöD-K betrug für das Jahr 2009 für die
Klägerin 1.310,38 € gegenüber 1.077,96 € nach dem VergütungsTV-E. Das
Grundentgelt war damit deutlich höher nach dem alten Tarifvertrag. Daran ändert
auch nichts, dass die Anrechung von Rufbereitschaftsdiensten eventuell nach dem
MTV-E günstiger gestaltet ist. Hierbei handelt es sich um einen Regelungsmaterie,
bei der unklar ist, inwieweit sie für den einzelnen Arbeitnehmer monatlich ein
merklich höheres Entgelt bringt. Dieser mögliche partielle Vorteil vermag jedenfalls
nicht den Nachteil des Entzugs eines deutlich höheren Grundgehalts aufzuwiegen.
Auch bzgl. der Zuschläge sind die Regelungen nach dem TVöD-K als günstiger
anzusehen. Keine Rolle spielt es, wenn § 7 Abs. 1 des VergütungsTV-E eine
Besitzstandswahrung vorsieht. Davon abgesehen, dass diese Regelung zwischen
den Parteien offenbar nicht angewendet wurde, weil die Klägerin seit 2009 ein
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den Parteien offenbar nicht angewendet wurde, weil die Klägerin seit 2009 ein
geringeres Entgelt bezog, stellt die gleichfalls in der Tarifregelung vorgesehene
Anrechnungsmöglichkeit der Besitzstandszulage auf künftige Tariferhöhungen
einen merklichen Nachteil dar.
d) Der TVöD-K wurde auch nicht wegen einer Tarifpluralität aufgrund des
Spezialitätsgrundsatzes verdrängt.
aa) Eine Tarifpluralität trat zunächst nicht deshalb ein, weil die Parteien in dem
Arbeitsvertrag vom 17./30.12.2008 die Anwendbarkeit der Tarifverträge des E
Hessen/Rheinland-Pfalz vereinbart haben.
Denn ein Fall der Tarifpluralität lag insoweit nicht vor. Wird ein Tarifvertrag durch
eine arbeitsvertragliche Verweisung in Bezug genommen, so gelten diese
Regelungen auf arbeitsvertraglicher Ebene. Es handelt es sich aber nicht um eine
Konkurrenz zweier Normenverträge. Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag
gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglich in Bezug genommenen Regelungen
das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip (
). Soweit das BAG zwischenzeitlich
eine andere Auffassung vertreten hatte, hat es an dieser nicht mehr festgehalten.
bb) Es lag allerdings ein Fall der Tarifpluralität deshalb vor, weil die Beklagte ab
dem 01. Januar 2009 einerseits nach § 3 Abs. 3 TVG an den TVöD-K und
andererseits aufgrund ihrer ab diesem Zeitpunkt bestehenden Mitgliedschaft in
dem E an die von diesem Verband abgeschlossenen Tarifverträge gebunden war.
Tarifpluralität liegt vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich
zweier von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge erfasst
wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen
Arbeitnehmer je nach Tarifbindung nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung
findet (
). Für die Annahme der Tarifpluralität ist es
ausreichend, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Arbeitgeber
aufgrund der Bindung an zwei Tarifverträge diese gleichzeitig im Betrieb zur
Anwendung bringen muss. Ausreichend ist, wenn nur potentiell ein Arbeitnehmer
im Betrieb Mitglied der den Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaft ist; darauf,
dass dies positiv festgestellt und damit eine konkrete Konkurrenzsituation im
Betrieb festgestellt werden kann, kommt es nicht an (BAG
Diese Grundsätze fanden prinzipiell auch dann Anwendung, wenn eine
Konkurrenzsituation zweier Tarifverträge wegen der Anwendung von § 3 Abs. 3 TVG
auftritt. Tritt der Arbeitgeber in einen neuen Arbeitgeberverband ein, so ist er nach
§ 3 Abs. 1 TVG an den neuen Verbandstarifvertrag gebunden. Gleichzeitig wirken
dann aber die alten Tarifnormen nach § 3 Abs. 3 TVG nach. Auf diese Situation hat
die Rechtsprechung gleichfalls den Spezialitätsgrundsatz zur Anwendung gebracht
(
Allerdings hat der Zehnte Senat auf eine Anfrage des Vierten Senats bestätigt,
dass er an seiner Rechtsprechung zur Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes im
Falle einer Tarifpluralität nicht länger festhalten möchte (
). Im Anschluss daran hat der Vierte Senat des BAG den
Grundsatz der Tarifeinheit im Falle einer Tarifpluralität aufgegeben (
). Damit kann auf den Grundsatz
der Tarifeinheit im Falle einer Pluralität zweier Tarifverträge im Betrieb nicht mehr
abgestellt werden. Diese Lücke ist in der Weise zu schließen, dass in einem
solchen Falle die nach § 3 Abs. 3 TVG geltenden Tarifnormen weiter Geltung
beanspruchen. Das BAG nimmt ein Nebeneinander von verschiedenen, auch
normativ wirkenden Tarifregelungen in einem Betrieb zukünftig hin. Der
Schutzgedanke aus § 3 Abs. 3 TVG gebietet es, dass sich die im Wege der
Nachbindung erfassten Tarifverträge für die davon betroffenen Arbeitnehmer
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Nachbindung erfassten Tarifverträge für die davon betroffenen Arbeitnehmer
durchsetzen. Bereits vor Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit wurde vielfach
darauf hingewiesen, dass nach der Ratio der Norm der Arbeitgeber sich nicht
einseitig einem ihm nicht genehmen Tarifwerk entziehen können soll. Dieser
Zweck war aber potenziell gefährdet, wenn man bei einem Verbandswechsel die
nach dem Spezialitätsgrundsatz erforderliche Abwägung zu Gunsten der neuen
Tarifregelungen vornehmen konnte (
). Der Arbeitgeber konnte sich auf einem Umweg doch wiederum den für
die Arbeitnehmer günstigeren Regelungen entziehen. Daher ist es richtig, den
Spezialitätsgrundsatz auf eine durch § 3 Abs. 3 TVG ausgelöste Tarifpluralität
zukünftig nicht mehr anzuwenden.
e) Der Beklagten stand auch kein Bestimmungsrecht nach § 315 BGB zu, welche
Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zur Anwendung kommen.
Ein solches Bestimmungsrecht war zwar sowohl in dem alten als auch dem neuen
Arbeitsvertrag enthalten. Die Anerkennung eines solchen Rechts würde aber dem
Grundgehalt des § 3 Abs. 3 TVG zuwiderlaufen. Die gesetzlichen und
richterrechtlich herausgebildeten Regeln im Falle einer Tarifpluralität sind der
einzelvertraglichen Parteiautonomie entzogen. Es handelt sich um einseitig
zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, von dem zumindest zu Lasten des
Arbeitnehmers nicht abgewichen werden kann. Da es sich um eine erkennbar
vorformulierte Klausel handelt, folgt die Unwirksamkeit der Bestimmung auch aus
§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB. Die Zuweisung eines einseitigen
Bestimmungsrechts zu Gunsten des Arbeitgebers, falls mehr als ein Tarifvertrag
zur Anwendung kommt, weicht von der gesetzlichen bzw. richterrechtlich
fortgebildeten Rechtslage ab und benachteiligt den Arbeitnehmer, der hierfür
keinerlei Kompensation erhält, unangemessen.
2. Die Feststellungsklage ist ebenfalls begründet. Die Klägerin ist weiterhin in der
Entgeltgruppe 8a, Stufe 4, des TVöD-K eingruppiert.
a) Die Beklagte war an diesen Tarifvertrag zunächst gemäß § 3 Abs. 1 TVG und
später aufgrund der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG gebunden. Insoweit kann
auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Beklagte hat nicht in Abrede
gestellt, dass die von der Klägerin begehrte Eingruppierung in der Sache
unzutreffend sei.
b) Die Nachbindung ist allerdings durch die erneute Änderung des Tabellenentgelts
zum 01. Januar 2010 entfallen.
aa) Im Grundsatz führt jede Änderung des Tarifvertrags, wie bereits oben
ausgeführt, zu einem Ende der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG. Mit dem 01.
Januar 2010 war die Nachbindung somit beendet.
bb) Die Regelungen des TVöD-K galten aber im Wege einer Nachwirkung weiter.
(1) An die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG schließt sich nach ständiger
Rechtsprechung des BAG die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG an (
). Mit der Nachwirkung soll im Interesse der Vertrags- und
Tarifvertragspartner eine Überbrückungsregelung geschaffen werden, die die
zwischenzeitliche Bestimmung der bisher tarifvertraglich geltenden
Arbeitsbedingungen nach anderen Regelungen entbehrlich macht. Diese
Nachwirkung des abgelaufenen Tarifvertrags entfällt, wenn eine andere
Abmachung getroffen wird, die denselben Regelungsgegenstand erfasst.
Aus dem Erfordernis der „anderen Abmachung“ zur Ablösung des nachwirkenden
Tarifvertrags ergibt sich, dass frühere arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die
während der unmittelbaren und zwingenden Geltung des Tarifvertrags verdrängt
wurden, nicht automatisch wieder aufleben und das Arbeitsverhältnis im
Nachwirkungszeitraum abweichend vom abgelaufenen Tarifvertrag gestalten
können ( . ). Für
die Annahme einer „anderen Abmachung“ ist es zwar nicht in jedem Fall
erforderlich, dass diese erst abgeschlossen wird, nachdem die Nachwirkung
eingetreten ist. Die Abrede muss aber vom Regelungswillen der Parteien her
darauf gerichtet sein, eine bestimmte bestehende Tarifregelung in Anbetracht
ihrer absehbar bevorstehenden Beendigung und des darauf folgenden Eintritts der
Nachwirkung abzuändern ( ).
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Selbst ein solcher Regelungswille der Parteien allein ist aber noch nicht
ausreichend. Über den Gesetzeswortlaut hinaus kann eine „andere Abmachung“
in Form einer einzelvertraglichen Vereinbarung die Ablösung nachwirkender
Tarifregelungen nur unter besonderen Bedingungen schon vor dem Beginn der
Nachwirkung vorsehen. Allein der Umstand, dass während der normativen Geltung
eines Tarifvertrags materielle Arbeitsbedingungen vereinbart werden, die wegen
der schützenden Funktion des § 4 Abs. 3 TVG keine Wirkung erzeugen konnten,
und an deren Geltung zumindest ein Vertragspartner Interesse hat, reicht hierfür
nicht aus. Dies würde zu einem automatischen Wiederaufleben untertariflicher
Vereinbarungen führen, was der vom Gesetzgeber mit § 4 Abs. 5 TVG
beabsichtigten bestandssichernden Überbrückungsfunktion des Tarifvertrags
widerspricht. Deshalb ist es erforderlich, dass die Vereinbarung der
Arbeitsvertragsparteien mit Blick auf die tatsächlich und nicht nur nach der
Rechtsauffassung einer der beiden Parteien eingetretenen oder unmittelbar
bevorstehenden Ablauf eines Tarifvertrags konkret und zeitnah hierzu getroffen
wird ( ).
(2) Nach diesen Grundsätzen ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die Parteien
mit dem Vertrag vom 17./30.12.2008 keine „andere Abmachung“ im Sinne von §
4 Abs. 5 TVG getroffen haben.
Die Parteien haben Ende Dezember 2008 einen neuen Vertrag abgeschlossen, der
eine Verweisung auf die Tarifverträge des E enthielt. Zu dem damaligen Zeitpunkt
war diese Bestimmung eine ungünstigere Bestimmung im Sinne von § 4 Abs. 3
TVG, da die Entgeltbestimmungen des E schlechter sind als die des kraft
Tarifbindung nach § 3 TVG damals geltenden TVöD-K. Die Arbeitsvertragsparteien
haben diese arbeitsvertragliche Regelung aber nicht in Erwartung des unmittelbar
bevorstehenden Endes der Wirkung des TVöD-K abgeschlossen. Die Wirkung des
TVöD-K dauerte vielmehr bis zum 31.12.2009 wegen § 3 Abs. 3 TVG an. Eine bloß
auf Seiten der Beklagten eventuell vorliegende andersartige Rechtseinschätzung
führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Beklagte wollte erkennbar mit den
neuen Arbeitsverträgen die Einführung der Tarifverträge des E auch auf der
arbeitsvertraglichen Ebene absichern und durchsetzen. Es ging ihr aber nicht
darum, eine Übergangsregelung in Absehung des unmittelbar bevorstehenden
Endes des TVöD-K zu schaffen.
3. Es bedurfte hier auch keiner Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5
ArbGG. Eine Aussetzungspflicht besteht nur dann, wenn es für die Entscheidung
des Rechtsstreits auf die Frage der Tariffähigkeit bzw. der Tarifzuständigkeit einer
Vereinigung auch materiellrechtlich ankommt (
).Es
kann hier dahingestellt bleiben, ob die mit dem E abgeschlossenen Tarifverträge
nicht mangels Tariffähigkeit der G oder mangels Tarifunzuständigkeit der DHV
unwirksam sind. Denn hierauf kommt es nach den obigen Darlegungen nicht
entscheidend an.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.