Urteil des LAG Hessen vom 24.11.2010

LAG Frankfurt: fristlose kündigung, wichtiger grund, betriebsrat, grad des verschuldens, abmahnung, daten, flughafen, sachlicher geltungsbereich, ordentliche kündigung, pause

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 491/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 626 BGB, § 102 BetrVG
Abmahnungserfordernis - Fristlose Kündigung
Leitsatz
1.Eine fristlose Kündigung ist berechtigt, wenn ein Fluglotse seine Pausen mehrfach
erheblich überschreitet, dadurch ein Lotsenplatz vorschriftswidrig unbesetzt bleibt und
der Arbeitsplatznachweis falsch ausgefüllt wird.
2.Es bedarf insbesondere dann keiner Abmahnung, wenn trotz Belehrung über einen
ähnlichen Vorfall das Fehlverhalten - anders als von anderen Kollegen - fortgesetzt wird.
3.Aus einem Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats folgt nicht ohne
weiteres ein Verwertungsverbot (Anschluss an BAG v. 13.12.2007 - 2 AZR 537/08).
4.Bei Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist ein prozessuales Verwertungsgebot
nur gegeben, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts die Interessen des
Arbeitgebers an der Verwertung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse überwiegt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach
vom 24.02.2010 – 5 Ca 451/09 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob eine außerordentliche
Kündigung ihr Arbeitsverhältnis beendet hat.
Der am xxx geborene Kläger ist verheiratet und einem minderjährigen Kind zum
Unterhalt verpflichtet. Er trat am xxx als Beamter in die Dienste der A, der
Vorgängerin der Beklagten. Seit dem 01. Oktober 1993 ist er bei der Beklagten als
Fluglotse am Tower N mit einer Vergütung von durchschnittlich 9.371,59 EUR
monatlich beschäftigt. Der Kläger ist nach dem für ihn geltenden
Manteltarifvertrag ordentlich unkündbar.
Die Beklagte ist von der Bundesrepublik damit beauftragt, die sichere, geordnete
und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs zu gewährleisten und übt für diese die im
Luftverkehrsgesetz aufgeführten Flugsicherungsaufgaben aus. Neben den Lotsen,
die über Radar den oberen und unteren Luftraum kontrollieren und leiten, sind
Lotsen der Beklagten in Kontrolltürmen auf 16 Flughäfen der Bundesrepublik,
darunter dem Flughafen N, eingesetzt. Die Lotsen im Kontrollturm, dem
sogenannten Tower, haben aus ihrer Kanzel heraus direkten Blickkontakt zu den
Flugzeugen, die sie kontrollieren und können darüber hinaus auf
Radarinformationen zurückgreifen. Ihre Arbeit beschränkt sich auf den
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Radarinformationen zurückgreifen. Ihre Arbeit beschränkt sich auf den
unmittelbaren Bereich um den Flughafen. Sie sind für die rollenden, startenden
und landenden Flugzeuge verantwortlich und sorgen für einen reibungslosen
Ablauf des Verkehrs am Flughafen. Sie koordinieren per Sprechfunk den
Flugverkehr auf den Roll-, Start- und Landebahnen sowie im Luftraum in direkter
Flughafennähe. Statistisch betrachtet sind die Start- und Landevorgänge, die von
ihnen kontrolliert werden, die gefährlichsten Flugabschnitte. Am Flughafen
Nürnberg werden von der Beklagten 14 Fluglotsen bzw. Fluglotsinnen und 2
Supervisoren beschäftigt.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2009 war es auf dem Frankfurter Rhein-Main-
Flughafen zu einer gefährlichen Annäherung zwischen zwei Flugzeugen
gekommen, die von der dortigen Towerbesatzung nicht bemerkt worden war. Im
Zuge der Untersuchung dieses Vorfalles stellte sich heraus, dass dort nicht alle
Arbeitsplätze von den vier Mitarbeitern wie vorgeschrieben besetzt waren, sondern
zeitweise vorschriftswidrig unbesetzt blieben. Die Beklagte suspendierte die
betreffenden Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung von ihrer Tätigkeit im Tower. Sie
informierte am 04. August 2009 alle Mitarbeiter über den Vorfall am Frankfurter
Flughafen. In der Niederlassung N wurden die Lotsen im Rahmen von sog. Briefings
von den Supervisoren (Wachleitern) nochmals gesondert über den Vorfall in
Frankfurt informiert und auf die Einhaltung der Dienstvorschriften über die
Arbeitsplatzzeiten und die korrekte Dokumentation hingewiesen. Der Kläger nahm
am 17. August 2009 an einem solchen Briefing durch den Supervisor B teil.
Am Tower N ist in der Nachtschicht von 21:45 Uhr bis 6:45 Uhr eine Besetzung mit
2 Fluglotsen vorgeschrieben - je ein Lotse für die Arbeitsplätze PL und PG.
Vorgesehen ist weiter, dass der Arbeitsplatz PG zwischen 01:00 Uhr bis 05:00 Uhr
lokale Zeit durch den Arbeitsplatz PL übernommen wird d.h. nur ein Lotse Dienst
tun muss. Während dieser Zeit haben die beiden Lotsen ihre Pausen von je zwei
Stunden abzuwickeln. Ihre Erreichbarkeit in den Pausen haben sie sicherzustellen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Anweisung der Niederlassungsleiterin TWR-nue
Nr. 12/2008 über die Dienst(schicht)plangestaltung und Personaleinsatz verwiesen
(Anlage 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2009). Nach der
Betriebsanweisung Flugverkehrskontrolle (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten
vom 01. Februar 2010), die die Beklagte aufgrund der Verordnung über die
Betriebsdienste der Flugsicherung erließ, ist die Übernahme bzw. Übergabe eines
Arbeitsplatzes unter genauer UTC-Stunden- und Minutenangabe im Formblatt
„Arbeitsplatznachweis“ einzutragen.
Beim Neubau des Towers N waren im Jahr 1999 vier Kameras im Eigentum des
Flughafens N in Betrieb genommen worden. Je eine dieser Kameras beobachtet
die Eingangsschranke nebst Rolltor, die Eingangstür der Towerniederlassung, die
Eingangstür Towerkanzel und die Schiebetür West des Towergeländes. Die Bilder
der Kameras wurden auf Bildschirmen in der Towerkanzel, dem Arbeitsplatz des
Klägers und drei weiteren Büros angezeigt.
In einem abgeschlossenen Kellerraum des Towers liefen die Bilddaten auf einer
Festplatte eines PC auf. Aufgezeichnet wurden, ausgelöst durch
Bewegungsmelder, jeweils nur die Zeitspannen, in denen im Beobachtungsbereich
Bewegungen erkannt werden. Im Bildbereich waren auch Datum und Uhrzeit
sichtbar, die gleichfalls mit aufgezeichnet wurden. Die Speicherkapazität betrug
ca. 6 Wochen, danach wurden die Daten fortlaufend tagweise überschrieben.
Nur Herrn C, eine bei der Beklagten angestellten Fachkraft für Logistik, wusste,
dass solche Aufzeichnungen erfolgten. Weder die Leiterin der Niederlassung noch
dem Betriebsrat noch den Supervisoren oder den Mitarbeitern war dies bekannt.
Die Beklagte hatte am 01. Oktober 2008 mit dem Gesamtbetriebsrat eine
Betriebsvereinbarung „Verarbeitung und Auswertung von Daten durch technische
Systeme“ abgeschlossen. Darin heißt es
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Geltungsbereich
(2) Sachlicher Geltungsbereich
Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung und Auswertung von Daten, die in
mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit von DFS genutzten
technischen Systemen stehen.
(3) Örtlicher Geltungsbereich
Diese BV gilt in allen Betrieben der DFS.
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Diese BV gilt in allen Betrieben der DFS.
§ 3
Leistungs- und Verhaltenskontrolle
(1)
Die DFS verpflichtet sich dafür zu sorgen, dass die im System gemäß § 2 Abs. 2
verarbeiteten Daten weder intern noch extern zum Zwecke einer Leistungs- und
Verhaltenskontrolle ausgewertet werden.
(2)
Arbeitsrechtliche Maßnahmen, die auf eine ggf. an unzulässige Datenauswertung
gemäß Abs. 1 zurückzuführen sind, sind unwirksam.“
Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Anlage K6 zur Klageschrift verwiesen.
Die Betriebsräte hatten den Gesamtbetriebsrat nicht mit dem Abschluss dieser
Betriebsvereinbarung beauftragt.
Im Zusammenhang mit einer Funktionskontrolle des Rolltores erfuhr ein
Supervisor (Wachleiter) von Herrn C, dass es Videoaufzeichnungen der Kameras
gab. Der Supervisor B sah sich daraufhin am 26. August 2009 einen kleinen Teil
der Videoaufzeichnungen an. Dabei fiel ihm eine Aufzeichnung auf, die nicht im
Einklang mit der vorgeschriebenen Einsatzplanung im Nachtdienst stand. Das
teilte er der Niederlassungsleiterin Frau D am 01. September 2009 mit. Am 03.
September 2009 setzte sich die Niederlassungsleiterin mit dem stellvertretenden
Betriebsrats-vorsitzenden, dem Zeugen E, in Verbindung und bat ihn, zusammen
mit Herrn B die Videoaufnahmen anzusehen und den Sachverhalt aufzuklären. Die
Zeugen B und E sahen sich daraufhin die Videoaufnahmen des Zeitraums vom 25.
Juli 2009 bis zum 03. September 2009 an. Der Zeuge E notierte anhand der
Videoaufzeichnungen Zeiten des Betretens und Verlassens der Towerkanzel durch
die Fluglotsen während der Nachtschicht. Diese handschriftlichen Aufzeichnungen
(Kopie in der Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 12. November 2009) ließ
sich der Zeuge B vom Zeugen E aushändigen. Die Videoaufzeichnungen wurden
mittels einer Digitalkamera abgefilmt.
Am 04. September 2009 verglich der Zeuge B diese Daten mit den von den
Lotsen ausgefüllten handschriftlichen Arbeitsplatznachweisen. In diesen hatten
fast alle Mitarbeiter zwar eine Pausenzeit von zwei Stunden angegeben, nach den
anhand der Videoaufzeichnungen gemachten Feststellungen hatten aber fast alle
diese Pausenzeit um ca. eine Stunde überzogen. Die Auswertung ergab, dass in
der Zeit von 26. Juli 2009 bis 03. September 2009 im Nachtdienst an 40
Arbeitstagen insgesamt ca. 80 Mal gegen die vorgegebene Pausenzeit verstoßen
wurde. Nach dieser Auflistung wurde die vorgegebene Pausenzeit im Nachtdienst
von ca. 157 Stunden um etwa 33 Stunden überschritten.
Aus den Eintragungen des Klägers in den Arbeitsplatznachweisen ergab sich für
den 27. Juli 2009, 02. August 2009, 08. August 2009, 14. August 2009, 20. August
2009,
26. August 2009 und 01. September 2009 jeweils eine Pausenzeit von 03:00 Uhr
bis 05:00 Uhr (lokale Zeit). Die Aufzeichnungen über die Auswertung der Videos
wiesen für diese Tage aus, dass der Kläger jeweils etwa 50 Minuten später als nach
den Arbeitsplatznachweisen an den Arbeitsplatz zurückgekehrt war.
Mit Schreiben vom 04. September 2009 an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
teilte die Niederlassungsleiterin diesen mit, dass Unregelmäßigkeiten bei der
korrekten Abwicklung des Dienstbetriebes aufgefallen seien, die Auswertung der
Daten und der Abgleich mit den Arbeitsplatznachweisen noch nicht abgeschlossen
sei und die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gelegenheit erhalten
würden, die Daten in Augenschein zu nehmen und sich dazu zu äußern. Dem
Kläger wurde in der Folge ein Gespräch mit der Niederlassungsleiterin angeboten
sowie der Einblick in die Videoaufzeichnungen.
Zu dem Gespräch kam es nicht.
Mit Schreiben vom 10. September 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu
einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, hilfsweise mit einer der
ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist des Arbeitsverhältnisses des
Klägers an (Bl. 371 ff. d.A.).
Diesem Schreiben waren als Anlagen beigefügt die handschriftlichen Notizen zu
den Videoaufzeichnungen vom 03. September 2009, Arbeitsplatznachweise vom
26. Juli 2009 bis 03. September 2009, eine Gegenüberstellung der
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26. Juli 2009 bis 03. September 2009, eine Gegenüberstellung der
Videoaufzeichnungsdaten und Arbeitsplatznachweise vom 04. September 2009,
eine individuelle Übersicht über die Pausenabwicklung des Klägers in den
Nachtdiensten vom 26. Juli 2009 bis 03. September 2009, die Anweisung der
Niederlassungsleiterin Nr. 12/2008 vom 01. August 2008 sowie ein
Gedächtnisprotokoll des Führungskräftetreffens vom 13. August 2009. Die
Beklagte nennt als Kündigungsgrund Pausenüberschreitungen und
vorschriftswidrige Eintragungen in den Arbeitszeitnachweisen. Wegen der
Einzelheiten wird auf das zwölfseitige Anhörungsschreiben verwiesen.
Mit Schreiben vom 11. September 2009 (Bl. 22 ff. d.A.) widersprach der
Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung.
Neben dem Kläger wurde seinem Kollegen S gekündigt. Die anderen Lotsen, die
Pausenzeiten nach den Videoaufzeichnungen überschritten hatten, erhielten
Abmahnungen.
Am 16. September 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem
Kläger mit Schreiben vom gleichen Tage außerordentlich fristlos.
Mit Schreiben vom 18. September 2009 kündigte die Beklagte an diesem Tag das
Arbeitsverhältnis weiterhin hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigungen
gewendet.
Der Kläger hält die Kündigungen für unwirksam. Die Videoaufzeichnungen
unterlägen einem Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf die
Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01. Oktober 2008. Mit den heimlichen
Videoüberwachungen und deren Auswertung sei das Persönlichkeitsrecht des
Klägers schwer verletzt worden. Die Arbeitsplatz-nachweise dienten nur dazu die
jeweilige Verantwortlichkeit für die einzelnen Arbeitsplätze zu dokumentieren. Sie
dienten nicht der Arbeitszeiterfassung. Die vom Kläger eingetragenen Zeiten der
Verantwortung entsprächen den Vorgaben der Dienstanweisung. Er bestreitet,
dass er tatsächlich zu den in den handschriftlichen Notizen und der Auswertung
der Beklagten angegebenen Zeiten die Towerkanzel nach der Pause wieder
aufgesucht habe.
Die Aufzeichnungen des Zeugen E könnten die angegebenen Zeiten nicht
belegen, da oft nicht sicher gewesen sei, wer die Personen waren, die beim
Verlassen und wieder Aufsuchen der Towerkanzel gefilmt wurden. Er könne die
Towerkanzel auch kurzzeitig zu einem kurzen Toilettengang verlassen haben, was
nicht pflichtwidrig gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die
außerordentliche Kündigung vom 16. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene
außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 18. September 2009 –
zugegangen am 18. September 2009 – nicht zum 30. April 2010 aufgelöst werden
wird;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere
Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den
16. September 2009 und den 30. April 2010 hinaus fortbesteht;
4. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen als Fluglotse
über den 16. September 2009 und den 30. April 2010 hinaus weiter zu
beschäftigen;
5. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes berufsförderndes
Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;
6. hilfsweise, für den Fall, dass die Feststellungsanträge zu Ziffer 1 bis 4
abgewiesen werden, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes und
berufsförderndes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung
erstreckt.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gemäß den §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer
angemessenen Abfindung aufzulösen, wobei die Abfindungshöhe in das Ermessen
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angemessenen Abfindung aufzulösen, wobei die Abfindungshöhe in das Ermessen
des Gerichts gestellt wird.
Die Beklagte ist der Auffassung, die außerordentliche fristlose Kündigung des
Arbeitsverhältnisses sei wirksam.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe die Pausen überzogen, wie sich aus den
Auswertungen der Videoaufzeichnungen ergebe. Das sei ein Arbeitszeitbetrug.
Einen Arbeitsplatz vorschriftswidrig nicht zu besetzen, sei die gravierendste
Pflichtverletzung eines Lotsen in diesem Bereich. Der Kläger und sein Kollege, dem
ebenfalls gekündigt wurde, hätten sich hinsichtlich Häufigkeit und Dauer
entscheidend von allen anderen Arbeitskollegen unterschieden. Insbesondere
hätten ihre Verstöße in gleichen oder erhöhten Umfang angedauert, nachdem
hinsichtlich der Vorfälle am Frankfurter Flughafen eine Unterrichtung erfolgt war.
Der Supervisor B habe den Kläger am 17. August 2009 daraufhingewiesen, dass
die Arbeitsplatzzeiten strikt einzuhalten seien und Arbeitszeitbetrug ein
Kündigungsgrund sei. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Klägers sei
irreparabel zerstört. Das Verhalten des Klägers und sein schriftsätzlicher Vortrag
ließen eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit in der Zukunft nicht
mehr erwarten. Deshalb sei eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls
gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Februar 2010, auf das Bezug
genommen wird, im Wesentlichen stattgegeben und nur den allgemeinen
Feststellungsantrag abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das hoheitliche
Handeln der Beklagten und der bei ihr Beschäftigten werde durch öffentlich-
rechtliche Bestimmungen konkretisiert. Die bedarfsgerechte Besetzung der
Lotsenarbeitsplätze gehöre zu den Pflichten, die sich aus der Beauftragung zur
Durchführung der Flugsicherungsaufgaben ergäben. Durch die eigenmächtige
Verlängerung der vorgegebenen Pausenzeiten habe der Kläger vorschriftswidrig
eine Unterbesetzung herbeigeführt. Durch das Fehlverhalten des Klägers sei die
für die Gewährleistung der Flugsicherheit erforderliche Besetzung seines
Arbeitsplatzes nicht mehr gegeben gewesen. Sie wendet sich insbesondere
dagegen, dass das Arbeitsgericht eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung
für erforderlich gehalten hat, weil gegenüber anderen Mitarbeitern mit den
gleichen Pflichtverletzungen nur eine Abmahnung ausgesprochen worden sei. Die
Beklagte verweist darauf, dass nach der Information vom 17. August 2009 über
den Vorfall in Frankfurt nur der Kläger und sein ebenfalls gekündigter Kollege die
Pausenzeiten an drei Arbeitstagen jeweils um fast eine Stunde überschritten
hätten, während danach bei drei anderen Mitarbeitern die Überschreitungen
jeweils lediglich zwischen 11 und 20 Minuten gelegen hätten: bei Herrn F in drei
Fällen jeweils etwa 20 Minuten, bei Herrn G zweimal je 15 Minuten, bei Herrn H
einmal 9 und einmal 11 Minuten. Bei weiteren Arbeitnehmern hätten die
Abweichungen danach zwischen einer und 5 Minuten und zweimal 7 Minuten
betragen Die Differenzierung sei dem Betriebsrat auch mitgeteilt worden. Die
Gesamtbetriebsvereinbarung sei unwirksam.
Die Beklagte beantragt,
1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
2. hilfsweise das erstinstanzliche Urteil abzuändern und das Arbeitsverhältnis
gemäß den §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung
aufzulösen, wobei die Abfindungshöhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach
kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft sein
erstinstanzliches Vorbringen. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört
worden. Insbesondere seien ihm nicht die Differenzierungsgründe mitgeteilt
worden. Der Kläger habe die von der Beklagten behaupteten Pflichtverletzungen
nicht substantiiert bestreiten können. Er habe über seine Aktivitäten während der
Nachtdienste nicht Buch geführt. Mehr als ein pauschales Bestreiten der ihm
vorgeworfenen Pflichtverletzungen sei ihm insofern kaum möglich gewesen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung auf entsprechendes Befragen des
Gerichts erklärt, dass er sich zu den von der Beklagten behaupteten Zeiten der
Pausenüberziehungen nicht äußern wolle.
Das Gericht hat Beweis erhoben, durch Vernehmung der Zeugen E, I, D und B, die
unvereidigt blieben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll vom 27. Oktober 2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.
A.
Die Klage ist nur begründet soweit der Kläger ein qualifiziertes Zeugnis verlangt.
Sie ist unbegründet soweit der Kläger die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses
durch die außerordentliche Kündigung vom 16. September 2009 angreift und
Weiterbeschäftigung verlangt. Da das Arbeitsverhältnis bereits durch die
außerordentliche Kündigung vom 16. September 2009 aufgelöst wurde, ist die
Klage auch hinsichtlich der weiteren hilfsweise ausgesprochenen Kündigung
unbegründet.
Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 16. September 2009
ist rechtswirksam. Die Beklagte konnte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger
gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist kündigen. Die Kündigung erfolgte innerhalb der Frist des § 626
Abs. 2 BGB. Sie ist nicht unwirksam nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Sie ist auch
nicht unwirksam wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der
Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01. Oktober 2008.
I.
Die Beklagte konnte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gemäß § 626 BGB aus
wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, da Tatsachen
vorlagen aufgrund deren ihr unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht
zugemutet werden konnte.
Es kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen,
wenn ein Arbeitnehmer Pausenzeiten erheblich überzieht. Es kann weiter einen
wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen, wenn ein
Arbeitnehmer seien Anwesenheit am Arbeitsplatz falsch dokumentiert. Es ist
schließlich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet, wenn ein
Fluglotse seinem Arbeitsplatz fernbleibt, zu Zeiten, zu denen ihm die Besetzung
des Arbeitsplatzes vorgeschrieben ist.
1. Die Kammer ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung
und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, dass der
Kläger mit seinen Eintragungen in den Arbeitsplatznachweisen vom 27. Juli 2009,
dem 02. August 2009, dem 08. August 2009, dem 14. August 2009, dem 20.
August 2009, dem 26. August 2009 und dem 01. September 2009 jeweils eine
Pausenabwesenheit von 03:00 Uhr bis 05:00 Uhr angegeben hat, tatsächlich
seinen Arbeitsplatz aber jeweils über 50 Minuten später wieder besetzt hat.
a) Das ist als unstreitig anzusehen. Der Kläger hat die von der Beklagten
angegebenen Abwesenheitszeiten nicht substantiiert bestritten. Soweit der Kläger
erstinstanzlich sinngemäß vorgetragen hat, dass er die genauen Zeiten nicht
wisse, enthebt ihn dies nicht zu einer substantiierten Erklärung zu den Vorwürfen
der Beklagten. Es geht nicht um die auf Minuten genaue Angabe der Uhrzeit des
Verlassens oder Betretens der Towerkanzel. Es geht vielmehr um eine Erklärung
dazu, ob er an den genannten Tagen sein Arbeitsplatz außer zu den aus den
Eintragungen ersichtlichen Pausen besetzt hielt und er nicht jeweils fast eine
Stunde länger Pause machte. Eine eindeutige positive Erklärung in diesem Sinne
hat der Kläger auch auf Befragen des Gerichts nicht abgegeben. Eine Buchführung
wäre dazu nicht nötig gewesen.
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b) Auch aufgrund der Aussagen der Zeugen E und B steht zur Überzeugung des
Gerichts fest, dass der Kläger abweichend von seinen Eintragungen abwesend war
wie von der Beklagten vorgetragen. Der Zeuge E hat bekundet, dass er sich
zusammen mit Herrn B die Videos angesehen habe und sich Notizen machte, die
er Herrn B gab. Es gibt keinen Grund an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der
Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu zweifeln. Der Zeuge B hat bekundet, dass er
und der Zeuge E sich die Videoaufzeichnungen ansahen und der Zeuge E die Zeit
und den Namen aufschrieb, wenn jemand die Towerkanzel betrat bzw. verließ. Er
hat weiter bekundet, dass man bis auf wenige Ausnahmen sofort erkennen
konnte, wer auf dem Bild zu sehen war und nur bei zwei Damen mit schwarzen
Haaren zunächst ein Zweifel bestand. Der Zeuge E habe dann seine
Aufzeichnungen aufgrund dessen was auf dem Bild zu sehen war gemacht und es
sei immer weiter zum nächsten Standbild gegangen, da Aufzeichnungen nur
vorhanden waren, wenn Bewegungen vorhanden waren. Auch an der
Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln besteht kein
Grund.
Darauf ergibt sich, dass die Aufzeichnungen des Zeugen E, die die Beklagte
vorgelegt und ausgewertet hat, die durch die Videokamera aufgezeichneten
Zeiten wiedergeben, zu denen der Kläger die Towerkanzel betreten bzw. verlassen
hat.
2. Der Verwendung und Verwertung der durch Auswertung der
Videoaufzeichnungen gewonnenen Daten steht nichts entgegen. Ein
Verwertungsverbot kann sich nicht aus einem Verstoß gegen die Regelung des §
87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG oder gegen die Regelung einer Betriebsvereinbarung
ergeben, sondern nur aus einem Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht (BAG v.
13.12.2007 – 2 AZR 537/06 – DB 2008, 1633 m.w.N.).
a) Der Verwertung der Daten steht nicht entgegen, dass die Aufzeichnungen der
Videokamera und ihre Auswertung nicht ohne Mitbestimmung des Betriebsrats
erfolgen durften.
Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte die Aufzeichnungen nicht veranlasst hat
und Vertretungsberechtigte oder weisungsbefugte Arbeitnehmer der Beklagten
davon nichts wussten. Jedenfalls unterlag die Aufzeichnung und Auswertung der
Daten dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG. Dieses wurde nicht dadurch ausgeübt, dass der den Betriebsrat zu dieser
Zeit vertretende stellvertretende Betriebsratsvorsitzende an der Auswertung
beteiligt wurde. Dies erfolgte unstreitig nicht aufgrund eines Beschlusses des
Betriebsrates.
Allein die Verletzung eines Mitbestimmungstatbestandes führt aber nicht dazu,
dass Tatsachen im Prozess nicht verwertbar sind (vgl. BAG v. 13.12.2007). Aus
dem Umstand, dass eine Information oder ein Beweismittel unzulässig erlangt
wurde, ergibt sich noch nicht zwingend deren Nichtverwertbarkeit. Grundsätzlich
muss zwischen der Erlangung einer Information oder eines Beweismittels und
deren Verwertung getrennt werden (vgl. BAG v. 13.12.2007 m.w.N.). Ein
prozessuales Verwertungsverbot kommt in Betracht, wenn im Entscheidungsfall
der Schutzzweck der verletzten Norm eine solche prozessuale Sanktion zwingend
gebietet. Zwar handelt der Arbeitgeber, der das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats oder ein durch eine Betriebsvereinbarung etabliertes
Beteiligungsverfahren missachtet, rechtswidrig. Für diesen Falls sehen aber sowohl
das Betriebsverfassungsrecht kollektiv rechtliche Sanktionen und den allgemein
betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch als auch das
Individualrecht (z.B. Leistungsverweigerungsrechte) Reaktionsmöglichkeiten vor.
Ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers ist somit durchaus
sanktionsbewährt. Einer darüber hinaus gehenden individualprozessrechtlichen
Sanktion bedarf es deshalb nicht. Dies gilt umso mehr, als grundsätzlich auch
materiell rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozess verwertet werden
können (vgl. BAG v. 13.12.2007).
Entsprechendes gilt hinsichtlich eines Verstoßes der Auswertung der
Videoaufnahmen gegen § 3 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01.
Oktober 2008.
b) Ein prozessuales Verwertungsgebot kann auch gegeben sein, wenn in
verfassungsrechtlich geschützten Grundpositionen einer Prozesspartei eingegriffen
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verfassungsrechtlich geschützten Grundpositionen einer Prozesspartei eingegriffen
wird. Wenn durch die Verwertung einer rechtswidrig erlangten Information oder
eines Beweismittels ein erneuter oder perpetuierender Eingriff in rechtlich
erheblich geschützte Positionen der anderen Prozesspartei erfolgt, kann sich ihre
Verwendung verbieten(vgl. BAG v. 13.12.2007).
Ein Verwendungs- und Verwertungsverbot kommt deshalb allenfalls dann in
Betracht, wenn durch die Videoaufzeichnungen und ihre Auswertung die
Persönlichkeitsrechte des Klägers erheblich verletzt worden wären. Das ist im
vorliegenden Fall aber nicht erkennbar. Bei einer Kollision des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist im Einzelfall zu
ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang vor den Interessen
des Arbeitgebers verdient.
aa) Dass Bilder des Klägers bei Betreten und Verlassen der Towerkanzel
gespeichert wurden, greift in das Recht des Klägers am eigenen Bild ein. Dem
Kläger war zwar bekannt, dass es eine Kamera gab, die Bilder vom
Eingangsbereich der Towerkanzel machte und diese auf Bildschirmen sichtbar
waren. In der Towerkanzel selbst war ein Bildschirm vorhanden. Wenn der Kläger in
dieser Kenntnis jahrelang arbeitete, ist darin eine Einwilligung zu sehen, dass von
ihm durch die Kamera Bilder gemacht wurden. Weder er noch die Beklagte
wussten allerdings, dass teilweise – ausgelöst durch Bewegungen – Bildern mit der
jeweiligen Uhrzeit verbunden aufgezeichnet wurden. Das lag zwar nicht fern.
Insofern kann aber nicht von einer Einwilligung des Klägers ausgegangen werden.
bb) Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Speicherung der
Bilder ist allerdings nicht schwerwiegend. Über die ihm bekannte unmittelbare
Beobachtungsmöglichkeit über den Bildschirm bestand sie nur darin, dass die
Bilder mit der Uhrzeit versehen aufgezeichnet wurden. Es wurden keine
Aufnahmen von ihm über einen längeren Zeitraum und nicht bei der Arbeit oder
sonstigen Aktivitäten gespeichert, sondern allein das kurze Bild beim Verlassen
oder Betreten der Towerkanzel. Die Beklagte hat den Kläger auch nicht gezielt
heimlich beobachten lassen. Nachdem einer ihrer Wachleiter zufällig von den
Aufzeichnungen erfuhr und dann der Verdacht aufkam, dass es in den
Nachtschichten zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, hat sie die Auswertung
unter Beteiligung eines Betriebsratsmitgliedes vornehmen lassen und dem Kläger
die Möglichkeit gegeben, selbst die Aufzeichnungen anzusehen.
cc) Unter den gegebenen Umständen war den Interessen der Beklagten an der
Verwertung der zufällig bekannt gewordenen Informationen der Vorrang zu geben
vor dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Klägers. Die Beklagte ist mit der
Sicherung des Flugverkehrs im öffentlichen Interesse beauftragt. Dazu gehört
auch, dass Lotsenplätze im erforderlichen Umfang besetzt sind. Dieser ergibt sich
aus den Dienstanweisungen. Wenn sie nur für bestimmte Zeiten erlauben, dass
Arbeitsplätze zusammengelegt und von einem Lotsen wahrgenommen werden, so
werden damit nicht wirtschaftliche Interessen verfolgt. Die Besetzung von zwei
Lotsenplätzen während der Zeit bis 01:00 Uhr und ab 05:00 Uhr dient allein der
Sicherheit des Luftverkehrs. Wenn die Beklagte durch Zufall aus
Videoaufzeichnungen erfuhr, dass diese Vorschriften nicht eingehalten wurden,
kann ihr nicht verwehrt werden, diese Informationen zu verwerten.
c) Die Informationen wurden auch nicht unter Verstoß gegen das
Bundesdatenschutzgesetz erlangt. § 6 b BDSG findet keine Anwendung, da die
Kamera an der Tür der Towerkanzel keine öffentlich zugänglichen Räume
beobachtet hat, wie gemäß § 6 b BDSG erforderlich, sondern ein Bereich
überwacht wurde, der nur für einen bestimmten Personenkreis zugänglich ist.
3. a) Eine erhebliche und wiederholte Überziehung von Pausenzeiten ist
grundsätzlich geeignet einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung
darzustellen. Damit wird die Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis
verletzt.
Der Kläger hat seine Pausen zwischen dem 27. Juli und dem 1. September2009in
sieben Nachtschichten und um jeweils etwa 50 Minuten ausgedehnt.
Es handelt sich somit nicht um geringfügige oder sporadische Überschreitungen
der Pausenzeiten, sondern um regelmäßige und erhebliche Verstöße.
b) Grundsätzlich kann es auch einen wichtigen Grund darstellen, wenn ein
Arbeitnehmer seine Anwesenheit am Arbeitsplatz falsch dokumentiert. Ist dem
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Arbeitnehmer seine Anwesenheit am Arbeitsplatz falsch dokumentiert. Ist dem
Arbeitnehmer der Nachweis seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz selbst
überlassen, so stellt es einen schweren Vertrauensmissbrauch dar, wenn er dies
nutzt, um die Wahrnehmung seiner Pflichten vorzutäuschen (BAG vom 13. August
1987 AZR 629/86). Das ist geeignet, als wichtiger Grund eine fristlose Kündigung
zu rechtfertigen. Der Kläger hat hier in den oben genannten Fällen seiner
Anwesenheit am Arbeitsplatz durch unzutreffende Eintragungen in den
Arbeitsplatznachweisen vorgetäuscht.
c) Insbesondere ist es als wichtiger Grund geeignet, wenn ein Fluglotse seinem
Arbeitsplatz zu Zeiten fernbleibt, zu denen dieser Arbeitsplatz von ihm zu
besetzen ist. Damit verstößt er nicht nur ganz allgemein gegen seine
Vertragspflicht zur Arbeitsleistung, sondern verletzt damit die
Sicherungsaufgaben, die ihm übertragenen sind und den Kern seiner Aufgaben
bilden. Hier hat der Kläger an den oben genannten Tagen seinen Arbeitsplatz als
zweiter Fluglotse während Zeiten nicht besetzt, zu denen ihm dies vorgeschrieben
war. Damit hat er es geschehen lassen, dass der Tower mit nur einem Fluglotsen
besetzt war, obwohl - wie ihm bekannt - eine Besetzung mit zwei Fluglotsen
vorgeschrieben war.
4. Die wichtigen Gründe rechtfertigen die fristlose Kündigung bei Beachtung aller
Umstände des vorliegenden Falles und nach Abwägung der widerstreitenden
Interessen. Als Reaktion auf das Fehlverhalten des Klägers hätte eine Abmahnung
nicht ausgereicht und der Beklagten war eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist nicht zumutbar.
a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzungen jedenfalls bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, muss das Interesse des
Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das
Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abgewogen werden (BAG
vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Zu berücksichtigen
sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung -
etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes - der
Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr
sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.
aa) Die Vertragsverletzungen des Klägers wiegen schwer. Der Kläger hat nicht nur
Pause gemacht statt zu arbeiten - ein unmittelbarer materieller Schaden ist der
Beklagten dadurch nicht entstanden - sondern er hat längere Zeit den Platz eines
Fluglotsen unbesetzt gelassen, während dieser besetzt sein musste. Die
Vorschriften über die Besetzung der Lotsenarbeitsplätze dienen nicht den
wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers, sondern unmittelbar der Sicherheit
des Luftverkehrs. Es ist davon auszugehen, dass die Einhaltung der
Besetzungsvorschriften wichtig sind für die Sicherheit des Luftverkehrs und
Gefahren entstehen können, wenn sie nicht eingehalten werden. Der Kläger hat
mehrfach fast eine Stunde seinen Arbeitsplatz unbesetzt gelassen allein um seine
Pause zu verlängern. Gründe außer dem, der eigenen Bequemlichkeit zu frönen
sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat damit in höchstem Maße unverantwortlich
gehandelt und zwar aus nichtigen Gründen.
Um dies zu verschleiern hat der Kläger Arbeitszeitnachweise falsch ausgefüllt. Er
hat dadurch nicht nur das in ihn gesetzte Vertrauen zerstört, sondern auch die
Vertrauenswürdigkeit der Beklagten gefährdet.
bb) Für das Bestandsinteresse des Klägers sind insbesondere der lange Bestand
des Arbeitsverhältnisses des Klägers und seine Unterhaltsverpflichtungen zu
berücksichtigen. Es kann dabei dahinstehen, ob - die Lebenserfahrung außer Acht
lassend - dann, wenn ein Vorfall zeigt, dass das dem Arbeitnehmer
entgegengebrachte Vertrauen nicht berechtigt war für die Vergangenheit immer
davon auszugehen ist, dass er sich früher nichts zu Schulden hat kommen lassen.
Der Kläger mag auch deshalb ein besonderes Bestandsinteresse haben, weil für
den Beruf eines Fluglotsen es in Deutschland kaum einen anderen Arbeitgeber
gibt. Auch unter Berücksichtigung dieser Interessen des Klägers überwiegt aber
das Beendigungsinteresse der Beklagten angesichts der wiederholten
schwerwiegenden Vertragsverletzungen des Klägers, die gleichzeitig zum Verlust
des Vertrauens in seine Zuverlässigkeit führten.
b) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen
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b) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen
angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber
sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Mildere Reaktionen
sind Abmahnung und ordentliche Kündigung, wenn sie geeignet sind, den mit der
außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck zu erreichen (BAG a.a.O. mit
weiteren Nachweisen). Eine Abmahnung bedarf es in Ansehung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung
in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine
so schwere Pflichtverletzung handelt, dass offensichtlich - auch für den
Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist, dass der Arbeitgeber sie hinnimmt
(st. Rsp. siehe nur BAG a.a.O).
Eine Abmahnung war hier entbehrlich. Es handelte sich um derart schwere
Pflichtverletzungen, dass für den Kläger offensichtlich war, dass der Arbeitgeber sie
nicht hinnehmen würde.
aa) Die Besetzung beider Lotsenarbeitsplätze während der Zeit bis 1:00 Uhr
nachts und ab 5:00 Uhr war in der Dienstanweisung vorgeschrieben. Sie diente
dazu den Luftverkehr zu sichern - Kern und alleinige Aufgabe des Klägers. Die
Anweisung, die zweistündige Pause allein in der Zeit zwischen 1:00 Uhr und 5:00
Uhr nachts abzuwickeln verdeutlichte, dass außerhalb dieser Zeit zwei Lotsen im
Tower Dienst tun mussten. Es ist nichts dafür ersichtlich und nichts dafür
vorgetragen, dass es sich dabei um eine überflüssige durch
Sicherheitserfordernisse nicht gebotene Regelung handelte. Weiterhin war
vorgeschrieben, dass die Lotsen persönlich die Übernahme der Arbeitsplätze
dokumentierten. Gerade der Umstand, dass diese Arbeitsplatznachweise nicht in
erster Linie der Erfassung von Arbeitszeit, sondern dem Nachweis der Besetzung
der Lotsenarbeitsplätze dienten machte klar, dass die Besetzung der Arbeitsplätze
während der vorgeschriebenen Zeiten überragende Bedeutung hatte. Auch für
den Kläger war offensichtlich, dass die Beklagte die Nichtbesetzung des
Arbeitsplatzes nicht hinnehmen würde und nicht hinnehmen konnte.
bb) Indem der Kläger diese Arbeitsplatznachweise unrichtig ausfüllte verstieß der
Kläger gegen die entsprechende Anordnung und täuschte dadurch die Beklagte
über die Besetzung seines Arbeitsplatzes. Es war offensichtlich - und für den
Kläger erkennbar - ausgeschlossen, dass die Beklagte dies hinnimmt. Es handelt
sich um einen schwerwiegenden Vertrauensbruch, der nicht nur das Interesse der
Beklagten am ordnungsgemäßen Erbringen der Arbeitsleistung betrifft, sondern
deren Existenzgrundlage und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Abwicklung
ihres Sicherungsauftrages.
cc) Durch die Unterrichtungen ihrer Mitarbeiter, auch des Klägers, über den Vorfall
am Frankfurter Flughafen hatte die Beklagte auch deutlich gemacht, dass sie
Verstöße gegen die Besetzungsanordnungen äußerst ernst nahm. Es kommt
dabei nicht darauf an, ob bei dieser Gelegenheit auch daraufhingewiesen wurde,
dass eine Kündigung als Folge für Verstöße drohe. Bekannt war, dass betroffene
Mitarbeiter der Beklagten suspendiert waren. Jedenfalls hat die Beklagte, wie der
Zeuge B glaubhaft bekundet hat, auch den Kläger nochmals daran erinnert, die
Ablösung und Dokumentationen korrekt vorzunehmen. Der Kläger konnte nicht
damit rechnen, dass die Beklagte sich danach bei vorschriftswidriger Abwesenheit
vom Arbeitsplatz und falscher Dokumentation weiterhin mit einer Erinnerung oder
Abmahnung begnügen würde.
dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte hinsichtlich der
Nürnberger Kollegen des Klägers mit Abmahnungen begnügt hat, obwohl diese
gleichartige Pflichtverstöße begangen haben. Daraus ergibt sich keineswegs, dass
die Beklagte selbst diese Art von Pflichtverstößen für wenig schwer wiegend hielte.
Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie bei einer Kündigung
sämtlicher Betroffenen die Flugsicherung in N für unbestimmte Zeit hätte
einstellen oder auf ein Minimum reduzieren müssen. Wenn die Beklagte deshalb
darauf verzichtete, in jedem Fall eine außerordentliche Kündigung auszusprechen
ergibt sich daraus keineswegs, dass sie selbst eine Abmahnung als genügende
Reaktion ansähe.
Entscheidend ist aber, dass der Kläger und sein Kollege, den ebenfalls
außerordentlich gekündigt wurde, im Gegensatz zu ihren Kollegen ihre
Pflichtverstöße in gleichem oder erhöhten Umfang fortgesetzt haben, nachdem im
Zusammenhang mit den Frankfurter Vorfällen an die Einhaltung der Vorschriften
erinnert wurde. Soweit sich andere Kollegen danach noch unkorrekt verhielten
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erinnert wurde. Soweit sich andere Kollegen danach noch unkorrekt verhielten
geschah dies nur noch im geringfügigen Umfang und in keinem Fall wurde die
Pause solange überzogen, wie dies der Kläger danach noch regelmäßig tat.
Die Beklagte hat nach sachlichen Gesichtspunkten differenziert.
ee) Auf das Vorgehen der Beklagten hinsichtlich des Frankfurter Vorfalls wo es
nicht zu Kündigungen kam - kann sich der Kläger nicht berufen. Es handelte es
sich um ein einmaliges Vorkommnis, das soweit ersichtlich nicht vergleichbar ist.
Jedenfalls hat die Beklagte dort nicht lediglich mit einer Abmahnung reagiert,
sondern es kam zu zumindest zeitweisen Entfernungen aus dem Lotsendienst.
d) Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer
Auslauffrist weiter zu beschäftigen. Für die Beschäftigung eines Fluglotsen ist das
Vertrauen in seine Zuverlässigkeit unabdingbar. Die Beklagte muss darauf
vertrauen können, dass ein Fluglotse seinen Arbeitsplatz entsprechend den
Vorschriften wahrnimmt und dies zutreffend dokumentiert. Dies gilt insbesondere
während der Nachtschichten, in denen eine Kontrolle der beiden Diensttuenden
faktisch entfällt. Dieses Vertrauen ist nach den fortgesetzten Täuschungen des
Klägers über seine Anwesenheit am Arbeitsplatz verloren gegangen.
5. Die Beklagte hat auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Als frühester
Zeitpunkt einer Kenntnis der Beklagten kommt überhaupt der 3. September 2009
in Betracht, als der Zeuge Meyer zusammen mit dem Zeugen Günter die
Videoaufzeichnungen auswertete. Allerdings durfte die Beklagte danach die
Auswertung am 4. September 2009 sowie eine Stellungnahme der Betroffenen
abwarten. Die Kündigungen am 16. September 2009 erfolgte demgemäß
fristgerecht.
II.
Die Kündigung ist nicht unwirksam wegen Verstoßes gegen die
Gesamtbetriebsvereinbarung "Verarbeitung und Auswertung von Daten durch
technische Systeme" vom 1. Oktober 2008. Allerdings sind nach deren § 3 Abs. 2
arbeitsrechtliche Maßnahmen unwirksam, die auf eine unzulässige
Datenauswertung zurückzuführen sind. Die Kündigung ist auf eine
Datenauswertung zurückzuführen. Ob diese allerdings in dem Sinne unzulässig
war, dass die Videoaufzeichnungen überhaupt den Geltungsbereich dieser
Betriebsvereinbarung unterfielen kann dahinstehen. Jedenfalls ist diese
Gesamtbetriebsvereinbarung unwirksam. Die Gesamtbetriebsvereinbarung wurde
vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossen ohne dass dieser vom zuständigen
Betriebsrat damit beauftragt worden wäre. Eine originäre Zuständigkeit kam ihm
aber nicht zu für sämtliche von der Beklagten genutzten technischen Systeme.
Insbesondere war keine Zuständigkeit für das am Flughafen Nürnberg installierte
Videoaufzeichnungssystem gegeben. Dieses System wurde nur in Nürnberg, den
Zuständigkeitsbereich des dortigen Betriebsrats genutzt. Es handelte sich damit
schon um keine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen oder mehrere
Betriebe betroffen hätte wie § 50 Abs. 1 BetrVG für die Zuständigkeit des
Gesamtbetriebsrats fordert (vergleiche nur BAG vom 14. November 2006 - 1 ABR
4/06 - NZA 2007,399).
III.
Die Kündigung ist auch nicht unwirksam gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG. Die Beklagte
hat den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Sie hat dem Betriebsrat mit ihrem
Anhörungsschreiben vom 10. September 2009 die Kündigungsgründe im
Einzelnen mitgeteilt. Ein Mangel der Anhörung kann sich entgegen der Ansicht des
Klägers auch nicht daraus gegeben, dass die Beklagte dem Betriebsrat nicht die
Differenzierungsgründe mitgeteilt habe, aus denen ihm im Gegensatz zu anderen
betroffenen Fluglotsen gekündigt wurde wie er behauptet.
1. Die Beklagte hat den Betriebsrat alle Tatsachen mitgeteilt, auf die sie ihre
Kündigung stützen will. Das genügt. Tatsachen, die sie dem Betriebsrat nicht
mitteilt, kann sie auch nicht im Kündigungsschutzprozess verwenden. Im
Kündigungsschutzprozess hat die Beklagte nur die dem Betriebsrat mitgeteilten
Tatsachen verwendet.
2. Allerdings kann es zu einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats
gehören, ihm auch entlastende Umstände mitzuteilen. Das könnte hier das
gleichartige Verhalten von Kollegen sein. Auch dieses hat die Beklagte dem
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gleichartige Verhalten von Kollegen sein. Auch dieses hat die Beklagte dem
Betriebsrat mitgeteilt, indem sie diesem die gesamten Auswertungen der
Videoaufzeichnungen und Arbeitszeitnachweise zur Verfügung stellte.
3. Die Beklagte hat den Betriebsrat nicht wissentlich falsch informiert. Allerdings
enthält die Anhörung den Satz, dass alle anderen Mitarbeiter - bis auf den
ebenfalls gekündigten Kollegen - "seit dem Briefing vom 17. August 2009 keine
Pausenüberschreitungen mehr vorgenommenen" hätten, obwohl auch danach
noch Kollegen in geringem Umfang ihre Pausen falsch dokumentiert und
überschritten hatten. Gemeint war offensichtlich, dass die anderen Mitarbeiter
keine wesentlichen Pausenüberschreitungen mehr vornahmen Aus den dem
Betriebsrat überlassenen Auswertungen ging hervor, dass und in welchem Umfang
andere Lotsen die Pausen überschritten hatten. Die Beklagte hatte den
Betriebsrat mithin auch darüber informiert.
4. Weiter ist die Kammer der Überzeugung, dass der Betriebsrat von der
Beklagten darüber informiert worden war, dass die Beklagte differenzierte
zwischen drei Gruppen, und zwar einer Gruppe von Fluglotsen, die in geringerem
Umfang im Minutenbereich die angegebene Arbeitszeit nicht eingehalten hatte,
eine andere Gruppe, die in erheblichem Umfang die angegebene Arbeitszeit nicht
eingehalten hatte, dies Verhalten aber nach den Briefing vom 17. August 2009
verändert hatte und eben jenen, die ihr Verhalten nach den Briefing fortgesetzt
hatten, nämlich dem Kläger und dem andern gekündigten Kollegen.
Die Zeugin D hat bekundet, dass sie in diese Differenzierungen zunächst dem
Zeugen E, dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und noch vor der
Stellungnahme des Betriebsrats auch dem Betriebsratsvorsitzenden I mitteilte.
Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft und glaubwürdig. Es besteht kein
vernünftiger Grund, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln.
Solche Zweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass die Zeugen E und I als ihre
Gesprächspartner dies nicht bestätigt haben. Der Zeuge E hat nur bekundet, dass
die Zeugin D mit ihm nicht über die beabsichtigte Kündigung von zwei Fluglotsen
gesprochen habe und er nicht mehr da gewesen sei als die schriftliche Anhörung
erfolgte. Das steht nicht notwendig im Widerspruch zur Aussage der Zeugin D. Bei
diesem Zeugen war im Übrigen deutlich erkennbar, dass dieser bei seiner
Aussage vermeiden wollte, als an der Kündigung beteiligt dazustehen.
Soweit der Zeuge I bestritten hat, dass ihm die von der Zeugin D bekundete
Differenzierungen mitgeteilt worden sei und ihm nicht erläutert worden sei, wie so
der Kläger und sein Kollege eine außerordentliche Kündigung und nicht nur eine
Abmahnung erhielten erscheint das nicht glaubhaft. Ein Gespräch hinsichtlich der
Kündigungen fand nach beider Aussagen vor der Sitzung und der Stellungnahme
des Betriebsrats statt. Zu dieser Zeit war aufgrund der geführten Gespräche mit
allen betroffenen Mitarbeitern bekannt, dass durch die Videoaufzeichnungen
herausgekommen war, dass fast alle Lotsen ihre Pausen überschritten hatten.
Wenn nun nur zwei von ihnen gekündigt werden sollte erscheint es höchst
unwahrscheinlich, dass kein Wort darüber gefallen sein sollte, wieso ausgerechnet
diesen beiden. Es war deutlich erkennbar, dass der Zeuge I bestrebt war, dem
Kläger zu helfen. Er hat deutlich gemacht, dass er die Kündigung nicht nur für
ungerechtfertigt hielt: er hat zum Ausdruck gebracht, dass er persönlich dessen
Verhalten billigte und kein Verständnis für das Vorgehen der Stationsleiterin
aufbrachte. Unter diesen Umständen kann seiner Aussage die Glaubwürdigkeit der
Aussage der Zeugin D nicht erschüttern, die stets sachliche und präzise
Tatsachen bekundete.
B.
Der Kläger hat gem. § 630 BGB Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis.
C.
Die Kosten hat der Kläger gem. § 91Abs.1 ZPO in Verbindung mit § 92 Abs.2 ZPO
in vollem Umfang zu tragen, da sein Obsiegen mit der nicht umstrittenen
Forderung nach einem qualifizierten Zeugnis nur verhältnismäßig geringfügig war.
D.
Die Zulassung der Revision war nicht geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.